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Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus gesetzlicher Rentenversicherung

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Urteil vom 18.12.2019 – Az.: L 2 R 147/19

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 15. April 2019 und der Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2016 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger ab 1. September 2015 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 16. November 1972 geborene Kläger begehrt eine Erwerbsminderungsrente.

Zu seinem Lebenslauf erläuterte der Kläger bei der Begutachtung durch die Chirurgin H.: Er habe eine Ausbildung zum Dachdecker aufgenommen. Infolge einer Insolvenz der Ausbildungsfirma habe er jedoch die Abschlussprüfung nicht realisieren können. In der Folgezeit habe er verschiedene ungelernte Tätigkeiten ausgeübt und habe schließlich seit August 2001 bei einem Unternehmen für Bauschuttrecycling gearbeitet. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe er 2002 einen Arbeitsunfall erlitten, aufgrund dessen sein linker Arm im Oberarmbereich habe amputiert werden müssen. Eine nachfolgend aufgenommene Umschulung zum Industriekaufmann habe er nach 10 Monaten abbrechen müssen, da er psychisch nach dem Unfallereignis noch nicht hinreichend stabilisiert gewesen sei. Durch Vermittlung eines ihm von Seiten der Rentenversicherung zur Seite gestellten Berufshelfers habe er nach zweiwöchiger Ausbildung eine Anstellung als Sicherungsaufsicht bei Bahnbauarbeiten gefunden. Diesen Beruf habe er in den nachfolgenden Jahren bis zum Eintritt einer insbesondere durch Wirbelsäulenbeschwerden bedingten fortdauernden Arbeitsunfähigkeit im Juli 2015 ausgeübt.

Ergänzend trug der Kläger bei der Begutachtung durch den von der Berufsgenossenschaft beauftragten Chirurgen und Orthopäden Dr. I. (vgl. Gutachten vom 18. Oktober 2018) vor, dass er zwar im Februar 2003 mit einer myoelektrischen Prothese versorgt worden sei, dass er mit dieser aber nicht zurechtgekommen sei. Die seinerzeit erprobte Prothese habe ihn mehr gestört als unterstützt.

Im September 2015 beantragte der Kläger die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. In ihrem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 29. September 2015 legte die Chirurgin H. dar, dass sich nach linksseitiger traumatischer Oberarmexartikulation ein leichter Schulterhochstand links zeige. Der Kläger leide zudem (neben u.a. einem inkompletten metabolischen Syndrom bei Adipositas und dem Verdacht auf eine chronisch venöse Insuffizienz der unteren Extremitäten) insbesondere an einem chronischen LWS-Syndrom bei linkskonvexer Skoliose und Osteochondrosen LWK 1/2 und betont 3/4 sowie an einem degenerativen HWS-Syndrom. Die Tätigkeit einer Sicherungsaufsicht im Bahnverkehr könne der Kläger nicht mehr ausüben. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihm nur noch körperlich leichte Tätigkeiten unter Vermeidung insbesondere von Haltungskonstanz, Überkopfarbeiten sowie von Tätigkeiten im Knien oder Hocken zuzumuten. Entsprechende Tätigkeiten könne der Kläger noch vollschichtig ausüben.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2016 lehnte die Beklagte den Erwerbsminderungsrentenantrag des Klägers im Hinblick auf ein fortbestehendes sechs- und mehrstündiges Leistungsvermögen ab.

Zur Begründung der am 26. September 2016 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass nach längerem Stehen, Gehen oder Sitzen Rückenschmerzen verbunden mit einem Taubheitsgefühl im Bereich der Füße auftreten würden. Er könne seiner Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gewinnbringend einsetzen, auch wenn er über ein behindertengerecht ausgestattetes Kraftfahrzeug insbesondere mit Lenkhilfe und Automatikgetriebe verfüge, das er selbständig führen könne.

Mit Bescheid vom 11. Januar 2019 setzte die Berufsgenossenschaft Verkehr die unfallbedingte MdE gestützt auf das Gutachten von Dr. I. rückwirkend auf 80 vH herauf.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. April 2019, dem Kläger zugestellt am 16. April 2019, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung anknüpfend an das Gutachten der Chirurgin H. ein fortbestehendes sechsstündiges Leistungsvermögen dargelegt.

