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Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit

Einkommensanrechnung nach dem Rentenbeginn

Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 14 R 912/10 – Urteil vom 07.04.2011

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Teilaufhebung des Erwerbsminderungsrentenbescheides des Klägers für die Zeit vom 01.11.2006 bis 30.11.2006 und die Verpflichtung zur Erstattung der Überzahlung in Höhe von 273,68 EUR.

Der Kläger erhält Rente wegen voller Erwerbsminderung, die mit Bescheid vom 03.01.2006 zunächst auf Zeit vom 01.04.2006 bis 30.09.2007 bewilligt wurde. Durch Bescheid vom 10.08.2007 wurde die Rente auf Dauer weitergewährt.

Das vorherige Beschäftigungsverhältnis des Klägers ruhte seit Rentenbeginn und endete erst am 30.09.2007 mit der Bewilligung einer dauerhaften Erwerbsminderungsrente. Im November 2006 erhielt der Kläger ein anteiliges Weihnachtsgeld in Höhe von 1.604,44 EUR brutto, welches vom Arbeitgeber als Einmalzahlung im November 2006 gemeldet worden ist. Aufgrund dieser Meldung überprüfte die Beklagte die Hinzuverdienstgrenzen für die Rente und berechnete, nach vorheriger Anhörung des Klägers, wegen des erzielten Einkommens die Rente mit Bescheid vom 25.01.2008 neu. Für den Monat November 2006 ergab sich eine Überzahlung in Höhe von 273,68 EUR, welche zurückgefordert wurde.

Mit seinem Widerspruch legte der Kläger dar, dass das Weihnachtsgeld nicht dem Abrechnungszeitraum November 2006, sondern dem März 2006 zugeordnet hätte werden müssen. Es handele sich um eine Zahlung im Zeitraum vor dem Rentenbeginn. § 23 a Abs. 2 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei anzuwenden. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12.11.2008). Der Bescheid vom 25.01.2008 sei zu Recht ergangen. Das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt sei im Rahmen des § 96 a Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) dem Monat zuzuordnen, für den es bescheinigt werde.

Der Kläger hat fristgerecht Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben. Das SG hat durch Urteil vom 18.06.2010 der Klage stattgegeben und den Bescheid sowie den Widerspruchsbescheid insoweit aufgehoben, als das im November 2006 zugeflossene Weihnachtsgeld zu einer Neuberechnung und Überzahlung geführt hat. Zur Begründung führte das SG aus, dass die Beklagte das Gebot verletzt habe, den Inhalt des Verwaltungsakts, hier die Aufhebung des Bescheides vom 03.01.2006, hinreichend zu bestimmen (§ 33 Abs. 1 SGB X). Aus dem Verfügungssatz des Bescheides vom 25.01.2008 hätte für die Beteiligten vollständig, klar und eindeutig erkennbar sein müssen, was die Behörde regele. Dies sei nach Überzeugung des Gerichts nicht der Fall gewesen. Der Bescheid enthalte nach Meinung des Gerichts gar keinen Verfügungssatz. Eine Bindungswirkung habe der Verwaltungsakt nur bezüglich der Aussage im Verfügungssatz, nicht hinsichtlich der Begründung. Damit habe es die Beklagte dem Kläger überlassen, Gegenstand, Inhalt und Umfang der Aufhebungsregelung sich selbst zu erschließen. Dies sei auch nicht heilbar. Die Berufung wurde vom SG nicht zugelassen.

Die Beklagte erhob gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 03.08.2010 Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG). Das Urteil weiche von Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) ab. Mit Beschluss des Senats vom 13.10.2010 wurde die Berufung der Beklagten zugelassen.

