➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: L 8 U 16/19 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern
Übersicht
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Unfallversicherung muss Kosten für unnötige Operation tragen
- ✔ Der Fall vor dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- Wann übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten für eine Behandlung nach einem Arbeitsunfall?
- Welche Kriterien legen fest, ob eine medizinische Behandlung als „erforderlich“ gilt?
- Wer haftet für die Folgen einer fehlerhaften ärztlichen Entscheidung im Rahmen der Unfallbehandlung?
- Welche Rechte haben Versicherte, wenn die Unfallversicherung die Kostenübernahme für eine Behandlung ablehnt?
- Wie können sich Versicherte schützen, um nicht selbst für die Kosten einer unnötigen Behandlung aufkommen zu müssen?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom Landessozialgericht Schleswig-Holstein
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Die Klägerin erlitt am 12. Mai 2014 einen Autounfall auf dem Weg zur Arbeit und klagte sofort über Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen.
- Der Durchgangsarzt diagnostizierte eine Halswirbelsäulen-Distorsion und überwies sie zur MRT-Untersuchung.
- Bei der MRT-Untersuchung wurde eine geringe Bandscheibenvorwölbung zwischen HWK 4/5 festgestellt, die zunächst als traumatische Bandscheibenruptur bewertet und operativ behandelt wurde.
- Die Beklagte erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an, aber nur die Distorsion der Halswirbelsäule als Unfallfolge. Eine Bandscheibenverletzung wurde als nicht unfallbedingt eingestuft.
- Ein späteres Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Bandscheibenverletzung nicht durch den Unfall verursacht wurde, sondern eine degenerative Veränderung darstellte.
- Die Klägerin machte geltend, dass die Operation und die daraus resultierenden Beschwerden auf den Unfall zurückzuführen seien und verlangte die Anerkennung weiterer Unfallfolgen.
- Das Landessozialgericht hob das Urteil des Sozialgerichts Kiel auf und entschied zugunsten der Klägerin. Es erkannte die Operation und die damit verbundenen Gesundheitsstörungen als Folge des Unfalls an.
- Das Gericht stellte fest, dass die minimalen Einschränkungen der Halswirbelsäulenbeweglichkeit, die Narbe, die Platte und das Cage-Interponat sowie die Anpassungsstörung unfallbedingt sind.
- Die Klägerin erhält eine Erstattung von 4/5 ihrer außergerichtlichen Kosten.
- Diese Entscheidung zeigt, dass bei unklaren medizinischen Diagnosen und unterschiedlichen ärztlichen Gutachten die Gerichte zu Gunsten des Versicherten entscheiden können, wenn ein kausaler Zusammenhang plausibel gemacht wird.
Unfallversicherung muss Kosten für unnötige Operation tragen
Ob bei einem Unfall oder einer Erkrankung – wenn eine medizinische Behandlung erforderlich wird, stellt sich oft die Frage, wer die Kosten dafür übernimmt. Das Sozialgesetzbuch VII regelt in § 11, wann die gesetzliche Unfallversicherung für Heilbehandlungen aufkommen muss. Entscheidend ist dabei, dass die Behandlung in direktem Zusammenhang mit dem versicherten Ereignis steht. Nur dann kommt die Unfallversicherung für die Kosten auf. Ist die Behandlung hingegen nicht erforderlich, weil sie über das medizinisch Notwendige hinausgeht, kann die Kostenübernahme problematisch sein. In einem solchen Fall muss sorgfältig geprüft werden, ob tatsächlich ein ursächlicher Zusammenhang zur Unfallfolge besteht. Anhand eines konkreten Gerichtsurteils wird in den folgenden Abschnitten erläutert, wann eine Heilbehandlung als nicht erforderlich gilt und welche Folgen sich daraus ergeben können.
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✔ Der Fall vor dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein
Gericht entscheidet: Unfallversicherung muss Kosten für nicht indizierte Operation tragen
Der vorliegende Fall befasst sich mit der Frage, ob die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten und Folgen einer medizinisch nicht erforderlichen Operation zu tragen hat, die nach einem Arbeitsunfall durchgeführt wurde.
Die Klägerin, eine Verwaltungsangestellte, erlitt am 12. Mai 2014 auf dem Weg zu ihrer Arbeit einen Auffahrunfall. Dabei zog sie sich eine Distorsion (Zerrung) der Halswirbelsäule zu. Der erst behandelnde Durchgangsarzt (D-Arzt) Dr. S überwies sie zu einer MRT-Untersuchung an das Berufsgenossenschaftliche Krankenhaus.
Dort stellte sie sich wenige Tage später in der unfallchirurgischen Ambulanz vor. Der dortige D-Arzt Prof. Dr. S1 untersuchte sie und überwies sie zur weiteren Abklärung an die neurochirurgische Abteilung. Diese diagnostizierte eine traumatische Bandscheibenruptur und empfahl eine Operation, die am 21. Mai 2014 durchgeführt wurde.
Die Unfallversicherung erkannte zunächst nur eine unfallbedingte HWS-Distorsion an und übernahm die Behandlungskosten bis zum 21. Mai 2014, dem Tag der Operation. Weitere Unfallfolgen und Kosten lehnte sie ab, da die Operation nicht unfallbedingt erforderlich gewesen sei.
Sozialgericht weist Klage auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen ab
Die Klägerin zog vor das Sozialgericht und forderte die Anerkennung der Operationsfolgen als mittelbare Unfallfolgen sowie die Übernahme sämtlicher Behandlungskosten. Das Sozialgericht wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass unfallbedingt lediglich eine leichte HWS-Zerrung vorlag, die die durchgeführte Operation nicht erfordert hätte.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung vor dem Landessozialgericht ein. Sie argumentierte, dass die Operation im Verantwortungsbereich der Unfallversicherung durchgeführt wurde. Der D-Arzt habe sie zur Weiterbehandlung an die Neurochirurgie überwiesen. Für sie als Patientin sei nicht erkennbar gewesen, dass die Operation möglicherweise nicht erforderlich war.
Landessozialgericht sieht mittelbare Unfallfolgen durch Operation
Das Landessozialgericht gab der Berufung statt und verurteilte die Unfallversicherung, die verbliebenen Operationsfolgen als mittelbare Unfallfolgen anzuerkennen. Dazu gehören eine Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, eine Narbe mit Sensibilitätsstörung sowie das eingebrachte Osteosynthesematerial.
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass auch eine objektiv nicht erforderliche Behandlung als Heilbehandlungsmaßnahme gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII angesehen werden kann. Entscheidend sei, dass der Unfallversicherungsträger bzw. seine Leistungserbringer gegenüber dem Versicherten den Anschein erweckt haben, die Maßnahme diene der Behandlung von Unfallfolgen. Dies war hier der Fall.
Der erstbehandelnde D-Arzt hatte die Klägerin zur Weiterbehandlung an die Neurochirurgie überwiesen. Für die Patientin musste der Eindruck entstehen, dies geschehe zur Behandlung unfallbedingter Beschwerden. Das Gericht wertete dies als eine vom D-Arzt veranlasste Heilbehandlungsmaßnahme.
Zwar war die Operation weder indiziert noch führte sie der D-Arzt selbst durch. Er hatte die Klägerin aber umfassend an die Neurochirurgie überwiesen, ohne eine Rückmeldung einzufordern. Das Gericht sah hierin eine fehlerhafte Entscheidung des D-Arztes, für dessen Folgen die Unfallversicherung einzustehen hat.
Fazit: Umfassende Verantwortung der Unfallversicherung
Das Urteil stärkt die Rechte von Unfallverletzten. Es stellt klar, dass die Unfallversicherung eine umfassende Verantwortung für die medizinische Behandlung der Versicherten innehat. Sie muss auch für Folgen einer vom D-Arzt fehlerhaft veranlassten Heilbehandlung aufkommen, selbst wenn diese objektiv nicht erforderlich war. Maßgeblich ist, dass beim Patienten der Eindruck entsteht, er werde zur Behandlung von Unfallfolgen behandelt.
Für Versicherte bedeutet dies eine größere Rechtssicherheit. Sie müssen nicht befürchten, für medizinische Fehlentscheidungen im Rahmen der Unfallbehandlung selbst aufkommen zu müssen. Zugleich dürfte das Urteil die Unfallversicherungsträger dazu anhalten, die Tätigkeit ihrer D-Ärzte noch genauer zu überprüfen und zu steuern.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil stärkt die Rechte von Unfallverletzten, indem es die umfassende Verantwortung der Unfallversicherung für die medizinische Behandlung der Versicherten betont. Selbst für Folgen einer vom Durchgangsarzt fehlerhaft veranlassten, objektiv nicht erforderlichen Heilbehandlung muss die Versicherung einstehen, wenn beim Patienten der Eindruck entsteht, er werde zur Behandlung von Unfallfolgen therapiert. Dies schafft mehr Rechtssicherheit für Versicherte, erfordert aber auch eine strengere Überwachung der Durchgangsärzte durch die Unfallversicherungsträger.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Das Thema: Kostenübernahme bei nicht erforderlicher Heilbehandlung wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.
- Wann übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten für eine Behandlung nach einem Arbeitsunfall?
- Welche Kriterien legen fest, ob eine medizinische Behandlung als „erforderlich“ gilt?
- Wer haftet für die Folgen einer fehlerhaften ärztlichen Entscheidung im Rahmen der Unfallbehandlung?
- Welche Rechte haben Versicherte, wenn die Unfallversicherung die Kostenübernahme für eine Behandlung ablehnt?
- Wie können sich Versicherte schützen, um nicht selbst für die Kosten einer unnötigen Behandlung aufkommen zu müssen?
Wann übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten für eine Behandlung nach einem Arbeitsunfall?
Die gesetzliche Unfallversicherung übernimmt die Kosten für eine Behandlung nach einem Arbeitsunfall, wenn der Unfall in Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht. Das bedeutet konkret, dass der Unfall entweder direkt bei der Arbeit, auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause passiert sein muss. Auch Unfälle während einer Dienstreise, bei der Teilnahme an Betriebssport oder Betriebsfeiern sind in der Regel abgedeckt.