Mit seiner am 25. April 2019 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Unter Berücksichtigung seiner schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei ein aufgehobenes Leistungsvermögen festzuhalten. Er sei auch psychisch angeschlagen und konsultiere auch aus diesem Grund seinen Hausarzt. Insbesondere sei er auch bedingt durch das Schicksal seines einen „extrem starken“ Alkohol- und Drogenkonsum zeigenden ältesten Sohnes von schweren Ängsten und Depressionen betroffen. Der Sohn terrorisiere förmlich die restliche Familie. Nach mehreren Umzügen und der Veranlassung einer Auskunftssperre könne er letztlich nur hoffen, dass er sie nicht mehr finden könne.

Der Kläger beantragt,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 15. April 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2016 aufzuheben und

2. die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. September 2015 zu verpflichten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat in anderen gerichtlichen Verfahren erstattete berufskundliche Gutachten der Sachverständigen J. und K. vorgelegt, wobei sie allerdings einräumt, dass in diesen Gutachten schon im Ausgangspunkt gar nicht die berufliche Einsetzbarkeit eines einarmigen Versicherten zu klären war. Die seinerzeit zu beurteilenden Versicherten konnten vielmehr, wenngleich nur unter Einschränkungen, von beiden Händen Gebrauch machen.

Die Beklagte räumt ein, dass bei dem Kläger bedingt durch seine Einarmigkeit eine schwere spezifische Leistungsbehinderung im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorliegt. Er könne jedoch, so der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 26. Juni 2019, noch zumutbar als Museumsaufsicht, als Telefonist und als „Mitarbeiter in der Parkraumüberwachung“ beruflich tätig werden. Nachfolgend ist von Seiten der Beklagten einschränkend vorgetragen worden, dass aus ihrer nunmehrigen Sicht sich ein Einsatz des Klägers als Museumsaufsicht als „ungünstig“, allerdings auch nicht als „ausgeschlossen“ darstelle. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich die Beklagte schließlich auf die Einschätzung zurückgezogen, dass es auch aus Ihrer Sicht im Ergebnis „außerordentlich schwierig“ sei, einen einarmigen Versicherten noch auf dem ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Hieran anknüpfend hat sie in der mündlichen Verhandlung eine prinzipielle Vergleichsbereitschaft zum Ausdruck gebracht, sich gleichwohl aber nicht zum Abschluss eines konkreten Vergleichs bzw. zur Abgabe eines (Teil-)Ankenntnisses in der Lage gesehen.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie Auskünfte von fünf großen Museen in Norddeutschland zu dort jeweils maßgeblichen Anforderungen an Mitarbeiter im Bereich der Museumsaufsicht eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf deren Inhalt verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger ab dem Monat der Rentenantragstellung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben zu gewähren.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt nach § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI voraus, dass der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert im Sinne einer vollen oder teilweisen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 bzw. 2 SGB VI ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Voraussetzung für einen solchen Rentenanspruch ist nach den genannten gesetzlichen Vorgaben des Weiteren, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hatte. Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich nach § 43 Abs. 4 SGB VI um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berücksichtigungszeiten, Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach § 43 Abs. 4 Nummer 1 oder 2 liegt, und Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Die vorstehend genannten Zeiten sind nur zu berücksichtigen, soweit sie nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind.

Auch wenn der Versicherte seinen bisherigen Beruf nicht mehr, dafür aber jedenfalls täglich sechsstündig körperlich leichte Tätigkeiten, wenn auch nur mit bestimmten Einschränkungen, ausüben kann, ist im Rahmen der Prüfung eines Rentenanspruchs aus § 43 SGB VI die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit nur dann erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Beispiele, welche Einschränkungen jedenfalls nicht zu einer konkreten Benennung veranlassen sollen, stellen insbesondere der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte zu leisten sind, besondere Fingerfertigkeiten erfordern oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind, der Ausschluss von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen, der Ausschluss von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- oder Konzentrationsvermögen stellen, und der Ausschluss von Tätigkeiten, die häufiges Bücken erfordern, dar (vgl. BSG, B.v. 19. Juni 1996 – GS 2/95 – BSGE 80, 24).

Im vorliegenden Fall erfüllt der Kläger, dessen Versicherungsverlauf (vgl. wegen der Einzelheiten den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 19. Juni 2019 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 21. Mai 2019) seit Jahren keine ins Gewicht fallenden Lücken aufweist, unproblematisch die erläuterten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Das gesundheitliche Leistungsvermögen des Klägers erschließt sich hinreichend verlässlich aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten der Chirurgin H. und aus dem von der Berufsgenossenschaft eingeholten Gutachten von Dr. I..

