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Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit – Grundsatz des offenen Arbeitsmarktes

Landessozialgericht Sachsen – Az.: L 4 R 204/18 – Urteil vom 19.01.2021

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 6. Februar 2018 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten – auch im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1973 geborene Kläger absolvierte bis Februar 1994 eine Lehre zum Landmaschinenmechaniker, arbeitete jedoch nur vier Monate in diesem Beruf und war dann vom 01.07.1994 – unterbrochen durch die Ableistung des Wehrdienstes – bis zu einem Treppensturz am 28.12.2004 als Fußbodenleger tätig. Anschließend bezog er bis 08.07.2006 Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis endete zum 30.06.2006.

Ab 09.07.2006 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I, ab 08.08.2007 bis 31.01.2009 Arbeitslosengeld II. Danach ist im Versicherungsverlauf vom 27.08.2018 weiterhin Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vermerkt. Im Rahmen der Begutachtung bei Dr. C. hat der Kläger angegeben, eine private Berufsunfähigkeitsrente zu beziehen.

Nach drei Rentenanträgen, die jeweils im Ergebnis medizinischer Ermittlungen – u.a. mit bis dahin fünf medizinischen Sachverständigengutachten – abgelehnt worden sind, stellte der Kläger am 25.03.2011 einen 4. Rentenantrag, den die Beklagte nach Einholung von Befundberichten und Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet durch Dr. D. am 21.11.2011 mit Bescheid vom 23.05.2011 und Widerspruchsbescheid vom 12.01.2012 abgelehnt hatte. Im Ergebnis der medizinischen Begutachtung hatte die Beklagte die Gesundheitsstörungen im Widerspruchsbescheid wie folgt präzisiert: anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei chronischem lumbalen Schmerzsyndrom nach 2-maliger Bandscheibenoperation L5/S1 mit degenerativem Lumbalsyndrom; Tendinitis calcarea ; Verdacht auf Abhängigkeit von nichtpsychotropen Analgetika; Nikotinabhängigkeit; Verdacht auf Low-dose-Bezodiazepinabhängigkeit . Trotz dieser Einschränkungen könne der Kläger noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten.

In dem hiergegen vor dem Sozialgericht Leipzig geführten Klageverfahren (S 12 R 175/12) hatte das Sozialgericht umfangreiche Befundberichte und Epikrisen zum gesundheitlichen Zustand des Klägers eingeholt.

Vom 27.01.2013 bis 12.02.2013 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung eines linksseitigen Bandscheibensequester LWK 4/5 im MC Wkrankenhaus H., (vgl. Epikrise vom 12.02.2013). Es folgte vom 26.02.2013 bis 18.03.2013 eine ganztägige ambulante Anschlussheilbehandlung im Ambulanten Reha-Zentrum E. Nach dem Entlassungsbericht vom 18.03.2013 wurde der Kläger arbeitsunfähig entlassen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten leichte Tätigkeiten zeitweise im Sitzen, überwiegend im Gehen, zeitweise im Stehen, sechs Stunden und mehr ausgeübt werden. Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens bestünden für Tätigkeiten mit Zwangshaltungen und Vibrationsbelastungen der Wirbelsäule sowie für Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Weiterhin sollten keine schweren Lasten gehoben oder getragen werden. Tätigkeiten in Nässe und Zugluft sollten gemieden werden. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Fußbodenleger sei der Kläger nicht mehr geeignet. Die sozialmedizinische Einschätzung beziehe sich auf das orthopädische Fachgebiet. Ob eine das Leistungsvermögen weiter einschränkende psychosomatische Erkrankung vorliege, sollte in einer psychosomatischen Tagesklinik festgestellt werden.

Mit Änderungsbescheid des Landratsamtes Nordsachsen vom 07.06.2012 wurde ab 27.02.2012 bei den Funktionseinschränkungen Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierte Bandscheibe und Schmerzverarbeitungsstörung, seelische Störung ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt.

Das Sozialgericht hatte im Klageverfahren S 12 R 175/12 am 11.10.2013 ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei Dr. C., auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 20.02.2014 ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei Prof. Dr. F. und am 24.02.2015 von Amts wegen ein weiteres Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei Dr. G. eingeholt.

Dr. C., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, wies in dem Gutachten vom 11.10.2013 nach Untersuchung des Klägers am 07.10.2013 als Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet aus: chronisches Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Verschleißerkrankung, mit im MRT beschriebener relativer Spinalstenose und Neuroforamenstenose   nach erfolgter zweimaliger Bandscheibenoperation L5/S1 03/2007 und einmaliger Bandscheibenoperation L4/5 links 02/2013, mit noch leichter Fußheberschwäche links, mit schmerzhaft eingeschränkter Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule um mehr als die Hälfte, Abschwächung der Rumpfmuskulatur; leichte Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule mit muskulären Dysbalancen , anamnestischen Hinweisen auf zeitweilige funktionelle Störungen, aktuell keine wesentliche Bewegungseinschränkung, keine neurologischen Ausfallserscheinungen; leichtes Schulterengpasssyndrom rechts im aktuellen Röntgenbild, mit eingeschränkter Abspreiz- und Vorführbewegung der rechten Schulter, jedoch über die Horizontale hinaus möglich, aktuell keine laufende physiotherapeutische Behandlung, bisher keine Schultergelenksarthroskopie und Schleimbeutelentfernung erfolgt bei offenbar schon seit über 2 Jahren bestehenden Beschwerden im Bereich des rechten Schultergelenkes; beginnende Verschleißerkrankung beider Hüftgelenke bei röntgenologisch leichter Pfannendysplasie beiderseits und Hinweisen auf das Vorliegen eines femoroazetabularen Impingementsyndroms   – rechts etwas stärker ausgeprägt als links -, ohne Trendelenburg-Hinken, ohne erhebliche Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke, Bewegungsuntersuchung der Hüftgelenke durch Überlagerungsartefakte der ausstrahlenden Rückenschmerzen nicht optimal ausführbar; angegebene Schmerzen im Bereich des linken Sprunggelenkes nach anamnestisch durchgemachter Sprunggelenksfraktur vor über 20 Jahren, röntgenologisch aktuell keine wesentlichen Verschleißerscheinungen, passiv keine Bewegungseinschränkung, infolge der Restfußheberschwäche links eingeschränkte aktive Beweglichkeit des linken Sprunggelenkes und Gefühlsminderung außenseitig am linken Fuß; leichte Tennisellenbogensymptomatik – rechts mehr als links – ohne Bewegungseinschränkung, ohne funktionelle Beeinträchtigung; Funktionseinschränkung des linken Daumens bei durchgemachter Strecksehnenverletzung.

