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Nachentrichtung Gesamtsozialversicherungsbeitrag durch Arbeitgeber bei Schwarzarbeit

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt – Az.: L 3 BA 9/18 – Urteil vom 13.10.2022

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Den Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte aufgrund der nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV) durchgeführten Beitragsüberwachung von der Klägerin zu Recht Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 37.305,16 € (inklusive Säumniszuschlägen i.H.v. 12.340,00 € nach § 24 Abs. 1 SGB IV) fordert.

Die 1973 geborene Klägerin meldete am 25. Juli 2008 das Gewerbe „Bewachungsunternehmen gem. § 34a GewO, Seminare und Trainings-, Schutzhundeservice, Hundeführerausbildung“ an und gab als Beginn der angemeldeten Tätigkeit den 8. August 2008 sowie als Anschrift der Wohnung und der Betriebsstätte jeweils E-Allee in F an. Bereits ab Mai 2008 erstellte sie Rechnungen unter „T1-GbR“ und gab als Bankverbindung ein Konto bei der C-Bank AG (Filiale P.) an. Nachfolgend – ca. ab Mitte August 2008 – ist als Rechnungssteller „T2“ angegeben und als Inhaber des vorgenannten Kontos „T1 GbR. Die Kontaktdaten sind erstmals im Dezember 2009 handschriftlich von B@t.de in T2@a.de geändert; diese Änderung wurde dann im Briefkopf fortlaufend dementsprechend angepasst. Unter dem 27. Januar 2010 meldete die Klägerin das vorgenannte Gewerbe zum 31. Dezember 2009 ab und gleichzeitig das Gewerbe „Bewachungsunternehmen gem. § 34a GewO, Seminare und Training, Hausservice im Bereich Garten- und Landschaft, anfallende kleinere Arbeiten im Haus (ausgeschlossen sind handwerkliche Tätigkeiten), Büroservice (z.B. Korrespondenz, Korrekturlesen, Kopieren, vorbereitende Buchhaltung etc.)“ zum 25. Januar 2010 an. Als Anschrift der Wohnung ist weiterhin E-Allee in F, als Betriebsstätte F-Straße in F, angegeben. Ab Mai 2010 erstellte sie Rechnungen zunächst mit dem Briefkopf „D1“ und einer Bankverbindung bei der S-Bank AG, Kontoinhaber D1 sowie zuletzt unter „D2 “ (mit vorgenannter Bankverbindung). Das letztgenannte Gewerbe meldete die Klägerin unter dem 19. Mai 2011 zum 31. Mai 2011 aus persönlichen/familiären Gründen ab und teilte hierzu als Anschrift der Wohnung G-Straße in H mit. Unter der vorgenannten Anschrift ist die Klägerin seit dem 1. März 2011 fortlaufend gemeldet. In der Betriebsstättendatei wurden für den Zeitraum von Mai 2008 bis Mai 2011 unter der Betriebsnummer „1****90 D1.“insgesamt zwölf unterschiedliche Arbeitnehmer zur Sozialversicherung gemeldet. In den aktenkundigen Lohnabrechnungen ist als Arbeitgeber „D1, E-Allee in F “ bzw. „D1, F-Straße in F angegeben.

Aufgrund einer anonymen Anzeige beim Finanzamt Nauen (Eingang am 19. April 2010) wegen der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1., 4., und 12. als „400 €-Jobber“, die daneben Leistungen der Agentur für Arbeit bezögen und Mehrstunden „schwarz“ ausgezahlt bekämen, und des Beigeladenen zu 15., der „Hartz IV“ bezöge, sowie weiterer 15 „Schwarzarbeiter“ gelangten am 5. Mai 2010 die Übersichten von Einsatzplänen für April und Mai 2010 zur Kenntnis des Hauptzollamtes Potsdam.; insoweit wird auf Blatt 106 und 111 der Ermittlungsakte verwiesen.

Am 10. Mai 2010 stellte der Beigeladene zu 2. beim Polizeipräsidium Potsdam Strafanzeige gegen die Klägerin wegen Betruges und Unterschlagung von Arbeitsentgelt für 3500 geleistete Arbeitsstunden à 6,25 €. Er habe im Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis zum 1. November 2009 für die „Firma T2 Inhaberin Frau K “ gearbeitet und keine Vergütung erhalten. Bei der im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahrens (4** Js *****/10 Wi) durchgeführten Zeugenvernehmung gab der Beigeladene zu 2. am 20. Dezember 2010 an, die vorgenannte Firma sei im Frühjahr 2008 von der Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt seine Lebensgefährtin gewesen sei, gegründet worden. Er sei von ihr in ihrem Unternehmen angestellt worden und habe ab dem 1. Mai 2008 als Einsatzleiter und Diensthundeführer in ihrem Sicherheitsdienst gearbeitet. Seine Aufgaben seien Kontrolle der Mitarbeiter, Verteilen der Einsatzpläne, Kontrolle der Hunde, Einsammeln der Wochenzettel und Betreuung der Mitarbeiter sowie Streifendienst mit Hund gewesen. Die letztgenannte Tätigkeit habe den Hauptteil seiner Arbeit ausgemacht. Er habe hierbei zwischen 250 und 400 Stunden im Monat – hauptsächlich in Nachtschicht – gearbeitet. Gelebt habe er von einer Berufsunfähigkeitsrente aus seiner Tätigkeit als Dachdecker in Höhe von etwas über 600,00 €. Wegen der vom Beigeladenen zu 2. vorgelegten Unterlagen, u.a. der mit ihm geschlossene Arbeitsvertrag vom 29. April 2008 mit der Vereinbarung einer monatlichen Vergütung von max. 400,00 € für eine regelmäßige Arbeitszeit von ca. 14,75 Wochenstunden, beginnend ab dem 1. Mai 2008, die ihn betreffenden Abrechnungen für die Monate Mai 2008 bis Dezember 2009, Listen ehemaliger Mitarbeiter und Auftraggeber, Übersichten von Einsatzplänen sowie Monatslisten von Juni 2008 bis Dezember 2009 wird auf das Sonderheft II zum Ermittlungsverfahren verwiesen.