Wichtig ist, dass der Unfall durch eine äußere Einwirkung verursacht wurde. Verletzungen oder Gesundheitsschäden, die ohne Fremdeinwirkung während der Arbeit auftreten wie ein Herzinfarkt oder Hexenschuss aufgrund eines Bandscheibenvorfalls, gelten nicht als Arbeitsunfall. In solchen Fällen werden die Behandlungskosten nicht von der Unfallversicherung getragen.
Einige Beispiele verdeutlichen die Unterscheidung
- Stürzt eine Verkäuferin bei der Arbeit von der Leiter und bricht sich den Arm, handelt es sich um einen Arbeitsunfall. Die Heilbehandlung wird von der Unfallversicherung bezahlt.
- Erleidet ein Büroangestellter am Schreibtisch einen Schlaganfall ohne äußere Einwirkung, liegt kein Arbeitsunfall vor. Die Krankenkasse muss für die Behandlung aufkommen.
- Rutscht eine Krankenschwester auf dem Heimweg auf einer vereisten Straße aus und verletzt sich, ist das ein Wegeunfall. Auch hier trägt die Unfallversicherung die Kosten.
- Infiziert sich ein Arzt bei der Arbeit mit dem Coronavirus, kann das als Arbeitsunfall oder sogar Berufskrankheit anerkannt werden. Die Behandlung wird dann ebenfalls von der Unfallversicherung übernommen.
Entscheidend ist also immer der kausale Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis durch eine äußere Einwirkung. Nur dann besteht Anspruch auf Kostenübernahme durch die gesetzliche Unfallversicherung. In allen anderen Fällen müssen die Krankenkassen oder private Krankenversicherungen einspringen.
Welche Kriterien legen fest, ob eine medizinische Behandlung als „erforderlich“ gilt?
Ob eine medizinische Behandlung als erforderlich gilt, hängt von verschiedenen medizinischen und rechtlichen Kriterien ab. Aus medizinischer Sicht muss die Behandlung vor allem geeignet sein, um eine Krankheit, Verletzung oder Störung zu diagnostizieren, zu heilen, zu lindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten. Dabei müssen Art, Umfang und Dauer der Behandlung dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Entscheidend ist, dass die Behandlung aus Sicht eines verantwortungsbewussten Arztes für die Versorgung des Patienten notwendig ist.
Aus rechtlicher Perspektive definieren insbesondere die Sozialgesetzbücher, wann Leistungen als erforderlich gelten. Nach § 27 SGB V haben gesetzlich Krankenversicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Ähnliche Kriterien finden sich auch in anderen Bereichen wie der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 26 SGB VII.
Konkret bedeutet dies, dass die Behandlung für den jeweiligen Krankheitsfall geeignet und erforderlich sein muss und es keine andere, weniger aufwändige Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem Behandlungserfolg geben darf. Auch darf die Behandlung nicht primär auf Wunsch oder Annehmlichkeit des Patienten oder Arztes erfolgen. Zudem müssen eventuelle Risiken oder Nebenwirkungen in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten Nutzen stehen.
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss immer individuell unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Im Zweifelsfall entscheidet nicht der behandelnde Arzt, sondern der Leistungsträger wie die Krankenkasse, ob eine Behandlung als erforderlich angesehen wird. Lehnt dieser eine Kostenübernahme ab, kann der Patient dagegen Widerspruch einlegen und gegebenenfalls Klage erheben. Privatversicherte können sich an den Ombudsmann für Versicherungen wenden.
Wer haftet für die Folgen einer fehlerhaften ärztlichen Entscheidung im Rahmen der Unfallbehandlung?
Bei einer fehlerhaften ärztlichen Entscheidung im Rahmen der Unfallbehandlung stellt sich die Frage der Haftung. Die Verantwortung liegt grundsätzlich bei dem behandelnden Arzt selbst. Ärzte müssen bei der Behandlung die erforderliche Sorgfalt walten lassen und den anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft beachten. Kommt es aufgrund eines Behandlungsfehlers zu einer Verletzung des Patienten, kann der Arzt zivilrechtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.
Allerdings greift in solchen Fällen regelmäßig die Berufshaftpflichtversicherung des Arztes ein, die die Ansprüche des Patienten übernimmt. Ärzte in Krankenhäusern sind zudem über die Betriebshaftpflichtversicherung des Krankenhauses abgesichert. Die gesetzliche Unfallversicherung nach dem SGB VII haftet hingegen nicht für ärztliche Behandlungsfehler. Ihre Leistungen wie Heilbehandlung, Renten etc. werden unabhängig davon gewährt, ob ein Behandlungsfehler vorliegt.
Entscheidend ist, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden für den Patienten besteht. Nur dann kann der Arzt beziehungsweise seine Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen werden. Beweisschwierigkeiten für den Patienten werden durch Beweiserleichterungen teilweise aufgefangen. Insgesamt zeigt sich, dass die Haftung bei Behandlungsfehlern in erster Linie den behandelnden Arzt selbst trifft, nicht die Unfallversicherung.
Welche Rechte haben Versicherte, wenn die Unfallversicherung die Kostenübernahme für eine Behandlung ablehnt?
Wenn die Unfallversicherung die Kostenübernahme für eine Behandlung ablehnt, haben Versicherte mehrere Möglichkeiten, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Zunächst sollten sie einen Widerspruch gegen die Ablehnung einlegen. Dieser muss innerhalb eines Monats nach Erhalt des Ablehnungsbescheids bei der Versicherung eingereicht werden. Im Widerspruchsverfahren wird der Fall nochmals geprüft und dem Versicherten eine neue Entscheidung mitgeteilt.
Wird der Widerspruch abgelehnt, können Versicherte vor dem zuständigen Sozialgericht klagen. Die Klage muss innerhalb eines Monats nach Erhalt des Widerspruchsbescheids eingereicht werden. Vor Gericht können Versicherte sich selbst vertreten oder einen Anwalt beauftragen. Die Gerichtskosten sind kostenfrei, jedoch müssen im Falle einer Niederlage unter Umständen die Anwaltskosten selbst getragen werden. Studien zeigen, dass rund jede vierte Klage vor den Sozialgerichten zumindest teilweise erfolgreich ist.
Eine weitere Option ist die außergerichtliche Einigung. Hierbei vereinbaren die Parteien schriftlich im sogenannten Einigungsprotokoll die Regulierung des Schadens. Dies ist insbesondere bei kleineren Schäden ratsam, da es Zeit und Kosten spart. Allerdings sollte das Einigungsprotokoll sorgfältig geprüft werden, da eine nachträgliche Anfechtung schwierig ist, falls die vereinbarte Summe den tatsächlichen Schaden nicht deckt.
Wie können sich Versicherte schützen, um nicht selbst für die Kosten einer unnötigen Behandlung aufkommen zu müssen?
Als Versicherter können Sie einige Vorkehrungen treffen, um nicht selbst für die Kosten einer unnötigen Behandlung aufkommen zu müssen. Zentral ist es, aktiv und kritisch den Behandlungsprozess zu begleiten.
Hinterfragen Sie ärztliche Entscheidungen, wenn Ihnen etwas unklar erscheint oder Sie Zweifel an der Notwendigkeit einer Maßnahme haben. Scheuen Sie sich nicht, Ihre Bedenken offen anzusprechen und weitere Erläuterungen einzufordern. Eine zweite Meinung von einem anderen Arzt kann ebenfalls sinnvoll sein, bevor Sie einer empfohlenen Behandlung zustimmen.
Kommunizieren Sie frühzeitig mit Ihrer Unfallversicherung, sobald Ihnen eine Behandlung unverhältnismäßig oder unnötig erscheint. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Folgen einer nicht erforderlichen Heilbehandlung als Folge eines Versicherungsfalles anzusehen. Die Unfallversicherung ist daher verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, sofern die Behandlung tatsächlich unnötig war.
Lassen Sie sich von Ärzten und Kostenträgern nicht unter Druck setzen. Bestehen Sie auf eine umfassende Aufklärung über Behandlungsalternativen, Nutzen und Risiken. Nur so können Sie eine informierte Entscheidung treffen und sich vor überflüssigen Kosten schützen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII: Regelt die Voraussetzungen für Heilbehandlungen, die die gesetzliche Unfallversicherung nach einem Arbeitsunfall übernehmen muss. Entscheidend ist, dass die Behandlung in direktem Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht.
- Arbeitsunfall: Ein Unfall, der sich während der Arbeit oder auf dem Weg zur Arbeit ereignet. Die Klägerin erlitt einen solchen Unfall am 12. Mai 2014, was zur Anerkennung durch die Unfallversicherung führte.
- Halswirbelsäulen-Distorsion: Diagnose des Durchgangsarztes nach dem Unfall. Die Beklagte erkannte diese Verletzung als unfallbedingt an, lehnte jedoch die Anerkennung weiterer Verletzungen ab.
- Bandscheibenruptur: Die Klägerin wurde operiert aufgrund einer angenommenen traumatischen Bandscheibenruptur. Später wurde der Zusammenhang mit dem Unfall angezweifelt, was zu rechtlichen Auseinandersetzungen führte.
- Mittelbare Unfallfolgen: Das Gericht entschied, dass auch nicht eindeutig unfallbedingte Behandlungen als Folgen eines Arbeitsunfalls anerkannt werden können, wenn die Behandlung aufgrund einer fehlerhaften ärztlichen Entscheidung erfolgte.
- Gutachten: Mehrere ärztliche Gutachten wurden eingeholt, um den Zusammenhang zwischen Unfall und Verletzungen zu klären. Diese widersprüchlichen Gutachten waren zentral für die gerichtliche Entscheidung.
- Revision: Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Dies bedeutet, dass das Urteil des Landessozialgerichts endgültig ist.
- Kostenübernahme durch die Unfallversicherung: Das Gericht entschied, dass die Unfallversicherung auch für die Folgen einer möglicherweise nicht erforderlichen Operation aufkommen muss, wenn die Behandlung im Verantwortungsbereich der Unfallversicherung lag.
⇓ Das vorliegende Urteil vom Landessozialgericht Schleswig-Holstein
Landessozialgericht Schleswig-Holstein – Az.: L 8 U 16/19 – Urteil vom 20.02.2023
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteils des Sozialgerichts Kiel vom 26. Oktober 2018 aufgehoben.
Unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 21. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2016 werden die aufgrund der am 21. Mai 2014 erfolgten Operation verbliebene minimale Einschränkung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit, die 3 Zentimeter lange Narbe mit Sensibilitätsstörung durch Taubheitsgefühl und eine regelrecht einliegenden Platte und Cage-Interponat zur Fusion HWK 4 und HWK 5 sowie
eine Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion bis April 2015 als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. Mai 2014 festgestellt.
Die Beklagte hat der Klägerin 4/5 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten im Vor–, Klage– und Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch um die Anerkennung weiterer Unfallfolgen.
Die 1975 geborene Klägerin ist als Verwaltungsangestellte beim Deutschen G beschäftigt und befand sich am 12. Mai 2014 als angeschnallte Autofahrerin auf dem Weg von ihrer Wohnung in M zu ihrer Arbeitsstelle in N, als sie einen Autounfall erlitt. Sie befuhr die Rendsburger Straße in N stadteinwärts und kam hinter vor ihr verkehrsbedingt stehenden Fahrzeugen ebenfalls verkehrsbedingt zum Stehen. Sodann fuhr die unmittelbar hinter ihr fahrende Unfallgegnerin auf ihr stehendes Fahrzeug auf. Ausweislich der polizeilichen Ermittlungsakte stieg die Klägerin selbständig aus ihrem Fahrzeug aus. Sie beklagte umgehend bei ihr bestehende Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen.
Die Klägerin fuhr anschließend nach K und wurde bei dem Durchgangsarzt (D-Arzt) Dr. S vorstellig, der nach erfolgter Untersuchung und Röntgen-Untersuchung eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) diagnostizierte. Ausweislich seines ärztlichen Berichtes von diesem Tag überwies er die Klägerin zur MRT-Untersuchung.
Wegen anhaltender Beschwerden mit Kribbelparästhesien im Bereich beider Hände stellte sich die Klägerin am 15. Mai 2014 in der unfallchirurgischen Notfallambulanz des Berufsgenossenschaftlichen Krankenhauses H im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in K vor. Der zu diesem Zeitpunkt dort als D-Arzt tätige Ärztliche Direktor der Abteilung der Klinik für Unfallchirurgie und Zeuge Prof. Dr. S1 untersuchte die Klägerin ausweislich seines an die Beklagte gerichteten Schreibens vom 19. Mai 2014, dort zugegangen am 23. Mai 2014. Er berichtete, dass bei unklarer pseudoradikulärer Symptomatik eine neurochirurgische und neurologische Vorstellung und eine „…Übernahme der Patientin…“ erfolgt sei. Die neurologische Vorstellung in der Neurochirurgischen Abteilung, in der zunächst eine MRT-Untersuchung veranlasst wurde, ergab eine geringe dorsale Bandscheibenvorwölbung zwischen Halswirbelkörper (HWK) 4/5 ohne relevante Bedrängung des Spinalkanals. Der Arzt für Neurochirurgie und Zeuge Prof. Dr. M1 wertete diesen Befund als Nachweis einer traumatischen Bandscheibenruptur. Er empfahl eine operative Therapie, die am 21. Mai 2014 in Form einer ventralen Disektomie und Fusion HWK 4/5 sowie Abtragung von Spondylophyten und ventralen Verplattung erfolgte. Mit am 22. Mai 2014 per Fax übersandtem Schreiben wurde die Beklagte über die am 21. Mai 2014 durchgeführte Operation informiert.
In der Zeit vom 20. Juni bis 4. Juli 2014 führte die Klägerin zu Lasten der Beklagten eine Anschlussheilbehandlung in der Helios Rehaklinik D durch. Ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichtes vom 25. Juni 2014 erfolgte die Entlassung der Klägerin als arbeitsunfähig mit Hinweis auf schmerzhafte Bewegungs- und Funktionseinschränkungen der HWS bei Zustand nach erfolgter Operation sowie auf ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom.
Mit Schreiben vom 25. Juni 2014 teilte der D-Arzt Dr. S der Beklagten mit, dass er die Klägerin in die Neurochirurgische Abteilung des UKSH zur weiteren Diagnostik überwiesen habe und die Klägerin am 23. Juni 2014 nach erfolgter Operation an der HWS erneut bei ihm vorstellig geworden sei.
Ausweislich des von der Beklagten eingeholten Vorerkrankungsverzeichnisses vom 19. August 2014 waren Arbeitsunfähigkeitszeiten im Zusammenhang mit Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule bis zum Unfalltag nicht vermerkt. Demgegenüber finden sich als Arbeitsunfähigkeitszeiten begründende Diagnosen andere Angststörungen (14. November 2007), andere neurotische Störung/Neurasthenie (18. Juli bis 25. Juli 2008), depressive Episode, nicht näher bezeichnet (10. September bis 12. September 2008), depressive Episode, Reaktionen als schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (2. bis 20. Dezember 2013).
Die Beklagte holte von dem D-Arzt Prof. Dr. S1 ein Gutachten ein, der mit schriftlichen Ausführungen vom 8. November 2014 zu dem Ergebnis gelangte, bei der Klägerin sei es aufgrund des Unfalls vom 12. Mai 2014 zu einer traumatischen Bandscheibenruptur in Höhe der HWK 4/5 gekommen. Weiter bestünden eine depressive Stimmungslage, Antriebslosigkeit, intermittierend starke Angstzustände, insbesondere als Mitfahrerin bei Autofahrten, wobei die Klägerin noch in der Lage sei, selbständig Auto zu fahren.
Auf Nachfrage der Beklagte korrigierte Prof. Dr. S1 seine Einschätzung mit Ausführungen vom 27. Januar 2015 dahingehend, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 12. Mai 2014 und den bestehenden Beschwerden nicht nachgewiesen sei. Zwar sei eine traumatische Bandscheibenruptur im Bereich der HWS auch ohne Begleitverletzungen denkbar. Voraussetzung hierfür sei jedoch ein adäquates Trauma, das im Fall der Klägerin nicht vorgelegen habe. So sei ein solches Verletzungsmuster im Rahmen eines innerstädtischen Verkehrsunfalls bei einer Geschwindigkeit von unter 50 Kilometer pro Stunde (km/h) recht unwahrscheinlich. Zudem habe sich im MRT vom 16. Mai 2014 kein Nachweis einer Rückenmarkskontusion gezeigt, sondern lediglich eine geringe Bandscheibenvorwölbung zwischen HWK 4/5 ohne relevante Bedrängung des Spinalkanals und ohne Myelopathie-Signal. Grundlage für seine vorherige Einschätzung sei der Entlassungsbrief der Klinik für Neurochirurgie gewesen, ausweislich dessen eine traumatische Bandscheibenruptur in Höhe HWK 4/5 mit Myelopathie-Signal bei Zustand nach Verkehrsunfall attestiert worden sei. Als Diagnose bleibe aus unfallchirurgischer Sicht letztlich eine HWS-Distorsion mit geringer dorsaler Bandscheibenvorwölbung, die als degenerativ zu bewerten sei.
In der Zeit vom 10. Februar 2015 bis 26. März 2015 erfolgte eine Berufsgenossenschaftliche stationäre Heilbehandlung. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 23. März 2015 wurde auf psychiatrischem Fachgebiet die Diagnose einer Anpassungsstörung und einer isolierten Fahrphobie nach Autounfall gestellt.
Auf Kosten der Beklagten nahm die Klägerin erfolgreich therapeutische Fahrstunden (17. und 19. März 2015) in Anspruch.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2015 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 12. Mai 2014 als Arbeitsunfall und eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sowie Behandlungsbedürftigkeit bis zum 21. Mai 2014 an. Unfallbedingt sei lediglich eine HWS-Distorsion als Unfallfolge festzustellen, mangels fehlender Begleitverletzungen nicht aber ein Bandscheibenvorfall. Das Unfallereignis sei lediglich als rechtlich unwesentliche Gelegenheitsursache zu bewerten.
Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 27. Oktober 2015 holte die Beklagte ein chirurgisch-traumatologisches Gutachten bei dem Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K ein, der ausweislich seiner schriftlichen Ausführungen vom 19. September 2016 zu dem Ergebnis gelangte, das Ereignis vom 12. Mai 2014 habe weder einen objektiven Primärschaden im Bereich der Halswirbelsäule verursacht noch einen Vorschaden verschlimmert. Mit Aufnahme in die Neurochirurgische Abteilung und im Zeitpunkt der Operation am 21. Mai 2014 sei ein unfallunabhängiger Befund als traumatische Bandscheibenruptur fehlbezeichnet und als solche versorgt worden. Diese Diagnose lasse sich weder auf den konventionellen Röntgenaufnahmen noch in der Kernspintomographie nachvollziehen. Aufgrund von Unfallfolgen und unter Annahme einer Zerrung sei eine ambulante Behandlung zu begründen, die aber durch den operativen Eingriff eine Änderung der Wesensgrundlage erfahren habe.
Die Beklagte hörte weiter den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H1, der mit Gutachten vom 24. Oktober 2016 auf nervenärztlichem Fachgebiet keine Unfallfolgen feststellte. Ausweislich der bekannten Unterlagen wie auch der Erstangaben der Klägerin habe jene nach dem Unfallereignis unspezifische Kopfschmerzen und Schmerzen im Bereich der HWS, nicht aber psychische Missbefindlichkeiten beklagt. Objektivierbare Abweichungen im Neurostatus hätten zu keinem Zeitpunkt bestanden und hätten auch im Zeitpunkt der Untersuchung nicht festgestellt werden können. Wie sich aus dem chirurgischen Gutachten von Dr. K ergebe, könne im Bereich der HWS kein objektiver Primärschaden festgestellt werden. Der operative Eingriff habe nicht einer unfallbedingten Verletzung gegolten. Insoweit sei festzustellen, dass sich die anschließenden Beschwerden erst nach und aufgrund des operativen Eingriffs eingestellt hätten. Dies gelte zumal für die anschließende Phase der psychischen Missbefindlichkeit, die von der Klägerin in ihrem Kausalitätsdenken auf den Unfall zurückgeführt werde, die nachvollziehbar davon ausgegangen sei, die Operation sei aufgrund des Unfalls notwendig.