Im Grenzbereich zum orthopädischen Fachgebiet liege beim Kläger eine chronische Schmerzstörung bei somatischen und psychischen Faktoren vor, welche zurzeit nur psychotherapeutisch behandelt werde, eine bedarfsgerechte Schmerzmedikation erfolge nicht. In Anlehnung zum Vorgutachten von Dr. D. auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe beim Kläger allenfalls auf dem Boden der somatoformen Schmerzstörung eine Anpassungsstörung sowie eine Persönlichkeitsänderung als Folge der chronischen Schmerzen. Hinweise auf eine ausgeprägte depressive Erkrankung zeigten sich aktuell nicht. Hinweise auf die im Vorgutachten aufgeführten Verdachtsdiagnosen Abhängigkeit von nicht psychotrophen Analgetika bzw. Verdacht auf Low-dose-Benzodiazepinabhängigkeit   fänden sich ebenso nicht. Nach Einschätzung von Dr. C. bestehe das Problem beim Kläger gerade darin, dass trotz der chronischen Schmerzen keinerlei Medikamente zur Verringerung der Schmerzsymptomatik und zur Verbesserung der Ein- und Durchschlaffähigkeit eingenommen würden.

Unter Berücksichtigung der vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten könne der Kläger noch Tätigkeiten leichter Natur mindestens sechs Stunden arbeitstäglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Die Arbeiten sollten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen erfolgen. Ein individuell vom Kläger zu bestimmender Wechsel der Arbeitspositionen wäre optimal. Ansonsten seien zwischenzeitige Pausen mit der Einräumung eines Positionswechsels zu empfehlen. Häufiges Bücken, oftmalige Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Arbeiten mit Vibrationsbelastungen der Wirbelsäule, oftmalige Überkopfbelastungen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten mit möglicher Absturzgefahr, ungünstige Witterungseinflüsse wie Kälte, Nässe, Zugluft, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg seien zu vermeiden. Aufgrund der anhaltenden chronischen Schmerzstörung und der bestehenden Ein- und Durchschlafstörungen seien Arbeiten in Wechsel- bzw. in Nachtschicht ebenfalls zu vermeiden. Bei individueller Gestaltung der Arbeitsposition seien keine längeren Arbeitspausen als üblich erforderlich. Aufgrund der chronischen Schmerzen sei von einer gewissen, jedoch nicht erheblichen Herabsetzung der Konzentrationsfähigkeit, der Reaktions- und Übersichtsfähigkeit, der Ausdauer sowie der Anpassungsfähigkeit und der geistigen Beweglichkeit auszugehen. Bei möglichem Einlegen einer zwischenzeitigen Pause nach einer Gehstrecke von beispielsweise 250 bis 300 m sei der Kläger durchaus in der Lage, eine Wegstrecke von 500 m in einem Zeitrahmen von 20 Minuten zurückzulegen und dies im Bedarfsfall viermal arbeitstäglich. Der Kläger könne ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen und ein Kfz führen.

Die im Zeitpunkt der Begutachtung festgestellten Erwerbsfähigkeitsbeschränkungen bestünden im Wesentlichen seit der Rentenantragstellung vom 25.03.2011. Bedingt durch die zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung mit Fußheberschwäche links und erforderlicher Bandscheibenoperation bei nachgewiesenem Bandscheibenvorfall L4/5 links habe vom 15.01.2013 bis zum Abschluss der Heilungsbewährung am 31.05.2013 nach erfolgter Operation am 06.02.2013 eine vorübergehende Verschlechterung vorgelegen. Das aktuell beschriebene Leistungsbild bestehe seit dem 01.06.2013.

Beim Kläger sei dringend eine kompetente schmerztherapeutische Betreuung, insbesondere eine bedarfsgerechte und ausreichende Versorgung mit Schmerzmedikamenten, erforderlich. Nur unter Einstellung des Klägers auf hinreichende Schmerzmedikation mache die parallele Durchführung einer rumpfstabilisierenden Krankengymnastik, die Einleitung einer stationären Heilbehandlung mit Anwendung des gesamten Spektrums der physikalischen Therapie, Vermittlung der Inhalte der Rückenschule, rumpfstabilisierende Krankengymnastik auch unter Nutzung des Bewegungsbades und das Erlernen von Entspannungstechniken Sinn.

In dem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG erstatteten Gutachten vom 20.02.2014 wies der Sachverständige Prof. Dr. med. habil. F., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Kinderorthopädie, Rheumatologie, Spez. Orthopäd. Chirurgie, Sportmedizin, Chirotherapie, Physikalische Therapie und Ärztlicher Direktor des MC Wkrankenhaus H., nach Untersuchung des Klägers am 19.02.2014 als Gesundheitsstörungen, die die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen, aus: Postnukleotomie-Syndrom   L4/L5 und L5/S1 mit Narbenbildung im Bereich von Nervenstrukturen; Nervenausfallerscheinungen im Bereich des linken Beines. Unter Berücksichtigung der genannten Gesundheitsstörungen sei der Kläger nicht mehr in der Lage, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Die Gesundheitsstörungen schränkten das berufliche Leistungsvermögen so stark ein, dass eine berufliche Tätigkeit nur noch in einem zeitlichen Umfang bis zu drei Stunden täglich zugemutet werden könne. In dem zeitlich eingeschränkten Umfang seien nur Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, ohne häufiges Bücken, ohne Zeitdruck, nicht an laufenden Maschinen oder am Fließband, nicht im Freien, auf Leitern und Gerüsten und unter gewissen Einflüssen der Umwelt sowie verbunden mit Heben und Tragen schwerer und mittelschwerer Lasten möglich. Keine Einschränkungen ergäben sich in Bezug auf besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit. Bei einer zumutbaren Arbeitszeit von bis zu drei Stunden entfalle die Notwendigkeit längerer Arbeitspausen. Wegefähigkeit sei gegeben. Die festgestellten Erwerbsfähigkeitsbeschränkungen bestünden seit der 1. Bandscheiben-OP vom 02.03.2007 und dem Auftreten einer Durafistel . Weitere operative Eingriffe seien am 04.04.2007 und 06.02.2013 erforderlich gewesen. Die Verletzung der Dura und die Folge-OP führten zu Narbenbildungen in der Umgebung der Nervenstrukturen, einem Postnukleotomie-Syndrom , das auch MR-tomografisch nachweisbar sei und neben der Einengung der Neuroforamina   (Nervenaustrittsöffnungen) die Nervenausfallserscheinungen erkläre. Es sei von einem auf Dauer bestehenden Krankheitsbild mit Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit auszugehen. Eine Besserung sei möglicherweise durch eine Fusions-OP – wie bereits am 19.03.2009 von der Orthopädischen Universitätsklinik B. empfohlen – zu erreichen. Wegen „des laufenden Rentenverfahrens“ sei von einer solchen Operation Abstand genommen worden.

Dem Gutachten des Prof. Dr. F. folgte der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten nicht. In der ergänzenden Stellungnahme vom 24.06.2014 verblieb der Sachverständige Prof. Dr. F. bei der in seinem Gutachten vorgenommenen Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers.