Die Klage des Beigeladenen zu 2. gegen die Klägerin des hiesigen Berufungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht Brandenburg an der H.. (Az.2 Ca 595/10) auf Zahlung von Gehalt für den Zeitraum von Juli 2008 bis Oktober 2009 aufgrund der Tätigkeit als Hundeführer und Kontrollinspekteur i.H.v. 20.189,44 € brutto wurde mit Urteil vom 23. November 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, ein Anspruch auf Zahlung des Gehaltes gemäß § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestehe nicht, da der der Beigeladene zu 2. dieses Geld von seiner Lebensgefährtin (der hiesigen Klägerin) in Form der Bezahlung der Lebenshaltungskosten bereits erhalten habe. Er habe erklärt, sich nicht um die Geldangelegenheiten gekümmert zu haben, da dies Aufgabe der hiesigen Klägerin gewesen sei. Der Beigeladene zu 2. habe gewusst, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht von seiner Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. 600,00 € hätte leben können, zumal für die Raten des – im jeweils hälftigen Miteigentum stehenden – Hauses von über 1.000,00 €/Monat zu bezahlen gewesen seien und die hiesige Klägerin aufgrund der Betreuung ihrer beiden kleinen (gemeinsamen 2007 und 2009 geborenen) Kinder nur auf Zuruf in dem Betrieb gewesen sei. Der Beigeladene zu 2. habe zudem selbst ausgeführt, dass sie vom Firmenkonto der hiesigen Klägerin gelebt hätten. Somit sei auch mit seinem Einverständnis der Lebensunterhalt von seinem Gehalt bezahlt worden.

Mit Urteil vom 9. März 2011 gab das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel der Klage der hiesigen – von dem aus dem Rubrum ersichtlichen Prozessbevollmächtigten vertretenen – Klägerin gegen den Beigeladenen zu 2. statt und verurteilte ihn, der Klägerin 24.033,24 € nebst Zinsen zu zahlen. Diesen Betrag schulde der Beigeladene zu 2. der Klägerin – seiner Arbeitgeberin – als Schadensersatz, da er sich Einnahmen aus dem Betrieb der Firma der Klägerin auf sein eigenes Konto habe überweisen lassen und nicht an die Klägerin abgeführt habe. Die Ermittlungen des Gerichts hätten ergeben, dass der Beigeladene zu 2. – im Rahmen des mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 zum 31. Dezember 2009 gekündigten Arbeitsverhältnisses – stets und ausschließlich als Vertreter der Klägerin gehandelt habe. Die Einnahmen aus dem in Rede stehenden Bewachungsvertrag stünden daher der Firma der Klägerin und nicht dem Beklagten persönlich zu. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 521 bis 525 der Gerichtsakte verwiesen.

Im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Klägerin aufgrund des Verdachts, dass vollbeschäftigte Angestellte auf Basis einer geringfügig entlohnten Beschäftigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV (auf 400,00 €-Basis) angestellt worden seien, wurden einige der Beschäftigten zunächst schriftlich befragt.

Die Beigeladene zu 16. gab unter dem 3. März 2011 u.a. an, vom Beigeladenen zu 2. am 15. Mai 2009 eingestellt worden zu sein. Sie habe die Tätigkeit am 1. Juli 2009 beendet, da sie kein Geld erhalten habe. Die Unternehmensorganisation habe der Beigeladene zu 2. gemacht, Buchhaltung, Bilanzierung und Steuerangelegenheiten habe die Klägerin durchgeführt.

Die Beigeladene zu 3. bekundete unter dem 7. März 2011 u.a., vom 1. Mai bis zum 30. November 2008 geringfügig auf 400,00 €-Basis, vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. Juni 2009 geringfügig auf 200,00 €-Basis und vom 1. Juli bis zum 17. Dezember 2009 in Teilzeit zu 535,10 € netto (finanziert vom Arbeitsamt) für die T1 tätig gewesen zu sein. Durch Objektübernahme sei sie von der Klägerin übernommen worden. Diese habe ihr am 17. Dezember 2009 (gemeint: 14. Dezember 2009) gekündigt. Auch Buchhaltung und Bilanzierung hätten dieser oblegen. Wegen der von der Beigeladenen zu 3. übergebenen Unterlagen, u.a. in Bezug auf das arbeitsgerichtliche Streitverfahren 1 Ca 105/10 beim Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel wird auf Blatt 57 bis 69 der Ermittlungsakte Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten aller schriftlichen Zeugenerklärungen wird auf Blatt 54 f. – Beigeladene zu 16. -, Blatt 56 bis 69 – Beigeladene zu 3. -, Blatt 70 bis 72 – Beigeladener zu 12.-, Blatt 73 f. – Beigeladene zu 14. -, Blatt 75 bis 78 Beigeladener zu 17. -, Blatt 79 bis 81 – Beigeladener zu 4. – der Ermittlungsakte verwiesen.

Aufgrund der Beschlüsse des Amtsgerichts P. vom 13. Oktober 2011 wurden am 6. März 2012 die Wohn- und Geschäftsräume der Klägerin und des Beigeladenen zu 2. sowie die Geschäfts- und Nebenräume von vier Auftraggebern der „T1 “, „T2“, „D1“ sowie der „D2 “ durchsucht. Zu dem Inhalt der beschlagnahmten Unterlagen in den vorgenannten Durchsuchungsobjekten wird auf Blatt 247 f. der Ermittlungsakte und hinsichtlich der Auswertung der Beweismittel wird auf Blatt 251 bis 285 der Ermittlungsakte Bezug genommen.

Nachfolgend sollte die Klägerin als Beschuldigte gehört werden. Die Beigeladenen zu 7., 1., 4., 11. und 12. wurden als Zeugen am 9. und 17. April 2013 vernommen.

