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Nachweis Arbeitsunfähigkeit zur Weiterbewilligung von Krankengeld

Wiedereingliederungsplan

SG Hamburg – Az.: S 46 KR 2302/17 – Urteil vom 18.02.2019

1. Der Bescheid der Beklagten vom 16.08.2017 in gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.11.2017 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt dem Kläger Krankengeld in der Zeit vom 15.07.2017 bis 9.08.2017 in gesetzlicher Höhe zzgl. Zinsen i.H.v. 4 Prozent hierauf seit dem 1.03.2018 zu zahlen.

2. Die Außergerichtlichen Kosten des Klägers hat die Beklagte zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 15.7.2017 bis 9.8.2017.

Der Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich als Beschäftigter pflichtversichert. Seit dem 2.5.2017 war er arbeitsunfähig erkrankt und erhielt von der Beklagten seit dem 13.6.2017 Krankengeld, nachdem er jeweils durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen hatte. Die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bescheinigte dem Kläger Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 14.7.2017. Ab dem 17.7.2017 begann der Kläger eine betriebliche Wiedereingliederungsmaßnahme, die bis zum 11.8.2017 fortdauern sollte. Die Wiedereingliederung bewilligte die Beklagte mit Schreiben vom 19.7.2015, nachdem der Wiedereingliederungsplan bei ihr bereits am 15.7.2017 eingegangen war.

Mit Bescheid vom 16.8.2017 lehnte die Beklagte die weitere Zahlung des Krankengeldes ab. Zur Begründung führte sie aus, die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei bis einschließlich 14.7.2017 ausgestellt worden. Die nun eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Arztes datiere auf den 10.8.2017. Daher fehle es für die Zeit vom 15.7.2017 bis einschließlich 9.8.2017 an einer durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers. Zur Begründung führte er aus, dass er seinen Arzt aufgesucht habe, dieser habe ihn jedoch darauf hingewiesen, dass allein durch den Wiedereingliederungsplan die Arbeitsunfähigkeit in ausreichendem Maße nachgewiesen worden sei. Es sei daher ausreichend, dass dieser Wiedereingliederungsplan an die Beklagte gesandt und von dieser genehmigt werden würde. Für die Zeit der Wiedereingliederungsmaßnahme müssten daher keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9.11.2017 zurück. Sie begründete dies damit, dass der Anspruch auf Krankengeld jeweils nur bis zu dem Tag bestehen bleibe, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt worden sei, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt sei. Sie verwies erneut darauf, dass die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 14.7.2017 bescheinige. Aus diesem Grund bestehe für den streitgegenständlichen Zeitraum kein Krankengeldanspruch.

Mit seiner am 11.12.2017 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, dass die Entscheidung der beklagten Krankenkasse – wenn auch dem Gesetzeswortlaut folgend – nach dem Sinn und Zweck des Erfordernisses der durchgehenden Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht gerecht werde. Mit diesem Erfordernis solle lediglich sichergestellt werden, dass der behandelnde Arzt jeweils zeitnah den Patienten begutachtet, wenn er eine Arbeitsunfähigkeit feststellen will. Dies sei jedoch vorliegend dadurch erfolgt, dass der behandelnde Arzt den Wiedereingliederungsplan ausgefüllt habe und darin genau aufgelistet habe, in welchem Umfang der Kläger in dem jetzt streitgegenständlichen Zeitraum jeweils arbeitsunfähig sein würde. Im Übrigen sei es ein Verschulden des Arztes gewesen, dass dieser darüber geirrt habe, während der Wiedereingliederung keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen zu müssen. Dies könne dem Kläger nicht angelastet werden. Im Übrigen habe der behandelnde Arzt mit seinem Schreiben vom 28.08.2017 auch bestätigt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum durchgängig Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Der behandelnde Arzt habe im Wiedereingliederungsplan voraussichtliche Arbeitsfähigkeit ab dem 12.8.2017 festgestellt, daraus folge aber denklogisch, dass er für die Zeit bis dahin eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt habe. Auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 19.7.2017 folge nichts anderes, denn darin habe die Beklagte lediglich darum gebeten, zusätzlich auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen. Auch aus der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie folge, dass es keiner gesonderten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bedürfe, denn darin heiße es ausdrücklich, dass Arbeitsunfähigkeit auch während einer stufenweisen Wiederaufnahme der Arbeit fortbestehe.

