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Minderung der Unterkunftskosten durch Betriebskostenguthaben

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg – Az.: L 34 AS 1468/16 – Urteil vom 15.03.2018

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Mai 2016 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 29. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Januar 2015 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01. bis zum 31. Juli 2014 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. 212,15 € zu bewilligen.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat Juli 2014.

Die 1955 geborene, alleinstehende Klägerin wohnt seit Februar 2001 in einer 58 qm großen 2,5 Zimmer-Wohnung unter der im Rubrum angegebenen Adresse, für welche sie in der Zeit vom 01. Januar bis zum 30. April 2013 eine monatliche Gesamtmiete i.H.v. 391,81 € (198,42 € Grundmiete zzgl. Vorauszahlungen <VZ> für Betriebskosten i.H.v. 91,09 € sowie für Heizkosten i.H.v. 102,30 €) sowie vom 01. Mai 2013 bis zum 30. Juni 2015 i.H.v. 398, 42 € (198,42 € Grundmiete zzgl. VZ für Betriebskosten i.H.v. 95,00 € sowie für Heizkosten i.H.v. 105,00 €) schuldete. Aufgrund des Antrags der Klägerin vom 02. April 2008 wird die Miete vom Beklagten direkt an die Vermieterin – die Wohnungsbaugenossenschaft E e.G. – gezahlt. Die Klägerin bezieht eine Witwenrente, deren Auszahlungsbetrag sich ab dem 01. Juli 2013 auf 375,80 €, ab dem 01. Juli 2014 auf 385,08 €, ab dem 01. Januar 2015 auf 383,80 € und ab dem 01. Juli 2015 auf 393,30 € belief.

Minderung der Unterkunftskosten durch Betriebskostenguthaben
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 06. Mai 2014 (beim Beklagten eingegangen am folgenden Tag) an den Beklagten und teilte mit, dass in der diesjährigen Betriebskostenabrechnung, von welcher sie dem Beklagten noch eine Kopie zukommen lassen werde, ein Guthaben i.H.v. 212,15 € enthalten sei. Sie bitte um Abzug der 212,15 € von ihrem Konto erst im Juni 2014, da sie noch einige Abzahlungsverpflichtungen bedienen müsse. Mit Schreiben vom 08. Mai 2014 antwortete der Beklagte, eine Verrechnung des Guthabens mit der Leistung für Juni bzw. Juli 2014 sei selbstverständlich möglich, und bat um Übersendung der Abrechnung nebst einem Nachweis über den Zufluss des Guthabens (Kontoauszug). In der am 28. Mai 2014 beim Beklagten als Kopie eingegangenen Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2013 vom 24. März 2014 hatte die Vermieterin ein Guthaben der Klägerin i.H.v. 212,15 € festgestellt und ausgeführt, dass das Guthaben im Falle des Bestehens von Forderungen aus dem Vertragsverhältnis mit den Forderungen verrechnet werde. Da die Klägerin aktuell nicht am Lastschriftverfahren teilnehme, werde um umgehende Mitteilung der Bankverbindung gebeten. Alternativ könne die Klägerin das Guthaben mit der nächsten Mietzahlung verrechnen.

Mit vorläufigem Bescheid vom 06. Juni 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01. Juli bis zum 31. Dezember 2014 Leistungen für den Monat Juli 2014 i.H.v. insgesamt 231,47 € (45,20 € Regelbedarf <RB> zzgl. 186,27 € Kosten für Unterkunft und Heizung <KdUH>) sowie für August bis einschließlich Dezember 2014 i.H.v. monatlich insgesamt 422,95 € (45,20 € RB zzgl. 377,75 € KdUH). Sollte sich die Rente zum 01. Juli 2014 erhöhen, werde um umgehende Mitteilung gebeten. Vorerst werde die alte Rente berücksichtigt. Die Betriebskostenabrechnung 2013 habe ein Guthaben i.H.v. 212,15 € ergeben. Dieses Guthaben sei auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts anzurechnen und mindere die Kosten der Unterkunft im Folgemonat des Zuflusses. Da eine Auszahlung des Guthabens noch nicht erfolgt sei, werde dies mit der Mietzahlung für Juli 2014 verrechnet. Der Vermieter erhalte eine gesonderte Mitteilung. Mit Schreiben vom selben Tag unterrichtete der Beklagte die Vermieterin von seiner Absicht, das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung mit der nächsten Mietzahlung im Juli 2014 zu verrechnen und in diesem Monat lediglich 186,27 € Miete zu überweisen.