Der Beigeladene zu 7. bekundete, von Februar 2008 bis August 2009 auf der Basis verschiedener schriftlicher Arbeitsverträge, d.h. am Anfang auf 200,00 €-Basis und später auf 400,00 €-Basis, 14,75 Arbeitsstunden pro Woche für die Klägerin tätig geworden zu sein. Am Anfang sei der Lohn bar ausgezahlt, später bis auf einige Ausnahmen überwiesen worden. Er habe für ca. 1000 für die Klägerin geleistete Arbeitsstunden keine Entlohnung erhalten.

Der Beigeladene zu 1. gab an, keine genauen Angaben über den Beschäftigungszeitraum und über den Inhalt des Arbeitsvertrages machen zu können. Er habe ein „einfaches Blatt mit geringfügiger Einstellung“ gehabt, sei meist bar ohne Quittung bezahlt worden. Auf Vorhalt, dass er nach den vorliegenden Unterlagen 87 Stunden im Juli 2009 und 154 Stunden im April 2010 ohne Anmeldung zur Sozialversicherung für die Klägerin tätig gewesen sei, gab er an, nicht sagen zu können, was angemeldet worden sei oder nicht; er „habe nur auf Anweisung von B gearbeitet. Was Frau K mit dem Papierkram gemacht hatte, weiß ich nicht“. Auf die Frage, wie die Überstunden vergütet worden seien, gab er an, es sei ein Stundenkonto angelegt worden, die Stunden hätten abgebummelt werden sollen, wozu es nicht gekommen sei, da die Firma sich aufgelöst habe.

Der Beigeladene zu 4. bekundete, ihm sei anfangs gar nicht bewusst gewesen, dass er für die Klägerin gearbeitet habe. Er habe gedacht, bei Herrn B. angestellt zu sein. Dieser habe sich als Geschäftsführer der Firma vorgestellt und auch seine Einstellung vorgenommen. Er habe erst später mitbekommen, bei der Klägerin angestellt zu sein. Er sei von Juni oder Juli 2009 an für ca. neun Monate dort beschäftigt gewesen und im Anschluss für die Klägerin für die Firma D2 tätig gewesen. Er habe keinen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten und sei nur in bar, meist gegen Quittung, entlohnt worden. Welcher Stundenlohn vereinbart gewesen sei, habe er nicht mitbekommen. Er habe ca. 800,00 € im Monat erhalten und so gearbeitet, wie es auf den Dienstplänen gestanden habe. Diese seien relativ regelmäßig aktualisiert worden und am Ende des Monats hätten sie mit dem Abgeleisteten übereingestimmt. Dass er nicht richtig angemeldet gewesen sei, habe er nicht gewusst. Die Frage, wie Überstunden vergütet worden seien, hat er dahingehend beantwortet, dass er immer hingehalten worden sei und die Überstunden nie ausgezahlt bekommen habe. Die Klägerin habe er dazu nie zu sprechen bekommen, seine Forderungen immer bei Herrn B. angemeldet; dieser habe auch nicht zugelassen, dass er sich an die Klägerin wende.

Die Beigeladene zu 11. gab an, sich nicht mehr genau zu erinnern, wann sie für die Klägerin tätig gewesen sei. Sie habe keinen schriftlichen Arbeitsvertrag bekommen; auf diesen warte sie heute noch. Mündlich sei vereinbart worden, sie mache ein Praktikum, worin sie die Sachkundeprüfung habe ablegen sollen, und anschließend habe dieses in die Festeinstellung übergehen sollen. Tatsächlich habe sie auch nur in ihrer Praktikumszeit unentgeltlich gearbeitet, wobei diese immer wieder von Herrn B. verlängert worden sei. Sie habe auch nur mit ihm zu tun gehabt, der sich als Chef der Firma ausgegeben habe. Es sei eine tarifvertragliche Entlohnung vereinbart worden; bekommen habe sie nichts. Sie sei nur ausgenutzt worden und habe damals alles dem Arbeitsamt berichtet, da sie weder Geld noch einen Arbeitsvertrag bekommen habe.

Der Beigeladene zu 12. bekundete, von Ende Januar 2010 bis Ende Januar 2011 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit 100 Arbeitsstunden pro Monat gearbeitet zu haben. Der Rest habe in ein Stundenkonto einfließen sollen, wofür er 650,00 € habe erhalten sollen; dies habe dem damaligen Tariflohn entsprochen. Er sei per Überweisung mit Gehaltsbescheinigung entlohnt worden. Auf den Vorhalt, dass er von September bis November 2009 nach den vorliegenden Unterlagen ohne Anmeldung zur Sozialversicherung für die Klägerin tätig geworden sei, erklärte der Zeuge, dies sei zutreffend. Er habe ein Praktikum mit Herrn B. vereinbart und bis dahin nicht gewusst, dass die Klägerin „die Geschäftsführerin“ gewesen sei. Ab Januar sei er dann von der Klägerin angemeldet worden. Die Überstunden seien bis jetzt nicht vergütet worden.

Wegen der Einzelheiten der protokollierten Zeugenaussagen wird auf Blatt 313 bis 321, 322 bis 325, 326 bis 329 und Blatt 330 bis 333 der Ermittlungsakte verwiesen.

In dem unter dem 3. Mai 2013 vom Hauptzollamt Potsdam erstellten Schlussbericht in dem Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass trotz der durchgeführten Ermittlungen nur unvollständige Beweismittel vorlägen. Die Auswertung aller Arbeitsstunden aus den verschiedenen Beweismitteln habe ergeben, dass die Klägerin 21 teilweise nicht namentlich bekannte Arbeitnehmer beschäftigt habe, die nicht zur Sozialversicherung angemeldet worden seien. Übereinstimmend hätten alle Zeugen angegeben, dass sie gemäß den Angaben in den Dienstplänen und somit auch teilweise erheblich mehr als die vereinbarte Arbeitszeit für die Klägerin gearbeitet hätten, ohne dass diese Mehrarbeit entlohnt worden sei. Durch die Ermittlungen habe nicht geklärt werden können, ob über die vereinbarten Lohn- und Gehaltszahlungen hinaus für die tatsächlich mehr geleisteten Arbeitsstunden auch Löhne gezahlt worden seien.