Im Berufungsverfahren vertrat der Kläger weiter seine bisherige Auffassung. Die Beklagte wandte dagegen ein, dass aus ihrer Sicht eine Anwendung des § 23 a SGB IV nicht in Betracht komme, da es sich um eine Vorschrift des Beitragsrechts handle, die nicht ohne Weiteres auf das Rechtsgebiet des Hinzuverdienstes übernommen werde könne. Im Übrigen liege kein „Ruhen“ im Sinne des § 23a SGB IV vor, da das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Rentengewährung unterbrochen worden sei. Bei einem Ruhen könne die Arbeitsleistung aufgrund anderweitiger Verpflichtung, z.B. Wehr- und Zivildienst, nicht angeboten werden. Bei einer Unterbrechung könne jederzeit die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer wieder angeboten werden, z.B. durch einen Arbeitsversuch.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Regensburg vom 18.06.2010 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Regensburg vom 18.06.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zulässig gewordene Berufung ist als Anfechtungsklage statthaft. Sie ist aber nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 03.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2008 hinsichtlich der Neuberechnung der Rente im November 2006 und der sich daraus ergebenden Überzahlung aufgehoben. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Höhe der Rente des Klägers wegen einer Änderung in den Verhältnissen neu zu berechnen und eine Überzahlung zurückzufordern.

1. Dabei legt der Senat den Tenor des angefochtenen Urteils dahingehend aus, dass auch mit der nur beschränkten Aufhebung des Bescheides dem Begehren des Klägers entsprochen wurde. Denn im Tenor des Sozialgerichts wird der Bescheid vom 25.01.2008 nur insoweit aufgehoben, als das im November 2006 zugeflossene Weihnachtsgeld zu einer Neuberechnung und Überzahlung geführt hat. Diese Tenorierung entspricht zwar dem Streitgegenstand und der Interessenlage des Klägers, berücksichtigt aber nicht, dass sich der Regelungsinhalt des Bescheides vom 25.01.2008 auf die Neuberechnung wegen des Hinzuverdienstes im November 2006 beschränkt, so dass er eigentlich zur Gänze hätte aufgehoben werden können. Der erstinstanzliche Ausspruch muss deshalb aber nicht notwendigerweise formal teilweise geändert werden, denn der Bescheid verliert durch die teilweise Aufhebung seinen Regelungsgehalt und ist damit für den Kläger trotz seiner weiteren Existenz nicht mehr belastend. Der Verwaltungsakt vom 25.01.2008 ist nach § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt, weil er seine regelnde Wirkung verloren hat (vgl. Ross in: v. Wulffen, SGB X, § 39 Rn 14). Der Tenor des angefochtenen Urteils konnte somit allein durch die Zurückweisung der Berufung der Beklagten aufrechterhalten bleiben.

2. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

Dies ist nicht der Fall. Der Kläger hat weder zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung noch nach Erlass des Rentenbescheides Arbeitsentgelt erzielt, welches auf die Erwerbsminderungsrente anzurechnen war. Insbesondere liegt ein nach § 96a SGB VI zu berücksichtigendes Einkommen nicht vor.

Nach dieser Vorschrift wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Absatz 2 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die in Satz 2 genannten Einkünfte werden zusammengerechnet. Die Höhe der Hinzuverdienstgrenze ist in Absatz 2 der Vorschrift geregelt.

Der § 96a SGB VI enthält selbst keine eigene Regelung, was unter Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder Beschäftigung zu verstehen ist. Nach Ansicht des Senats sind daher die allgemeinen Vorschriften, insbesondere die §§ 14, 23a Abs. 2 SGB IV heranzuziehen.