Mit Bescheid vom 23. November 2016 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Einschätzungen von Dr. K und Dr. H1 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 12. Dezember 2012 Klage vor dem Sozialgericht Kiel erhoben und dort geltend gemacht, entgegen der Auffassung der Beklagten seien die am 21. Mai 2014 durchgeführte Operation und die hieraus resultierenden Gesundheitsstörungen auf die Folgen des Unfalls vom 12. Mai 2014 zurückzuführen. Bei diesem Unfall sei es zu einer Bandscheibenverletzung im Bereich der Halswirbelsäule gekommen, die bis heute zu behandlungsbedürftigen Funktionseinschränkungen führe. So habe auch Prof. Dr. S1 mit seiner ersten Stellungnahme vom 8. November 2014 einen Unfallzusammenhang festgestellt. Erst mit ergänzender Stellungnahme vom 27. Januar 2015 habe er ausgeführt, dass kein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Unfall und den bestehenden Beschwerden nachgewiesen werden könne. Zu diesem Zeitpunkt habe nicht eindeutig geklärt werden können, ob und in welchem Umfang das bei ihr bestehende Beschwerdebild als unfallunabhängig zu bewerten sei oder nicht. Daher sei das von der Beklagten benannte Datum – 21. Mai 2014 – völlig willkürlich gewählt. Denn der operative Eingriff habe nachweislich unter der Prämisse gestanden, dass es sich um eine unfallbedingte Verletzung handle. Eine Abgrenzung zu möglichen alternativen Unfallursachen sei erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Auch fehlten Ausführungen der Beklagten zu der Frage, aus welchem Grund sie die Zerrung der Halswirbelsäule bereits am 21. Mai 2014 als ausgeheilt bewerte. Im Übrigen sei trotz der Stellungnahme von Prof. Dr. S1 vom 21. Januar 2015 anschließend die stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Unfallkrankenhaus H durchgeführt worden. Auch dieser Umstand deute darauf hin, dass die Beklagte nach wie vor von ihrer Zuständigkeit und von einer weiteren Klärungsbedürftigkeit ausgegangen sei. Auch sei nicht vorstellbar, dass von Seiten des UKSH lediglich aufgrund einer HWS-Distorsion eine Operation empfohlen werde. Sollte dies dennoch so gewesen sein, liege ein Behandlungsfehler vor, für den die Beklagte einzustehen habe. Die infolge dieser Operation verbliebenen Beschwerden wären dann als mittelbare Unfallfolgen anzuerkennen. Denn ohne den Arbeitsunfall wäre eine entsprechende Behandlung nicht eingeleitet worden. Zusätzlich habe sich eine Angstsymptomatik entwickelt, die unterschwellig jeden Tag vorhanden sei und sich durch körperliche Reaktionen bemerkbar mache, z.B. in Form von Panikgefühlen und Schweißausbrüchen, sobald über Autounfälle gesprochen werde, sie entsprechende Zeitungsartikel lese oder sich in einer angespannten Verkehrssituation befinde. Der Gutachter Dr. H1 habe die Bedeutung ihrer seelischen Beeinträchtigungen nicht hinreichend gewürdigt.
Die Klägerin hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr eine Verletzung der Bandscheibe, Angststörung, Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, Muskelverspannungen im Schulter-Nacken-Bereich, Missempfindungen in den Händen als Folgen des Unfalls vom 12. Mai 2014 anzuerkennen sowie die Beklagte zu verurteilen, auch über den 21. Mai 2014 hinaus Leistungen zur Behandlung der Unfallfolgen zu erbringen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen ihrer Verwaltungsentscheidungen und insbesondere auf die Einschätzungen von Dr. K und Dr. H1 Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Verwaltungsunterlagen der Beklagten beigezogen, des Weiteren das bildgebende Material des F-Radiologicums, der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein sowie des MVZ P, schließlich einen Befund des MVZ Chirurgie K.
Weiter hat das Sozialgericht gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Chirurgie, Orthopädie, Unfallchirurgie Dr. B gehört. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin unfallbedingt eine HWS-Zerrung erlitten habe, die spätestens nach einer Woche als ausgeheilt zu bewerten sei. Eine aufgrund des betreffenden Unfalls erfolgte morphologisch strukturelle Verletzung der HWS könne ebenso wie – mangels Vorerkrankung – eine Verschlimmerung ausgeschlossen werden (Gutachten vom 19. Juni 2018).
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. Oktober 2018 abgewiesen. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen noch auf Übernahme von Behandlungskosten über den 21. Mai 2014 hinaus. Sie habe aufgrund des Unfalls vom 12. Mai 2014 lediglich eine Zerrung der HWS erlitten. Es habe sich um eine Beschleunigungsverletzung mit dem Schweregrad I bis II nach Erdmann mit HWS-Beschwerden in Form von Schmerzen, Steifigkeit oder Überempfindlichkeit ohne objektivierbare neurologische Ausfälle mit geringer Bewegungseinschränkung der HWS gehandelt. Eine traumatische Bandscheibenruptur habe entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. S1 vom 8. November 2014 nicht vorgelegen. An dieser Einschätzung habe jener nach Auswertung des MRT-Befundberichtes vom 16. Mai 2014 nicht mehr festgehalten, sondern mit ergänzender Stellungnahme vom 27. Januar 2015 ausgeführt, es finde sich kein Nachweis einer Rückenmarkskontusion, sondern lediglich eine geringe Bandscheibenvorwölbung HWK 4/5 ohne relevante Bedrängung des Spinalkanals und ohne Myelopathie-Signal.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten am 1. März 2019 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 7. März 2019. Sie stützt sich dabei im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend macht sie geltend, die möglicherweise fehlerhafte Diagnosestellung und die sich daran anschließende operative Versorgung falle in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Die Begründung des Sozialgerichts, wonach der zuerst befasste D-Arzt Dr. S keine Bandscheibenruptur festgestellt habe und weder er noch die Beklagte einen operativen Eingriff veranlasst hätten, könne nicht überzeugen. Denn die Neurochirurgische Abteilung des UKSH habe mit Fax vom 21. Mai 2014 bei der Beklagten einen Antrag zur Anschlussheilbehandlung gestellt und bereits hier als Diagnose eine „traumatische Bandscheibenruptur“ benannt. Auch habe die Beklagte nach Vorlage der MRT-Aufnahme vom 20. Juni 2014 keine Einwände gegen die durchgeführten Behandlungen erhoben und diese zudem kostenmäßig übernommen. Hinzu komme, dass der D-Arzt Dr. S mit Bericht vom 20. Juni 2014 gegenüber der Beklagten darauf hingewiesen habe, dass sie – die Klägerin – derzeit in die Neurochirurgische Abteilung des UKSH überwiesen worden sei. Daher habe die Beklagte nicht erst im Nachhinein von der Übernahme der Behandlung in der Neurochirurgischen Abteilung erfahren. Vielmehr sei jene jeweils zeitnah über die erfolgte Behandlung und die Diagnosen unterrichtet worden. Wenn sich, wovon das Sozialgericht ausgehe, aus dem MRT-Befund keine Bandscheibenruptur ergebe, die einen operativen Eingriff erfordert habe, hätte die Beklagte dies bereits im Juni 2014 gegenüber den Behandlern und auch gegenüber der Klägerin äußern können. Da sie dies nicht getan habe, habe sie den Anschein erweckt und aufrechterhalten, alle Behandlungen und Maßnahmen seien wegen der Folgen des Unfalls vom 12. Mai 2014 erforderlich. Aus der Aussage des D-Arztes Dr. S, dass er die Klägerin zur Weiterbehandlung in die Neurochirurgische Abteilung überwiesen habe, ergebe sich auch eine direkte Veranlassung zu der operativen Versorgung, die in den Verantwortungsbereich der Beklagten falle. Jedenfalls habe die vom D-Arzt Dr. S schriftlich bestätigte Überweisung der Klägerin an die Neurochirurgische Abteilung dazu gedient, die dort durchgeführte Behandlung als von der Beklagten und damit in ihrem Verantwortungsbereich befindlich darzustellen. Maßgeblich sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, wie Versicherte bei verständiger Würdigung die objektiven Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Durchführung verstehen können und dürfen. So sei keinesfalls erkennbar gewesen, dass die in der Neurochirurgischen Abteilung des UKSH durchgeführte Diagnosestellung und Operation nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten falle. Mangels entsprechender Vorerkrankungen habe sie persönlich auch keinen Anhaltspunkt dafür gehabt, dass möglicherweise andere Krankheitsursachen hätten eine Rolle spielen können. Ebenso wenig habe sie davon ausgehen müssen, dass eine fehlerhafte Diagnose gestellt und daraufhin ein Eingriff vorgenommen werde, für den es keine medizinische Rechtfertigung gebe. Zudem habe im Zeitpunkt der Absicht, die Klägerin zu operieren, noch eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit wegen der festgestellten Zerrung der HWS bestanden. Ohne den anerkannten Wegeunfall und die daraufhin begonnene und durchgeführte Behandlung wäre es nicht zur Operation gekommen. Insoweit stelle sich der Geschehensablauf als ununterbrochen dar. Auch dieser Umstand spreche dafür, dass die Beklagte für die erfolgte Operation einzustehen habe. Die Beklagte benenne keine objektive Gegebenheit, die im Zeitpunkt der Operation den Eindruck hätte vermitteln können, bei dieser Operation würde es sich nicht um eine Maßnahme handeln, die der Behandlung von Unfallfolgen diene. Wenn der MRT-Befund vom 20. Mai 2014 so eindeutig und offensichtlich eine Fehldiagnose belege, stelle sich die Frage, weshalb die Beklagte nicht den Antrag auf Kostenübernahme der Anschlussheilbehandlung sowie die Übernahme weiterer Behandlungskosten abgelehnt hat. In diesem Zusammenhang habe die Beklagte die Frage zu beantworten, ob sie einen Erstattungsanspruch gegenüber der zuständigen Krankenkasse geltend gemacht hat. Nach den gesetzlichen Bestimmungen bestehe die Verpflichtung, die Kosten, die im Erstattungsfalle verlangt werden können, auch erstattet zu verlangen. Sollte dies nicht erfolgt sein, ließe sich ein solches Verhalten nicht mit den jetzigen Ausführungen zur fehlenden Verantwortlichkeit gegenüber der Klägerin in Einklang zu bringen. Ein entsprechender Regress hätte bereits im Jahr 2014 erfolgen müssen.