Am 7. Oktober 2013 übergab die Beklagte dem Hauptzollamt Potsdam nach Auswertung der übergebenen Unterlagen die angeforderte Schadensberechnung gemäß § 266a Strafgesetzbuch (StGB). Insgesamt seien Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 23.741,06 € (davon 11.437,95 € Arbeitnehmeranteile und 12.303,11 € Arbeitgeberanteile) nicht gezahlt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 367 bis 385 der Ermittlungsakte Bezug genommen.

Der aus dem Rubrum ersichtliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin nahm im Dezember 2013 Akteneinsicht in die Ermittlungsakten. Die anfänglich beabsichtigte Vernehmung der Klägerin erfolgte nicht. Im Juni 2014 stellte die Staatsanwaltschaft Potsdam mit Zustimmung des Gerichts das Verfahren gegen die Klägerin gemäß § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) sodann gegen Zahlung einer Geldauflage i.H.v. 3.500,00 € – zahlbar in monatlichen Raten von 500,00 € – ein. Zahlreiche, im Rahmen der Schadensberechnung berücksichtigte Arbeitnehmer seien nicht länger als zwei Monate bei ihr beschäftigt gewesen. Bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung hätte in diesen Fällen auch die Möglichkeit einer beitragsfreien kurzfristigen Beschäftigung bestanden. Die Schuld der Klägerin sei auch im Falle ihrer Überführung bei Aufnahme/Fortsetzung der Ermittlungen – noch – als gering anzusehen.

Nach vorheriger Anhörung der Klägerin unter dem 2. Oktober 2013, auf die diese nicht reagierte, forderte die Beklagte mit dem an „Frau K, Firma D2, G-Straße in H“ gerichteten Bescheid vom 20. November 2013 aufgrund der nach § 28p Abs. 1 SGB IV durchgeführten Beitragsüberwachung für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Mai 2011 Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 37.305,16 € einschließlich Säumniszuschlägen i.H.v. 12.340,00 € gemäß § 24 Abs. 1 SGB IV. Aufgrund der – im Einzelnen aufgeführten – Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes Potsdam sei festgestellt worden, dass der Mindestlohn für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. Mai 2011 nicht gezahlt worden sei. Verschiedene Arbeitnehmer seien nicht bzw. nicht zum Beginn der Beschäftigung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Sozialversicherung gemeldet worden. Aus den vorliegenden Unterlagen sei ersichtlich, dass die Arbeitnehmer nicht nur in Brandenburg, sondern u.a. auch in Baden-Württemberg tätig gewesen seien. Die Firma der Klägerin habe ihren Firmensitz in Brandenburg gehabt und sich überwiegend mit typischen Aufgaben des Wach- und Sicherheitsgewerbes beschäftigt. Die Entstehung des Beitragsanspruches hänge nicht davon ab, ob das geschuldete Arbeitsentgelt auch gezahlt worden, es also dem Arbeitnehmer zugeflossen sei. Entscheidend sei vielmehr, dass der Entgeltanspruch entstanden sei. Die Auswertung der Beweise habe ergeben, dass die Klägerin als Verantwortliche der Firma T2 die in der Anlage aufgeführten Arbeitnehmer gegen Entgelt beschäftigt habe. Der gezahlte Stundenlohn sei bei den nicht gemeldeten Arbeitnehmern nicht ersichtlich. Anhand der vorliegenden Arbeitsverträge sei mit den Mitarbeitern eine Vergütung von max. 400,00 € monatlich bei einer wöchentlichen Stundenzahl von 14,75 vereinbart worden, womit sich einen Stundenlohn i.H.v. 6,25 € errechne. Bei der Beigeladenen zu 3. sei ab dem 1. Juli 2009 ein Stundenlohn von 5,25 € vereinbart worden. Die Entgeltansprüche richteten sich zudem – auf der Grundlage der beigezogenen Tarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe Berlin und Brandenburg sowie in Baden-Württemberg – jeweils sich nach dem Ort der Erbringung der Arbeitsleistung. Der Stundenlohn für Sicherheitsmitarbeiter im Objektschutz betrage laut – dem für allgemeinverbindlich erklärten – Entgelttarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe vom 28. Februar 2008 B. und B. ab dem 1. November 2008 5,00 €. Im Bescheid ist sodann für insgesamt 26 Personen unter Angabe der Gründe im Einzelnen erläutert worden, weshalb Beiträge in welcher Höhe nachzuentrichten seien. Außer den Beigeladenen zu 1. bis 17. seien Personen beschäftigt worden, für die die Entgeltgrenzen für geringfügig Beschäftigte überwiegend nicht überschritten worden seien, deren Versicherungsnummer nicht bekannt, eine Meldung nicht erfolgt sei und Lohnabrechnungen nicht vorlägen. Trotz entsprechender Aufforderung habe die Klägerin Unterlagen zu diesen Personen nicht vorgelegt. Für die in den beigefügten Anlagen aufgeführten Arbeitnehmer seien Sozialversicherungsbeiträge nachberechnet worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Abdruck der o.g. Tarifverträge auf Blatt 93 bis 103, Blatt 104 bis 108 und Blatt 170 bis 206 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2014 zurück, da dieser nicht begründet worden und eine Überprüfung deshalb nur nach Aktenlage möglich sei.