Mit ihrem Widerspruch vom 02. Juli 2014 wandte sich die Klägerin gegen die für den Monat Juli 2014 vom Beklagten ermittelte Leistungshöhe. Hinsichtlich der Monate August bis Dezember 2014 werde kein Widerspruch erhoben. Entsprechend der Betriebskostenabrechnung der Vermieterin hätte die Verrechnung des Guthabens im April 2014 erfolgen müssen. Gekürzt worden seien jedoch die Unterkunftskosten für Juli 2014. Dies sei falsch.

Mit Änderungsbescheid vom 29. Juli 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin unter Berücksichtigung der zum 01. Juli 2014 erhöhten Witwenrente Gesamtleistungen für den Monat Juli i.H.v. 222,19 € (35,92 € RB zzgl. KdUH i.H.v. 186,27 €) sowie für die Monate August bis einschließlich Dezember 2014 i.H.v. monatlich 413,67 € (35,92 € RB zzgl. 377,75 € KdUH).

Mit Widerspruchsbescheid vom 09. Januar 2015 (W 1380/14) wies der Beklagte den Widerspruch schließlich zurück. Gemäß § 22 Abs. 3 SGB II minderten Rückzahlungen und Guthaben im Zusammenhang mit der Nebenkostenabrechnung des Vermieters die nach dem Monat der Rückzahlung oder Gutschrift entstehenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergebe sich vorliegend jedenfalls keine Leistungsrelevanz im April 2014. Das Guthaben sei nicht im März 2014 ausgezahlt worden, weshalb eine Anrechnung im Folgemonat nicht erfolgen könne. Das Guthaben sei auch seitens der Klägerin selbst nicht bei der laufenden Mietzahlung im April 2014 berücksichtigt worden. Mit Schreiben vom 06. Mai 2014 habe die Klägerin ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, dass das Guthaben im Folgemonat (d.h. Juni 2014) angerechnet werden solle. Daher ergebe sich die Minderung der laufenden Miete im Juni 2014, was zur Folge habe, dass sich der Leistungsanspruch nach § 22 Abs. 3 SGB II im hierauf folgenden Monat (d.h. Juli 2014) mindere. Der Guthabenbetrag von 212,15 € sei von den tatsächlichen Kosten i.H.v. 398,42 € in Abzug gebracht und der Restbetrag von 186,27 € korrekt in die Berechnung der SGB II-Leistungen eingestellt worden.

