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Rente wegen voller Erwerbsminderung – Voraussetzungen

Trotz mehrerer Bandscheibenoperationen und chronischer Schmerzen hat das Landessozialgericht Hamburg den Anspruch einer 53-jährigen Frau auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt. Gutachter bescheinigten der Klägerin weiterhin die Fähigkeit, leichte Tätigkeiten in sitzender Position auszuüben, was für das Gericht ausreichend war, um eine volle oder teilweise Erwerbsminderung zu verneinen. Die Entscheidung wirft Fragen nach der Definition von Erwerbsfähigkeit im Kontext chronischer Erkrankungen auf.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landessozialgericht Hamburg
  • Datum: 13.12.2022
  • Aktenzeichen: L 3 R 60/20
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren im Streit um Erwerbsminderungsrente
  • Rechtsbereiche: Sozialversicherungsrecht, Rentenrecht

Beteiligte Parteien:

  • Klägerin: Frau, geboren 1970, beantragte Erwerbsminderungsrente aufgrund gesundheitlicher Beschwerden, darunter Bandscheibenvorfälle, depressive Störungen und andere physische Leiden. Die Klägerin argumentierte, dass sie nicht mehr fähig sei, ihre Arbeit als Reinigungskraft auszuführen und forderte eine Rente aufgrund voller Erwerbsminderung.
  • Beklagte: Träger der Rentenversicherung, verweigerte die Gewährung der Erwerbsminderungsrente mit der Begründung, dass die Klägerin trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuführen.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Die Klägerin kämpfte seit mehreren Jahren mit gesundheitlichen Problemen, die ihre Fähigkeit zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit beeinträchtigen. Trotz mehrfacher Operationen und Rehabilitationsprogramme wurde ihr Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt, da Gutachten besagten, sie sei noch in der Lage, eingeschränkt zu arbeiten.
  • Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob die Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme als voll oder teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI anzusehen ist und somit Anspruch auf eine entsprechende Rente hat.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen. Die Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg, die Klage abzuweisen, wurde bestätigt.
  • Begründung: Die Klägerin wurde nicht als erwerbsgemindert im gesetzlichen Sinne angesehen, da sie nach den medizinischen Gutachten in der Lage ist, unter den üblichen Arbeitsmarktbedingungen mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten zu verrichten. Die gesundheitlichen Einschränkungen rechtfertigen keine volle oder teilweise Erwerbsminderung.
  • Folgen: Die Entscheidung bestätigte die Praxis, dass allein das Vorliegen einer gesundheitlichen Einschränkung nicht automatisch zu einem Anspruch auf Erwerbsminderungsrente führt. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; die Entscheidung ist endgültig, da die Revision nicht zugelassen wurde.

Wichtige Urteile zur vollen Erwerbsminderungsrente: Ansprüche und Voraussetzungen

Die Rente wegen Erwerbsminderung spielt eine entscheidende Rolle für Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage sind, regelmäßig zu arbeiten. Es gibt zwei Arten von Erwerbsminderungsrenten: die volle und die teilweise Erwerbsminderungsrente. Um Anspruch auf eine dieser Leistungen zu haben, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, darunter der Gesundheitszustand des Antragstellers und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Eine umfassende Prüfung durch die Rentenversicherung sowie medizinische Gutachten sind häufig notwendig, um zu klären, ob Langfristige Erkrankungen oder eine Berufsunfähigkeit vorliegen.

Der folgende Fall, dessen Urteil relevante Bedingungen und Anforderungen für den Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente behandelt, bietet weitere Einblicke in die komplexe Materie der Rentenleistungen und deren Auswirkungen auf die finanzielle Unterstützung der Betroffenen.

Der Fall vor Gericht


Rentenversicherung bestätigt Ablehnung der Erwerbsminderungsrente bei erhaltenem Leistungsvermögen

Frau mittleren Alters arbeitet trotz sichtbarer Rückenschmerzen am Büroschreibtisch
Ablehnung der vollen Erwerbsminderungsrente wegen Arbeitsfähigkeit (Symbolfoto: Ideogram gen.)

Das Landessozialgericht Hamburg hat die Klage einer 53-jährigen Frau auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente abgewiesen. Die Richter bestätigten damit die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung, die bereits 2014 den Rentenantrag der Klägerin abgelehnt hatte.

Mehrfache Operationen an der Wirbelsäule prägen Krankheitsgeschichte

Die gesundheitliche Situation der Klägerin ist durch mehrere Bandscheibenoperationen zwischen 2013 und 2016 geprägt, die letztlich zu einer Versteifung im Segment L5/S1 führten. Zusätzlich wurde bei ihr ein multiples Körperschmerzsyndrom mit psychogener Ausgestaltung diagnostiziert. Trotz dieser gesundheitlichen Einschränkungen sahen die medizinischen Gutachter die Arbeitsfähigkeit als gegeben an.