Nachweis der Arbeitsunfähigkeit zur Weiterbewilligung von Krankengeld
(Symbolfoto: Von M. Schuppich/Shutterstock.com)

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.8.2017 sowie des Widerspruchsbescheides vom 9.11.2017 zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom 15. Juli 2017. 9.8.2017 Krankengeld zuzüglich Zinsen nach dem SGB I gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich hierzu auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Versicherte die Leistungsvoraussetzungen für das Krankengeld herzustellen habe und dass das Festhalten an einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den behandelnden Arzt keine bloße Förmelei darstelle. Sie führt weiter aus, dass soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch ein stufenweiser Wiedereingliederungsplan als ausreichend zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit betrachtet werde, dies keineswegs unumstritten sei und hierzu eine Revision beim Bundessozialgericht anhängig sei.

Das Gericht hat am 17.12.2018 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 17.12.2018 und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Das Gericht konnte hierüber durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

II. Die Klage ist begründet, denn der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitraum gegen die Beklagte Anspruch auf Krankengeld (dazu 1.) sowie auch Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen (dazu 2.).

1. Rechtsgrundlage des Krankengeldanspruches ist § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum mit Anspruch auf Krankengeld bei der beklagten versichert und war auch unstreitig aufgrund der Krankheit arbeitsunfähig. Streitig ist im vorliegenden Fall allein die Frage, ob er die Arbeitsunfähigkeit auch in ausreichendem Maße nachgewiesen hat, was nach der Rechtsauffassung der Kammer zutreffend ist.

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht

1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) von ihrem Beginn an,

2. im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.

Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt (§ 46 S. 1 und S. 2 Hs. 1 SGB V). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall auch für den Zeitraum vom 15.07.2017 bis 9.08.2017 erfüllt.

Vor dem jetzt streitgegenständlichen Zeitraum hatte der Kläger mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 7.07.2017 seine Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 14.07.2017 durch seinen behandelnden Arzt feststellen lassen und diese auch rechtzeitig i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V bei der Beklagten eingereicht (vgl. Bl. 20 d. Verw.A.). Ebenfalls am 14.07.2015 suchte er seinen behandelnden Arzt erneut auf, wobei dieser den Wiedereingliederungsplan auf dem dafür vorgesehenen Vordruck erstellte, der dann am 17.07.2017 und damit ebenfalls innerhalb der zeitlichen Grenze des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V bei der Beklagten einging (vgl. Bl. 10 d. Verw.A). Hierin gliederte der behandelnde Arzt die stufenweise Wiedereingliederung folgendermaßen: In der Zeit vom 17.07.2017 bis 28.07. könne der Kläger täglich vier Stunden, in der Zeit vom 29.07. bis 11.08. täglich sechs Stunden und ab 12.08. wieder acht Stunden arbeiten. Anschließend stellte der Kläger sich wieder am 10.08.2017 bei seinem behandelnden Arzt vor, der ihm mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gleichen Datums Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 13.08.2017 attestierte (Bl. 21 d. Verw.A.). Damit war für den streitgegenständlichen Zeitraum die Arbeitsunfähigkeit durchgehend ärztlich festgestellt.

Dem steht nicht entgegen, dass die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für die Zeit der stufenweisen Wiedereingliederung nicht auf dem für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgesehenen Muster 1a (1.2016), sondern auf dem Muster 20b (4.2009) für die stufenweise Wiedereingliederung erfolgte. Dass es nicht auf die Verwendung des Musters 1a (1.2016) ankommt ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 46 S. 2 Hs. 1 SGB V, der allein die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit fordert, nicht jedoch die Verwendung eines bestimmten Vordruckes erfordert. Eine derartige Feststellung beinhaltet auch der Wiedereingliederungsplan, denn zum einen ergibt sich aus der Feststellung, der Kläger könne zunächst vier und später sechs Stunden täglich arbeiten, die denklogische Folge, dass er im Übrigen arbeitsunfähig war, zum anderen gibt der behandelnde Arzt auf dem Bogen aber auch an, ab wann er mit einer Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit rechne. Damit unterscheidet sich die Feststellung mittels dieses Vordrucks inhaltlich in keiner Weise von der Feststellung mit dem sonst üblichen Muster.