Hiergegen hat die Klägerin am 02. Februar 2015 Klage vor dem Sozialgericht Cottbus erhoben und vorgetragen, sie selbst habe weder eine Verrechnung der Betriebskosten vorgenommen noch sei ihr das Betriebskostenguthaben von der Vermieterin ausgezahlt worden. Vielmehr habe der Beklagte eine Verrechnung im Juli 2014 vorgenommen, was von der Vermieterin auch bestätigt worden sei (Schreiben vom 30. März 2015). Daher hätte eine Minderung der Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II nicht im Juli, sondern im August 2014 erfolgen dürfen.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. Mai 2016 abgewiesen. Gegenstand des Klageverfahrens seien die Ansprüche der Klägerin im Monat Juli 2014. Der Bescheid vom 29. Juli 2014, der die endgültige Leistungsfestsetzung darstelle, sei nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Die zulässige Klage sei unbegründet. Zutreffend habe der Beklagte im Monat Juli 2014 lediglich einen Bedarf für Unterkunft und Heizung i.H.v. 186,27 € berücksichtigt, denn das Betriebskostenguthaben i.H.v. 212,15 € sei auf die Miete im Juli 2014 anzurechnen gewesen. Der Beklagte habe dem Vermieter der Klägerin in diesem Monat lediglich die um das Guthaben geminderte Miete überwiesen, sodass allein in diesem Umfang ein Bedarf der Klägerin bestanden habe. Die Verrechnung, die in der Betriebskostenabrechnung 2013 vorgesehen sei, obliege dem Beklagten. § 22 Abs. 7 SGB II sehe die Möglichkeit vor, dass der Beklagte die Miete direkt an den Vermieter überweise. Entsprechend seien die Beteiligten verfahren. Der Passus in der Betriebskostenabrechnung 2013 stehe der Berücksichtigung des Guthabens im Juli 2014 nicht entgegen. Aus der Betriebskostenabrechnung ergebe sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass das Guthaben mit der Miete im April 2014 verrechnet werde. Vielmehr gebe der Vermieter lediglich die Möglichkeit, das Guthaben mit der nächsten Mietzahlung zu verrechnen. Eine Verrechnung durch den Vermieter sollte aber gerade nicht stattfinden und habe tatsächlich auch nicht stattgefunden. Auch die Regelung des § 22 Abs. 3 SGB II stehe der Berücksichtigung des Guthabens im Juli 2014 nicht entgegen. § 22 Abs. 3 SGB II sei nur auf die Konstellation anwendbar, in der der Leistungsempfänger die Miete an den Vermieter zahle. § 22 Abs. 3 SGB II modifiziere den Zeitpunkt des Zuflusses des Einkommens. Hier sei der Klägerin das Guthaben aber tatsächlich nicht zugeflossen. Das Guthaben habe ihr als bereites Mittel nie zur Verfügung gestanden. Der Beklagte habe die Verrechnung mit dem Mietzins selbst vorgenommen und auf diese Weise über das Guthaben verfügt. Darüber hinaus spreche die Zweckrichtung des § 22 Abs. 3 SGB II gegen eine Anwendung. Zweck sei die Verwaltungsvereinfachung. Mit der Regelung solle ein nachfolgendes Aufhebungs- und Erstattungsverfahren vermieden werden. Bei einer Direktzahlung durch das Jobcenter an den Vermieter greife diese Zwecksetzung jedoch nicht. In diesem Falle zahle das Jobcenter gerade in dem Monat der Verrechnung weniger Miete und gewähre demzufolge schon rein tatsächlich einen geringeren Unterkunftsbedarf. Dies spiegele sich in dem entsprechenden Bescheid wider. Ein anderes Vorgehen sei dem Beklagten nicht möglich gewesen. Da der Unterkunftsbedarf durch ihn direkt gedeckt werde, könne eine Verrechnung der Miete mit einer Gutschrift den Unterkunftsbedarf nur im Monat der Verrechnung mindern. Anderenfalls müssten der Klägerin für den Monat der Verrechnung Unterkunftskosten ausgezahlt werden, die im Folgemonat wieder zurückverlangt werden müssten. Dies erscheine widersinnig. Auf den Hilfebedarf der Klägerin i.H.v. 577,27 € (391,00 € RB zzgl. 186,27 € KdUH) sei das Einkommen aus Witwenrente i.H.v. 385,08 €, bereinigt um die Versicherungspauschale i.H.v. 30,00 € (§ 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei Arbeitslosengeld II/Sozialgeld <Alg II-VO>), anzurechnen. Der Leistungsanspruch der Klägerin habe sich im Juli 2014 demnach auf 222,19 € (577,27 € abzügl. 355,08 €) belaufen.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 30. Mai 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Juni 2016 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene, vom Sozialgericht zugelassene, Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren fortführt. Der Beklagte habe die Verrechnung durchgeführt, ohne hierfür von ihr bevollmächtigt gewesen zu sein. Sie habe ihren Anspruch auf Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung auch nicht an die Vermieterin abgetreten.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Mai 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 29. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Januar 2015 zu verurteilen, ihr für den Monat Juli 2014 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. 212,15 € zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 11. Mai 2017 (Klägerin) und 09. Juni 2017 (Beklagter) mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Beklagten (3 Bände ) verwiesen, die Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene (§ 151 SGG) Berufung der Klägerin ist statthaft. Das Landessozialgericht ist an die Zulassung der Berufung in dem angefochtenen Urteil gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG). Die Berufung ist darüber hinaus begründet.