Gutachter sehen Arbeitsfähigkeit für leichte Tätigkeiten

Die vom Gericht bestellten medizinischen Sachverständigen kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte körperliche Arbeiten einfacher geistiger Art über mindestens sechs Stunden täglich auszuführen. Diese Tätigkeiten sollten vorwiegend im Sitzen mit Möglichkeit zum Positionswechsel erfolgen. Ausgeschlossen sind dabei:

  • Tätigkeiten mit überwiegendem Heben und Tragen
  • Ständiges Gehen oder Stehen
  • Arbeiten unter Zeitdruck oder im Akkord
  • Schicht- und Nachtarbeit
  • Tätigkeiten unter Witterungseinflüssen
  • Arbeiten auf Leitern, Gerüsten oder an gefährdenden Arbeitsplätzen

Gericht sieht Voraussetzungen für Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt

Nach Auffassung des Gerichts liegt weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vor. Für eine teilweise Erwerbsminderung müsste die Klägerin weniger als sechs Stunden täglich arbeiten können, für eine volle Erwerbsminderung weniger als drei Stunden. Beides ist nach den medizinischen Gutachten nicht der Fall.

Die von der Klägerin vorgebrachte Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes konnte durch die Gutachter nicht bestätigt werden. Auch der Hinweis auf einen Grad der Behinderung von 50 und eine festgestellte Pflegebedürftigkeit änderte nichts an der rechtlichen Bewertung, da diese Faktoren keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Erwerbsfähigkeit zulassen.

Entscheidend für die Ablehnung war auch, dass die Wegefähigkeit der Klägerin erhalten geblieben ist. Sie kann die für einen Arbeitsplatz typischen Wegstrecken von viermal 500 Metern täglich zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel nutzen.


Die Schlüsselerkenntnisse


Die zentrale Erkenntnis des Urteils ist, dass für eine Erwerbsminderungsrente nicht allein die Diagnosen ausschlaggebend sind, sondern die konkreten Funktionseinschränkungen im Arbeitsalltag. Auch mehrere gesundheitliche Einschränkungen und ein Grad der Behinderung von 50 führen nicht automatisch zu einem Rentenanspruch, solange noch leichte Tätigkeiten über 6 Stunden täglich möglich sind. Entscheidend ist zudem die erhaltene Wegefähigkeit – also die Fähigkeit, einen Arbeitsplatz erreichen zu können.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie eine Erwerbsminderungsrente beantragen möchten, müssen Sie nachweisen können, dass Sie weniger als 6 Stunden täglich arbeiten können – auch bei leichten, überwiegend sitzenden Tätigkeiten mit Möglichkeit zum Positionswechsel. Ihre behandelnden Ärzte sollten dabei sehr konkret dokumentieren, welche Einschränkungen bei Ihnen im Arbeitsalltag bestehen und wie sich diese auf Ihre Leistungsfähigkeit auswirken. Auch wenn Sie einen Schwerbehindertenausweis haben oder pflegebedürftig sind, prüft die Rentenversicherung Ihren Fall eigenständig nach diesen Kriterien. Besonders wichtig ist, dass Sie noch in der Lage sind, einen Arbeitsweg zurückzulegen – das bedeutet viermal täglich 500 Meter Fußweg und zweimalige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.


Benötigen Sie Hilfe?

Ihre individuelle Situation bei der Erwerbsminderung erfordert eine sorgfältige rechtliche Betrachtung – insbesondere wenn es um die detaillierte Dokumentation Ihrer Einschränkungen geht. Unsere Expertise im Sozialrecht hilft Ihnen dabei, Ihre medizinischen Unterlagen optimal aufzubereiten und alle relevanten Aspekte wie Wegefähigkeit und Arbeitsalltag rechtssicher darzustellen. In einem persönlichen Gespräch analysieren wir gemeinsam Ihre Situation und zeigen Ihnen die konkreten Handlungsmöglichkeiten auf. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche medizinischen Voraussetzungen müssen für eine volle Erwerbsminderungsrente erfüllt sein?

Die zentrale medizinische Voraussetzung für eine volle Erwerbsminderungsrente ist, dass Sie aus gesundheitlichen Gründen weniger als drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein können.

Gesundheitliche Beurteilung

Ein ärztlicher Gutachter untersucht Ihren Gesundheitszustand und erstellt ein medizinisches Gutachten. In diese Beurteilung fließen auch die Berichte Ihrer behandelnden Ärzte ein. Der Gutachter prüft dabei Ihre verbliebene Arbeitsfähigkeit in Stunden pro Tag, wobei eine Fünf-Tage-Woche zugrunde gelegt wird.

