Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Eine schwere Krankheit und der Kampf um die Rente
- Vom abgelehnten Antrag zum Gerichtsverfahren
- Die entscheidende Frage: Ab wann war der Kläger wirklich arbeitsunfähig?
- Das medizinische Puzzle: Wie das Gericht die Fakten zusammentrug
- Der Vergleichsvorschlag des Gerichts: Eine Lösung ohne Urteil
- Die Logik des Gerichts: Schritt für Schritt zur Entscheidung
- Warum die mündliche Verhandlung abgesagt wurde
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet Erwerbsminderungsrente und wer hat Anspruch darauf?
- Was kann ich tun, wenn mein Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt wird?
- Wie wird der Beginn meiner Erwerbsminderungsrente festgelegt?
- Warum wird die Erwerbsminderungsrente oft nur befristet gezahlt?
- Was ist ein gerichtlicher Vergleich bei einem Rentenstreit und welche Vorteile hat er?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: S 12 R 223/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Sozialgericht Karlsruhe
- Datum: 03.06.2025
- Aktenzeichen: S 12 R 223/23
- Verfahrensart: Verfahren auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung
- Rechtsbereiche: Sozialrecht, Rentenversicherungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Person, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragte und deren Beginn vor dem 08.08.2023 ansetzte.
- Beklagte: Der Rentenversicherungsträger, der die Rente ursprünglich ablehnte und später den Beginn der Erwerbsminderung erst ab dem 07.09.2023 anerkannte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Kläger begehrte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte, ein Rentenversicherungsträger, hatte dies zunächst abgelehnt und den Beginn der Erwerbsminderung später angesetzt. Eine gerichtliche Sachverhaltsaufklärung klärte die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers.
- Kern des Rechtsstreits: Das Verfahren betraf den Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, wobei die Kernstreitpunkte der Beginn und die Dauer der Rentengewährung waren, nachdem die Beklagte die grundsätzliche volle Erwerbsminderung nach gerichtlicher Sachverhaltsaufklärung nicht länger bestritt.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Sozialgericht schlug den Beteiligten einen Vergleich vor: Die Beklagte gewährt dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.03.2024 bis zum 31.08.2026. Zudem erstattet die Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers, und der Rechtsstreit wird für erledigt erklärt. Der ursprünglich anberaumte Verhandlungstermin wurde aufgehoben.
- Begründung: Das Gericht schlug den Vergleich nach Abschluss der sozialmedizinischen Sachverhaltsaufklärung vor, gestützt auf § 101 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die volle Erwerbsminderung des Klägers ab dem 08.08.2023 ist durch Gutachten und übereinstimmende ärztliche Einschätzungen gesichert, die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind erfüllt. Die Befristung der Rente bis zum 31.08.2026 basiert auf der Möglichkeit einer Besserung des Leistungsvermögens und gesetzlichen Vorschriften.
- Folgen: Wird der Vergleich von beiden Parteien angenommen, erhält der Kläger eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.03.2024 und eine Teilerstattung seiner Kosten. Das Verfahren wäre damit ohne mündliche Verhandlung abgeschlossen. Die Entscheidung zur Aufhebung des Termins ist unanfechtbar.
Der Fall vor Gericht
Eine schwere Krankheit und der Kampf um die Rente
Jeder kann in die Situation kommen: Eine Krankheit wird so schlimm, dass an Arbeiten nicht mehr zu denken ist. In Deutschland gibt es für diesen Fall die Erwerbsminderungsrente. Doch was passiert, wenn man diese Rente beantragt, der Versicherungsträger aber der Meinung ist, die Krankheit sei noch nicht schlimm genug? Genau dieser Fall landete vor dem Sozialgericht Karlsruhe und drehte sich am Ende nicht mehr um das „Ob“, sondern nur noch um das „Ab wann“.
Vom abgelehnten Antrag zum Gerichtsverfahren

Ein Mann, wir nennen ihn den Kläger, litt an mehreren schweren Erkrankungen. Die entscheidende Diagnose war eine Autoimmunhepatitis, die zu einer Leberzirrhose führte. Er beantragte bei seiner Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das bedeutet, er wollte die offizielle Feststellung, dass er aus gesundheitlichen Gründen weniger als drei Stunden am Tag arbeiten kann. Die Beklagte, in diesem Fall die Deutsche Rentenversicherung, lehnte seinen Antrag jedoch ab. Sie tat dies mit zwei Bescheiden, also offiziellen Schreiben, in den Jahren 2022 und 2023.
Für den Kläger war klar, dass er nicht mehr arbeitsfähig war. Er zog daher vor das Sozialgericht, um seinen Anspruch durchzusetzen. Ein Sozialgericht ist speziell für Streitigkeiten im Bereich der Sozialversicherungen zuständig, also zum Beispiel bei Konflikten um Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherungen. Das Gerichtsverfahren begann, und die zentrale Frage war: Ist der Kläger wirklich voll erwerbsgemindert?