Im Vordergrund der – insoweit seit Rentenantragstellung fortbestehenden – Einschränkungen steht beim Kläger die Amputation des linken Oberarmes. Dieser musste nach dem 2002 erlittenen Arbeitsunfall entfernt werden. Es handelt sich um eine Oberamputation in Höhe des proximalen Oberarmdrittels. Der Oberamstumpf mit einer Länge von ca. 15 cm weist eine extrem eingeschränkte Beweglichkeit auf und zeigt ein reizfrei angeheiltes Spalthauttransplantat (vgl. das Gutachten von Dr. I. vom 1. November 2018, der in diesem Gutachten daneben zu findende Hinweis auf einen „nur radiologisch sichtbaren Oberarmstumpf“ ist nach dem Gesamtzusammenhang des Gutachtens dem Bereich eines Schreibfehlers zuzuordnen). Der Versuch einer prothetischen Versorgung blieb bereits vor Jahren erfolglos. Der linke obere Extremität des Klägers ist damit völlig gebrauchsunfähig, es kommt nicht einmal ansatzweise auch nur ein Einsatz als sog. Beihand in Betracht; der verbliebene Stumpf hat ohnehin nur eine Länge von 15 cm.

Daneben wird der Kläger von erheblichen Beschwerden durch ein chronisches LWS-Syndrom beeinträchtigt. Insbesondere nach längerem Stehen, Gehen oder Sitzen treten Schmerzzustände auf. Die Gutachterin H. hat vor diesem Hintergrund einleuchtend dargelegt, dass Tätigkeiten mit Haltungskonstanz wie namentlich die zuletzt vom Kläger ausgeübte (im Stehen und Gehen zu verrichtende) Tätigkeit einer Sicherungsaufsicht bei Bahnbaustellen dem Kläger gesundheitlich nicht mehr abverlangt werden können. Der Kläger ist vielmehr krankheitsbedingt darauf angewiesen, dass entsprechende stehende und gehende Tätigkeiten zur Entlastung der Wirbelsäule und Rückenmuskulatur durch Phasen sitzender Tätigkeit unterbrochen werden.

Bezüglich der vorstehend aufgezeigten Beeinträchtigungen ist nichts dafür zu erkennen, dass sich ihre Ausprägung seit der Begutachtung durch die Gutachterin H. gemindert haben könnte. Auch nach Maßgabe der vom Senat eingeholten Befundberichte und des Gutachtens von Dr. I. ist lediglich eine nachfolgende weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers in Betracht zu ziehen. So berichtet der behandelnde Orthopäde Dr. L. in seinem Befundbericht von einer Verschlechterung seit einem Jahr. Dies bedarf aber keiner weiteren Abklärung, da sich bereits auf der Basis der von der Gutachterin H. einleuchtend festgestellten Einschränkungen des gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers das Rentenbegehren als begründet darstellt, wobei eine Behebung dieser Beeinträchtigung auch künftig nicht zu erwarten ist (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI).

Einarmigkeit, wie sie beim Kläger in einer schwerwiegenden Ausprägung festzustellen ist, zählt zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen, da eine solche erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt, so dass es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf (BSG, Urteil vom 09. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R –, SozR 4-2600 § 43 Nr 18; U.v. vom 14.9.1995 – 5 RJ 50/94 – SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Es ist kein Arbeitsplatz zu benennen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 104), sondern eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 72, 74 und SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50); es genügt die Kennzeichnung der Berufstätigkeit mit einer im Arbeitsleben üblichen Berufsbezeichnung (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 74, 98; BSG, Urteil vom 29. März 2006 – B 13 RJ 41/05 R –, SozR 4-2600 § 43 Nr. 7).

Nach der Rechtsprechung des BSG (U.v. 27.03.2007 – B 13 R 63/06 R) kann es diesbezüglich insbesondere nicht ausreichen, auf „Sammelbezeichnungen“ zu verweisen, die erst durch eine Beschreibung der in dieser Tätigkeit erforderlichen Befähigungen, Kenntnisse und Anforderungen im Einzelnen näher konkretisiert werden müssen.

Ebenso wenig reicht es aus, einzelne Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale anzugeben. Erforderlich ist vielmehr die Benennung eines typischen Arbeitsplatzes mit der üblichen Berufsbezeichnung. Mithin sind eine typisierende Arbeitsplatzbeschreibung über den tatsächlichen Umfang der Anforderungen und den Arbeitsablauf sowie typische Belastungssituationen zu Grunde zu legen.