Der Gesetzgeber hat eine Hinzuverdienstgrenze bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erst aufgrund massiver Kritik durch den Bundesrechnungshof aus dem Jahr 1994 (Bundestagsdrucksache 12/8490) eingeführt. Im Gesetzentwurf des Bundes vom 11.08.1995 (Drs 496/95, Seite 41 bis 43) wird in der allgemeinen Begründung ausgeführt, dass das unbegrenzte Hinzuverdienen durch eine unzumutbare Tätigkeit auf Kosten der Gesundheit beschränkt werden soll. Die bisherige Rechtslage führe zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass ein Versicherter durch Rente und Hinzuverdienst ein Gesamteinkommen erzielen könne, das das vor Eintritt der Erwerbsminderung erzielte Einkommen bei weitem übersteige. In diesen Fällen habe die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit keinerlei Lohnersatzfunktion mehr, weil ein durch die Erwerbsminderung eingetreten Einkommensverlust, den es zu ersetzen gelte, nicht bestehe. Die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit stelle lediglich eine Art Entschädigung dafür dar, dass der Versicherte auf Kosten seiner Restgesundheit arbeite. Eine derartige Funktion der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sei aber von der ursprünglichen Zielsetzung der gesetzlichen Regelung nicht gedeckt. Das Ergebnis stehe vielmehr im Widerspruch zur Lohnersatzfunktion, die wesentliche Aufgabe der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sei. Zielsetzung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sei es, dem in seiner Erwerbsfähigkeit geminderten Versicherten den Lohn, der aufgrund der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht mehr erzielt werden könne, in einem Umfang zu ersetzen, der den Lebensstandard sichere. Die Lohnersatzfunktion solle deshalb durch die Einführung von Hinzuverdienstgrenzen gestärkt werden, um die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wieder auf ihre wesentliche Aufgabe zurückzuführen. In Zukunft könnten Versicherte durch die Ausübung einer untervollschichtig oder vollschichtigen Tätigkeit einen Hinzuverdienst erzielen, der zusammen mit der Rente wegen Berufsunfähigkeit den vor der Erwerbsminderung erzielten Verdienst im Wesentlichen ersetze.

Aus den oben genannten Ausführungen in der Gesetzesbegründung ergibt sich für den Senat, dass in erster Linie eine tatsächlich ausgeübte Beschäftigung, in der Regel über einen längeren Zeitraum, von der Einführung eines Hinzuverdienstes erfasst werden sollte, um die Lohnersatzfunktion der Rente wegen Erwerbsminderung wieder in den Vordergrund treten zu lassen. Auch der Bezug von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt ist unter Berücksichtigung der Vorgaben aus dem Gesetzgebungsverfahren zu sehen.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob Arbeitsentgelt erzielt wurde, ist § 14 SGB IV, der über § 1 Abs. 1 SGB IV auch für die gesetzliche Rentenversicherung gilt.

Arbeitsentgelt sind danach alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Ein Bezug zum Einkommensteuerrecht, wie ihn § 15 SGB IV enthält, findet sich in 14 SGB IV nicht. Einmalige Einnahmen sind alle regelmäßig oder unregelmäßig gezahlten geldlichen oder geldwerten Vorteile. Das Gesetz verwendet in § 23a SGB IV den Begriff „einmalig gezahltes Arbeitsentgelt“ (Vgl. RV SGB IV, 17. Aufl., § 14 SGB IV, Ziffer 5.2).

Das einmalig gezahlte Weihnachtsgeld stellt somit grundsätzlich Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 SGB IV dar. Das Weihnachtsgeld wurde dem Kläger im November 2006 ausgezahlt und damit nach dem Ende seiner aktiven Beschäftigung. Es wurde allerdings im Zusammenhang mit der Beschäftigung erzielt.

Gemäß § 7 SGB IV ist eine Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Durch das Wort „nichtselbstständige Arbeit“ wird das persönliche Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich ein Arbeitnehmer zu seinem Arbeitgeber befindet, herausgestellt. Typisches Merkmal eines Abhängigkeitsverhältnisses ist die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers über Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit (vgl. RV SGB IV, 17. Auflage 2007, § 7, 2.).