Die entscheidende Frage: Ab wann war der Kläger wirklich arbeitsunfähig?
Im Laufe des Gerichtsverfahrens änderte sich die Situation. Durch verschiedene medizinische Untersuchungen und Gutachten wurde klar, dass der Kläger tatsächlich voll erwerbsgemindert ist. Selbst die Rentenversicherung stritt dies am Ende nicht mehr ab. Doch damit war der Fall noch nicht gelöst. Es entstand eine neue, entscheidende Frage: Ab welchem genauen Datum lag diese volle Erwerbsminderung vor?
Warum ist dieser Zeitpunkt so wichtig? Weil er den Beginn der Rentenzahlung bestimmt. Der Kläger war der Meinung, er sei schon sehr lange vor August 2023 arbeitsunfähig gewesen. Die Rentenversicherung hingegen meinte, die volle Erwerbsminderung sei erst ab dem 7. September 2023 nachgewiesen. Zwischen diesen beiden Zeitpunkten lagen also viele Monate potenzieller Rentenzahlungen. Das Gericht musste nun herausfinden, welcher Tag der rechtlich korrekte Startpunkt war.
Das medizinische Puzzle: Wie das Gericht die Fakten zusammentrug
Um diese Frage zu klären, musste das Gericht den Krankheitsverlauf des Klägers ganz genau nachvollziehen. Es sichtete alle ärztlichen Befunde und gab ein sogenanntes Gerichtsgutachten in Auftrag. Das ist ein Gutachten, das von einem unabhängigen, vom Gericht bestellten Sachverständigen erstellt wird, um eine neutrale medizinische Einschätzung zu erhalten.
Die Untersuchung der Beweise ergab Folgendes: Die Grunderkrankung, eine Autoimmunhepatitis, wurde bereits im Februar 2022 festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt lag aber laut den ärztlichen Befunden noch keine Leberzirrhose vor – also noch keine so schwere Schädigung der Leber, die eine volle Erwerbsminderung rechtfertigen würde. Der entscheidende Wendepunkt kam erst später. Am 8. August 2023 wurde der Kläger in einer Klinik ambulant untersucht. Bei dieser Untersuchung wurden mittels moderner Verfahren wie der Scherwellenelastographie und durch Laborwerte eine fortgeschrittene Leberzirrhose und erste Anzeichen einer hepatischen Enzephalopathie (eine Funktionsstörung des Gehirns aufgrund der Leberschädigung) nachgewiesen. Diese Befunde belegten erstmals objektiv, dass das Leistungsvermögen des Klägers auf unter drei Stunden pro Tag gesunken war.
Der Vergleichsvorschlag des Gerichts: Eine Lösung ohne Urteil
Nachdem alle medizinischen Fakten auf dem Tisch lagen, war die Sachlage für das Gericht klar. Anstatt ein förmliches Urteil zu sprechen, machte das Gericht den beiden Parteien – dem Kläger und der Rentenversicherung – einen sogenannten Vergleichsvorschlag. Ein Vergleich ist eine Art juristischer Kompromiss, mit dem beide Seiten einverstanden sind und der den Rechtsstreit beendet. Dieser Vorschlag sah drei Punkte vor:
- Die Rentenversicherung gewährt dem Kläger eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Rente soll vom 1. März 2024 bis zum 31. August 2026 gezahlt werden.
- Die Rentenversicherung übernimmt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers, also zum Beispiel die Hälfte seiner Anwaltskosten.
- Beide Seiten erklären den Rechtsstreit damit für erledigt.
Gleichzeitig hob das Gericht den bereits geplanten Termin für eine mündliche Verhandlung, also die klassische Gerichtsverhandlung mit Anwesenheit der Beteiligten, auf.
Die Logik des Gerichts: Schritt für Schritt zur Entscheidung
Aber wie kam das Gericht genau zu diesem Vorschlag? Um das zu verstehen, müssen wir uns die Begründung für jeden einzelnen Punkt ansehen.
Der Beginn der Rente: Warum der 1. März 2024?
Das Gericht legte den Eintritt des sogenannten Leistungsfalls auf den 8. August 2023 fest. Der Leistungsfall ist im Sozialrecht der Zeitpunkt, an dem die Voraussetzungen für eine Leistung – hier die Rente – erstmals erfüllt sind. Man kann es sich wie bei einer Autoversicherung vorstellen: Der Leistungsfall ist der Tag des Unfalls, nicht der Tag, an dem man den Schaden meldet oder das Gutachten geschrieben wird.