Es ist eine typisierende Arbeitsplatzbeschreibung über den tatsächlichen Umfang der Anforderungen und den Arbeitsablauf sowie typische Belastungssituationen zu Grunde zu legen (BSG, Urteil vom 27. März 2007 – B 13 R 63/06 R –, juris). Es ist nicht nur das körperliche, geistige und kognitive Leistungsvermögen einerseits und das berufliche Anforderungsprofil andererseits miteinander zu vergleichen und in Deckung zu bringen, sondern es muss auch individuell geprüft werden, ob der Versicherte die notwendigen fachlichen Qualifikationen und überfachlichen Schlüsselkompetenzen besitzt oder zumindest innerhalb von drei Monaten erlernen kann (BSG, Urteil vom 09. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R –, SozR 4-2600 § 43 Nr. 18). Der Versicherte muss die in Betracht kommende Verweisungstätigkeit vollwertig und vollschichtig verrichten können. Dies setzt voraus, dass er den typischen Aufgaben und den mit diesen Anforderungen üblicherweise verbundenen gesundheitlichen Belastungen zu genügen vermag (BSG, Urteil vom 18. Juli 1996 – 4 RA 71/94 –, Rn. 21, juris).

In diesem Zusammenhang genügt es nicht, dass ein Versicherter noch einzelne zu einer Berufstätigkeit gehörende Verrichtungen körperlich noch vorzunehmen vermag, erforderlich ist vielmehr schon im Ausgangspunkt, dass er – bei ernsthaftem Bemühen – gesundheitlich in der Lage ist, den bei der jeweils in Betracht kommenden Tätigkeit von den Arbeitgebern üblicherweise erwarteten Anforderungen an die Qualität und Quantität der Arbeitsergebnisse gerecht zu werden. Auch das üblicherweise erwartete Arbeitstempo zählt zu den „in den Betrieben üblichen Bedingungen“, auf welche im vorliegenden Zusammenhang nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzustellen ist (BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 –, BSGE 80, 24-41, SozR 3-2600 § 44 Nr 8, SozR 3-2600 § 43 Nr 16, Rn. 40).

Soweit beispielsweise auch heute noch das Öffnen von Eingangspost zu den Aufgaben der Mitarbeiter einer Poststelle gehören mag, genügt es nicht, dass ein Einarmiger auch mit der noch einsatzfähigen Hand mit erheblichem Zeitaufwand noch „irgendwie“ einen Brief geöffnet bekommt; vielmehr müsste er in der Lage sein, einen Stapel an Eingangspost mit der üblicherweise von den dort tätigen (ihrerseits über zwei einsatzfähige Hände verfügenden) Mitarbeitern im Arbeitsleben erwarteten Geschwindigkeit öffnen zu können. Nur unter dieser – bei Einarmigen insbesondere in Bezug auf händisch vorzunehmende Verrichtungen typischerweise fehlenden – Voraussetzung lässt sich die maßgebliche Chance auf Erlangung eines entsprechenden Arbeitsplatzes (im Sinne der sog. schlechten Chance, vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1997 – 8 RKn 19/96 –, Rn. 22, juris) objektivieren.

Im vorliegenden Fall wird auch von Seiten der Beklagten keine Verweisungstätigkeit aufgezeigt, die der Kläger ungeachtet seiner schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch vollwertig, d.h. wettbewerbsfähig, auszuüben vermag.

Bei der Würdigung eines entsprechenden Vortrages des beklagten Rentenversicherungsträgers im Rentenrechtsstreit zu aus seiner Sicht noch in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten für einen Versicherten mit einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung ist ohnehin zu berücksichtigen, dass entsprechend dem in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI verankerten Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“ (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R –, BSGE 110, 1) Leistungen zur Teilhabe nach den gesetzlichen (insbesondere auch den Träger der Rentenversicherung bindenden) Vorgaben des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Vorrang vor Rentenleistungen haben, die im Falle des Erfolgs der Teilhabeleistungen nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind. Soweit ein Rentenversicherungsträger bei der Prüfung eines Erwerbsminderungsrentenantrages eines Versicherten mit einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung verbleibende berufliche Einsatzmöglichkeiten erkennt, ist er mithin verpflichtet, sich nachdrücklich insbesondere auch vermittels der Gewährung von Teilhabeleistungen darum zu bemühen, dass der betroffene Versicherte ungeachtet seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen geeigneten Arbeitsplatz im Bereich der noch in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten findet.