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Kiel vom 26. Oktober 2018 den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2016 zu ändern und die aufgrund der am 21. Mai 2014 erfolgten Operation verbliebene minimale Einschränkung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit, die 3 Zentimeter lange Narbe mit Sensibilitätsstörung durch Taubheitsgefühl und eine regelrecht eingelegte Platte und Cage-Interponat zur Fusion HWK 4 und HWK 5 sowie die Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion (bis April 2015) als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. Mai 2014 festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, erstmals mit D-Arztbericht von Dr. S vom 12. Mai 2014 von dem Unfall der Klägerin Kenntnis erlangt zu haben. Darin habe Dr. S lediglich die Anfertigung einer MRT-Untersuchung in die Wege geleitet, nicht aber die Einweisung zur Durchführung der betreffenden Operation. Der zeitlich nächstgelegene Posteingang in der Verwaltungsakte sei ein Bericht des UKSH vom 19. Mai 2014, von dem sie am 23. Mai 2014, mithin erst nach erfolgter Durchführung des operativen Eingriffs, Kenntnis erlangt habe. Von einem geplanten Eingriff sei in diesem Bericht im Übrigen keine Rede gewesen. Aus diesem Bericht gehe lediglich hervor, dass sich die Klägerin auf eigene Veranlassung in der dortigen Notfallambulanz und nicht auf Weisung des D-Arztes vorgestellt habe. Erst mit Fax vom 3. Juni 2014 seien ihr – der Beklagten – der Bericht über den stationären Aufenthalt nebst Durchführung der Operation sowie der betreffende MRT-Befundbericht zur Kenntnis gegeben worden. Der Bericht über die stationäre Behandlung in der Neurochirurgie sei im Übrigen nicht an den D-Arzt Dr. S, sondern an die Hausärztin Dr. K1 in H2 adressiert worden, so dass sich auch aus diesem Umstand ergebe, dass keine berufsgenossenschaftliche Behandlung durchgeführt worden sei. Die in aller Eile, ohne Einholung einer Zweitmeinung durchgeführte Operation, falle in den alleinigen Verantwortungsbereich der Ärzte der Neurochirurgie des UKSH K und sei nicht Bestandteil des Berufsgenossenschaftlichen Verfahrens. Es habe kein am Berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren beteiligter Arzt in einer der Beklagten zurechenbaren Art und Weise die Durchführung der Operation eingeleitet, forciert oder in sonstiger Weise empfohlen. Der Verwaltungsakte könne weiter entnommen werden, dass im weiteren zeitlichen Ablauf begonnen worden sei, die Zusammenhangsfrage zu prüfen. Dies entspreche im Übrigen auch dem gesetzgeberischen Auftrag der Unfallversicherungsträger im System der verschiedenen Sozialleistungsträger, zunächst einmal Leistungen von Amts wegen zu gewähren und erst dann zu prüfen, ob die erforderliche Zusammenhänge tatsächlich vorliegen. Hieraus könne aber nicht unterstellt werden, sie – die Beklagte – habe den Eindruck erweckt oder aufrechterhalten, sie sei die zuständige Leistungsträgerin für alle Gesundheitsschäden der Klägerin. Der Klägerin sei insoweit Recht zu geben, als es sich bei der von der Neurochirurgie gestellten Diagnose einer traumatischen Bandscheibenruptur mit zwingender Operationsindikation nachweislich um eine Fehldiagnose handle. Da diese Operation gleichwohl durchgeführt wurde, handle es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen sogenannten ärztlichen Behandlungsfehler, für dessen Folgen der die Operations-Diagnose stellende Arzt bzw. Operateur und die dahinterstehende Institution auf zivilrechtlicher Ebene verantwortlich zu machen seien. Die Klägerin habe lediglich davon ausgehen können, dass die Klärung einer Diagnose nach einem Arbeitsunfall in den Verantwortungsbereich des Unfallversicherungsträgers fällt. Auch unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung könne nicht davon ausgegangen werden, dass im Fall der Klägerin ein Anschein dafür gesetzt wurde, sie – die Beklagte – wäre für alles, was in dem besagten Krankenhaus im Rahmen der kassenärztlichen Behandlung passiert, zuständig. Schließlich sei völlig unerheblich für das von der Klägerin behauptete „Setzen eines Anscheins“, ob Erstattungs- und Regressansprüche geltend gemacht werden oder nicht. Denn in Erstattungs- und Regressverfahren gehe es um die nachträgliche Klärung von Zuständigkeiten und nicht um das Setzen eines Anscheins. Unabhängig davon seien tatsächlich Erstattungsansprüche gegenüber der DAK H angemeldet worden. Das Erstattungsverfahren ruhe aber aufgrund des vorliegenden Rechtsstreits. Im Übrigen bezieht sich die Beklagte auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat gemäß § 106 SGG den Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B in Ergänzung zu seinem im Auftrag des Sozialgerichts erstatteten Gutachtens sowie den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M2 gehört. Der Sachverständige Dr. B ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, unabhängig von dem am 12. Mai 2014 erlittenen Unfallereignis sei es aufgrund der am 21. Mai 2014 erfolgten Operation zu einer minimalen Einschränkung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit für Vor- und Rückneigen, Seitneigen und Rotation nach rechts, einer 3 Zentimeter langen Narbe mit Sensibilitätsstörung durch Taubheitsgefühl und einer regelrecht einliegenden Platte und Cage-Interponat zur Fusion HWK 4 und HWK 5 gekommen. Aus Sicht des Sachverständigen Dr. M2 sei es aufgrund des Unfalls mit daraus resultierenden Einschränkungen in direkter Folge zur Ausbildung eines komplexen psychischen Syndroms gekommen, das aus Inhalten einer sich herausgebildeten PTBS, aber auch der dann erneut aufgetretenen depressiven Symptomatik bestanden habe. Die damit assoziierten Beschwerden könnten aufgrund der für die Klägerin eindeutigen Inhalte (Flashbacks, Albträume) bis April 2015 auf den Verkehrsunfall zurückgeführt werden. Zwar sei bei der Klägerin von einer insgesamt erhöhten Vulnerabilität bzw. erniedrigten Resilienz auszugehen. Doch wären die festgestellten Störungen mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne das Unfallereignis vom 12. Mai 2014 nicht aufgetreten, bzw. nicht aufgrund eines jeden alltäglichen Ereignisses (Gutachten vom 27. Mai 2021).
Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2022 berichtet die Beklagte von dem Ergebnis ihrer in der mündlichen Verhandlung am 16. Januar 2022 angekündigten Recherchen, nach denen Prof. Dr. S1 in der betreffenden Unfallchirurgie des UKSH seit 2005 als D-Arzt tätig sei. Hieraus folge, dass jener möglicherweise auch dazu befugt gewesen sein könne, Behandlungsmaßnahmen, wie etwa eine „Übernahme“ eines Patienten in seine stationäre Behandlung zu ihren Lasten einzuleiten. Allerdings gäbe es vorliegend zu beachten, dass die stationäre Aufnahme und die Durchführung der Operation nicht in der Unfallchirurgie, sondern in der Neurochirurgischen Abteilung des UKSH erfolgt sei. Die Neurochirurgie sei im Zeitpunkt der Operation der Klägerin von Prof. Dr. M1 geleitet worden, weshalb die Klägerin nicht unter der durchgangsärztlichen Leitung von Prof. Dr. S1 gestanden habe. Vielmehr sei zu prüfen, ob die Neurochirurgie berechtigt gewesen sei, stationäre Leistungen mit Durchführung einer Bandscheiben-Operation für die Berufungsbeklagte zu erbringen und ob sich daraus eine Haftung der Berufungsbeklagten für verbliebene Folgen dieser Operation in Form einer Anerkennung von Unfallfolgen ergebe. Hierbei sei zu beachten, dass das UKSH der zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Vereinbarung zwischen der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) über die Behandlung von Versicherten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung vom 5. Dezember 2012 erst zum 27. November 2014 beigetreten sei. Hieraus folge, dass sowohl der Vergütungsanspruch des UKSH als auch die Frage, ob die Abteilung Neurochirurgie die Operation der Klägerin überhaupt hätte durchführen dürfen und wer für einen etwaigen Schaden hieraus zu haften habe, nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) zu bestimmen sei. Aber selbst wenn davon auszugehen sei, dass die benannte Rahmenregelung Anwendung finde, läge ein Verstoß gegen § 5 der benannten Rahmenvereinbarung vor. Die Anzeige der stationären Aufnahme richte sich in analoger Anwendung nach § 301 SGB Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wobei die Vereinbarung zum Datenaustausch vom 11. März 2014 für die gesetzliche Unfallversicherung zwischen der DGUV und der DKV vom 11. März 2014 – Regelung zum elektronischen Datenaustausch ab 15. Januar 2015 – bereits zuvor Anwendung finde. Nach § 3 dieser Regelung sei die Meldung nach § 301 SGB V spätestens 3 Arbeitstage nach Aufnahme zu übermitteln. Folge man der Auffassung, diese Vereinbarung finde erst ab 15. Januar 2015 Anwendung, bliebe es wiederum bei der Unverzüglichkeit des § 5 der vorbenannten Rahmenvereinbarung. Jedenfalls habe sie – die Beklagte – erstmals mit einem Antrag auf Anschlussheilbehandlung (AHB) mit Fax vom 22. Mai 2014 quasi beiläufig von der am 15. Mai 2014 erfolgten stationären Aufnahme und der am 21. Mai 2014 durchgeführten Bandscheibenoperation erfahren. Weil zu diesem Zeitpunkt der Aufnahmetag seit mehr als 3 Tage verstrichen war, sei somit von einer Verfristung der Aufnahmeanzeige auszugehen. Es habe keine Möglichkeit mehr bestanden, der Durchführung der Operation zu widersprechen, weshalb weder die Durchführung noch die Folge der Operation einer Berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlungsmaßnahme zurechenbar seien. Sollte die benannte Rahmenvereinbarung keine Anwendung finden, sei zu prüfen, welche Beurteilung sich bei Zugrundelegung der Regeln einer GoA ergebe. Entscheidend sei die Beantwortung der Frage, ob das UKSH nach § 677 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit der Durchführung der Operation ein Geschäft geführt hat, das ihrem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprochen habe. Diese Voraussetzungen wären nur dann erfüllt, wenn das UKSH eine medizinisch erforderliche Behandlung durchgeführt hätte, die sie – die Beklagte – als Sachleistung der gesetzlichen Unfallversicherung hätte erbringen müssen. Dies scheitere aber daran, dass die besagte Operation, weil nicht indiziert, nicht erforderlich gewesen sei. Bei rechtzeitiger Information wäre eine Zustimmung zu der beabsichtigten Operation nicht erteilt worden. Hieraus folge, dass das UKSH keinen Vergütungsanspruch habe und für den aus der Operation entstandenen Schaden ausgleichspflichtig sei. Schließlich lasse sich aus der nicht notwendigen Operation keine weitere Unfallfolge herleiten.