Das Gericht argumentierte, dass die entscheidende Untersuchung, die die volle Erwerbsminderung zweifelsfrei bewies, am 8. August 2023 stattfand. Die Behauptung des Klägers, er sei schon früher erwerbsgemindert gewesen, konnte nicht ausreichend bewiesen werden. Die Ansicht der Rentenversicherung, der Nachweis sei erst am 7. September 2023 erbracht worden, wies das Gericht ebenfalls zurück. Denn der 7. September war lediglich der Tag, an dem der Gutachter seinen Bericht fertigstellte und unterschrieb. Entscheidend ist aber der Tag der medizinischen Untersuchung, die die Fakten schuf.
Nun stellt sich die Frage: Wenn die Erwerbsminderung am 8. August 2023 eintrat, warum beginnt die Rente erst am 1. März 2024? Das liegt an einer gesetzlichen Regelung im Sozialgesetzbuch (§ 101 Abs. 1 SGB VI). Befristete Erwerbsminderungsrenten werden nicht sofort, sondern erst zu Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt des Leistungsfalls gezahlt. Zählt man von August 2023 sieben Monate weiter, landet man im März 2024.
Die Befristung: Warum endet die Rente im August 2026?
Renten wegen Erwerbsminderung werden in der Regel zunächst nur befristet gewährt. Der Gesetzgeber möchte damit sicherstellen, dass regelmäßig geprüft wird, ob sich der Gesundheitszustand des Betroffenen möglicherweise wieder gebessert hat. Im Fall des Klägers lag eine ärztliche Auskunft vor, wonach durch eine bereits erfolgte Lebertransplantation eine Besserung seines Zustands bis August 2026 nicht unwahrscheinlich ist. Aus diesem Grund schlug das Gericht eine Befristung bis zu diesem Datum vor.
Die Kosten des Verfahrens: Warum eine hälftige Teilung?
Normalerweise gilt im Gericht: Wer verliert, zahlt. In diesem Fall war die Situation aber gemischt. Der Kläger hatte zwar grundsätzlich Recht bekommen und eine Rente erstritten. Allerdings hatte er ursprünglich geklagt, um einen noch viel früheren Rentenbeginn zu erreichen. Dieses weitergehende Ziel hat er nicht erreicht. Er war also nur teilweise erfolgreich. Das Gericht hielt es daher für fair und angemessen, dass die Rentenversicherung nur die Hälfte seiner Anwaltskosten übernimmt.
Warum die mündliche Verhandlung abgesagt wurde
Zuletzt entschied das Gericht, den Termin für die mündliche Verhandlung abzusagen. Eine solche Verhandlung, bei der alle Beteiligten persönlich erscheinen, erschien dem Gericht nicht mehr notwendig. Der Grund dafür war einfach: Die entscheidenden Fakten waren geklärt, und die Rentenversicherung hatte die volle Erwerbsminderung des Klägers nicht mehr bestritten. Der einzige Streitpunkt war der genaue Zeitraum der Rente, und hierzu hatte das Gericht nun einen fundierten Vorschlag gemacht. Zudem berücksichtigte das Gericht den schlechten Gesundheitszustand des Klägers. Es wäre ihm nicht zuzumuten gewesen, für eine Verhandlung, deren Ergebnis im Grunde schon feststand, persönlich vor Gericht zu erscheinen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Aus diesem Urteil lernen wir, dass bei Erwerbsminderungsrenten der genaue Tag der medizinischen Untersuchung entscheidend ist, nicht wann ein Gutachten erstellt oder ein Antrag gestellt wird. Die wesentliche Quintessenz lautet: Selbst wenn eine Krankheit vorliegt, beginnt die Rente erst, wenn diese durch objektive medizinische Befunde zweifelsfrei als erwerbsmindernd nachgewiesen ist – im konkreten Fall durch eine Klinikdiagnose vom 8. August 2023. Das Urteil zeigt außerdem, dass befristete Erwerbsminderungsrenten aufgrund gesetzlicher Wartezeiten erst sieben Monate nach dem medizinischen Nachweis ausgezahlt werden, selbst wenn die Erwerbsminderung früher eintrat. Für Betroffene bedeutet dies, dass eine lückenlose ärztliche Dokumentation und rechtzeitige fachärztliche Untersuchungen entscheidend für den Rentenbeginn sind.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Erwerbsminderungsrente und wer hat Anspruch darauf?
Die Erwerbsminderungsrente ist eine wichtige finanzielle Unterstützung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie dient dazu, Menschen abzusichern, die wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können und dadurch ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbst verdienen. Sie wird von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) gezahlt. Es ist wichtig zu verstehen, dass es dabei nicht nur auf die konkrete Krankheit ankommt, sondern darauf, inwiewon diese Ihre Fähigkeit, einer Arbeit nachzugehen, einschränkt.
Was ist Erwerbsminderung?
Eine Person gilt als erwerbsgemindert, wenn sie aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit weniger als sechs Stunden täglich arbeiten kann – und das nicht nur in ihrem erlernten Beruf, sondern auf dem gesamten Arbeitsmarkt, also in jeder möglichen Tätigkeit. Stellen Sie sich vor, Ihre Gesundheit erlaubt Ihnen keine Vollzeitbeschäftigung mehr, egal welche Art von Arbeit es ist. Die Rentenversicherung prüft dabei anhand ärztlicher Gutachten, wie viele Stunden Sie täglich noch leisten könnten.