Streitgegenstand ist allein die Bewilligung höherer Leistungen nach dem SGB II für den Monat Juli 2014. Gegenständlich ist insoweit der endgültige Bewilligungsbescheid vom 29. Juli 2014, der den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 06. Juni 2014 vollumfänglich ersetzt hat, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Januar 2015. Diese Bescheide sind, soweit mit ihnen der Klägerin für den Monat Juli 2014 lediglich Leistungen i.H.v. insgesamt 222,19 € bewilligt worden sind, rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten.

Die erwerbsfähige Klägerin, die die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hatte, konnte im gegenständlichen Zeitraum ihren Gesamtbedarf (Regelbedarf gemäß § 20 SGB II sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II) nicht vollständig aus eigenem Einkommen und Vermögen decken. Sie war daher Leistungsberechtigte i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, weil sie die Voraussetzungen dieser Norm erfüllte, insbesondere hilfebedürftig i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II war. Sie hat im streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf höhere als die bereits vom Beklagten zuerkannten Leistungen in Gestalt von Leistungen zur Deckung ihrer Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Die vom Beklagten in dem angefochtenen Bescheid für den Monat Juli 2014 zugrunde gelegten Bedarfe für Unterkunft und Heizung erweisen sich als zu niedrig.

Der Gesamtbedarf der Klägerin belief sich im Juli 2014 auf 789,42 € (391,00 € RB zzgl. 398,42 € KdUH). Auf diesen Gesamtbedarf ist das von der Klägerin erzielte Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II in der Gestalt der Witwenrente anzurechnen. Diese ist zuvor, wie das Sozialgericht zutreffend aufgezeigt hat, um die Versicherungspauschale i.H.v. 30,00 € (§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO) zu bereinigen, sodass letztlich ein Betrag i.H.v. 355,08 € (385,08 € – 30,00 €) auf den RB (§ 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II) anzurechnen ist mit der Folge, dass ein RB i.H.v. 35,92 € verbleibt.

Das in der Betriebskostenabrechnung vom 24. März 2014 ausgewiesene Guthaben i.H.v. 212,15 € ist ebenfalls Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 22 Abs. 3 SGB II. Nach § 22 Abs. 3 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011 mindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen. § 22 Abs. 3 SGB II modifiziert damit abweichend von § 19 Abs. 3 Sätze 2 f. SGB II für Rückzahlungen und Guthaben, die den Bedarfen für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die Reihenfolge der Einkommensberücksichtigung und bestimmt, dass sie die für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung entstehenden Aufwendungen mindern. Außerdem wird der Zeitpunkt der Berücksichtigung des Zuflusses auf den Folgemonat verschoben und sind die Absetzbeträge des § 11b SGB II nicht zu berücksichtigen (vgl. Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. A. 2015, § 22, Rn. 162).

Nach dem Wortlaut der Betriebskostenabrechnung vom 24. März 2014 konnte die Klägerin realistischerweise frühestens im April 2014 – nach Bekanntgabe ihrer Bankverbindung – mit einer Rückerstattung rechnen. Auch wenn die Klägerin das Guthaben tatsächlich selbst nie von der Vermieterin erhalten hat, ist rechtlich gesehen dennoch von einem Zufluss an die Klägerin auszugehen. Denn die tatsächliche Buchung des Guthabens auf dem Konto der Klägerin ist nicht notwendig, um die Rechtsfolge des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II auszulösen. Entscheidend ist nicht die tatsächliche Zahlung eines bestimmten Geldbetrags unmittelbar an den Hilfebedürftigen oder die tatsächliche Gutschrift zugunsten des Hilfebedürftigen, sondern ob die Aufwendungen für Unterkunft oder Heizung durch die Rückzahlung oder das Guthaben tatsächlich gemindert werden. Dies ist der Fall, wenn dem Hilfebedürftigen die Mittel aus der Gutschrift oder der Rückzahlung konkret zur Verfügung stehen (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012 – L 3 AS 189/11 – juris Rn. 19f). Eine Betriebskostenabrechnung kann daher dann als anrechnungsfähiges Einkommen bewertet werden, wenn der begünstigte Mieter auch die „tatsächliche Verfügungsgewalt“ über das Guthaben besitzt und diesen Vermögensvorteil ohne weiteres hätte realisieren können. Dies bedeutet, dass die Gutschrift dem Mieter als „bereites Mittel“ zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen muss (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 132/11 R – juris).