Dies gilt umso mehr, als vermittels von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der Versicherungsträger auch auf die Schaffung eines behindertengerecht angepassten Arbeitsplatzes namentlich durch Übernahme der Kosten für erforderliche technische Arbeitshilfen nach § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 SGB IX (hier im Sinne von Vorrichtungen und Geräten, die den Arbeitsplatz eines behinderten Menschen behindertengerecht ausstatten, um behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen; vgl. Luik in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 49 SGB IX, Rn. 263) hinwirken kann. Auf diesem Wege kann vielfach eine Integration in das Arbeitsleben auch dann noch ermöglicht werden, wenn der betroffene Versicherte nicht mehr den – aus den dargelegten Gründen für die Beurteilung eines Erwerbsminderungsrentenbegehrens maßgeblichen – üblichen Anforderungen im Arbeitsleben (an nicht im Sinne der jeweiligen spezifischen Beeinträchtigungen behinderungsgerecht ausgestatteten Arbeitsplätzen) zu entsprechen vermag.

Ausgehend von den erläuterten Rechtsgrundsätzen hat sich die Prüfung der Frage nach verbliebenen Verweisungstätigkeiten, die der Versicherte ungeachtet seiner schweren spezifischen Beeinträchtigung noch wettbewerbsfähig ausüben kann, zunächst an denjenigen beruflichen Tätigkeiten auszurichten, bezüglich derer im Einzelfall konkrete und nachhaltige Bemühungen des Rentenversicherungsträgers zur beruflichen Wiedereingliederung des jeweiligen Versicherten entsprechend dem Grundsatz Rehabilitation vor Rente den Akten zu entnehmen sind. Rentenrechtlicher Prüfungsmaßstab ist dabei allerdings aus den dargelegten Erwägungen die wettbewerbsfähige Einsetzbarkeit zu den auf dem Arbeitsmarkt „üblichen“ Bedingungen. Kann der Versicherte zu diesen üblichen Bedingungen nicht wettbewerbsfähig arbeiten, steht die Möglichkeit der Einrichtung eines der individuellen Behinderung angepassten Arbeitsplatzes dem Rentenbegehren nach § 43 SGB VI nicht entgegen.

Lassen sich allerdings entsprechende Rehabilitationsbemühungen gar nicht erkennen, dann wird dies jedenfalls im Ausgangspunkt vielfach indiziell dafürsprechen, dass der verantwortliche Rentenversicherungs- und damit im Regelfall auch Rehabilitationsträger selbst keine ernsthaft in Betracht kommende Verweisungstätigkeit mehr gesehen hat.

Abschließend geklärt werden muss dieser Ansatz im vorliegenden Zusammenhang jedoch schon deshalb nicht, weil auch unabhängig von den im vorliegenden Fall zu konstatierenden fehlenden Rehabilitationsbemühungen des beklagten Rentenversicherungsträgers keine Verweisungstätigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt mehr vorliegen, die der Kläger zu den dort üblichen Bedingungen noch wettbewerbsfähig ausüben könnte.

Insbesondere hat die Beklagte schon im Ausgangspunkt nicht in der gebotenen Substantiierung aufzuzeigen vermocht, dass es auf dem ersten Arbeitsmarkt noch Verweisungsberufe für den Kläger gibt, die dieser ungeachtet seiner schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch vollwertig auszuüben vermag. Im Ergebnis hat sich die Beklagte ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ohnehin auf die – für und nicht gegen das Rentenbegehren sprechende – Einschätzung zurückgezogen, dass es auch aus ihrer Sicht im Ergebnis außerordentlich schwierig sei, einen einarmigen Versicherten noch auf dem ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Auch nach den weiteren Ergebnissen des Berufungsverfahrens ist davon auszugehen, dass dem Kläger aufgrund seiner schweren spezifischen Beeinträchtigung der erste Arbeitsmarkt nach den dort üblichen Bedingungen verschlossen ist.

a) Der Kläger hat zuletzt bis zum Eintritt einer dauernden Arbeitsunfähigkeit im Juli 2015 als Sicherungsaufsicht bei Bahnbauarbeiten gearbeitet. Es handelte sich dabei um eine ausschließlich im Stehen und ggfs. Gehen zu verrichtende Tätigkeit, welche nicht die Möglichkeit zu einem Wechsel in eine sitzende Körperhaltung ermöglicht. Solche Tätigkeiten sind dem Kläger nach der überzeugenden Einschätzung der Gutachterin H. jedenfalls seit Rentenantragstellung aufgrund seiner schwerwiegenden Wirbelsäulenbeeinträchtigungen nicht mehr zumutbar. Der Kläger ist vielmehr krankheitsbedingt darauf angewiesen, dass entsprechende stehende und gehende Tätigkeiten zur Entlastung der Wirbelsäule und Rückenmuskulatur durch Phasen sitzender Tätigkeit unterbrochen werden.