Das Sozialgericht holte einen aktuellen Befundbericht von Dipl.-Med. I., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 25.11.2014 mit Kopien von Arztbriefen und Epikrisen ein.

Mit Beweisanordnung vom 03.12.2014 wurde versucht, ein medizinisches Sachverständigengutachten bei Dr. J. in S. einzuholen, was der Kläger unter Bezugnahme auf seine Gesundheitsstörungen und die Entfernung vom Wohnort abgelehnt hatte.

Daraufhin beauftragte das Sozialgericht mit Beweisanordnung vom 09.01.2015 Priv.-Doz. Dr. med. habil. G., Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin/Spezielle Schmerztherapie, Rehabilitationswesen, Physikalische Therapie, aus B. mit der Erstattung eines Gutachtens auf orthopädisch-schmerzmedizinischem Fachgebiet. Dr. G. wies nach klinischer Untersuchung des Klägers am 19.02.2015 in dem Gutachten vom 24.02.2015 aus: Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule wegen Postnukleotomiesyndroms   nach erfolgter zweimaliger Bandscheibenoperation L5/S1 (2007) und Bandscheibenoperation L4/5 links (2013) mit funktionalen Folgen; leicht eingeschränkte Funktion rechtes Schultergelenk bei chronischem Engpasssyndrom; beginnende Verschleißerkrankung beider Hüftgelenke ohne wesentliche funktionale Auswirkungen; chronische somatoforme Schmerzstörung. Der Kläger könne trotz der genannten Gesundheitsstörungen Tätigkeiten leichter und gelegentlich mittelschwerer Natur (10 % der üblichen Arbeitszeit) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Parkettleger sei dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen weiterhin nicht zumutbar (unter drei Stunden). Leistungsfähigkeit bestehe für Arbeiten in wechselnder Körperhaltung zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, etwa zu gleichen Anteilen. Am günstigsten wäre eine Arbeit, bei der die Körperhaltung zeitlich mitbestimmt werden könne. Auszuschließen seien Heben, Tragen und Bewegen von schweren und mittelschweren Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Dauerzwangshaltungen, häufiges Bücken, Arbeiten über Kopf mit Überstreckung der Wirbelsäule, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, unter erheblichem Zeitdruck (im Akkord). Tätigkeiten ausschließlich im Freien seien zu vermeiden, da Nässe, Kälte und Zugluft auszuschließen seien. Beeinträchtigungen der Fingerfertigkeit lägen nicht vor. Längere Arbeitspausen als üblich seien beim Vorliegen adäquater Arbeitsbedingungen nicht zu begründen. Die derzeit verordneten Medikamente beeinträchtigten die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht. Der Kläger sei in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand (unzumutbar z.B. 500 Meter in 20 Minuten) und ohne übermäßige Anstrengungen ohne Gehhilfe zurückzulegen. Paresen der Beine, Funktionseinschränkungen der großen tragenden Gelenke oder muskuläre Defizite der unteren Extremitäten lägen nicht vor. Er könne öffentliche Verkehrsmittel sowie einen PKW benutzen. Die festgestellten Erwerbsfähigkeitsbeschränkungen bestünden seit Rentenantragstellung. Der Gesundheitszustand/das Leistungsbild des Klägers habe sich seit 1/2012 nicht verändert. Bei den vorliegenden Gesundheitsstörungen am Haltungs- und Bewegungsapparat handele es sich um einen Dauerzustand. Hinsichtlich der qualitativen Leistungseinschränkungen bestehe Übereinstimmung mit den bereits vorliegenden Vorgutachten. Der quantitativen Leistungsbeurteilung im orthopädischen Fachgutachten vom 23.01.2014 (Prof. Dr. F., Waldrankenhaus C.) könne nicht gefolgt werden. Die zeitlichen Leistungseinschränkungen seien auch in der ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten vom 24.06.2014 nicht hinreichend begründet worden. Die aktuell festzustellenden Untersuchungsergebnisse (vor allem die neurologischen) einschließlich Einschätzung und Beurteilung der Schmerzsymptomatik wichen von den im Gutachten vom 23.01.2014 ermittelten Befunden ab und weisen auf eine möglicherweise nicht immer ganz optimale klägerseitige Mitarbeit im Rahmen der schon mehrfach erfolgten ärztlichen Begutachtung hin. Die beim Kläger vorliegende chronische somatoforme Schmerzstörung im Zusammenhang mit dem im Vordergrund stehenden Postnukleotomiesyndrom   begründe bei mentaler Bereitschaft des Klägers keine zeitlichen Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.05.2015 ab und stützte sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Gutachten von Dr. C. und PD Dr. G.

In dem vom Kläger anschließend geführten Berufungsverfahren (L 5 R 488/15) holte der 5. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts medizinische Unterlagen des MC Wkrankenhauses H. sowie Befundberichte von Dipl.-Med. I. (Facharzt für Allgemeinmedizin) und Dipl.-Psych. K. ein. Zudem lag ein am 30.07.2015 für die Agentur für Arbeit A. von Dipl.-Med. L. nach Untersuchung des Klägers erstelltes Gutachten vor, wonach aufgrund der Kombination der körperlichen und psychischen Gesundheitsstörungen eine länger als sechs Monate andauernde Leistungsunfähigkeit des Klägers gesehen werde.

Das Berufungsgericht holte nach Beiziehung berufskundlicher Unterlagen ein Sachverständigengutachten auf psychiatrischem Fachgebiet bei Prof. Dr. M., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Neurologie, Rehabilitationswesen, Geriatrie, Forensisches Psychiatrie sowie Chefarzt des Zentrums für Seelische Gesundheit des T. Park-Klinikums B…., ein. Der Sachverständige wies nach Auswertung der Akten, ambulanter Exploration und Untersuchung des Klägers am 24.02.2016 und 13.04.2016 sowie psychologischer Zusatzbegutachtung durch Dipl.-Psych. N. am 13.04.2016 in dem Gutachten vom 03.05.2016 auf psychiatrischem Fachgebiet eine chronische Schmerzstörung, auf neuro-orthopädischem Gebiet ein L5/S1-Syndrom links, eine Lumbalgie sowie einen Verdacht auf Vorliegen eines Karpaltunnelsyndroms aus. Leichte körperliche Tätigkeiten in bedarfsweise wechselnder Körperhaltung seien dem Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich möglich. Diese Aussage berücksichtige explizit die Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen. Nicht abverlangt werden könnten Arbeiten, die mit Heben und Tragen, Hocken, Knien und Bücken verbunden seien, ebenso Arbeiten über Kopf oder in sonstigen Zwangshaltungen, Steigen auf Treppen, Leitern Gerüsten, Arbeiten am Fließband, an laufenden Maschinen, im Arbeitstakt oder sonst unter Zeitdruck, in Wechsel- oder Nachtschicht, Arbeiten mit Suchtmittelkontakt, keine besonderen Anforderungen an das Reaktions- und Steuerungsvermögen, die Auffassungsgabe, Stresstoleranz, Kommunikationsfähigkeit und Flexibilität. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht.