Hiervon ist im April 2014 auszugehen, denn frühestens in diesem Monat hätte die Klägerin – bei Mitteilung ihrer Bankverbindung – mit einer Auszahlung des Guthabens rechnen können bzw. mit dieser Miete hätte sie selbst frühestens das Guthaben verrechnen können. Keineswegs war die Klägerin aufgrund der Regelung des § 22 Abs. 7 SGB II rechtlich oder tatsächlich daran gehindert, sich das Guthaben auszahlen zu lassen. Die Klägerin hatte auch keine Mietrückstände, gegen welche die Vermieterin das Guthaben „verrechnet“ (richtig: aufgerechnet) hätte. Der Zufluss ist nicht erst in dem Moment eingetreten, in welchem der Beklagte der Vermieterin lediglich den geminderten Bedarf für Unterkunft und Heizung ausgezahlt hat. Denn hierbei handelt es sich lediglich um die der Minderung des Bedarfs infolge der Anwendung von § 22 Abs. 3 SGB II nachfolgende Ausführungshandlung der Auszahlung. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 Abs. 3 SGB II minderte das Guthaben also die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Folgemonat des Zuflusses, d.h. im Mai 2014. Eine andere Bestimmung könnte sich im vorliegenden Fall allenfalls daraus ergeben, dass die Klägerin mit Schreiben vom 06. Mai 2014 ausdrücklich um einen „Abzug“ von ihrem „Konto“, d.h. eine Minderung im Monat Juni 2014 bat und der Beklagte sich hierauf mit Schreiben vom 08. Mai 2014 eingelassen hat. Dies könnte als eine einvernehmliche Bestimmung des Monats, in dem die Minderung eintritt, auszulegen sein. Dem Schreiben der Klägerin ist entgegen der vom Beklagten im Widerspruchsbescheid geäußerten Ansicht nicht zu entnehmen, dass die Klägerin den Zuflussmonat auf den Juni 2014 – mit der Folge, dass die Minderung im Juli 2014 eintreten würde – bestimmen wollte, denn ausdrücklich bat sie, das Guthaben im Juni 2014 „abzuziehen“.

Zwar dürfte den Beteiligten eine solche Bestimmung des Anrechnungszeitpunktes abweichend vom gesetzlichen Wortlaut gar nicht möglich sein. Letztlich kann dies hier allerdings dahingestellt bleiben, denn in keinem Falle folgt aus dem Gesetzeswortlaut des § 22 Abs. 3 SGB II oder dem Schreiben der Klägerin vom 06. Mai 2014 eine Minderung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Monat Juli 2014.