Hierzu erwidert die Klägerin, auf die vertraglichen Beziehungen zwischen der Beklagten und dem Leistungserbringer komme es nicht an. Zudem habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. Juni 2019 ausgeführt, die von dem D-Arzt Dr. S empfohlene Vorstellung in der Neurochirurgie habe lediglich der Diagnoseklärung und Anfertigung eines MRT gedient. Mit dieser Aussage stehe fest, dass auch die Beklagte davon ausgegangen sei, dass die Überweisung der Klägerin in die Neurochirurgie einerseits von Dr. S, einem D-Arzt, veranlasst worden sei, und damit zumindest die Untersuchungen und Behandlungen, die der Diagnosefindung dienten, auf jeden Fall auch ihr – der Beklagten – zuzurechnen seien, dies unabhängig von der Frage, ob mit der Neurochirurgischen Abteilung des UKSH eine irgendwie geartete vertragliche Beziehung bestanden habe. Schließlich dürfe unstreitig sein, dass der Klägerin die Durchführung einer Operation – als medizinisch notwendig – empfohlen worden sei. Sie habe jedenfalls zum Zeitpunkt der Operation nicht erkennen können, dass diese Operation medizinisch möglicherweise nicht erforderlich war. Auch sei sie weder von dem D-Arzt Dr. S noch von der Neurochirurgischen Abteilung noch von der Beklagten darauf hingewiesen worden, dass die Neurochirurgie zur Durchführung der Operation nicht berechtigt gewesen sei.
Der Senat hat einen Aktenauszug aus dem Verfahren vor dem Landgericht Kiel – Klage der Klägerin gegen das UKSH (AZ 8 O 409/18) – beigezogen. Mit der Klage hat die Klägerin wegen der am 21. Mai 2014 durchgeführten Operation Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend gemacht. Beigezogen wurden u.a. das Gutachten des Sachverständigen Dr. A vom 24. Juni 2020 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 4. April 2022. Der dortige Sachverständige Dr. A ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, es habe kein Anhalt für eine C5-Radikulopathie rechts und keine OP-Indikation bestanden. Er bestätigt dabei u.a. die von dem Sachverständigen Dr. B erhobenen Bewegungsausmaße.
Die Beklagte trägt nach erfolgter Einsichtnahme in den beigezogenen Auszug aus der Akte des LG Kiel (8 O 409/18) mit Schriftsatz vom 25. Juli 2022 ergänzend vor, sie sehe sich durch den Vortrag der dortigen Klagepartei in ihrer Auffassung insoweit bestätigt, als die HWS-Versteifungsoperation ohne ausreichende medizinische Indikation durchgeführt worden sei. Hinsichtlich der Folgen der indikationslos durchgeführten Operation biete der Inhalt der betreffenden Gerichtsakte keine weiteren Erkenntnisse, weil die in vorliegendem Verfahren streitigen Fragen nicht Gegenstand des dortigen Verfahrens gewesen seien. Daher verbleibe es bei der Auffassung, dass eine Zurechnung von Handlungen der Abteilung der Neurochirurgie des UKSH in den Verantwortungsbereich der Beklagten nicht opportun erscheine, zumal sich die vertraglichen Beziehungen zu dieser Abteilung abweichend von den vertraglichen Beziehungen zu einem D-Arzt darstellten und sich eine andere Haftung für das Handeln der dort beschäftigten Ärzte ergebe.
Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2023 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin das Grund- und Teilurteil vom 25. November 2022 übersandt, mit dem das Landgericht Kiel festgestellt hat, dass das beklagte UKSH verpflichtet ist, der Klägerin den zukünftigen weiteren materiellen und zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden, der auf der Behandlung der Klägerin bei dem beklagten UKSH vom 15. Mai bis 26. Mai 2014 beruht, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergangen sind oder übergehen werde.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2023 Beweis erhoben durch die Vernehmung des verantwortlichen D-Arztes Prof. Dr. S1, zugleich Leiter der Unfallchirurgie des UKSH, und als weiteren Zeugen den Leiter der Neurochirurgischen Abteilung des UKSH Prof. Dr. M1, in dessen Abteilung die Klägerin am 21. Mai 2014 operiert wurde. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. Februar 2023 (Blatt 375 ff der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG), und auch begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).
1. Richtige Klageart für die Feststellung weiterer Unfallfolgen ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 2 SGG, 55 Abs. 1, 3 SGG).
2. Die Beklagte hat bereits mit Bescheid vom 21. Oktober 2015 festgestellt, dass die Klägerin am 12. Mai 2014 einen Arbeitsunfall (vgl § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]) mit der Folge einer HWS-Distorsion erlitten hat.
3. Die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen, auf psychiatrischem Fachgebiet (hierzu a)) sowie auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet (hierzu b)).
Die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen können nur dann als Folgen eines Arbeitsunfalls angesehen werden, wenn ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem jeweiligen Gesundheitsschaden nachgewiesen ist. Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt dabei, dass das „Unfallereignis“ sowie der „Gesundheitserst- bzw. -folgeschaden“ im Wege des Vollbeweises, demnach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, die dann zu bejahen ist, wenn mehr für als gegen die Annahme des Ursachenzusammenhangs spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl hierzu BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 30/07 R – juris, Rn 16 mwN). Sind – wie häufig – mehrere Bedingungen für den Eintritt des Schadens ursächlich im naturwissenschaftlichen Sinn gewesen, gilt die Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Ursachen rechtserheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R – juris, Rn 20 mwN). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu erfolgen. Maßgeblich sind demnach die Erkenntnisse, die von der Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden (vgl BSG, Urteil vom 6. September 2018 – B 2 U 13/17 R – juris, Rn 20 mwN).
a) Ausgehend von diesen Maßstäben steht aufgrund des Akteninhalts und insbesondere der Feststellungen des Sachverständigen Dr. M2 zur Überzeugung des Senats fest, dass aufgrund des Unfallereignisses vom 12. Mai 2014 über die anerkannte HWS-Distorsion hinaus die auf psychiatrischem Fachgebiet mit dem zuletzt gestellten Antrag geltend gemachte Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion als weitere – unmittelbare – Unfallfolge festzustellen ist.
Der Senat stützt sich insoweit auf die schlüssigen und für ihn überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M2 in seinem neurologisch-psychiatri-schen Gutachten vom 30. Mai 2022 nebst ergänzender Stellungnahme vom 9. Juni 2022, die auf dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand beruhen.
Zwar kann der Senat der Einschätzung des Sachverständigen Dr. M2 insoweit nicht folgen, als er ein bei der Klägerin unfallbedingt bestehendes komplexes psychisches Syndrom diagnostiziert hat, das aus Inhalten einer sich herausgebildeten PTBS und einer sodann erneut aufgetretenen depressiven Symptomatik bestanden haben soll. Zu dieser Einschätzung gelangt der Sachverständige Dr. M2 ausdrücklich lediglich unter Zugrundelegung der diagnostischen Leitlinien des ICD-11, die aber in Deutschland noch nicht in Kraft getreten sind. Unabhängig davon, dass der Senat im Hinblick auf den erlittenen Auffahrunfall erhebliche Zweifel an dem Vorliegen eines geeigneten A-Kriteriums hat, hat die Klägerin zuletzt die Feststellung einer Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion (ICD-10F43.21) geltend gemacht, die der Sachverständige Dr. M2 alternativ als bei der Klägerin unfallbedingt verursacht bewertet. Zur Überzeugung des Senats liegen die für die Stellung dieser Diagnose notwendigen Voraussetzungen bei der Klägerin vor. So hat der Sachverständige Dr. M2 überzeugend dargelegt, dass es bei der Klägerin aufgrund des Auffahrunfalls zu einer identifizierbaren psychosozialen Belastung von einem nicht außergewöhnlichen oder katastrophalen Ausmaß (und Beginn der Symptome innerhalb eines Monats), Symptomen und Verhaltensstörungen, wie sie bei affektiven Störungen und bei Störungen des Sozialverhaltens vorkommen und zu Symptomen gekommen ist, die in der Regel nicht länger als 6 Monate nach Ende der Belastung oder ihrer Folgen andauern, außer bei der längeren depressiven Reaktion. Dabei hat sich der Sachverständige Dr. M2 umfänglich und überzeugend mit dem Vorliegen vorbestehender Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet auseinandergesetzt und nachvollziehbar herausgearbeitet, dass sich bei der Klägerin infolge des Unfalls und der im Rahmen dessen erlebten Hilflosigkeit trotz der bei ihr erhöhten Vulnerabilität eine psychische Symptomatik entwickelt hat. Der Senat teilt die Einschätzung des Sachverständigen, der die Angaben der Klägerin im Rahmen der eigenen Untersuchung auch im Hinblick auf die Konsistenz der Beschwerden im Wege üblicher Tests geprüft hat und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt ist, dass keine relevante Diskrepanz zwischen der Beschwerdeschilderung und körperlicher und psychischer Beeinträchtigung feststellbar war und sich Hinweise auf das erwartbare Maß überschreitende Verdeutlichung, Aggravation oder Simulation nicht finden ließen. Die überzeugende Annahme einer unfallbedingten psychiatrischen Erkrankung stimmt zudem mit den aktenkundigen psychiatrischen Befunden überein. So heißt es nach Entlassung aus der stationären Behandlung vom 20. Mai bis 20. Juni 2014, bei der Klägerin bestehe ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom. Dem von der Beklagten veranlassten Rehabilitationsplan vom 15. Dezember 2014 sind der Verdacht auf unfallbedingte Anpassungsstörung und der Hinweis auf Schlafstörungen und Fahrängste zu entnehmen. Weiter weist der ausführliche ärztliche Entlassungsbericht der BGSW nach erfolgter stationärer Behandlung vom 10. Februar bis 26. März 2015 die bei der Klägerin bestehenden Diagnosen einer Fahrphobie und einer Anpassungsstörung aus. Schließlich teilt das MVZ am 15. April 2015 mit, dass bei der Klägerin seit dem Unfall ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom bestehe. Insbesondere wegen der aufgrund des Unfalls bestehenden Fahrphobie hat die Beklagte therapeutische Fahrstunden bewilligt. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige Dr. M2 weiter überzeugend ausgeführt, dass mit dem im April 2015 abgeschlossenen erfolgreichen therapeutischen Fahrtraining weiterhin bestehende psychiatrische Beschwerden nicht mehr als unfallbedingt bewertet werden können (Verschiebung der Wesensgrundlage). Die Bewertung durch den Sachverständigen Dr. M2 macht sich der Senat im Wege seiner Beweiswürdigung nach § 128 SGG iVm §§ 402 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) zu eigen. Dessen Ausführungen beziehen die eingeholten Befund- und Behandlungsberichte ein und setzen sich auf dem Stand der Fachwissenschaft mit dem Erkrankungsbild der Klägerin auseinander.