Seit Eintritt der dauernden Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer Sicherungsaufsicht im Juli 2015 hat der Kläger auf dem Arbeitsmarkt auch keine anderweitige berufliche Tätigkeit gefunden (vgl. den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 19. Juni 2019 vorgelegten Versicherungsverlauf).

b) Soweit sich die Beklagte jedenfalls anfänglich darauf berufen hat, dass der Kläger noch gesundheitlich in der Lage sei, den Beruf einer Museumsaufsicht auszuüben (zurückhaltend allerdings bereits ihr Schriftsatz vom 18. November 2019, noch weiter einschränkend ihre Einlassung in der mündlichen Verhandlung), haben die Ermittlungen des Senates ergeben, dass der Kläger aufgrund seiner schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht in der Lage ist, diesen Beruf zu den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblichen Bedingungen auszuüben.

Der Kläger ist einarmig. Auf die Nachfrage des Senates, ob die Tätigkeit einer Museumsaufsicht auch von einarmigen Beschäftigten ausgeübt werden könne, hat das Landesmuseum M. mitgeteilt, dass in ihrem Haus die im Bereich der Museumsaufsicht beschäftigten Mitarbeiter beide Arme einsetzen können müssten. Schon die Bedienung der Schließzylinder an den Türen setze den Gebrauch beider Arme voraus. Im Notfall müssten die Aufsichtskräfte unter Einsatz beider Hände Erste Hilfe leisten, Besucher mit Evakuierungsstühlen bergen und Feuerlöscher einsetzen können. Zudem würden entsprechende Kräfte auch unterstützend zum Winterdienst herangezogen, was wiederum den Einsatz beider Arme zur Voraussetzung habe.

Auch das Sprengelmuseum M. hat dargelegt, dass schon eine Öffnung der in seinem Haus vorhandenen großen Feuertüren nur unter Einsatz beider Hände möglich sei. Ein Gebrauch beider Hände sei auch für die Bedienung der Wandtelefone und der Tablet-PCs erforderlich.

Das Museum für Kunst und Gewerbe in N. weist ebenfalls darauf hin, dass von Aufsichtskräften erwartet werde, dass diese im Notfall Hilfseinrichtungen wie etwa Evakuierungsstühle unter Einsatz beider Arme bedienen könnten. Auch für andere Tätigkeiten seien die Kräfte auf den Gebrauch beider Arme angewiesen.

Die O. Kunsthalle hat ausgeführt, dass die im Bereich der Museumsaufsicht vorhandenen Kräfte auch im Kassenbereich und an der Garderobe eingesetzt würden. Schon deshalb seien diese auf den Einsatz beider Hände angewiesen.

Lediglich die Kunsthalle P. sieht die Möglichkeit, vereinzelt unter den Aufsichtskräften auch eine einarmige Arbeitskraft einzusetzen. Zwar müssten die Aufsichtskräfte bei Bedarf auch Erste Hilfe unter Einsatz beider Hände leisten können. Solange aber für solche Aufgaben bei Bedarf genügend leistungsfähige KollegInnen herangezogen werden könnten, könne vereinzelt auch ein/e einarmige/r Mitarbeiter/in zur Aufsicht eingesetzt werden.

In der Gesamtschau verdeutlichen die Auskünfte, dass der Kläger schon aufgrund seiner Einarmigkeit nicht den üblichen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt für eine Museumsaufsicht zu entsprechend vermag.

Darüber hinaus darf der Kläger nach dem einleuchtenden Gutachten Chirurgin H. aufgrund seiner Wirbelsäulenbeschwerden keine Tätigkeit mit Haltungskonstanz mehr ausüben. Der Kläger ist, wie der Zusammenhang dieses Gutachtens verdeutlicht, darauf angewiesen, bei einer überwiegend gehenden oder stehenden Tätigkeit zur Entlastung und zur Vermeidung von Rückenschmerzen häufiger eine sitzende Körperhaltung einzunehmen.

Auch dieses Erfordernis lässt sich mit den üblichen Arbeitsbedingungen für Kräfte im Bereich der Museumsaufsicht nicht in Einklang bringen. Die Kunsthalle P. hat dargelegt, dass diese Tätigkeit im Wesentlichen im Stehen und langsamen Gehen zu verrichten ist; nur „in besonderen Ausnahmefällen“ gebe es auch die Möglichkeit einer maximal 30 Minuten umfassenden sitzenden Tätigkeit. Auch das Landesmuseum M. hebt hervor, dass ein Sitzen nur in Ausnahmefällen und dann auch nur auf besonderen Stehhilfen gestattet sei. Entsprechend führt das Sprengelmuseum aus, dass langsames Gehen und Stehen die Regel seien. Nur bei minimalem Besucheraufkommen dürfe sich die Aufsichtskraft auch einmal hinsetzen, wenn sich gerade kein Besucher in dem ihr jeweils zugewiesenen Aufsichtsbereich aufhalte.