Hieran ändert sich auch nichts durch die Tatsache, dass der Beklagte die Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II (§ 22 Abs. 4 SGB II a.F.) direkt an die Vermieterin erbringt. Die Vorschrift schafft eine Verpflichtung zur Auszahlung von bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung an Vermieter oder andere Empfangsberechtigte, wenn der Leistungsberechtigte dies so vom Leistungsträger begehrt (Piepenstock a.a.O. Rn. 224). Für diese Dritten wird durch die Regelung lediglich eine Empfangsberechtigung geschaffen. Die hierin enthaltene Zahlungsbestimmung begründet keine Rechte und Pflichten von Vermietern oder anderen Empfangsberechtigten gegenüber dem Leistungsträger. Wird an den Dritten gezahlt, so führt dies auch nicht zu einer Gesamtschuldnerschaft. Der Leistungsträger kann – auch bei Einwilligung in die Direktzahlung an den Dritten durch den Leistungsberechtigten – die Leistung grundsätzlich nur vom Leistungsberechtigten zurückfordern. Eine durch den Leistungsträger verursachte verspätete Zahlung der Miete an den Vermieter berechtigt diesen auch nicht zur Kündigung des Mietverhältnisses, weil der Leistungsträger nicht Erfüllungsgehilfe des Leistungsberechtigten als Mieter ist und sich dessen Verschulden nicht zurechnen lassen muss. Der Leistungsberechtigte schaltet den Leistungsträger insoweit nicht als Hilfsperson zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Vermieter ein, er wendet sich vielmehr selbst an eine staatliche Stelle, um die notwendigen Mittel zur Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes zu erlangen (Piepenstock a.a.O. Rn. 227f). § 22 Abs. 7 SGB II führt also nicht zur Begründung einer direkten Leistungsbeziehung zwischen dem Leistungsträger – hier dem Beklagten – und dem Vermieter. Der Beklagte rückt auch nicht kraft Gesetzes in vertragliche Rechte oder Pflichten der Klägerin als Mieterin gegenüber deren Vermieter ein. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin auch nicht ihren Anspruch auf Leistungen zur Deckung ihrer Bedarfe für Unterkunft und Heizung an die Vermieterin abgetreten. Eine „Verrechnung“ (korrekt: Aufrechnung i.S.d. § 387 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) des Guthabens mit der Miete gegenüber der Vermieterin der Klägerin durch den Beklagten war rechtlich nicht zulässig. Aus § 22 Abs. 7 SGB II folgt lediglich, dass der Leistungsträger im Monat der Minderung nach § 22 Abs. 3 SGB II nur diesen geminderten Bedarf („Soweit Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird …“) an den Vermieter zahlt.

Soweit das Sozialgericht die Auffassung vertritt, § 22 Abs. 3 SGB II gelte nur für die Konstellation, dass die Miete durch den Leistungsberechtigten selbst an den Vermieter gezahlt wird, ergibt sich dies nicht aus dem Wortlaut der Vorschriften § 22 Abs. 3 und 7 SGB II. Es ist auch weder eine Unklarheit des Gesetzes noch eine Gesetzeslücke erkennbar, die in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation zur Notwendigkeit der Auslegung (systematisch, historisch oder teleologisch) des § 22 Abs. 3 SGB II führen würde. Insbesondere ist Zweck des § 22 Abs. 3 SGB II nicht – wie vom Sozialgericht behauptet – allein oder vorrangig die Verwaltungsvereinfachung. Die Gerichte sind – wie auch der Beklagte – an das geltende Recht und Gesetz gebunden. Allein die Tatsache, dass die Anwendung der geltenden Gesetze im Einzelfall zu „widersinnigen“ Ergebnissen führt, berechtigt die Gerichte nicht, Gesetze abweichend von ihrem Wortlaut „auszulegen“.

Die Klägerin hatte demnach im Juli 2014 einen ungedeckten Gesamtbedarf i.H.v. 434,34 € (35,92 € RB zzgl. 398,42 € KdUH). Der Beklagte hat jedoch mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Januar 2015 lediglich Gesamtleistungen i.H.v. 222,19 € bewilligt (35,92 € RB zzgl. 186,27 € KdUH), sodass die Klägerin für diesen Monat noch Anspruch auf weitere Leistungen in Form von Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II i.H.v. 212,15 € hat, auch wenn sie selbst ursprünglich um eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Berücksichtigung der geminderten Bedarfe für Unterkunft und Heizung gebeten hatte und ihr somit von vornherein bewusst war, dass das Guthaben als Einkommen anzurechnen war. Gerade vor dem Hintergrund des Schreibens der Klägerin vom 08. Mai 2014 kann der Senat nicht verhehlen, dass er das vorliegende Ergebnis für unbefriedigend hält. Denn letztlich wollte der Beklagte nur der Bitte der Klägerin um spätere Berücksichtigung ihrer geminderten Bedarfe entsprechen. Ob die Klägerin zukünftig mit entgegenkommendem Verhalten des Beklagten rechnen kann, dürfte fraglich sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

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