Dieser Einschätzung hat sich die Klägerin angeschlossen und mit ihrem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag Rechnung getragen.
b) Auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet sind über die anerkannte HWS-Distorsion hinaus weitere Gesundheitsstörungen als mittelbare Unfallfolgen nach § 11 Abs. 1 SGB VII festzustellen.
aa) In diesem Zusammenhang grundsätzlich unerheblich ist, falls am 21. Mai 2014 keine Unfallfolge behandelt wurde. Denn auch objektiv nicht durch den Arbeitsunfall bedingte Heilbehandlungen können den Tatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auslösen. § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII setzt nicht voraus, dass bei der Heilbehandlungsmaßnahme ein weiterer „Unfall“ vorliegt, so dass auch Gesundheitsstörungen ohne ein neues Unfallereignis erfasst sein können. § 11 SGB VII stellt eine spezielle Zurechnungsnorm dar, die Gesundheitsschäden auch dann einem anerkannten Versicherungsfall zurechnet, wenn sie etwa im Rahmen der Durchführung einer Berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich verursacht werden (vgl BSG, Urteil vom 6. September 2018 – B 2 U 16/17 R – juris, mwN).
Die gesetzliche Zurechnung beruht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (vgl Urteil vom 5. Juli 2011 – B 2 U 17/10 R – juris) auf der (grundsätzlich auch mitwirkungspflichtigen) Teilnahme des Versicherten an einer vom Unfallversicherungsträger oder ihm zurechenbar bewilligten oder angesetzten Maßnahme. Dabei kommt es rechtlich nicht darauf an, ob die Heilbehandlungsmaßnahme durch den Träger objektiv rechtmäßig bzw. geboten war oder ob objektiv ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (§ 26 Abs. 5 Satz 1 SGB VII) über die Bewilligung eines Anspruchs auf diese Heilbehandlung bestand (vgl BSG, Urteil vom 5. Juli 2011, aaO).
Mit Urteil vom 15. Mai 2012 (B 2 U 31/11 R – juris) hat das BSG die in der o.g. Entscheidung vom 5. Juli 2011 vertretene Rechtsauffassung „mit der Maßgabe“ bestätigt, dass § 11 Abs. 1 SGB VI darauf abstellt, dass sich die Mitwirkung an einer vom Leistungsträger angeordneten ärztlichen Maßnahme auch dann als versichert erweist, wenn sich später herausstellt, dass in Wirklichkeit kein Versicherungsfall vorlag. Als Voraussetzung für die Zurechnung eines Gesundheitsschadens, der rechtlich wesentlich durch eine im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB VII vom Unfallversicherungsträger angeordnete Maßnahme als verursacht bewertet werden kann, setzt das BSG seine bisherige Rechtsprechung eingrenzend voraus, dass der Träger oder seine Leistungserbringer gegenüber dem durch die Verrichtung einer bestimmten versicherten Tätigkeit Versicherten durch (festgestellte) Handlungen den Anschein begründet hat, die Behandlungs- oder Untersuchungsmaßnahme erfolge zur Behandlung von Unfallfolgen oder zur Aufklärung des Sachverhaltes eines Versicherungsfalles oder einer Unfallfolge. Demgegenüber wird teilweise in der Rechtsprechung und Unfallliteratur die Auffassung vertreten, dass es nicht ausreiche, wenn nur irrtümlich davon ausgegangen werde, dass ein Versicherungsfall vorliegt (vgl zB LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 3 U 3579/14 – juris, Rn 66; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. März 2017 – L 3 U 176/15 – juris; Wagner in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 11, Rn 25 mit Hinweis darauf, dass sich die oben beschriebene Einbeziehung nicht im Einklang befinde mit dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 SGB VII, der auf die „Folgen eines Versicherungsfalls…“ Bezug nehme).
bb) Der Senat schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung an, nach der Gesundheitsschäden bzw. Funktionseinschränkungen auch dann als mittelbare Unfallfolgen zugerechnet und als Unfallfolgen festgestellt werden können, wenn diese aufgrund der Heilbehandlung ausgelöst wurden, aber objektiv nicht aufgrund des Arbeitsunfalls notwendig war. Denn anders, als noch die Vorgängerregelung des § 555 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) setzt § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht mehr voraus, dass bei der Heilbehandlungsmaßnahme ein „Unfall“ vorliegt, weshalb auch Gesundheitsstörungen ohne ein neues Unfallereignis erfasst sein müssen. In diesem Zusammenhang für den erkennenden Senat weiter überzeugend weist das BSG darauf hin, dass § 11 SGB VII eine spezielle Zurechnungsnorm darstellt, die Gesundheitsschäden ausdrücklich auch dann einem anerkannten Versicherungsfall zurechnet, wenn sie etwa durch die Durchführung einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich verursacht wurden.
Von der Durchführung einer Heilbehandlung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist dann auszugehen, wenn der Unfallversicherungsträger dem Versicherten einen Anspruch auf eine bestimmte Heilbehandlungsmaßnahme nach den §§ 26 ff SGB VII – nicht notwendig durch Verwaltungsakt in Schriftform – bewilligt oder ihn durch seine Organe oder Leistungserbringer zur Teilnahme an einer solchen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme aufgefordert hat und der Versicherte an der Maßnahme des Trägers – den Anordnungen der Ärzte folgend – teilnimmt (vgl BSG, Urteil vom 5. Juli 2011, aaO).
Eine Heilbehandlungsmaßnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist daher zu bejahen, wenn ein D-Arzt der gesetzlichen Unfallversicherung in dieser Funktion zur Behandlung einer von ihm als unfallbedingt eingeschätzten Gesundheitsbeeinträchtigung ohne weiteren Kontakt zum Unfallversicherungsträger tätig wird oder dem Versicherten gegenüber eindeutig und klar erklärt, dass es sich bei dem ärztlichen Eingriff um eine Heilbehandlungsmaßnahme zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund eines Arbeitsunfalls handelt. Denn der D-Arzt hat gemäß § 27 Abs. 1 des Vertrags nach § 34 Abs. 3 SGB VII unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Verletzung zu beurteilen und zu entscheiden, ob eine allgemeine oder eine besondere Heilbehandlung erforderlich ist. Leitet er eine besondere Heilbehandlung ein, so führt er die Behandlung durch. Dem D-Arzt kommt damit an dieser Stelle die Funktion eines Amtswalters des Unfallversicherungsträgers zu, der für den Versicherungsträger verbindlich den Behandlungs- und Untersuchungsanspruch des Versicherten konkretisiert und für dessen Fehler der Versicherungsträger ggf. zu haften hat (vgl BSG, Urteil vom 6. September 2018 – B 2 U 16/17 R – juris; vgl auch BGH, Urteil vom 10. März 2020 – VI 281/19 – juris; BGH, Urteil vom 29. November 2016 – VI ZR 208/15 – BGHZ 213, 120). Bei den Zurechnungstatbeständen des § 11 SGB VII muss sich der Unfallversicherungsträger daher das Handeln des D-Arztes grundsätzlich zurechnen lassen (vgl BSG, Urteil vom 5. Juli 2011, aaO).
cc) Orientiert an diesen Grundsätzen ist die im Fall der Klägerin am 21. Mai 2014 erfolgte Operation der Beklagten zuzurechnen.
Zwar handelt es sich bei dem Arzt, den Zeugen Prof. Dr. M1, der die Klägerin operiert hat bzw. in seiner Abteilung hat operieren lassen, nicht um einen D-Arzt und damit nicht um ein „Organ“ der Beklagten. Auch hat die Beklagte selbst die am 21. Mai 2014 durchgeführte Operation weder in Auftrag gegeben noch im Nachhinein genehmigt.
Indessen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Zeuge Prof. Dr. M1 die betreffende Operation im Auftrag und auf Veranlassung des Zeugen und D-Arztes Prof. Dr. S1 durchgeführt hat.