Arten der Erwerbsminderungsrente
Je nach dem Grad der festgestellten Erwerbsminderung gibt es zwei Hauptarten:
- Volle Erwerbsminderungsrente: Diese erhalten Sie, wenn Sie aufgrund Ihrer Gesundheit weniger als drei Stunden täglich arbeiten können. Das bedeutet, Ihre Arbeitsfähigkeit ist so stark eingeschränkt, dass Sie dem Arbeitsmarkt quasi nicht mehr zur Verfügung stehen.
- Teilweise Erwerbsminderungsrente: Diese wird gezahlt, wenn Sie noch mindestens drei, aber weniger als sechs Stunden täglich arbeiten können. In diesem Fall geht die Rentenversicherung davon aus, dass Sie zwar nicht mehr voll, aber noch in Teilzeit arbeiten können. Die Rente soll dann einen Teil des Einkommensverlustes ausgleichen.
Voraussetzungen für den Anspruch
Um überhaupt einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente zu haben, müssen neben der medizinischen Erwerbsminderung auch bestimmte versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Diese sind oft ein entscheidender Punkt für den Rentenanspruch:
- Wartezeit (Mindestversicherungszeit): Sie müssen in der Regel mindestens fünf Jahre lang Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Dies ist die allgemeine Wartezeit für Rentenansprüche.
- 3/5-Belegungszeit: In den letzten fünf Jahren vor Eintritt Ihrer Erwerbsminderung (oder des Beginns der Reha, die dazu führte) müssen Sie für mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben. Diese Regelung stellt sicher, dass Sie unmittelbar vor der Erwerbsminderung noch aktiv am Erwerbsleben teilgenommen haben.
- Vorrang der Rehabilitation: Bevor eine Rente wegen Erwerbsminderung gezahlt wird, prüft die Deutsche Rentenversicherung immer, ob Ihre Arbeitsfähigkeit durch Rehabilitationsmaßnahmen (z.B. medizinische Reha, Umschulung) wiederhergestellt werden kann. Das Motto lautet „Reha vor Rente“.
Diese Kriterien werden von der Deutschen Rentenversicherung bei einem Antrag sorgfältig geprüft, um festzustellen, ob und in welchem Umfang ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besteht.
Was kann ich tun, wenn mein Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt wird?
Wenn Ihr Antrag auf Erwerbsminderungsrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) abgelehnt wird, bedeutet das nicht, dass der Weg zur Rente endgültig verbaut ist. Sie haben die Möglichkeit, diese Entscheidung überprüfen zu lassen. Das Verfahren läuft in der Regel in zwei Schritten ab: zunächst durch einen Widerspruch und, falls dieser ebenfalls abgelehnt wird, durch eine Klage vor dem Sozialgericht.
Der Widerspruch: Ihr erster Schritt nach einer Ablehnung
Nach Erhalt des Ablehnungsbescheids haben Sie einen Monat Zeit, um Widerspruch einzulegen. Diese Frist ist sehr wichtig und beginnt mit der Zustellung des Bescheids. Wenn Sie diese Frist versäumen, wird der Ablehnungsbescheid in der Regel endgültig, und weitere Schritte sind nur noch in Ausnahmefällen möglich.
Ein Widerspruch ist ein schriftlicher Einspruch gegen die Entscheidung der Rentenversicherung. Er muss bei der Behörde eingereicht werden, die den Ablehnungsbescheid erlassen hat. Es ist ratsam, den Widerspruch schriftlich zu formulieren und idealerweise eine kurze Begründung beizufügen, warum Sie die Entscheidung für falsch halten. Falls zum Zeitpunkt des Widerspruchs noch keine detaillierte Begründung möglich ist (zum Beispiel, weil Sie noch medizinische Unterlagen sammeln), können Sie den Widerspruch auch zunächst fristwahrend einlegen und eine Begründung sowie weitere Unterlagen nachreichen.
Die Rentenversicherung prüft Ihren Fall nach dem Widerspruch erneut. Sie kann dabei weitere medizinische Unterlagen anfordern, Sie zu einer Untersuchung bei einem Gutachter schicken oder auch interne ärztliche Stellungnahmen einholen. Ziel der DRV ist es, die ursprüngliche Entscheidung zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Am Ende dieser Überprüfung erhalten Sie einen sogenannten Widerspruchsbescheid. Dieser Bescheid teilt Ihnen mit, ob Ihrem Widerspruch stattgegeben wurde (die Rente wird dann bewilligt) oder ob er abgelehnt wird.