Die Rechtsprechung des BSG hat ein Beschäftigungsverhältnis bei Fehlen der tatsächlichen Arbeit regelmäßig nur angenommen, wenn die charakteristischen Merkmale der Beschäftigung (weiterhin) gegeben waren, insbesondere die persönliche Abhängigkeit, die sich in der Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers und der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers ausdrückt (vgl BSGE 37, 10, 13 f = SozR Nr 62 zu § 1259 RVO; BSGE 41, 41, 52; BSG SozR 2400 § 2 Nr 25 S 42 f; BSGE 68, 236, 240 = SozR 3-4100 § 104 Nr 6 S 24). Dies war vorliegend im November 2006 bei Auszahlung des Arbeitsgeldes des Klägers nicht mehr der Fall und auch kein Arbeitsentgelt mehr bezogen. Nach § 7 Abs. 3 SGB IV gilt eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt zwar als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Ausgehend davon lag beim Kläger im November zwar noch ein Arbeitsverhältnis, aber kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mehr vor. Zahlungen nach Aufgabe der Beschäftigung für Zeiten vor dem Rentenbeginn bleiben aber im Rahmen des Hinzuverdienst unberücksichtigt (vgl. KomGRV, § 96a SGB VI, Ziffer 3).

Im Übrigen ist der Senat der Ansicht, dass sich bei Einmalzahlungen die Frage der Anrechenbarkeit nach § 96a SGB VI entsprechend der Zuordnung i.S. der Vorschrift des § 23a SGB IV richtet (vgl. Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II Band s, SGB VI, § 96a SGBVI, Rdnr. 15c; Brähler in: Ruhland/Försterling, GK-SGB VI, § 96a SGB VI, Rdnr. 69b). Gemäß § 23a SGB IV sind einmalig gezahltes Arbeitsentgelt Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Da das Weihnachtsgeld nicht einer Arbeit in einem bestimmten Abrechnungszeitraum zugeordnet werden kann, sondern eine Jahressonderzahlung darstellt, findet § 23a SGB IV Anwendung. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt versicherungspflichtig Beschäftigter ist dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt wird, soweit die Absätze 2 und 4 nichts Abweichendes bestimmen. Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis liegt- wie bereits ausgeführt- beim Kläger aber nicht mehr vor.

Nach § 23a Abs 2 SGB IV ist einmaliges Arbeitsentgelt, das nach Ende eines Beschäftigungsverhältnisses gezahlt wird, dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum des laufenden Kalenderjahres zuzuordnen, auch wenn dieser nicht mit Entgelt belegt ist

Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers wurde erst am 30.09.2007 beendet, vorher ruhte es wegen des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit.

Arbeitsrechtlich bedeutet ein ruhendes Arbeitsverhältnis, dass die Hauptleistungspflichten der Arbeitsvertragsparteien vorübergehend ausgesetzt sind, z. B. wegen eines unbezahlten Urlaubs, bei Wehr- und Zivildienst, auch in Fällen der Arbeitsbummelei, des Streiks oder der Aussperrung. Grundsätzlich tritt ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer gesetzlichen Regelung (Elternzeit, Wehr- und Zivildienst), einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien (befristete Erwerbsminderung, Entsendung in das Ausland) oder einer einseitigen Erklärung einer Arbeitsvertragspartei (Arbeitskampfmaßnahmen) ein (vgl. BAG 07.06.1990). Arbeitsunfähigkeit führt dagegen nicht zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses, der Arbeitnehmer ist für deren Dauer nur von seiner Arbeitspflicht befreit.

Wenn das Arbeitsverhältnis ruht, sind die Arbeitsvertragsparteien von ihrer Pflicht zur Ableistung der Hauptpflichten (Arbeitsleistung, Entgeltzahlung) befreit, die Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis (z.B. Fürsorgepflicht, Treuepflicht, Verschwiegenheitspflicht) bestehen weiter.

Ausgehend von den Grundsätzen des Arbeitsrechts bestehen auch noch andere Ruhenstatbestände, bei denen § 23a Abs 2 SGB IV anzuwenden ist. Eine alleinige Anwendung nur auf den Fall des Wehr- und Zivildienstes, wie die Beklagte meint, ist nicht ersichtlich.