Ergänzend weist das Sprengelmuseum darauf hin, dass aus seiner Sicht eine uneingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit der Aufsichtskräfte erforderlich sei. Gerade das langsame Stehen und Gehen für die Dauer einer nicht selten achtstündigen Arbeitsschicht könne körperlich sehr anstrengend sein. Das Museum und Kunst und Gewerbe hält ebenfalls schon im Ausgangspunkt eine körperliche Belastbarkeit der Aufsichtskräfte für erforderlich. Auch die Kunsthalle N. fordert für die im Stehen und Gehen zu verrichtende Tätigkeit einen guten gesundheitlichen Allgemeinzustand.

c) Soweit die Beklagte anfänglich als Verweisungsberuf die Tätigkeit eines Pförtners angeführt hat, hält sie daran auch unter Berücksichtigung der Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 6. Mai 2019, auf die der Senat ergänzend verweist, nicht mehr fest. Es handelt sich zunächst um eine nicht statthafte Sammelbezeichnung. Hinter der Berufsbezeichnung „Pförtner“ als einem „Sammelbegriff“ verbirgt sich schon im Ausgangspunkt eine Vielzahl von unterschiedlichen konkreten Pförtnertätigkeiten. Die einzelnen Pförtnertätigkeiten stellen je nach Einsatz- und Aufgabenbereich unterschiedliche Anforderungen an den Versicherten und sind dementsprechend auch differenziert zu bewerten (BSG, Urteil vom 20. Juni 2002 – B 13 RJ 13/02 R –, juris).

Darüber hinaus setzt im heutigen Arbeitsleben auch die Tätigkeit eines Pförtners eine körperliche Belastbarkeit (und damit eine Einsatzfähigkeit beider Hände) voraus. Erkundigungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (vgl. U.v. 12. Juli 2018 – L 8 R 883/14 –, juris) haben ergeben, dass eine Pförtnertätigkeit im Sinne eines gewissermaßen reinen Absitzens eines Dienstes an einer Pforte auf dem aktuellen Arbeitsmarkt nicht mehr angeboten wird. Vielmehr werden für solche Tätigkeiten nur noch Mitarbeiter herangezogen, die auch an anderer Stelle als Sicherheitsmitarbeiter eingesetzt werden können und dort erheblich andere Anforderungen erfüllen müssen, wie namentlich Kontrollgänge ausführen, Erste Hilfe leisten und in 12-Stunden-Schichten arbeiten. Auch die Tätigkeit eines Pförtners beinhaltet regelmäßig, dass dieser Verantwortung für Leib und Leben anderer übernimmt. Dies ist jedoch nur möglich, wenn auch ein Pförtner über körperliche Belastbarkeit verfügt.

d) Soweit die Beklagte auf die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Parkraumüberwachung verweist, ist in Bezug auf die von ihrer Seite in diesem Zusammenhang angesprochenen Parkhäuser schon gar nicht ersichtlich, dass diese für eine Überwachung des „Parkraums“ in ihren Häusern überhaupt spezielle Kräfte einsetzen; üblich sind automatisierte Kontrollen über Schrankensysteme. Ähnliches gilt für größere schrankengesteuerte Parkplatzanlagen.

Selbst soweit es insbesondere bezogen auf Parkflächen, bei denen die Fahrzeuge nicht mit Hilfe von Schrankensystemen kontrolliert werden, es solche speziellen Überwachungskräfte geben mag (wobei auch die Beklagte keine näheren Angaben zur Verbreitung einer solchen beruflichen Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt machen konnte), ist damit schon im Ausgangspunkt verbunden, dass die Arbeitskräfte – ähnlich wie in der Praxis die von Seiten der Kommunen für solche Überwachungsaufgaben eingesetzten (auch Politessen genannten) Personen – Erkenntnisse über fehlerhaft parkende Fahrzeuge mit Hilfe von Datenerfassungsgeräten festhalten, für deren (üblicherweise im Stehen vorzunehmende) Bedienung beide Hände benötigt werden. Gegenteiliges vermochte auch die Beklagte auf richterlichen Hinweis nicht aufzuzeigen.