In der mündlichen Verhandlung am 27.09.2016 erklärte der Kläger nach entsprechendem Hinweis des 5. Senats Berufungsrücknahme. Mit Schreiben vom 11.10.2016 widerrief der Kläger die im Termin der mündlichen Verhandlung erklärte Berufungsrücknahme und beantragte eine Fortsetzung des Berufungsverfahrens in der Sache mit dem Ziel des Erhalts einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er wurde auf die durch die Berufungsrücknahme eingetretene Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung und damit die Bestandskraft der ablehnenden Bescheide der Beklagten hingewiesen.

Am 14.10.2016 ließ der Kläger bei der Beklagten ein „Wiederaufgreifen des Verfahrens“ im Sinne eines Antrages auf Überprüfung des Bescheides vom 23.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2012 beantragen.

Die Beklagte wertete diesen Antrag als neuen (5.) Rentenantrag und lehnte mit Bescheid vom 23.11.2016 und Widerspruchsbescheid vom 29.06.2017 eine Rentengewährung ab, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI nicht erfüllt seien. Versicherte müssten neben der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten belegt haben. Bezogen auf eine Rentenantragstellung am 14.10.2016 beziehe sich der Fünfjahreszeitraum auf den Zeitraum vom 14.10.2011 bis 13.10.2016. Während dieses Zeitraums seien vom Kläger keine Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt. Der letzte Pflichtbeitrag sei im Januar 2009 gezahlt worden. Weder die Voraussetzungen des § 43 Abs. 4 SGB VI, § 241 Abs. 1 SGB VI noch die des § 53 SGB VI oder des § 241 Abs. 2 SGB VI lägen vor.

Auch die Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) der mit Bescheid vom 23.05.2011 getroffenen (Ablehnungs-)Entscheidung könne zu keinem anderen Ergebnis führen, da zuletzt mit dem psychiatrischen Gutachten vom 03.05.2016 festgestellt worden sei, dass der Kläger über ein ausreichendes Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten verfüge. Ein Leistungsfall könne seit der Antragstellung vom 25.03.2011 nicht festgestellt werden.

Hiergegen hat sich die am 31.07.2017 beim Sozialgericht Leipzig erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger im Rahmen der Überprüfung die Aufhebung des bestandskräftigen ablehnenden Bescheides vom 23.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2012 und die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ausgehend von dem am 25.03.2011 gestellten Rentenantrag geltend gemacht hat. Nach Rücknahme der Berufung und Rechtskraft des Rechtsstreites S 12 R 175/12 habe sich der Kläger zur zuständigen Arbeitsagentur mit dem Begehren einer Vermittlung am allgemeinen Arbeitsmarkt begeben. Eine Vermittlung habe aufgrund der bestehenden Leistungseinschränkungen nicht erfolgen können.

Zur Vermittlungsfähigkeit des Klägers erfolgte durch die Gutachterin der Arbeitsagentur Dipl.-Med. U. eine weitere Untersuchung des Klägers am 28.03.2017. Diese gab in der sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme vom 15.04.2017 als integrationsrelevante Funktionseinschränkungen an: Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule, chronische Schmerzen, seelische Störung, Funktionsstörung des linken Schultergelenks, Knochendichtestörung, im Intervall Nutzung von starken Schmerzmitteln. Der Kläger sei aber in der Lage, vollschichtig (täglich sechs Stunden und mehr) einer leichten Tätigkeit im Wechsel der Arbeitshaltung unter Beachtung qualitativer Einschränkungen nachzugehen. Im erlernten Beruf und in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit sei der Kläger nicht vermittelbar. Alternative Tätigkeiten müssten mit dem bestehenden Leistungsbild abgeglichen werden.

Der Kläger hat die gutachterliche Leistungseinschätzung der Agentur für Arbeit A. vom 15.04.2017 nicht für zutreffend gehalten. Darin werde ihm eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unterstellt. Diese Beurteilung stehe jedoch im krassen Widerspruch zum Gutachten der Agentur für Arbeit A. vom 30.07.2015 mit einem Leistungsbild von täglich weniger als drei Stunden. Prof. Dr. M. habe in dem im Berufungsverfahren L 5 R 488/15 eingeholten Gutachten vom 03.05.2016 ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Leistungseinschränkungen und das daraus folgende Leistungsbild im Wesentlichen schon seit 25.03.2011 vorliege und keine begründete Aussicht bestehe, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Aufgrund der Vielzahl und der damit zusammenhängenden Summierung schwerer spezifischer Leistungseinschränkungen sei dem Kläger der Arbeitsmarkt gänzlich verschlossen.

Auf mündliche Verhandlung hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 06.02.2018 abgewiesen. Zutreffend habe die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden festgestellt, dass ein Anspruch des Klägers auf Bewilligung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen nicht gegeben sei. Der Kläger habe seit 2009 keine Versicherungsbeiträge mehr entrichtet. Aus dem Versicherungsverlauf ergebe sich, dass ab 2/2009 bei dem Kläger Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vorliege. Unter Beachtung des Gutachtens der Bundesagentur für Arbeit vom 15.04.2017 und der dort getroffenen Leistungsbeurteilung eines vollschichtigen Leistungsvermögens des Klägers lägen zudem auch weiterhin die medizinischen Voraussetzungen zur Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht vor.

Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bzw. der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zum früheren Rentenantrag vom 25.03.2011 sei unbegründet. Zum Rentenantrag vom 25.03.2011 lägen bestandskräftige Bescheide der Beklagten vor (Bescheid vom 23.05.2011 und Widerspruchsbescheid vom 12.01.2012). Mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 18.05.2015 habe das Sozialgericht Leipzig die Klage (S 12 R 175/12) nach umfassender medizinischer Sachaufklärung und Beiziehung mehrerer Sachverständigengutachten abgewiesen. Der Kläger sei daraufhin im Berufungsverfahren beim Sächsischen LSG (L 5 R 488/15) nochmals durch Prof. Dr. M. begutachtet worden und habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 27.09.2016 die Berufung zurückgenommen. Zutreffend habe die Beklagte festgestellt, dass mit den Ausgangsbescheiden vom 23.05.2011 und vom 12.01.2012 weder das Recht unrichtig angewandt wurde noch von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei. Der Kläger habe im Rahmen des Überprüfungs- und des Klageverfahrens keine neuen Sachverhalte vorgetragen. Frühere Gutachten der Arbeitsagentur als auch die vom Gericht und der Beklagten beigezogenen Gutachten seien bekannt gewesen. Nach seinem Vorbringen begehre der Kläger vielmehr zu seinen Gunsten eine andere rechtliche Entscheidung. Für eine fehlerhafte rechtliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts lägen aber keine Anhaltspunkte vor. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage sei nicht eingetreten, so dass sich auch insoweit kein Anspruch auf Neubewertung der vorliegend bestandskräftigen und bindenden Bescheide ergebe.