Die gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung, welche im SGB IV zusammengefasst wurden, gelten grundsätzlich für alle Zweige der Sozialversicherung. Damit sind die im SGB IV enthaltenen Grundbegriffe auch für die Rentenversicherung maßgebend. Ausgehend von diesen Überlegungen und der grundsätzlichen systemharmonischen Verknüpfung von Arbeits- und Sozialrecht, -insbesondere bei der Anwendung der §§ 7, 14 SGB IV- kann der Beklagten hinsichtlich einer differenzierten Betrachtung von Beitrags- und Leistungsrecht in der Frage von ruhenden Arbeitsverhältnissen und Einmalzahlungen nicht gefolgt werden. Ebenso wenig nachvollziehbar ist die von der Rentenversicherung getroffene Unterscheidung, dass bei einem beendeten Beschäftigungsverhältnis eine Einmalzahlung nicht angerechnet wird, bei einem bestehenden, aber ruhenden Arbeitsverhältnis eine Einmalzahlung aber angerechnet wird. Eine nach Tarifvertrag eintretende Bedingung, dass ein Arbeitsverhältnis durch die Gewährung einer Rente auf Zeit ruht, kann nach Überzeugung des Senats nicht anders beurteilt werden, als eine auflösende Bedingung, die zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses führt, aber gegebenenfalls nach Ablauf der Zeitrente einen Wiedereinstellungsanspruch vorsieht. In letzterem Fall würde von der Beklagten eine Einmalzahlung nicht als Hinzuverdienst angerechnet werden, da hier das Arbeitsverhältnis beendet ist. Beiden Fallkonstellationen ist gemein, dass tatsächlich nicht mehr gearbeitet wird und auch kein Arbeitsentgelt für erbrachte Leistung nach Rentenbeginn gezahlt wird. Eine unterschiedliche leistungsrechtliche Behandlung ist nicht gerechtfertigt. Der Senat ist entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahlten Arbeitsentgelt der Überzeugung, dass sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergibt, dass Beitrags- und Leistungsrecht im Fall der Anrechnung von einmalig gezahlten Einkünften aus einer Beschäftigung nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Wenn es also beitragsrechtliche Normen zur Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt gibt, so sind diese auch sinngemäß für die Beurteilung im Leistungsrecht heranzuziehen.

Nach dem Rentenbeginn hat der Kläger nicht mehr gearbeitet. Der Rechtsgedanke des § 96a SGB VI kann auf den Kläger nicht angewendet werden. Der § 96a wurde, wie eingangs erwähnt, eingeführt, weil in den Fällen, in denen auf Kosten der Restgesundheit gearbeitet wurde oder weil nur eine Berufsunfähigkeit vorlag, durch den gleichzeitigen Bezug von Arbeitsentgelt und Rente eine Übersicherung eintreten konnte. Durch die Einführung von § 96a SGB VI sollte die Einkommensersatzfunktion der Erwerbs(unfähigkeits)minderungsrente gestärkt werden, wobei der Hinzuverdienst nicht den Rentenanspruch berühre, sondern nur den Umfang der Rentenzahlung bestimme (vgl. Bundestags-Drs 13/3150, S, 50). Damit sollten in erster Linie Einkünfte aus einer tatsächlich neben der Rente ausgeübten Beschäftigung angerechnet werden, um eine Übersicherung zu vermeiden. Von einer solchen Übersicherung ist aber nur auszugehen, wenn tatsächlich noch ein vollwertiges Arbeitsverhältnis besteht, in dem die Hauptpflichten noch aufrechterhalten sind.