Ohnehin sind entsprechende Kontrolltätigkeiten üblicherweise im Gehen vorzunehmen; entsprechende Tätigkeiten sind daher mit einer für den Kläger nicht mehr zumutbaren Haltungskonstanz verbunden.

e) Soweit sich die Beklagte auf die Verweisungstätigkeit eines Telefonisten beruft, verweist sie selbst auf die im Informationsdienst Berufenet veröffentlichten Auskünfte der Bundesagentur für Arbeit (https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/faces/index;BERUFENETJSESSIONID=VNXppmsONHNk8tTgpaDHHU1gYqGuKJflUduyutBGBo7iZLDK60bR!-2125897388?path=null/suchergebnisse/kurzbeschreibung/arbeitsbedingungen&dkz=7389&such=telefonist). Ausweislich dieser bedienen Telefonisten und Telefonistinnen im heutigen Arbeitsleben nicht nur die Telefonanlage, vielmehr erledigen sie auch weitere Aufgaben am Computer, wie etwa in den Bereichen der Termin- oder Personalverwaltung oder der Pflege von Datenbanken.

Damit wird schon im Ausgangspunkt deutlich, dass es sich wiederum um eine Sammelbezeichnung handelt, die als solche nicht für die Darlegung einer noch in Betracht kommenden zumutbaren Verweisungstätigkeit zu genügen vermag. Es gibt im Berufsleben ganz unterschiedliche Ausprägungen von Tätigkeiten, die noch dem Begriff eines Telefonisten zugeordnet werden können.

Ohnehin kann schon in fachlicher Hinsicht die mit entsprechenden Tätigkeiten verbundene Erledigung von „Aufgaben am Computer“ mit ganz unterschiedlichen Anforderungen verbunden sein. Bezeichnenderweise ist inzwischen auch der – eine zweijährige Regelausbildung voraussetzende – Ausbildungsberuf einer Servicefachkraft für Dialogmarketing anerkannt (vgl. Verordnung über die Berufsausbildung zur Servicefachkraft für Dialogmarketing vom 23. Mai 2006, BGBl. I S. 1238). Auch Servicefachkräfte für Dialogmarketing kommunizieren und korrespondieren (etwa im Auftrag von Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen) mit Kunden namentlich auch am Telefon (https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/faces/index?path=null/kurzbeschreibung/taetigkeitsinhalte&dkz=35309).

Ohnehin werden im heutigen Arbeitsleben Computer regelmäßig über Tastaturen bedient, wobei ein effektives Arbeiten üblicherweise den Einsatz beider Hände bedingt. Entsprechende Tätigkeiten können regelmäßig von Einarmigen nicht mit der üblichen Geschwindigkeit erbracht werden. Auch von Seiten der Beklagten konnte nichts nachvollziehbar und substantiiert dafür aufgezeigt werden, dass der Kläger ungeachtet seiner Einarmigkeit entsprechende Tätigkeiten noch mit der üblichen im Arbeitsleben erwarteten Zügigkeit zu verrichten vermag.

Die erläuterten Erkenntnisse der Bundesagentur für Arbeit verdeutlichen zugleich, dass frühere Ansätze, wonach bei Telefonisten „mögliche Arbeiten am PC nur von unbedeutend kurzer Zeitdauer“ seien (vgl. das von der Beklagten herangezogene Gutachten des – schon vor Jahren verstorbenen – berufskundlichen Sachverständigen Kurtz vom 14. Mai 2004), letztlich allenfalls noch historische Relevanz aufweisen mögen, aber keinen Aufschluss über die aktuellen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt zu bieten vermögen. Die im gesamten Wirtschaftsleben zu beobachtende stark zunehmende Verbreitung EDV-gestützter Arbeitsabläufe macht naheliegenderweise auch vor den Bereich der Telefonvermittlung nicht halt; vielmehr ist gerade im Gegenteil festzustellen, dass EDV-gesteuerte Sprachdialogsysteme inzwischen vielfach Tätigkeiten im Sinne einer herkömmlichen Telefonvermittlung ersetzen. Bei dieser Ausgangslage können nur aktuelle Erkenntnismittel hinreichend verlässliche Aufschlüsse über die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen.

Dabei wird aber schon von Seiten der Beklagten nichts dafür substantiiert aufgezeigt, dass auch zu den heute üblichen Bedingungen auf dem ersten Arbeitsmarkt Einarmige wettbewerbsfähig im Bereich der Telefonvermittlung eingesetzt werden können. Es fehlt insoweit schon an einem konkreten prüffähigen Vortrag, welcher ggfs. Anlass zu weiteren Ermittlungen geben könnte. Vielmehr hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung selbst auf die Einschätzung zurückgezogen, dass es im Ergebnis „außerordentlich schwierig“ sei, einen einarmigen Versicherten noch auf dem ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.

 

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