Gegen das am 19.03.2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.04.2018 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegte Berufung des Klägers.

Eine Sachverhaltsaufklärung seitens des Sozialgerichts Leipzig, ob die bis hin zum Landessozialgericht im gesamten Verfahren ergangenen Entscheidungen zum damaligen Zeitpunkt unrichtig gewesen seien, sei nicht erfolgt. Das Sozialgericht habe nicht geprüft, ob die beim Kläger nachgewiesenen Leistungseinschränkungen zu einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes führten und dem Kläger aus diesem Grund eine Rente wegen Erwerbsminderung hätte bewilligt werden müssen. Das Sozialgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass nach Beendigung des vorangegangenen Verfahrens durch die Rücknahmeerklärung des Klägers eine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch die Agentur für Arbeit A. aufgrund der bestehenden Leistungseinschränkungen nicht habe erfolgen können. Hierzu hätte eine Einvernahme des Sachbearbeiters der Agentur für Arbeit oder zumindest die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens zur Verschlossenheit des Arbeitsmarktes erfolgen müssen. Dies habe das Sozialgericht versäumt. Hierin liege ein Verfahrensmangel, der auch eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Grundgesetz (GG) begründe. Aus der Sicht des Klägers seien seine tatsächlichen Leistungseinschränkungen nicht umfassend bewertet und mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes abgeglichen worden.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 06.02.2018 verkündeten Urteils des Sozialgerichts Leipzig die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 23.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Verfahren aufgrund des Antrags des Klägers auf volle, hilfsweise teilweise Erwerbsminderung vom 25.03.2011 konkretisiert durch den Antrag des Klägers auf Erlass eines Zweitbescheides vom 14.10.2016 auf voller Erwerbsminderungsrente wieder aufzugreifen und eine neue Sachentscheidung unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.01.2012 dahingehend zu treffen, dass dem Kläger volle, hilfsweise teilweise Erwerbsminderungsrente gewährt wird.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auf gerichtliche Nachfrage teilt die Beklagte mit Schreiben vom 27.08.2018 unter Vorlage eines aktuellen Versicherungsverlaufs mit, dass für den Kläger die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 SGB VI letztmalig bei einem Leistungsfall im Juli 2013 erfüllt seien.

Der Senat hat bei Dr. O., Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Betriebsmedizin, Chirotherapie, Balneologie und Medizinische Klimatologie/Badearzt, Rehabilitationswesen, ein zusammenfassend sozialmedizinisches Gutachten vom 02.10.2019 eingeholt. In dem auf ambulanter Untersuchung des Klägers am 30.08.2019 und einer psychologischen Zusatzbegutachtung am 19.09.2019 bei Dipl.-Psych. Dr. P., beruhenden Gutachten wertet der Sachverständige zunächst die vorliegenden medizinischen Befunde und Epikrisen – beginnend ab März 2007 – umfassend aus und teilt im Ergebnis der eigenen klinischen Untersuchung des Klägers unter Einbeziehung zusätzlich erhobener paraklinischer Befunde und der psychologischen Zusatzbegutachtung folgende Diagnosen auf orthopädischem Fachgebiet mit: Zustand nach Distorsion (Stauchung bzw. Prellung) der Lendenwirbelsäule von 12/2004 mit persistierender Bandscheibensymptomatik bei Ausbildung eines Bandscheibenprolaps in Höhe L5/S1, der am 02.03.2007 im Rahmen einer Mikrodiskotomie, Nukleotomie und Sequestrektomie   operativ behandelt wurde (erforderliche Nach-OP aufgrund der Entwicklung einer sogenannten Liquorfistel); Zustand nach OP eines erneuten Bandscheibensequesters, diesmal in Höhe LWK4/5 durch Interlaminotomie   und Sequestrektomie   vom 06.02.2013; Ausbildung eines sogenannten Postnukleotomiesyndroms   L4/5 und L5/S1; Impingementsyndrom   der rechten Schulter (02/2015) mit nur geringem Bewegungsdefizit; initiale Dysplasiecoxarthrose   (07/2015) rechts ausgeprägter als links (eigene Untersuchung); ISG-Arthrose beidseits (eigene Untersuchung); Osteopenie mitgeteilt/aktueller Befund Osteoporose Grad I L1 bis L4.

Auf internistischem Fachgebiet ergäben sich aus den vorliegenden Befundunterlagen ein Verdacht auf neurogene Blasenentleerungsstörung 01/2019 ohne sonstige pathologische Befunde; Verdacht auf Herzrhythmusstörung 01/2019 (nicht bestätigt); fortgesetzter Nikotinabusus.

Im neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet seien in den Befundunterlagen als Diagnosen aufgeführt: chronisch somatoforme Schmerzstörung (02/2015); depressive Episode (04/2015); chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (07/2015, 01/2019); psychische Anpassungsstörung (07/2015, 11/2015); Angst und depressive Störung gemischt (07/2015, 11/2015); Anpassungsstörung nach Wirbelsäulenoperation (11/2015); Persönlichkeitsstörung mit chronischer Schmerzstörung (11/2015); chronische Schmerzstörung (05/2016); Medikamentennebenwirkung (03/2017); seelische Störung (04/2017); psychische Komorbidität (01/2019); Compliancestörung (01/2019); Peronaeusparese   links (01/2019); rezidivierende depressive Episode mit Verbitterungsstörung (02/2019).

Im Rahmen der aktuellen gutachterlichen Untersuchung hat sich das Bestehen einer rezidivierenden depressiven Störung – gegenwärtig leichte Episode; einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine emotional instabile, selbstunsichere Persönlichkeitsstörung ergeben.

Nach Beurteilung des Sachverständigen Dr. O. sei der Kläger aus rein somatischer Sicht noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche Tätigkeiten leichter Natur auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in frei wählbarer wechselnder Körperhaltung unter Beachtung der Leistungseinschränkungen: keine Arbeiten über Kopf, in einseitiger Rumpfvorbeugehaltung, mit häufigem Bücken, im Hocken, im Knien, möglichst in wohltemperierten geschlossenen Räumen zu verrichten. Tätigkeiten im Freien mit negativen Einflüssen wie Nässe, Kälte, Zugluft und Temperaturschwankungen seien zu vermeiden. Das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten solle bei 10 kg begrenzt sein. Einschränkungen der Fingerfertigkeit, abgesehen von geringen Bewegungseinbußen des rechten Daumens, lägen nicht vor. Ihm seien auch Arbeiten als Verpacker von Kleinteilen vollschichtig (sechs Stunden und mehr pro Tag) zuzumuten. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich. Einschränkungen der fußläufigen rentenrechtlichen Wegefähigkeit lägen nicht vor. Das festgestellte Leistungsbild im somatischen Bereich bestehe im Grunde ab dem 25.03.2011, zumindest aber ab dem letzten Rentenantrag. Grundsätzliche Änderungen im Gesundheitszustand aus somatischer Sicht seien nach umfassender Sichtung des vorhandenen Aktenmaterials nicht festzustellen.