Die Klage vor dem Sozialgericht: Wenn der Widerspruch erfolglos bleibt
Wird Ihr Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid abgelehnt, ist der nächste Schritt die Klage vor dem Sozialgericht. Auch hier gibt es eine wichtige Frist: Sie müssen die Klage innerhalb von einem Monat nach Erhalt des Widerspruchsbescheids einreichen. Die Klage wird beim zuständigen Sozialgericht eingereicht, das sich in der Regel nach Ihrem Wohnort richtet.
Das Sozialgerichtsverfahren unterscheidet sich vom Widerspruchsverfahren. Hier entscheidet ein unabhängiges Gericht über Ihren Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Das Gericht wird den Fall eigenständig prüfen. Häufig werden im Rahmen des Gerichtsverfahrens neue medizinische Gutachten von unabhängigen Sachverständigen eingeholt, um Ihren Gesundheitszustand und Ihre Leistungsfähigkeit objektiv beurteilen zu können. Diese gerichtlichen Gutachten spielen eine zentrale Rolle bei der Urteilsfindung.
Das Verfahren vor dem Sozialgericht ist für Versicherte in der Regel kostenfrei. Das bedeutet, es werden keine Gerichtsgebühren erhoben. Die Dauer eines solchen Verfahrens kann variieren und hängt von der Komplexität des Falls und der Auslastung des Gerichts ab. Am Ende des Verfahrens kann das Gericht die Deutsche Rentenversicherung dazu verurteilen, Ihnen die Erwerbsminderungsrente zu gewähren. Es kann aber auch die Klage abweisen, wenn es Ihren Anspruch nicht als gegeben ansieht.
Wenn Sie mit der Entscheidung des Sozialgerichts nicht einverstanden sind, gibt es unter bestimmten Voraussetzungen noch die Möglichkeit, in die nächste Instanz vor das Landessozialgericht oder im Einzelfall sogar vor das Bundessozialgericht zu gehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Ablehnung Ihres Antrags auf Erwerbsminderungsrente nicht das Ende des Weges bedeuten muss. Das deutsche Sozialrecht sieht klare Schritte für Sie vor, um eine Ablehnungsentscheidung überprüfen zu lassen und Ihre Ansprüche durchzusetzen.
Wie wird der Beginn meiner Erwerbsminderungsrente festgelegt?
Der Beginn Ihrer Erwerbsminderungsrente ist ein entscheidender Faktor, da er maßgeblich die Höhe und Dauer der Zahlungen beeinflusst. Er wird nicht einfach durch das Datum Ihrer Antragstellung bestimmt, sondern durch eine Kombination aus dem sogenannten „Leistungsfall“ und den gesetzlich vorgeschriebenen Wartezeiten.
Der „Leistungsfall“ als Startpunkt
Der „Leistungsfall“ ist der wichtigste Stichtag für den Beginn Ihrer Rente. Er beschreibt den Zeitpunkt, an dem Ihre Erwerbsfähigkeit aufgrund Ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung objektiv so stark eingeschränkt ist, dass die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt sind. Das ist also der Monat, in dem Sie nach ärztlicher Feststellung nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können.
Wichtig ist hierbei: Der Leistungsfall ist nicht das Datum, an dem Sie Ihren Rentenantrag stellen. Er ist vielmehr der medizinisch festgestellte Beginn Ihrer Erwerbsminderung. Dies kann auch ein Zeitpunkt sein, der vor der eigentlichen Antragstellung liegt.
Bedeutung der Wartezeiten
Damit Sie überhaupt Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente haben, müssen Sie bestimmte Wartezeiten (auch Vorversicherungszeiten genannt) in der Deutschen Rentenversicherung Bund erfüllt haben. Die allgemeine Wartezeit beträgt fünf Jahre. Das bedeutet, Sie müssen mindestens 60 Kalendermonate lang Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Ohne diese Wartezeit kann die Rente in der Regel nicht bewilligt werden.
Die 6-Monats-Frist bei befristeten Renten
Besonders relevant für den Beginn der Rentenzahlung ist die sogenannte Sechsmonatsfrist bei befristeten Renten. Eine Erwerbsminderungsrente wird oft zunächst nur für eine bestimmte Zeit (befristet) gewährt. In solchen Fällen beginnt die Rentenzahlung nicht sofort mit dem Monat des Leistungsfalls oder der Antragstellung, sondern erst nach Ablauf des sechsten Kalendermonats, der auf den Monat folgt, in dem die Voraussetzungen für die Rente erfüllt wurden.
Beispiel: Stellen Sie sich vor, der medizinisch festgestellte Leistungsfall tritt im Januar ein. Dann beginnt die Rentenzahlung frühestens am 1. August desselben Jahres (Januar + 6 Monate = Juli, die Rente beginnt dann im Folgemonat, also August). Diese gesetzliche Regelung soll der Rentenversicherung die Möglichkeit geben, die Situation zu prüfen und eventuell notwendige Reha-Maßnahmen einzuleiten, bevor die Rente fließt.