Mit der hiergegen am 24. Oktober 2014 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 20. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2014 verfolgt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Gewerbeanmeldungen deckten sich nicht mit dem Anspruchszeitraum 1. November 2008 bis 31. Mai 2011. Ein eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb sei bereits aus diesem Grund nicht geführt worden. Unabhängig davon sei sie – die Klägerin – lediglich „Strohfrau“ für ihren damaligen Lebensgefährten – den Beigeladenen zu 2. – gewesen. Aus der Urteilsbegründung in dem Verfahren beim Arbeitsgericht Brandenburg a.d. Havel – 2 CA 595/10 – ergebe sich, dass sie als Arbeitgeberin nur auf Zuruf im Betrieb gewesen sei, da sie sich um die beiden noch kleinen gemeinsamen Kinder habe kümmern müssen. Der Beigeladene zu 2. sei derjenige gewesen, der den Lebensunterhalt für die vierköpfige Familie verdient habe. Dieser habe eingeräumt, dass sie in der Zeit vom Firmenkonto gelebt hätten. Ähnlich habe die Begründung des Urteils in dem Verfahren beim Arbeitsgericht Arbeitsgericht Brandenburg a.d. Havel- 3 CA 613/10 – gelautet. Im Tatbestand sei festgestellt, dass die Klägerin zwar Inhaberin der Firma der D2 gewesen sei, um den fortlaufenden Betrieb sich jedoch im Wesentlichen der Beigeladene zu 2. gekümmert und als Angestellter alle Absprachen mit den Auftraggebern durchgeführt habe. Dieser habe bestimmt, welche Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden sollten und zu welchen Konditionen. Sie – die Klägerin – habe hierüber keine Kenntnis gehabt. Zudem bestreite sie, dass die D2 unter die Anwendung des Entgelttarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe Berlin und Brandenburg gefallen sei. Außerdem bestreite sie, dass die im angefochtenen Bescheid aufgeführten Arbeitnehmer die behaupteten Arbeitsleistungen tatsächlich erbracht sowie in ihrem – der Klägerin – Betrieb tätig gewesen seien und dass deren bezogenes durchschnittliches Arbeitsentgelt die Grenzen für eine geringfügige Beschäftigung überstiegen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung und der – auszugsweise – vorgelegten Abschriften der arbeitsgerichtlichen Urteile vom 23. November 2010 und 9. März 2011 wird auf Blatt 45 bis 49 und Blatt 78 bis 85 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2017 hat das Sozialgericht die aus dem Rubrum ersichtlichen Beiladungen vorgenommen und am 26. Juni 2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt; wegen der Angaben der Klägerin und der übrigen Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung (Blatt 200 bis 202 der Gerichtsakte) verwiesen. Mit dem Urteil auf diese mündliche Verhandlung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Im Tatbestand hat es ausführlich aus den im Klageverfahren beigezogenen Gerichtsakten des Arbeitsgericht Brandenburg a.d. Havel in den Verfahren 3 Ca 613/10 und 2 Ca 595/10 zitiert. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht zunächst ausgeführt, Beigeladene seien Verfahrensbeteiligte und könnten schon aus Rechtsgründen nicht als Zeugen gehört werden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage sei § 28p Abs. 1 S. 1 und 5 SGB IV. Danach obliege es dem Träger der Rentenversicherung, bei den Arbeitgebern zu prüfen, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stünden, ordnungsgemäß erfüllt hätten. Soweit sich die Beklagte hier ausschließlich auf die durch das Hauptzollamt Potsdam gewonnenen Ermittlungsergebnisse wegen Schwarzarbeit gestützt, diese lediglich sozialversicherungs- und beitragsrechtlich ausgewertet und keine eigenen Ermittlungen durchgeführt habe, stehe dies der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht entgegen. Denn gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X) bestimme die Behörde Art und Umfang der Ermittlungen und könne nach § 21 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 und 3 SGB X zur Ermittlung des Sachverhaltes u.a. Auskünfte jeder Art einholen sowie Urkunden und Akten beiziehen. Damit sei die Beklagte berechtigt gewesen, die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes beizuziehen und zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen (Hinweis auf Sächsisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 4. Dezember 2014 – L 1 KR 161/14 B ER -; Urteil vom 22. April 2016 – L 1 KR 228/11 -, alle juris). Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin Arbeitgeberin i.S. von § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV und insofern gemäß § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verpflichtet sei. Das Gesetz definiere den Begriff des Arbeitgebers nicht. Dieser ergebe sich im Umkehrschluss aus dem Begriff der Beschäftigung, an den die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung anknüpfe. Im Hinblick auf § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV sei Arbeitgeber insbesondere derjenige, der Weisungen an unselbstständig Beschäftigte erteile und in dessen Arbeitsorganisation und Verantwortungsbereich diese tätig würden. Ausgehend von diesen Grundsätzen sei die Beklagte zutreffend von einer unselbständigen Beschäftigung der im Objekt- bzw. Wachsschutz tätigen Personen ausgegangen. Als deren Arbeitgeberin sei die Klägerin und nicht – wie sie meine – der Beigeladene zu 2. anzusehen. Während des streitbefangenen Zeitraumes habe die Klägerin die Firmen für Mai und Juni 2008 als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen mit dem Beigeladenen zu 2. als Mitunternehmerin und ab Juli 2008 als Einzelunternehmerin geführt. Die Klägerin habe an der GbR zumindest einen hälftigen Gesellschaftsanteil gehalten. Sie habe mit der Anmeldung als Inhaberin einen Rechtsschein gesetzt, der es rechtfertige, sie als Beitragspflichtige heranzuziehen. Mit der Anmeldung des Gewerbes auf ihren Namen – durch sie persönlich – sei die Klägerin nach außen in Erscheinung getreten. Die Beitragspflicht zur Sozialversicherung knüpfe zunächst an die formale Rechtsposition an. Insoweit könne dahinstehen, in welchem Umfang die Klägerin ab Mai 2008 bis ca. Ende 2009 nur ihren Namen für ein Betreiben des Geschäfts hergegeben und im Übrigen der Beigeladene zu 2. das „wirtschaftliche Sagen“ gehabt habe. Denn die Klägerin habe als Alleinunternehmensinhaber eingetragene Person grundsätzlich für Beitragsverpflichtungen einzustehen, auch dann, wenn diese durch Handlungen eines alleingeschäftsführenden Dritten ohne ihr Wissen als Unternehmensinhaber begründet worden seien. Für einen Mitgesellschafter einer GbR habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden, dass der Rechtsgrundsatz einer Rechtsscheinhaftung gleichermaßen im öffentlichen Recht gelte und als haftungsbegründender Tatbestand auch im Sozialrecht