Auch aus der psychologischen Zusatzbegutachtung ergäben sich nur qualitative Leistungseinschränkungen. Die festgestellten Einschränkungen im Leistungsbild hätten sich seit dem 25.03.2011 fortlaufend entwickelt. Die fixierte Erwartungshaltung des Klägers vor einem ritualisierten Wiederauftreten seiner Beschwerdesymptomatik über den Tagesverlauf hinweg habe sich seit diesem Zeitpunkt verstärkt. Der Kläger verfüge aber über vielfältige (ungenutzte) Ressourcen und Kompetenzen. Zudem sei eine angemessene kognitiv-intellektuelle Leistungsfähigkeit zu erkennen. Im psychologisch-psychotherapeutischen Bereich seien noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um eine signifikante Reduzierung der beschriebenen Schmerzsymptomatik zu erreichen. In der Beurteilung des Leistungsvermögens ist Dipl.-Psych. Dr. P. nicht von der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. M. in dem umfassenden Gutachten vom 03.05.2016 abgewichen.

Mit Schriftsatz vom 11.02.2020 übt der Kläger Kritik an einzelnen gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. O. als auch des psychologischen Zusatzgutachters Dipl.-Psych. Dr. P. und geht davon aus, dass weiterer Aufklärungsbedarf nach § 103 SGG bestehe.

Auf die Einwendungen der Klägerseite im Schreiben vom 11.02.2020 hat der Senat ergänzende Stellungnahmen von Dr. O. vom 15.04.2020 und Dipl.-Psych. Dr. P. vom 13.04.2020 eingeholt. Im Ergebnis der Auseinandersetzung mit den klägerseitigen Hinweisen und Fragestellungen blieb der Sachverständige Dr. O. bei der im Gutachten formulierten Leistungseinschätzung.

Nach Übersendung der ergänzenden Stellungnahmen mit gerichtlichem Schreiben vom 22.04.2020 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 20.05.2020 beantragt, den Sachverständigen Dr. O. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Das Ablehnungsgesuch ist mit Beschluss vom 26.10.2020 zurückgewiesen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.

Der Kläger führt beim Sozialgericht Leipzig noch ein Klageverfahren (S 12 R 485/18) mit dem Ziel des Erhalts von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen, der Verfahrensakten S 12 R 175/12 und L 5 R 488/15 sowie der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet. Mit Recht und zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 23.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2017 erweist sich auch nach Prüfung durch den Senat als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Klägers ist § 43 SGB VI in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung des Altersgrenzenanpassungsgesetzes. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie (1.) voll erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahren Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt habe. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Volle Erwerbsminderung liegt ferner wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (vgl. zu den Voraussetzungen BSG, Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, GS 2/75 u.a.) auch vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann und keinen Teilzeitarbeitsplatz innehat.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bei Erfüllung der allgemeinen Wartezeit und der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Erwerbsgemindert ist hingegen nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die allgemeine Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Zum Zeitpunkt der aktuellen Rentenantragstellung am 14.10.2016 sind – unabhängig von der Frage, ob aus medizinischen Gründen überhaupt ein die Rentengewährung begründendes, herabgesetztes berufliches Leistungsvermögen festzustellen ist – die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Nr. 2 SGB VI) nicht erfüllt. Unter Zugrundelegung des dokumentierten Versicherungsverlaufs vom 27.08.2018 müsste der medizinisch begründete Leistungsfall eines herabgesetzten beruflichen Leistungsvermögens spätestens im Juli 2013 eingetreten sein. Dies ist der späteste Zeitpunkt, zu dem in den letzten fünf Jahren vor Eintritt einer Erwerbsminderung ausreichend Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet worden sind. Da für den Kläger der letzte Pflichtbeitrag im Januar 2009 (Arbeitslosengeld II) gezahlt worden ist, erfüllt er für einen mit der Rentenantragstellung am 14.10.2016 angenommenen Leistungsfall die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr. In dem danach maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 14.10.2011 bis 13.10.2016 hat er keinen Kalendermonat mit Pflichtbeiträgen belegt. Tatbestände zur Verlängerung des maßgeblichen Fünfjahreszeitraums liegen nicht vor. Insoweit verweist der Senat nach eigener Prüfung auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 29.06.2017.

Eine Rentengewährung auf den Antrag vom 14.10.2016 scheitert daher an der Nichterfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Auch das am 14.10.2016 ausgelöste Überprüfungsverfahren gemäß § 44 Abs. 1 SGB X zu dem ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 23.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2012 auf den Rentenantrag vom 25.03.2011 führt für den Kläger nicht zu einem Anspruch auf Rentengewährung.

Zwar wären ausgehend von dem Rentenantrag am 25.03.2011 sowohl die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI) als auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Hier fehlt es aber an einem medizinisch begründeten Leistungsfall, denn im Ergebnis der umfangreichen medizinischen Ermittlungen sieht nach gerichtlicher Überprüfung auch der Senat den Kläger noch für in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen nachzugehen.

Aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. M. vom 03.05.2016 und PD Dr. Q. vom 24.02.2015 steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Kläger trotz seiner gesundheitsbedingten Leistungseinschränkungen ununterbrochen seit der Rentenantragstellung am 25.03.2011 in der Lage ist, jedenfalls einer leichten körperlichen Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Dauerzwangshaltungen, häufiges Bücken, Arbeiten über Kopf mit Streckung der Wirbelsäule, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, unter erheblichem Zeitdruck, unter Einfluss von Kälte, Nässe und Zugluft, in Wechsel- oder Nachtschicht, am Fließband oder an laufenden Maschinen sowie mit Suchtmittelkontakt sind nicht mehr möglich. Die Gutachten setzen sich eingehend mit den Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers (Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule wegen Postnukleotomiesyndrom nach erfolgter zweimaliger Bandscheibenoperation L5/S1 (2007) und Bandscheibenoperation L4/5 links (2013) mit funktionalen Folgen, leicht eingeschränkte Funktion rechtes Schultergelenk bei chronischem Engpasssyndrom, beginnende Verschleiß-erkrankung beider Hüftgelenke ohne wesentliche funktionale Auswirkungen, chronifizierte Schmerzstörung) auseinander und beziehen alle im Verfahren beigezogenen Krankenunterlagen, Befundberichte und Gutachten ein. Sie gelangten nachvollziehbar zu der getroffenen Leistungseinschätzung. Während der Begutachtungen waren insgesamt keine Funktionsstörungen erkennbar, die einer mindestens sechsstündigen leichten körperlichen Tätigkeit entgegenstanden.