Der Zeitpunkt der Antragstellung
Ein weiterer entscheidender Faktor ist der Zeitpunkt Ihrer Antragstellung. Die Rentenzahlung beginnt frühestens mit dem Monat Ihrer Antragstellung. Auch wenn der Leistungsfall schon länger zurückliegt und alle Wartezeiten erfüllt sind, kann die Rente nicht für die Zeit vor der Antragstellung gezahlt werden. Es ist daher ratsam, den Antrag zeitnah zu stellen, sobald Sie merken, dass Ihre Erwerbsfähigkeit dauerhaft eingeschränkt ist.
Warum wird die Erwerbsminderungsrente oft nur befristet gezahlt?
Die Erwerbsminderungsrente wird in Deutschland häufig nur für einen begrenzten Zeitraum bewilligt. Der Hauptgrund dafür ist das Prinzip, dass die Deutsche Rentenversicherung davon ausgeht, dass sich Ihr Gesundheitszustand möglicherweise wieder bessern könnte. Die Rente ist also nicht von vornherein als lebenslange Leistung gedacht, wenn eine Besserung der Erwerbsfähigkeit nicht ausgeschlossen ist.
Die Grundidee der Befristung
Stellen Sie sich vor, jemand erkrankt schwer, aber es besteht die Chance, dass durch Therapien oder Operationen eine Genesung oder zumindest eine deutliche Besserung eintritt. In solchen Fällen möchte der Gesetzgeber (im Sozialgesetzbuch VI geregelt) die Möglichkeit offenhalten, dass die betroffene Person wieder in der Lage ist, ganz oder teilweise zu arbeiten. Eine Befristung ermöglicht es der Rentenversicherung, den Gesundheitszustand in regelmäßigen Abständen erneut zu überprüfen.
Wann eine Befristung erfolgt
Eine Erwerbsminderungsrente wird befristet gezahlt, wenn die Rentenversicherung davon ausgeht, dass die volle oder teilweise Erwerbsminderung nicht dauerhaft bestehen wird. Dies ist der Regelfall, insbesondere bei der ersten Bewilligung. Die Befristung erfolgt in der Regel für eine Dauer von bis zu drei Jahren.
Das Ziel der Befristung ist es, die Möglichkeit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu prüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung einzuleiten.
Was nach dem Ende der Befristung passiert
Für die betroffenen Rentenbeziehenden bedeutet die Befristung, dass die Rentenzahlungen nicht automatisch unbefristet weiterlaufen. Kurz vor Ablauf der befristeten Rente prüft die Rentenversicherung erneut den Gesundheitszustand.
Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Verlängerung der Rente: Wenn sich der Gesundheitszustand nicht verbessert hat und die Erwerbsminderung weiterhin besteht, kann die Rente auf Antrag erneut befristet verlängert werden. Eine solche Verlängerung erfolgt in der Regel ebenfalls für bis zu drei Jahre.
- Umwandlung in eine unbefristete Rente (Dauerrente): Wenn eine Erwerbsminderungsrente bereits neun Jahre lang aufgrund derselben Gesundheitsstörung befristet gezahlt wurde, wird sie in der Regel in eine unbefristete Rente umgewandelt. Dies geschieht dann, wenn weiterhin eine Erwerbsminderung besteht und nicht zu erwarten ist, dass die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden kann. Dies wird oft als „Günstigerprüfung“ bezeichnet, da die Betroffenen nach langer Befristung nicht mehr regelmäßig erneut den Antrag stellen müssen.
- Ende der Zahlungen: Sollte die Rentenversicherung bei der Überprüfung feststellen, dass die Erwerbsminderung nicht mehr vorliegt und die Person wieder arbeitsfähig ist, werden die Rentenzahlungen eingestellt.
Die Befristung ist somit ein wichtiges Instrument der Rentenversicherung, um flexibel auf die Entwicklung des Gesundheitszustandes reagieren und die finanzielle Unterstützung an die tatsächliche Notwendigkeit anpassen zu können.
Was ist ein gerichtlicher Vergleich bei einem Rentenstreit und welche Vorteile hat er?
Was ist ein gerichtlicher Vergleich?
Ein gerichtlicher Vergleich ist eine Vereinbarung, die Parteien in einem laufenden Gerichtsverfahren mit Hilfe des Gerichts schließen, um ihren Rechtsstreit zu beenden. Anstatt ein Urteil des Gerichts abzuwarten, einigen sich die Konfliktparteien auf eine gemeinsame Lösung. Dies geschieht in der Regel im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem zuständigen Richter oder der Richterin.
Für Sie als Beteiligten bedeutet das: Sie und die Gegenseite legen den Streit durch gegenseitiges Nachgeben bei. Das Ergebnis wird im Gerichtsprotokoll festgehalten. Ein solcher Vergleich hat die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Das bedeutet, er ist sofort vollstreckbar, falls eine der Parteien ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich nicht nachkommt.