anwendbar sei (Hinweis auf Urteil vom 12. November 1986 – 9b RU 8/84 -, juris). Für die Rechtsscheinhaftung gegenüber der Klägerin könne keine Rolle spielen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Beigeladene zu 2. gegenüber Dritten als Unternehmensinhaber aufgetreten sei. Der Klägerin sei zudem der Wert der geleisteten Arbeit zugutegekommen und sie habe von den Einnahmen aus der Firma gelebt. Auch habe sie nichts unternommen, um den gesetzten Rechtsschein zu erschüttern. Soweit die Klägerin vortrage, in größter Naivität und aufgrund einer Täuschung durch den Beigeladenen zu 2. nicht in Anspruch genommen werden zu können, folge die Kammer dem nicht. Denn der Klägerin sei es – z.B. durch Auswertung der Einsatzpläne – leicht möglich gewesen festzustellen, in welcher Weise (Anzahl der Stunden) die Mitarbeiter für das von ihr angemeldete Unternehmen tätig geworden seien. Die behauptete völlige Unwissenheit der Klägerin erscheine schließlich nicht glaubhaft. Denn den beigezogenen Unterlagen lasse sich entnehmen, dass der Klägerin die Personalsachen und Lohnabrechnungen oblegen hätten und sie durch das für sie tätige Steuerbüro auf die Unregelmäßigkeiten in der Meldung hingewiesen worden sei. Auch habe sie nach der Trennung vom Beigeladenen zu 2. weiter unter Missachtung sämtlicher Arbeitgeberpflichten gewirtschaftet. Nach der Trennung soll die Verantwortung für die Meldungen dann bei der Mutter eines Beschäftigten gelegen haben, die sich damit ausgekannt habe, und auch hier sei sie wieder enttäuscht worden, zu gutgläubig gewesen und habe nicht mit der Geldgier anderer gerechnet. Die Angaben der Klägerin hierzu sowie zu ihrem beruflichen Werdegang und ihren persönlichen Lebensumständen sowie Schicksalsschlägen usw. hätten die Kammer nicht überzeugt. Für den streitgegenständlichen Sachverhalt stehe vielmehr konkret fest, dass aufgrund der unzureichenden Aufzeichnungen (fehlende Lohnunterlagen, keine Meldung zur Sozialversicherung) die Beitragshöhe vor November 2008 nicht genau habe festgestellt werden können. Die vom Hauptzollamt vernommenen Personen hätten die Dauer ihrer Tätigkeit und die Höhe ihrer Vergütung nur näherungsweise beschreiben können. Nachdem auch überwiegend nur Barzahlungen geleistet worden seien und nicht alle Beschäftigten hätten ermittelt werden können, habe der Beklagten letztlich keine Möglichkeit offen gestanden, die Beitragsgrundlagen konkret zu ermitteln und habe diese zu Recht entsprechend dem Entgelttarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe vom 28. Februar 2008 einen Stundenlohn von 5,00 €, der im Übrigen den Angaben der vernommenen Beschäftigten entspreche, zugrunde legen können. Soweit die Beklagte nach alledem Beiträge zu Recht erhoben habe, seien diese auch nicht verjährt. Selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin bei Eintritt der Fälligkeit (ab 2008) noch keinen bedingten Vorsatz hinsichtlich der Vorenthaltung von Beiträgen für das Jahr 2008 gehabt habe, habe sich die vierjährige Verjährungsfrist durch die eingetretene Bösgläubigkeit der Klägerin vor Ablauf dieser Frist in die 30-jährige Verjährungsfrist umgewandelt. Vorliegend könne von einer Gutgläubigkeit der Klägerin allenfalls bis zum Bruch mit dem Beigeladenen zu 2. ausgegangen werden. Danach habe die Klägerin die Firma bewusst als eigene fortgeführt und mit den Arbeitnehmern die vorhandenen Aufträge abgearbeitet. Unter anderem aufgrund der diversen Gespräche mit dem Steuerberatungsbüro erscheine es nicht glaubhaft, dass die Klägerin nichts von einer Sozialversicherungsbeitragspflicht als Arbeitgeber gewusst habe. Schließlich seien Säumniszuschläge mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV gefordert worden. Fehler bei der Berechnung der Beitragsschuld seien nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 24. Juli 2017 zugestellte Urteil am 24. August 2017 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt. In ihrer am 20. Oktober 2017 eingegangenen Berufungsbegründung rügt sie zunächst, dass die Beigeladenen zu 1. bis 28. aufgrund der Angabe unterschiedlicher Sitzungssäle in den jeweiligen Ladungen nicht ordnungsgemäß geladen worden und folglich im Verhandlungstermin nicht anwesend gewesen seien. Hätten sie teilgenommen, hätte sie – Klägerin – sie zu ihren Beschäftigungszeiten bei ihr befragen können. Insoweit fehlerhaft sei auch die Auffassung des Sozialgerichts gewesen, Beigeladene könnten keine Zeugen sein. Diese Auffassung führe dazu, dass sie – die Klägerin – die Feststellungen des Hauptzollamtes nicht habe widerlegen können. Das Sozialgericht habe ferner unzutreffend die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich ausschließlich auf die Feststellungen des Hauptzollamtes stützen dürfen, ohne mit dieser Vorgehensweise gegen den Amtsermittlungsgrundsatz zu verstoßen. Die Beklagte hätte ohne größere Schwierigkeiten die ladungsfähigen Anschriften der Arbeitnehmer ermitteln und diese über die Beschäftigungsdauer und die Höhe der Entgelte befragen können. Fehlerhaft nehme das Sozialgericht die Anwendbarkeit des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne für Sicherheitsdienstleistungen an. Dies gelte zumindest für das Jahr 2008, da zu diesem Zeitpunkt der Tarifvertrag „unstreitig“ nicht gegolten habe. Zu Unrecht meine das Sozialgericht schließlich, die Ansprüche seien nicht verjährt. Zutreffend sei das Sozialgericht zunächst davon ausgegangen, dass sie – die Klägerin – bis zur Trennung vom Beigeladenen zu 2. gutgläubig gewesen sei. Dabei habe es jedoch übersehen, dass sie – die Klägerin – aus dem gemeinsamen Haus in der E-Allee in F ausgezogen sei und keinerlei Zugang zu geschäftlichen Unterlagen mehr gehabt habe. Wie in diesem konkreten Fall rückwirkend eine Bösgläubigkeit eintreten solle, erschließe sich nicht.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. Juni 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. Juni 2017 zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihren Bescheid für rechtmäßig. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und dem ersten Rechtszug wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie auf die ständige Rechtsprechung des BSG verwiesen, wonach durch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bei Beitragsnachforderungen aufgrund von Betriebsprüfungen auf bereits vorliegende Ermittlungsergebnisse grundsätzlich zurückgegriffen werden könne. Diese dürften ebenso zugrunde gelegt werden wie etwa vorangegangene Lohnsteueraußenprüfungen, Ermittlungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Steuerstrafverfahren oder (allgemeine) Strafverfahren mit jeweiligen Ermittlungen (Hinweis auf Urteile des BSG vom 9. September 2003 – 5 RJ 60/92 – und vom 30. März 2006 – B 10 KR 2/04R-, alle juris).