Entgegen des Vortrags der Beklagten, nach dem sich die Überweisung der Klägerin durch den Zeugen Prof. Dr. S1 in die Neurochirurgische Abteilung lediglich auf eine – ambulante – MRT-Untersuchung bezogen haben soll, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den glaubhaften und widerspruchsfreien sowie übereinstimmenden Aussagen in der mündlichen Verhandlung der Zeugen Prof. Dres. S1 und M1, dass der Zeuge Prof. Dr. S1 die Klägerin an die Neurochirurgische Abteilung als berufsgenossenschaftlichen Fall zwecks Diagnostik und auch Behandlung weitergeleitet hat, ohne eine Mitteilung des MRT-Befundes oder Rücksprache einzufordern. Hierzu hat der Zeuge und D- Arzt Prof. Dr. S1 nachdrücklich betont, dass die weiterbehandelnde Klinik – hier die Neurochirurgische Abteilung – die Einordnung als berufsgenossenschaftlichen Fall ohne seine Zustimmung oder ohne Entscheidung der zuständigen Berufsgenossenschaft grundsätzlich nicht selbständig ändern dürfe und weiter, dass regelhaft keine Rückmeldung erfolge. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge und D-Arzt Prof. Dr. S1 weiter angegeben, dass er üblicherweise, und so auch im Fall der Klägerin, selbst bei vorheriger Kenntnis von der beabsichtigten Operation deren Durchführung nicht widersprochen hätte, weil er – grundsätzlich – auf die fachliche Kompetenz der weiterbehandelnden Kollegen vertraut, wobei auch der spätere Abschluss der Rahmenvereinbarung über die Behandlung von Versicherten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung an diesem üblichen Prozedere nichts geändert habe. Das von dem Zeugen und D-Arzt Prof. Dr. S1 geschilderte übliche wie auch bezogen auf die Klägerin konkrete Prozedere wird bestätigt durch die Aussagen des Zeugen Prof. Dr. M1. Dieser hat angegeben, dass ihm die Klägerin aus der Berufsgenossenschaftlichen Ambulanz zwecks Diagnosestellung und Weiterbehandlung zugewiesen und von der Neurochirurgischen Abteilung zu Lasten der Berufsgenossenschaft in eine Anschluss-Rehabilitationsmaßnahme überwiesen wurde. Lediglich versehentlich sei der Abschlussbericht im Fall der Klägerin an die Berufsgenossenschaft und nicht an die Hausärztin übersandt worden. In diesem Zusammenhang stellt der Zeuge Prof. Dr. M1 klar, dass es unüblich sei, im Fall eines Arbeitsunfalls nach Zuweisung durch den D-Arzt Rückmeldungen vorzunehmen oder Genehmigungen für eine als notwendig erachtete Operation einzuholen. Mit der Zuweisung auch von berufsgenossenschaftlichen Fällen werde die pauschale Aufgabe übertragen, dazu beizutragen, der Patientin bestmöglich zu helfen und sie bestmöglich versorgt zu entlassen. Die Patientin bzw. der Patient werde über den D-Arzt in seine Hand übergeben, und im Anschluss erfolge in dessen Auftrag die entsprechende Behandlung einschließlich der Entscheidung über die weitere Behandlung. Dabei werde nicht geprüft, ob und wie die gesundheitliche Beeinträchtigung auf dem Arbeitsunfall beruht.
Der Senat hat keine Anhaltspunkte für Zweifel, seine Überzeugung auf die Aussagen der benannten Zeugen stützen. Beide Zeugen haben das aus ihrer Sicht übliche und im Fall der Klägerin konkrete Prozedere beschrieben, wonach die vom D-Arzt überwiesenen Patienten in der zugewiesenen Abteilung als im Auftrag der betreffenden Berufsgenossenschaft ohne Rücksprache und –meldung weiterbehandelt und gegebenenfalls operiert werden.
Auch wenn sich die Beklagte mit der Durchführung der Operation nicht einverstanden erklärt, muss sie sich das Handeln ihres D-Arztes, des Zeugen Prof. Dr. S1, zurechnen lassen. Dieser hat die bei der Klägerin durchgeführte Operation zwar nicht ausdrücklich genehmigt, aber deren Durchführung veranlasst, weil er jegliche Entscheidung über die Weiterbehandlung einschließlich der Entscheidung über eine etwaige Operation weitergereicht hat. Weil, wie ausgeführt, dem D-Arzt die Funktion eines Amtswalters des Unfallversicherungsträgers zukommt, für dessen Fehler der Unfallversicherungsträger haftet, haftet vorliegend die Beklagte auch für die Folgen einer solchen Entscheidung des D-Arztes, wenn er die Versicherte zwecks Weiterbehandlung an eine andere Abteilung überweist, die ihrerseits über die Behandlung entscheiden soll, und damit auch für die dort am 21. Mai 2014 erfolgte, wenn auch nicht indizierte Operation. Zwar übt ein zur Heilbehandlung vom D-Arzt hinzugezogener Arzt kein öffentliches Amt aus, weshalb jener für Fehler persönlich haftet (vgl BGH, Urteil vom 13. März 2020, aaO). Auch hat der Zeuge Prof. Dr. S1 weder konkret zur Operation aufgefordert noch um die fehlende Operationsindikation gewusst. Der Senat sieht den hier maßgeblichen Fehler des D-Arztes Prof. Dr. S1 darin, dass dieser in seiner Funktion als D-Arzt die allein ihm obliegende Aufgabe, die Entscheidung über „Ob“ und „Wie“ der Weiterbehandlung, nicht erfüllt hat, sondern vielmehr an die Neurochirurgische Abteilung weitergegeben und auf die notwendige Rückmeldung des Befundes nicht nur verzichtet, sondern die Klägerin auch zur Entscheidung über die Weiterbehandlung überwiesen hat, dies ausdrücklich mit Hinweis auf eine – weitere – Berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung.
Wenn sich aus dieser nach den gesetzlichen Regelungen fehlerhaften Entscheidung heraus ein Fehler ergibt, so wie hier die Entscheidung und Durchführung einer objektiv nicht indizierten Operation, sind dessen Folgen der Beklagten als Unfallversicherungsträger nach den oben genannten Grundsätzen zuzurechnen.
dd) Die von dem Senat vorgenommene Bewertung passt auch zu der höchstrichterlichen zivilrechtliche Rechtsprechung, nach der die wesentliche Entscheidung zur Erfüllung der Steuerungsfunktion des D-Arztes gemäß § 27 des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger an jener Schnittstelle – Zäsur zwischen hoheitlichen Pflichten und dem sich daran anschließenden privatrechtlichen Behandlungsverhältnis – angesiedelt ist, der zuvor über die Durchführung einer allgemeinen Heilbehandlung, Einleitung einer besonderen Heilbehandlung oder die Ablehnung einer Heilbehandlung zu Lasten des Unfallversicherungsträgers zu entscheiden hat (vgl BGH, Urteil vom 13. März 2020, aaO, Rn 22 mwN).
Eben diese Zäsur war im Zeitpunkt der Überweisung der Klägerin an die Neurochirurgische Abteilung des UKSH noch nicht erreicht. Vielmehr hat der D-Arzt Prof. Dr. S1 die Neurochirurgische Abteilung pauschal zur Weiterbehandlung ermächtigt, dies im Rahmen einer Heilbehandlungsmaßnahme und einschließlich der Entscheidung zur Durchführung einer Operation, der er selbst bei Kenntnis von der beabsichtigten Operation nach eigenen und für den Senat glaubhaften Bekundungen nicht widersprochen hätte.
Steht eine Zurechnung der durchgeführten Operation durch das Handeln des D-Arztes fest, stellt die am 21. Mai 2014 durchgeführte Operation eine Heilbehandlungsmaßnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII dar, und es kommt weder auf vertragliche Beziehungen zwischen der DGUV und der DKV noch darauf an, ob die Beklagte rechtzeitig von der Operation Kenntnis erlangt hat.
ee) Der Senat hat keine Zweifel daran, dass sich für die Klägerin aus Sicht einer verständigen Versicherten der Anschein ergab, die operative Versorgung diene unfallbedingten Gesundheitsstörungen. Der D-Arzt hat sie an die Neurochirurgische Abteilung überwiesen, wo man ihr mitgeteilt hat, dass die MRT-Untersuchung einen operationsbedürftigen Befund ergeben habe und sie umgehend operiert werden müsse. Anhaltspunkte für die Annahme eines unfallunabhängigen oder nicht operationsbedürftigen Befundes bestanden für sie nicht, zumal ihr lediglich ein Tag Bedenkzeit gewährt wurde, was die Operationsbedürftigkeit sogar dringlich erscheinen ließ. Zudem war eine MRT-Diagnostik in der Praxis des erstbehandelnden D-Arztes nicht möglich, weshalb sie auch nicht von einer vom D-Arzt Dr. S getroffenen abweichenden Diagnose ausgehen konnte. Zudem hatte ihr der D-Arzt Dr. S geraten, sich bei weiteren Beschwerden in der betreffenden BG-Ambulanz des UKSH vorzustellen und sie bereits zur MRT-Untersuchung an das UKSH überwiesen. Im Übrigen war selbst der D-Arzt Prof. Dr. S1 zunächst selbst von einer traumatischen Bandscheibenruptur ausgegangen (Gutachten vom 8. November 2014).
ff) Zur Überzeugung des Senats sind aufgrund der am 21. Mai 2014 durchgeführten Operation die im Tenor benannten Gesundheitsstörungen verblieben, die gemäß § 11 SGB VII als mittelbare Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. Mai 2014 festzustellen sind. Der Sachverständige Dr. B hat überzeugend dargelegt, dass es aufgrund der ventralen Disektomie und Fusion der Halswirbel 4/5 bei der Klägerin zu einer minimalen Einschränkung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit für Vor- und Rückneigen, Seitneigen und Rotation nach rechts, einer 3 Zentimeter langen Narbe mit Sensibilitätsstörung durch Taubheitsgefühl und einer regelrecht einliegenden Platte und Cage-Interponat zur Fusion HWK 4 und HWK 5 gekommen ist. Die Bewertung des Sachverständigen Dr. B, die zudem mit der Einschätzung des im zivilgerichtlichen (8 O 409/18) Verfahren bestellten gerichtlichen Sachverständigen Dr. A übereinstimmt, macht sich der Senat im Wegen seiner Beweiswürdigung nach § 128 SGG iVm §§ 402 ff ZPO zu eigen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin ursprünglich die Feststellung weiterer Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet sowie die Übernahme von Heilbehandlungskosten begehrt hat und ein weiterer Anspruch, als zugesprochen, nach Auffassung des erkennenden Senats nicht besteht.
5. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.