4. Im Übrigen wird ein die jeweiligen Grenzen überschreitender Hinzuverdienst, der erstmals im Laufe eines Kalendermonats erzielt wurde, nur unter Beachtung von § 100 Abs. 1 SGB VI berücksichtigt. Danach wird die Rente in neuer Höhe von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Änderung wirksam ist, wenn sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrem Beginn ändern. Satz 1 gilt nicht beim Zusammentreffen von Renten und von Einkommen mit Ausnahme von § 96a SGB VI. Mit der Folgeänderung zur Änderung des § 96a SGB VI wird erreicht, dass beim Zusammentreffen einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit in § 96a genannten Einkommen die Rente in neuer Höhe vom Ersten des Kalendermonats an zu leisten ist, in dem die Rente mit dem Einkommen zusammentrifft (vgl. Gesetzentwurf Drucksache 15/1831,13). Bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, wie hier dem Weihnachtsgeld, besteht aber gerade keine genaue zeitliche Zuordnung, so dass es nur angerechnet werden kann, wenn es entweder bereits am Ersten eines Monats ausgezahlt wurde oder daneben noch Einkommen aus der aktiven Beschäftigung erzielt wird. Der Kläger hat angegeben, dass die Zahlung des Weihnachtsgeldes am 30. November erfolgte. Das Weihnachtsgeld als Einmalzahlung wird aber nicht für eine geleistete Arbeit in einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum gewährt, damit kommt es auf die tatsächliche Auszahlung an. Am Monatsersten lag deshalb folgerichtig noch gar keine Änderung des Einkommens vor, welches berücksichtigt hätte werden können. Am 1. Dezember, also im folgenden Monat, hat der Kläger aber keinerlei anrechenbare Einkünfte erzielt. Damit lag kein Zusammentreffen von Rente und Einkommen am Ersten eines Kalendermonats vor. Auch aus diesem Grund ist eine Anrechnung ausgeschlossen.

5. Auch nach § 94 SGB VI ist eine Anrechnung rechtswidrig. Der erst mit Wirkung zum 01.01.2008 aufgehobene § 94 SGB VI beinhaltete die Regelung, dass Arbeitsentgelt, welches mit einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zusammentraf, angerechnet wurde, wenn das Arbeitsentgelt aus einem vor Rentenbeginn begründeten Arbeitsverhältnis ohne tatsächliche Ausübung der Beschäftigung stammte (zum Beispiel Lohnfortzahlung). Wurde das Beschäftigungsverhältnis nach dem Beginn der zu zahlenden Rente begründet oder wurde die vor dem Rentenbeginn aufgenommene Beschäftigung danach noch ausgeübt oder schloss sich nach einer nach Rentenbeginn wieder aufgenommene Beschäftigung eine erneute Arbeitsunfähigkeit mit Gehaltsfortzahlung an, handelte es sich nicht um ein maßgebendes Arbeitsentgelt. Eine Anrechnung auf die Rente nach § 94 Absatz 1 fand nicht statt (vgl. RV. SGB VI, 12. Auflage, § 94 Ziffer 1). Nach Abs 1 Satz 2 der Vorschrift wurde das Arbeitsentgelt dabei um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt gemindert. Der § 94 SGB VI stellte demnach eine Spezialregelung dar, mit der Arbeitsentgelt aus einem noch bestehenden Beschäftigungsverhältnis, das nach Rentenbeginn nicht mehr ausgeübt wurde, angerechnet wurde. Der Fall des Klägers lässt sich problemlos unter den Anwendungsbereich des § 94 SGB VI subsumieren. Es bestand weiterhin ein (ruhendes) Arbeitsverhältnis, aus dem Arbeitsentgelt, nach Rentenbeginn, ohne tatsächliche Arbeitsleistung gezahlt wurde. Da es sich bei der Zahlung aber um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt gehandelt hat, welches nach Abs. 1 Satz 2 nicht auf die Rente angerechnet wurde, war eine Anrechnung nach § 94 SGB VI nicht durchzuführen. Im Hinblick darauf, dass der Zufluss des Weihnachtsgeldes im November 2006 erfolgt ist, ist der zu diesem Zeitpunkt noch gültige § 94 SGB VI anwendbar.

Der Kläger hat daher einen Anspruch auf Auszahlung der Rente auch für November 2006 und der Bescheid der Beklagten ist insoweit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

Die Revision war wegen grundsätzliche Bedeutung zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).

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