Die Beigeladenen haben sich in der Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt. Die Beigeladene zu 6. ist inzwischen verstorben.

Im Berufungsverfahren sind die vorgenannten (vollständigen) Urteile des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23. November 2010 und vom 9. März 2011 beigezogen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 379 bis 380 und Blatt 521 bis 525 der Gerichtsakte verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Potsdam 4** Js *****/10 Wi ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte über die Berufung verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladenen nicht erschienen und nicht vertreten gewesen sind. Hierauf sind sie mit der ihnen jeweils ordnungsgemäß zugestellten Ladung hingewiesen worden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs.1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Beklagte hat zu Recht von der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Mai 2011 insgesamt 37.305,16 € Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich Säumniszuschläge nachgefordert. Die Klägerin ist als Arbeitgeberin der Beigeladenen zu 1. bis 17. im vorgenannten Zeitraum in dem von der Beklagten festgestellten Umfang zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen zu Recht in Anspruch genommen worden.

Zur Begründung verweist der Senat auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils, die auch die Entscheidung im Berufungsverfahren tragen (§ 153 Abs. 2 SGG). Die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwände gegen die Entscheidung des Sozialgerichts führen zu keiner abweichenden Beurteilung.

Soweit die Klägerin einwendet, einzelne Beigeladene seien nicht ordnungsgemäß geladen worden, kann offenbleiben, ob diese Behauptung zutrifft. Denn hierdurch wären nur die jeweiligen Beigeladenen beschwert, insbesondere in Bezug auf die Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt gewesen. Sofern die Klägerin eine eigene Rechtsverletzung insoweit geltend macht, als sie die Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht habe befragen können, kann sie damit nicht durchdringen. Denn bereits die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, dass ein Beigeladener als Verfahrensbeteiligter nicht als Zeuge gehört werden kann, soweit er Tatsachen bekunden soll, die den für ihn entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, die also seine durch § 75 SGG geschützten Interessen berühren, ist nach Auffassung des Senats zutreffend. Soweit eine Befragung von Beigeladenen in ihrer Beteiligtenstellung möglich ist, besteht bereits keine Verpflichtung für diese, vor dem Gericht zu erscheinen.

Sofern die Klägerin weiter bemängelt, weder das Sozialgericht noch die Beklagte hätten die Beigeladenen zu 1. bis 17. in eigener Zuständigkeit angehört, obwohl es ohne weiteres möglich gewesen wäre, von diesen weitere Informationen zu erhalten, gilt dies im gleichen Umfang für die Klägerin selbst. Auch ihr waren aufgrund der Einsichtnahme in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Potsdam die ladungsfähigen Anschriften aller Beigeladenen zu 1. bis 17. sowie die schriftlichen bzw. mündlichen Zeugenaussagen einiger der Beigeladenen bekannt. Sofern sie außer ihres pauschalen Bestreitens der Richtigkeit der Angaben der Beigeladenen konkrete Einwände oder Vorhalte hätte geltend machen wollen, wäre ihr dies jederzeit möglich gewesen.

Die Rechtsauffassung der Klägerin, die Beklagte habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, indem sie ihren Bescheid ausschließlich auf die Feststellungen des Hauptzollamtes gestützt hat, teilt der Senat nicht und verweist auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts und die von der Beklagten in der Berufungserwiderung vom 28. November 2017 aufgeführte ständige Rechtsprechung des BSG. Lediglich ergänzend ist auf das weitere Urteil des BSG vom 23. Januar 2008 in dem Verfahren B 10 KR 1/07 R (juris, RdNr. 38) zu verweisen. Es hätte der Klägerin offen gestanden, anhand eigener ihr zur Verfügung stehender Unterlagen, die ausweislich der Beschlagnahme am 6. März 2012 auch bereits Sachverhalte aus 2008 betreffen – die Ermittlungsergebnisse substantiiert zu widerlegen.