Während der orthopädischen Untersuchung bei PD Dr. Q. am 19.02.2015 konnte sich der Kläger selbständig ent- und bekleiden. Lediglich beim Anziehen der Strümpfe und Schuhe war eine Unterstützung durch seine Ehefrau notwendig. Er konnte den Barfußgang flüssig und ohne spontane Schmerzangabe demonstrieren. Zehen- und Hackenstand wurden regelrecht ausgeführt. Allein der Einbeinstand war links im Vergleich zur Gegenseite unsicher. Die Halswirbelsäulenbeweglichkeit war in allen Ebenen nicht wesentlich eingeschränkt. Bei mäßig rechtsseitig verspannter Schulter-Nacken-Muskulatur wurde bei der Reklination des Kopfes die Blickrichtung um 60 Grad über die Horizontale angehoben. Die Drehbewegung des Kopfes war nach rechts bis 50 Grad und nach links bis 60 Grad möglich. Die Seitneigung rechts/links konnte bis 20/0/30 Grad demonstriert werden, wobei lediglich ein leichtes Reiben, aber kein ausgeprägtes Gelenkknacken feststellbar war. Bei der Vorwärtsneigung des Rumpfes im Stand äußerte der Kläger Bewegungsschmerzen und konnte einen Fingerkuppen-Boden-Abstand von 30 Zentimetern erreichen. Die Aufrichtung erfolgte unter Schmerzangabe mit Abstützung beider Hände am Oberschenkel. Die Entfaltbarkeit der Wirbelsäule war nicht eingeschränkt. Das Zeichen nach Ott betrug 30/32 Zentimeter und das Zeichen nach Schober 10/13 Zentimeter. Die Rumpfneigung und Rumpfrotation erfolgten nur mit endgradiger Schmerzangabe um 10 Grad vermindert bis rechts/links 20/0/20 Grad. Bei der Untersuchung im Liegen war ein Ischiasdehnungsschmerz nicht feststellbar. Das Laseguesche   Zeichen und das Zeichen nach Bragard   waren negativ. Links zeigte sich ein Pseudolasegue   bei 70 Grad. Die ischiocrurale Muskulatur war auf beiden Seiten verkürzt und die Bauchmuskulatur insuffizient. Den Langsitz auf der Liege konnte der Kläger bis zu einem Fingerkuppen-Zehen-Abstand von 10 Zentimetern demonstrieren. Im Bereich der oberen Extremitäten fanden sich keine wesentlichen Funktionsstörungen. Lediglich im Bereich des rechten Schultergelenks wurden endgradige Bewegungsschmerzen angegeben. Als Folge einer Verletzung im Bereich des linken Daumens konnte dieser im Endgelenk nicht vollständig gestreckt werden. Die Halte- und Greiffunktion war dabei jedoch nicht beeinträchtigt. Der Spitzgriff zwischen Daumen und Zeigefinger wurde mit regelrechter Muskelkraft seitengleich vorgeführt. Eine messbare Umfangsdifferenz der Arme war nicht gegeben. Im Bereich der Hüftgelenke waren keine Funktionseinschränkungen feststellbar. Es fand sich weder eine Achsfehlstellung im Bereich des Oberschenkels noch eine Fehlhaltung der Hüftgelenke. Das Anheben der im Kniegelenk gestreckten Beine war seitgleich mit regelrechter Muskelkraft ausführbar. Bei der Prüfung der Hüftgelenksfunktion wurden keine Schmerzen geäußert. Funktionsstörungen der Kniegelenke oder Sprunggelenke fanden sich ebenfalls nicht.

Der damalige Vorhalt des Klägers, PD Dr. G. habe lediglich die fehlerhaften Feststellungen von Dr. C. übernommen, ist dem Senat nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige PD Dr. G. hatte im Rahmen der durchgeführten Untersuchung eine umfassende Funktionsprüfung durchgeführt und dabei die aktuellen Bewegungsausmaße festgestellt. Wenngleich sich die gutachterliche Einschätzung der Leistungsfähigkeit mit der von Dr. C. bei teilweise anderen Bewegungsausmaßen deckt, ist PD Dr. G. aufgrund eigener Prüfungen und eigener Feststellung zu der nachvollziehbaren Leistungseinschätzung gelangt. Insoweit zeigten sich insbesondere der Finger-Boden-Abstand sowie die Demonstration im Langsitz im Vergleich zum Gutachten von Dr. C. verbessert. Insgesamt erscheinen auch im Rahmen der Überprüfung durch den Senat die Sachverständigengutachten von Dr. C. und PD Dr. G. unter Beachtung der festgestellten Funktionsstörungen nachvollziehbar und sachgerecht.

Nicht zu folgen ist der gutachterlichen Einschätzung von Prof. Dr. F. Bei im Wesentlichen mit den in den Gutachten von Dr. C. und PD. Dr. G. ausgewiesenen vergleichbaren Bewegungsausmaßen im Bereich der Wirbelsäule lässt das Gutachten von Prof. Dr. F. keine Funktionsstörungen erkennen, die einer leichten körperlichen Tätigkeit mit den benannten qualitativen Einschränkungen entgegenstehen könnten. Insbesondere wurde das Erfordernis des häufigen Haltungswechsels berücksichtigt. Eine nachvollziehbare Begründung für ein aufgehobenes Leistungsvermögen gibt der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige nicht. So hatte sich auch PD Dr. G. eingehend mit dem Gutachten von Prof. Dr. F. auseinandergesetzt und sah die unter dreistündige Leistungslimitierung nicht hinreichend begründet. Die veränderten Untersuchungsergebnisse zwischen der Untersuchung von Dr. C. und PD Dr. G. fanden kein organisches Korrelat für das Ausmaß der vom Kläger beklagten Beschwerden und lassen auf eine möglicherweise nicht immer optimale Mitarbeit des Klägers bei der ärztlichen Begutachtung schließen. Auch in der ergänzenden Stellungnahme vermochte Prof. Dr. F. seine Leistungseinschätzung nicht fundiert und nachvollziehbar zu begründen, sondern stellte im Wesentlichen allein auf die Schmerzangabe des Klägers, ohne jedoch eine Konsistenzprüfung vorgenommen zu haben, und eine andere Beurteilung der Behandlungsoptionen ab.