Wie kommt ein gerichtlicher Vergleich zustande?
Ein gerichtlicher Vergleich kann auf Initiative der Parteien oder auf Vorschlag des Gerichts zustande kommen. Das Gericht ist sogar gesetzlich dazu angehalten, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Wenn Sie sich in einem Rentenstreit befinden, kann der Richter oder die Richterin beispielsweise Vorschläge zur Höhe der Rente oder zu Zahlungsmodalitäten machen. Wichtig ist, dass alle am Verfahren beteiligten Parteien dem Vergleich zustimmen müssen, damit er wirksam wird. Ihre Unterschrift oder die Erklärung Ihres Rechtsanwalts im Protokoll besiegelt die Einigung.
Welche Vorteile bietet ein gerichtlicher Vergleich im Rentenstreit?
Ein gerichtlicher Vergleich kann gegenüber einem langwierigen Gerichtsverfahren erhebliche Vorteile bieten:
- Schnelle Konfliktbeilegung: Der Streit ist mit dem Vergleich sofort beendet. Sie müssen nicht auf ein Urteil warten und es gibt keine Möglichkeit für weitere Beschwerden oder Berufungen, die das Verfahren in die Länge ziehen würden. Dies spart Ihnen viel Zeit und Nerven.
- Kostenersparnis: Kürzere Gerichtsverfahren bedeuten in der Regel niedrigere Gerichtsgebühren und unter Umständen auch geringere Anwaltskosten, da weniger Aufwand entsteht.
- Planungssicherheit: Mit dem Vergleich wissen Sie sofort und verbindlich, wie der Streit ausgeht. Die Ungewissheit, wie ein Gericht entscheiden würde und ob die Gegenseite Rechtsmittel einlegen wird, entfällt komplett. Dies ermöglicht Ihnen eine verlässliche Zukunftsplanung.
- Einflussnahme auf das Ergebnis: Im Gegensatz zu einem Urteil, das das Gericht allein entscheidet, haben Sie bei einem Vergleich die Möglichkeit, die Details der Lösung aktiv mitzugestalten. Sie und die Gegenseite können gemeinsam eine für beide Seiten tragbare Vereinbarung finden, die Ihren Bedürfnissen besser entspricht.
- Flexibilität bei der Lösung: Ein Vergleich kann auch kreative Lösungen umfassen, die ein Gericht in einem reinen Urteil möglicherweise nicht anordnen könnte. Im Rentenstreit könnten dies beispielsweise spezielle Zahlungsvereinbarungen oder andere Regelungen sein, die über die reine Bewilligung oder Ablehnung einer Rente hinausgehen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Erwerbsminderungsrente
Die Erwerbsminderungsrente ist eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung, die Menschen finanziell unterstützt, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung nicht mehr oder kaum noch arbeiten können. Anspruch besteht, wenn die Arbeitsfähigkeit auf weniger als drei Stunden (volle Erwerbsminderung) oder auf mindestens drei, aber weniger als sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) täglich eingeschränkt ist (§ 43 SGB VI). Die Höhe und Dauer der Rente hängt vom Grad der Erwerbsminderung und den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab, zum Beispiel der Wartezeit von fünf Jahren.
Beispiel: Wenn jemand durch eine schwere Krankheit so geschwächt ist, dass er täglich nur noch zwei Stunden arbeiten kann, kann er die volle Erwerbsminderungsrente beantragen.
Leistungsfall
Der Leistungsfall ist im Sozialrecht der Zeitpunkt, an dem die Voraussetzungen für eine Leistung – hier die Erwerbsminderungsrente – erstmals erfüllt sind. Er beschreibt also den Monat, in dem die gesundheitliche Einschränkung objektiv so festgestellt wird, dass jemand nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten kann. Der Leistungsfall ist maßgeblich für den Beginn der Rentenzahlung und liegt weder beim Antrag noch bei der Gutachtenerstellung, sondern meist am Tag der entscheidenden medizinischen Untersuchung (§ 101 Abs. 1 SGB VI).
Beispiel: Wird am 8. August 2023 erstmals festgestellt, dass jemand weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann, ist dieser Tag der Leistungsfall, obwohl der Antrag vielleicht später gestellt wurde.
Befristung der Erwerbsminderungsrente
Eine befristete Erwerbsminderungsrente wird nur für einen bestimmten Zeitraum gezahlt, meist bis zu drei Jahre, um regelmäßig zu prüfen, ob sich der Gesundheitszustand verbessert hat (§ 43 Abs. 8 SGB VI). Die Befristung dient dazu, einer möglichen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit Rechnung zu tragen. Nach Ablauf der Befristung kann sie verlängert, in eine unbefristete Rente umgewandelt oder eingestellt werden, je nachdem, wie sich der Gesundheitszustand entwickelt.