Ein derartiges Normverständnis wird auch dem Zweck der durchgehenden ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 46 S. 2 Hs. 1 SGB V gerecht, denn die Vorschrift dient allein der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens und der Abwehr eines etwaigen Leistungsmissbrauch. Insbesondere die rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (und damit einhergehende Unsicherheiten) sollen vermieden werden (vgl. Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 46 SGB V, Rn. 16 m.w.N.). Diesem Zweck wird aber eine zeitnahe und durchgehende ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gleich auf welchem Muster gerecht. Selbst eine ärztliche Feststellung in jeder erdenklichen schriftlichen Form könnte geeignet sein, diesen Zweck zu erfüllen, solange sie zeitnah und ohne Lücken erfolgt. Nach der Rechtsprechung des BSG muss die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit weder durch einen Vertragsarzt noch auf dem durch § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien vorgesehenen Vordruck erfolgen, um die Voraussetzungen des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V zu erfüllen (Sonnhoff a.a.O., Rn. 52 m.w.N.).

Schließlich ergibt sich eine derartige Auslegung auch unzweifelhaft aus dem systematischen Zusammenhang, denn nach § 2 Abs. 1 S. 1 der RichtlinieArbeitsunfähigkeits-Richtlinie Stand: 20. Oktober 2016des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V(Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie)in der Fassung vom 14. November 2013veröffentlicht im Bundesanzeiger BAnz AT 27.01.2014 B4 in Kraft getreten am 28. Januar 2014zuletzt geändert am 20. Oktober 2016veröffentlicht im Bundesanzeiger BAnz AT 23.12.2016 B5 in Kraft getreten am 24. Dezember 2016 besteht auch während der stufenweisen Wiedereingliederung Arbeitsunfähigkeit. Das weitere Verfahren bei stufenweiser Wiedereingliederung ist dann in der Anlage zur Richtlinie in Form von Empfehlungen geregelt (§ 7 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie). Schon daraus, dass das weitere Vorgehen aber lediglich in Form von Empfehlungen beschrieben wird, kann nur folgen, dass es auf die übrigen Regeln zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht ankommen kann, jedenfalls besteht keine Verpflichtung zur Verwendung der von der Beklagten geforderten Vordrucke.

Die ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit muss jedoch nicht zwingend durch einen Vertragsarzt erfolgen und kann auch einen längeren Zeitraum umfassen. Auch die Verwendung der in § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) vorgesehenen Vordrucke (Muster 1 und Muster 17) ist nicht notwendig, da die AU-RL den leistungsrechtlichen Krankengeldtatbestand nicht ausgestalten (BSG, Urt. v. 10.12.2012 – B 1 KR 20/11 R – juris, Rn. 13; Urt. v. 12.03.2013 – B 1 KR 7/12 R -, juris Rn. 15). Ob und in welchem Umfang eine dokumentierte ärztliche Äußerung die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Insoweit kommt es auf den objektiven Erklärungsgehalt aus dem Empfängerhorizont und die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls an, wobei bei an eine größere Anzahl oder unbestimmte Vielzahl von Adressaten bestimmten formularmäßigen Erklärungen auf den durchschnittlichen Empfängerhorizont der Zielgruppe einheitlich und objektiv abzustellen ist und nur solche Umstände berücksichtigt werden dürfen, die jedermann bzw. jedem Angehörigen der jeweiligen Adressatengruppe bekannt oder erkennbar sind (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01. Februar 2018 – L 1 KR 764/16 –, Rn. 49, juris m.w.N.). Genau diesen Anforderungen wird aber der Wiedereingliederungsplan gerecht.

Entgegen der von der Beklagten im Termin vertretenen Sichtweise ist dies in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch anerkannt. Insbesondere ist zu der streitgegenständlichen Frage keine Revision bei dem Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 3 KR 6/18 R anhängig, denn jenes Verfahren richtet sich gegen die Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen v. 1.02.2018 – L 5 KR 265/17. In jenem Fall wurden aber ausweislich der dem Gericht vorliegenden Entscheidungsgründe die Vordrucke für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nach dem dafür vorgesehenen Muster verwendet (vgl. LSG NRW, a.a.O., Rn. 32).