Schließlich zeigten sich auch während der psychiatrischen Untersuchung bei Prof. Dr. M. am 24.02.2016 und 13.04.2016 keine Funktionsstörungen, die einer mindestens sechsstündigen leichten körperlichen Tätigkeit mit den benannten qualitativen Einschränkungen täglich entgegenstehen könnten. Während der Untersuchung war der Kläger wach und bewusstseinsklar, zeitlich, örtlich, räumlich, situativ und zur eigenen Person vollständig orientiert. Er war konstant situationsangepasst und adäquat, ausgesprochen um Mitarbeit bemüht, gab zu allen Anamnesebereichen offen und bereitwillig Auskunft. Nur die emotionale Wahrnehmungs-, Introspektions- und Selbstreflexionsfähigkeit zeigten sich als defizitär. Der Kläger verfügte nur in Ansätzen über ein psychogenetisches Krankheitsverständnis. Mimik und Gestik setzte er zurückhaltend ein. Aufmerksamkeit, Konzentration, Ausdauer und Belastbarkeit waren dabei jedoch nicht beeinträchtigt. Die testpsychologische Untersuchung konnte mit überdurchschnittlichem Ergebnis absolviert werden. Trotz der Schmerzproblematik zeigte sich lediglich das Bedürfnis zum Haltungswechsle nach 70 und 90 Minuten der Begutachtung. Ein Absinken der geistigen Leistungsfähigkeit war nicht feststellbar. Psychomotorisch bestanden beim Kläger keine Auffälligkeiten. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. M. war er durchgängig erhöht innerlich angespannt und enttäuscht, verbittert, aber nicht gedrückt. Die affektive Schwingungsfähigkeit war nur geringfügig eingeschränkt. Das Antriebsniveau und die Interessenlagen waren nur bei Schmerzverstärkung reduziert. Der formale Denkablauf war ungestört, inhaltliche Denkstörungen bestanden nicht. Störungen des Ich-Erlebens ließen sich nicht eruieren. Mnestische Defizite waren nicht feststellbar. Insbesondere der gegenüber dem Sachverständigen geäußerte Tagesablauf ließ keine relevanten und ausgeprägten Einschränkungen im Alltagsleben und der sozialen Partizipation erkennen. Die eigen- und fremdanamnestischen Schilderungen von Aktivitäten des täglichen Lebens und zu erfüllender sozialer Rollen belegen, dass Einschränkungen des Tagesablaufes, der Mobilität, der Selbstversorgung, der Haushaltsaktivitäten, des Familienlebens, der sozialen Kontakte, der Partnerschaft und Freizeitgestaltung nicht derart ausgeprägt sind, dass der Kläger kontinuierlich oder umfänglich auf Unterstützung durch Dritte angewiesen wäre. So war es dem Kläger nach eigenen Angaben möglich, sich im großen Maße und verantwortungsbewusst um die Belange seiner Tochter zu kümmern. Er brachte sie jeden Tag gegen 7.15 Uhr in die Schule und holt sie von dort zwischen 13.00 und 15.00 Uhr wieder ab. In der Zwischenzeit widme er sich Verrichtungen im Haushalt und bereite sich ein Mittagessen zu. Er war in der Lage, seine Tochter bei der Erledigung der Hausaufgaben in Mathematik und Geographie zu unterstützen. Am Nachmittag gab es nach der Rückkehr der Ehefrau von der Arbeit bei Kaffee ein Gespräch über den Tag. Daneben besuchte er regelmäßig seinen Vater und brachte mit seiner Ehefrau die Tochter am Samstag auf einen Reiterhof. Unter Berücksichtigung der vom Kläger bewältigten Alltagsaktivitäten ist die abweichende gutachterliche Einschätzung von Dipl.-Med. K. für die Agentur für Arbeit vom 30.07.2015 nicht nachzuvollziehen. Das insoweit festgestellte nur unter dreistündige Leistungsvermögen ist mit den erhobenen Befunden, die keine relevante Verschlechterung im Vergleich zu den von PD Dr. G. erhobenen Befunden erkennen lassen, nicht begründbar. Der Gutachter der Arbeitsagentur bezieht bei der Verlaufsbewertung lediglich eigene gutachterliche Stellungnahmen ab 2006 ein, ohne jedoch die bereits zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Facharztgutachten im Rentenverfahren zu berücksichtigen und sich mit diesen auseinanderzusetzen.

Der damalige Einwand des Klägers, der Sachverständige Prof. Dr. M. lasse seine orthopädischen Leiden völlig unbeachtet, trifft nicht zu. Prof. Dr. M. hat einen eigenen neurologischen und körperlichen Status erhoben, die neuroorthopädischen Leiden explizit im Gutachten aufgeführt und diese in seine Leistungseinschätzung einbezogen.

Schließlich hat sich aus den medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. C. vom 11.10.2013, Prof. Dr. F. vom 20.02.2014, PD Dr. G. vom 24.02.2015 sowie Prof. Dr. M. vom 30.05.2016 keine Beeinträchtigung der rentenrechtlich relevanten Wegefähigkeit ergeben. Eine eventuelle Einschränkung der Gehfähigkeit konnte vom Kläger durch die Nutzung eines Pkw hinreichend kompensiert werden.

Mit diesen medizinischen Sachverständigengutachten in dem auf den Rentenantrag vom 25.03.2011 vorausgegangenen Verfahren, die der Senat in dem sozialmedizinischen Gutachten von Dr. H. vom 02.10.2019 auf seine Konsistenz hin nochmals sozialmedizinisch hat auswerten lassen, steht auch für den Senat fest, dass bis zum Juli 2013 beim Kläger zwar qualitative Leistungseinschränkungen vorliegen. Diese haben aber das quantitative Leistungsvermögen noch nicht in einem solchen Maße eingeschränkt, dass ihm jegliche leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (BSG, Urteil vom 09.05.2012 – B 5 R 68/11 R = SozR 4-2600 § 43 Nr. 18) verwehrt wäre. Weder ergibt sich aus den maßgeblichen medizinischen Feststellungen für den Zeitraum, in dem auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Kläger noch erfüllt wären, eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch ist für den Senat eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder gewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu erkennen, die in einer Kombination vorliegen, die ungewöhnliche Auswirkungen auf die Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben und deshalb die Notwendigkeit der Benennung einer Verweisungstätigkeit begründen (BSG, Urteil vom 11.12.2019, B 13 R 7/18 R). Nach dieser Rechtsprechung des BSG ist ein Versicherter erwerbstätig und es ist auch weiterhin von dem Grundsatz des offenen Arbeitsmarktes auszugehen, wenn der Versicherte nur noch körperlich leichte Tätigkeiten – ggf. unter weiteren gesundheitlichen Einschränkungen – wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann. Das ist bei dem Kläger der Fall.

Soweit der Kläger vorträgt, dass ihm die Agentur für Arbeit unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Leistungseinschränkungen keinen Arbeitsplatz habe vermitteln können, weist der Senat darauf hin, dass es für die Frage der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes – auf die der Kläger hier abstellt – bei einem, wenn auch nur für körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig einsetzbaren Versicherten auf den Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland und gerade nicht auf den im Wohnumfeld des Klägers regionalen Arbeitsmarkt ankommt. Zudem ist nur maßgebend, ob der Arbeitsmarkt – besetzt oder unbesetzt – eine ausreichende Anzahl an Arbeitsplätzen bereithält, die der Kläger mit den bei ihm bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen vollschichtig verrichten könnte. Für die Vermittlung eines solchen Arbeitsplatzes ist die Agentur für Arbeit und nicht der Rentenversicherungsträger verantwortlich, so dass eine etwaige Unvermittelbarkeit des Klägers auf dieses Verfahren nicht durchschlägt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

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