Beispiel: Eine schwer kranke Person erhält eine befristete Rente bis August 2026; danach wird überprüft, ob die Krankheit besser geworden ist oder die Erwerbsminderung weiter besteht.
Gerichtsgutachten
Ein Gerichtsgutachten ist ein von einem unabhängigen Sachverständigen im Auftrag des Gerichts erstelltes schriftliches Gutachten, das eine neutrale, fachliche Beurteilung zu strittigen Sachverhalten liefert (z. B. zum Gesundheitszustand bei Erwerbsminderung). Es spielt eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung in Gerichtsverfahren, weil das Gericht so eine objektive Grundlage für seine Bewertung erhält. Der Sachverständige wird vom Gericht bestellt und ist verpflichtet, unparteiisch zu berichten.
Beispiel: Ein medizinischer Gutachter untersucht die ärztlichen Akten eines Erkrankten und bewertet, ab wann die Arbeitsfähigkeit unter drei Stunden täglicher Arbeit lag.
Gerichtlicher Vergleich
Ein gerichtlicher Vergleich ist eine von den Parteien eines laufenden Verfahrens gemeinsam geschlossene Vereinbarung, mit der der Rechtsstreit ohne Urteil beendet wird (§ 278 ZPO analog im Sozialgerichtsverfahren). Beide Seiten einigen sich auf bestimmte Konditionen, die dann rechtsverbindlich sind und sofort vollstreckbar werden. Ein solcher Vergleich spart Zeit, Kosten und gibt Planungssicherheit, weil keine weitere Gerichtsentscheidung abgewartet werden muss.
Beispiel: Kläger und Rentenversicherung einigen sich außergerichtlich darauf, die Rente vom 1. März 2024 bis August 2026 zu zahlen und die Hälfte der Anwaltskosten zu übernehmen, so dass es keine Urteilseröffnung mehr braucht.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 43 SGB VI (Erwerbsminderungsrente): Regelt die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, insbesondere die Feststellung, dass der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Anspruch des Klägers auf volle Erwerbsminderungsrente basiert auf der Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieses Paragraphen.
- § 101 Abs. 1 SGB VI (Beginn und Befristung der befristeten Erwerbsminderungsrente): Bestimmt, dass eine befristete Erwerbsminderungsrente frühestens ab dem siebten Kalendermonat nach Eintritt des Leistungsfalls ausgezahlt wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Erklärt, warum die Rente des Klägers trotz Leistungsfall am 8. August 2023 erst ab 1. März 2024 gezahlt werden soll.
- Sozialgerichtsgesetz (SGG) §§ 44-54 (Sozialgerichtsverfahren): Regelt die Zuständigkeit, Verfahrensweise und Möglichkeiten zur Streitbeilegung vor Sozialgerichten, darunter Vergleiche und Beschlüsse ohne mündliche Verhandlung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Ermöglicht die gerichtliche Klärung der Erwerbsminderung sowie die Annahme des Vergleichsvorschlags und die Absage der mündlichen Verhandlung.
- Grundsatz der Amtsermittlung (§ 86 SGG): Verpflichtet das Sozialgericht, den Sachverhalt von Amts wegen umfassend und sorgfältig aufzuklären, insbesondere durch Einholung von Gutachten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht beauftragte ein medizinisches Gerichtsgutachten, um den genauen Zeitpunkt der vollen Erwerbsminderung festzustellen.
- Kostenrecht im Sozialgericht (§ 193 SGG): Regelt, dass der Verlierer die Kosten des Rechtsstreits trägt, jedoch eine anteilige Kostentragung möglich ist, wenn beiden Parteien ein Teilerfolg eingeräumt wird. | Bedeutung im vor Fall: Begründet die Entscheidung, dass die Rentenversicherung nur die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers übernimmt, weil dieser nur teilweise erfolgreich war.
- Grundgesetz Artikel 3 Abs. 1 (Gleichheit vor dem Gesetz): Verlangt die Gleichbehandlung aller Beteiligten und eine faire Abwägung der Interessen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Unterstützt die ausgewogene Kostenentscheidung und die gebotene Berücksichtigung des Gesundheitszustands des Klägers durch Verzicht auf die mündliche Verhandlung.
Das vorliegende Urteil
SG Karlsruhe – Az.: S 12 R 223/23 – Beschluss vom 03.06.2025
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

Ich bin Dr. Christian Gerd Kotz, Rechtsanwalt und Notar in Kreuztal. Als Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht vertrete ich Mandant*innen bundesweit. Besondere Leidenschaft gilt dem Sozialrecht: Dort analysiere ich aktuelle Urteile und erkläre praxisnah, wie Betroffene ihre Ansprüche durchsetzen können. Seit 2003 leite ich die Kanzlei Kotz und engagiere mich in mehreren Arbeitsgemeinschaften des Deutschen Anwaltvereins.