Schließlich steht einer derartigen Bewertung auch nicht entgegen, dass die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 19.07.2017 (Bl. 22 Verw.A.) darum gebeten hatte, ihr weiterhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zuzusenden, denn bereits mit dem vorhergehenden Satz hat die Beklagte dem Kläger Krankengeld für den streitgegenständlichen Zeitraum bewilligt. Dort heißt es: “ In der Zeit vom 17.07.2017 bis 11.08.2017 erhalten Sie während Ihrer Wiedereingliederung Krankengeld von Ihrer BKK P …“ Die Gewährung dieses Krankengeldes folgte damit dem Wortlaut des Schreibens nach ohne weitere Bedingungen, da der nachfolgende Satz lediglich eine Bitte enthält, nicht jedoch eine bestimmte Aufforderung und erst recht die Bewilligung nicht von der Zusendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abhängig machte. Im Übrigen wäre eine derartige Verknüpfung von Gewährung des Krankengeldes und Aufforderung zur Einsendung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch rechtswidrig, da die Anspruchsgrundlage § 44 i.V. m. § 46 SGB V sie gerade nicht zur Voraussetzung des Krankengeldanspruches macht (s. o.).

2. Der Zinsanspruch folgt aus § 44 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Der Zinsanspruch besteht demnach in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

§ 44 Abs. 1 SGB I bestimmt, dass Leistungsansprüche „nach Ablauf eines Kalendermonats“ nach Eintritt ihrer Fälligkeit zu verzinsen sind, und zwar „bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung“. Damit regelt die Vorschrift sowohl das Entstehen als auch das Ende der Zinspflicht bzgl. des jeweiligen Einzelanspruchs, während die Regelung des § 44 Abs. 2 SGB I lediglich zu einem (weiteren) Aufschub des Beginn-Zeitpunkts führen kann. Bedeutung hat § 44 Abs. 1 SGB I auch für die Berechnung des Zinsanspruchs, indem er anordnet, dass eine Verzinsung stets zu Monatsbeginn beginnt und (bei Fälligkeit im Laufe eines Monats) Teilmonate nicht verzinst werden. Zusammen mit der Klausel „bis zum Ende des Kalendermonats“ dient die Klausel „nach Ablauf eines Kalendermonats“ (zusammen mit weiteren Maßgaben des § 44 Abs. 3 SGB I, vgl. Rn. 43 ff.) der einfachen Zinsberechnung) (Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 44 SGB I, Rn. 23). § 44 Abs. 2 SGB I regelt den Beginn der Verzinsung nicht selbständig, sondern ist nur in Verbindung mit der Regelung über das Entstehen der Verzinsungspflicht in § 44 Abs. 1 SGB I wirksam. Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff „frühestens“, der – würde man Absatz 2 für sich allein betrachten – der verbindlichen Feststellung eines konkreten Zeitpunkts für den Beginn der Verzinsungspflicht entgegenstünde. Die Verzinsung setzt erst ein, wenn sowohl die Voraussetzungen des Absatzes 1 als auch diejenigen einer Alternative des Absatzes 2 gegeben sind. Maßgebend für den Beginn der Verzinsung ist jeweils der spätere Zeitpunkt, je nachdem, ob die Frist des § 44 Abs. 1 SGB I oder diejenige nach § 44 Abs. 2 SGB I zuerst geendet hat (Groth, a.a.O., Rn. 29).

Nach diesen Maßstäben war das Krankengeld zwar nach Ablauf eines Kalendermonats nach dessen Fälligkeit (vgl. dazu § 41 SGB I) zu verzinsen, die Verzinsungspflicht begann jedoch erst gem. Abs. 2 der Vorschrift nach Ablauf von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Antrags beim Leistungsträger. Die Maßgeblichen Unterlagen für das Krankengeld gingen im Juli und August 2017 bei der Beklagten ein, sodass die Verzinsung nach Ablauf von 6 Monaten, also ab 1.03.2018 vorzunehmen ist.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Gegen das Urteil ist die Berufung kraft Gesetzes zulässig, denn der streitgegenständliche Krankengeldanspruch liegt mit einem Gesamtbetrag von 1.743,82 EUR oberhalb der Berufungssumme von 750 EUR (§§143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

 

 

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