Die Beklagte hat ferner ihrer Berechnung zutreffend ab Mai 2008 zunächst einen Stundenlohn von 5,00 € zugrunde gelegt. Denn unabhängig davon, ob der erst zum 1. November 2008 für allgemeinverbindlich erklärte Entgelttarifvertrag Berlin und Brandenburg vom 28. Februar 2008 für die gewerblichen Arbeitnehmer im Objektschutz in Brandenburg bereits ab dem 1. Mai 2008 anwendbar gewesen ist, ergibt sich aus sämtlichen schriftlichen Unterlagen und aus den schriftlichen bzw. mündlichen Zeugenerklärungen keine vertragliche Vereinbarung eines darunterliegenden Stundenlohns. Vielmehr errechnet sich anhand der aktenkundigen Arbeitsverträge ein Stundenlohn von 6,25 € und mit der Beigeladenen zu 3. ist nach ihren Bekundungen ein Stundenlohn von 5,25 € ab dem 1. Juli 2009 vereinbart worden. Konkrete Darlegungen der Klägerin, die diesen Ermittlungsergebnissen widersprechen, liegen nicht vor. Zudem hat die Beklagte die in der Folgezeit auf 6,00 € bzw. ab Januar 2011 auf 6,53 € angehobenen Stundenlöhne aufgrund der für allgemein verbindlich erklärten Lohntarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Berlin und Brandenburg für die dort eingesetzten Arbeitnehmer ebenso berücksichtigt wie die jeweiligen Stundenlöhne von 8,12 € von Juni bis September 2009 und von 8,32 € von Oktober 2009 bis Mai 2010 aufgrund der für allgemein verbindlich erklärten Lohntarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Baden-Württemberg für die dort eingesetzten Arbeitnehmer, namentlich die Beigeladenen zu 2., 3. und 15.

Schließlich hat das Sozialgericht mit zutreffenden Gründen dargelegt, weshalb für die von der Klägerin geforderten Beiträge die 30-jährige Verjährungsfrist gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV Anwendung findet. Insoweit ist klarzustellen, dass das Sozialgericht – entgegen der Behauptung der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung – nicht davon ausgegangen, ist, dass die Klägerin bis zur Trennung vom Beigeladenen zu 2. gutgläubig gewesen sei. Denn das Sozialgericht hat lediglich ausgeführt, dass auch dann, wenn man unterstelle, dass die Klägerin bei Eintritt der Fälligkeit (ab 2008) noch keinen bedingten Vorsatz hinsichtlich der Vorenthaltung von Beiträgen für das Jahr 2008 gehabt habe, sich die vier-jährige Verjährungsfrist durch die eingetretene Bösgläubigkeit der Klägerin vor Ablauf dieser Frist in die 30-jährige Verjährungsfrist umgewandelt habe und allenfalls bis zum Bruch mit dem Beigeladenen zu 2. von einer Gutgläubigkeit ausgegangen werden könne. Die Klägerin hat vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist im arbeitsgerichtlichen Klageverfahren gegen den Beigeladenen zu 2. mit Hilfe des sie im anhängigen Verfahren vertretenden Prozessbevollmächtigten Ansprüche auf Ersatz des Schadens erfolgreich erstritten, der ihr in ihrer Rechtsposition als Arbeitgeberin entstanden war. Die Klägerin war sich damit ihrer Arbeitgeberrolle und der damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst.

Die handschriftlichen Bemerkungen in den von der Staatsanwaltschaft Potsdam am 6. März 2012 bei der Klägerin beschlagnahmten Unterlagen, die zum Teil bereits in der erstinstanzlichen Entscheidung wiedergegeben worden sind, legen zudem den Schluss nahe, dass es der Klägerin von Beginn an – und damit auch ab Mai 2008 – darum ging, für die in ihren Unternehmen tätigen Arbeitnehmer so wenig wie möglich Löhne zu zahlen und sie dabei ihrer Aufzeichnungspflicht und der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen bewusst nicht gekommen ist. Der aktenkundige Arbeitsvertrag mit dem Beigeladenen zu 7. enthält den handschriftlichen Zusatz: „2 Originale liegen vor. Eines wurde ausgehändigt und irgendwann mal wieder eingesammelt, damit er nicht auf den Trichter kommt, wg. der vielen Überstunden, einmal kommt, irgendwas zu beanspruchen. Später wurde das bzw. irgendwas, warum – weiß nicht – geändert“. Die Stundenabrechnung für August 2008 enthält folgenden handschriftlichen Zusatz: „Bezüglich der beiden Markierten bitte ich um Rücksprache der Verwendung der Daten N*s als auch seine Lebenspartnerin sind wegen B vorbestraft! Bei D3 kenne ich die Mutter, die vielleicht mal interessant werden könnte. Ich will sie nicht gleich vor den Kopf stoßen. Danke“. Bezüglich der Mitarbeiter A, N, Z, I ist der Vermerk angebracht: „Die Arbeiter für zwischendurch auf die Schnelle, ohne Papiere etc.“. Zu der Monatsübersicht Juli bis Dezember 2008 ist folgendes vermerkt: „Dezember darf nicht gerechnet werden, da diese Stunden seinem festen Angestelltenverhältnis bei R entspringen. Da die MA nichts davon wissen sollten, wurde es als Sondereinsatz geschönt. Wenn dieses AV bei R angezweifelt wird, gibt es Zeugnis der DAK-Krankenkasse. Aufgrund der falschen Meldungen von R gab es einen vermehrten Chipkartenwechsel. Selbst Juli kann nicht gerechnet werden, da es die T2 unter meinem Namen noch nicht gab! Da gab es die GbR, da war er Gesellschafter!“.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt dem Ergebnis der Berufungsentscheidung Rechnung. Die Beigeladenen haben selbst keine Anträge gestellt und sich damit auch nicht in ein Kostenrisiko begeben, § 162 Abs. 3 VwGO. Vor diesem Hintergrund hat der Senat ihnen auch keine Kostenerstattung zugesprochen.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.

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