Krankheitsbilder

Die häufigsten gesundheitlichen Gründe für eine Erwerbsminderung sind:

  • Psychische und neurologische Erkrankungen
  • Krebserkrankungen und bösartige Geschwüre
  • Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparates
  • Herz- und Gefäßerkrankungen
  • Stoffwechsel- und Verdauungsstörungen

Prüfungsablauf

Vor der Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente wird zunächst geprüft, ob Ihre Arbeitsfähigkeit durch medizinische oder berufliche Rehabilitationsmaßnahmen wiederhergestellt werden kann. Erst wenn eine Rehabilitation nicht erfolgversprechend ist oder bereits erfolglos durchgeführt wurde, kommt eine Erwerbsminderungsrente in Betracht.

Die gesundheitliche Beeinträchtigung muss dabei so schwerwiegend sein, dass sie nicht nur vorübergehend besteht. Bei der Beurteilung spielt es keine Rolle, welchen Beruf Sie zuvor ausgeübt haben – maßgeblich ist allein Ihre gesundheitsbedingte Fähigkeit zur Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.


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Wie läuft das Begutachtungsverfahren bei der Prüfung der Erwerbsminderung ab?

Einleitung des Begutachtungsverfahrens

Nach Eingang Ihres Antrags auf Erwerbsminderungsrente prüft die Deutsche Rentenversicherung zunächst den Grundsatz „Reha vor Rente“. Erst wenn eine medizinische Therapie, Behandlung oder Rehabilitation nicht zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit führen kann, wird das eigentliche Begutachtungsverfahren eingeleitet.

Der medizinische Begutachtungsprozess

Die Deutsche Rentenversicherung beauftragt einen sachverständigen Arzt mit der sozialmedizinischen Begutachtung. Dieser Gutachter führt eine umfassende Untersuchung durch, die folgende Elemente umfasst:

  • Körperliche Untersuchungen
  • Auswertung von Laboruntersuchungen
  • Analyse bildgebender Verfahren
  • Funktionsprüfungen zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit
  • Einschätzung der psychischen Belastbarkeit

Bewertung der Arbeitsfähigkeit

Der Gutachter erstellt eine detaillierte Analyse Ihres gesundheitlichen Zustands und bewertet, wie viele Stunden Sie täglich noch arbeiten können. Dabei wird nicht nur Ihre bisherige Tätigkeit berücksichtigt, sondern jede mögliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

In komplexen Fällen erfolgt eine interdisziplinäre Begutachtung unter Einbeziehung verschiedener Fachrichtungen wie Allgemeinmedizin, Orthopädie, Neurologie oder Psychologie. Dies gewährleistet eine umfassende Bewertung aller gesundheitlichen Einschränkungen.

Entscheidungsfindung

Der Gutachter erstellt einen ausführlichen Bericht, der eine schlüssige Verknüpfung von Anamnese, Befunden, Diagnosen und sozialmedizinischer Leistungsbeurteilung enthält. Die abschließende Entscheidung über die Erwerbsminderungsrente trifft die Deutsche Rentenversicherung unter Berücksichtigung aller medizinischen und rechtlichen Aspekte.


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Welche Bedeutung haben Arbeitsweg und Wegefähigkeit für die Bewertung der Erwerbsminderung?

Die Wegefähigkeit ist ein eigenständiges und entscheidendes Kriterium für die Bewertung der Erwerbsminderung. Selbst wenn Sie noch sechs oder mehr Stunden täglich arbeiten könnten, kann eine eingeschränkte Wegefähigkeit zu einer vollen Erwerbsminderung führen.

Konkrete Anforderungen an die Wegefähigkeit

Sie müssen in der Lage sein, täglich vier Wegstrecken von jeweils 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Diese Strecken umfassen den Weg von der Wohnung zur Haltestelle und von der Haltestelle zum Arbeitsplatz – sowohl morgens als auch abends. Zusätzlich müssen Sie zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten nutzen können.

Alternative durch eigenes Kraftfahrzeug

Wenn Sie die Anforderungen an Fußwege oder öffentliche Verkehrsmittel nicht erfüllen, kann die Wegefähigkeit auch durch die Nutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs hergestellt werden. Dabei muss das Fahrzeug werktäglich zur Verfügung stehen und Sie müssen in der Lage sein, es selbst zu führen.

Gesundheitliche Einschränkungen

Die Wegefähigkeit kann durch verschiedene gesundheitliche Einschränkungen beeinträchtigt sein:

  • Schwere Gehbehinderungen
  • Ausgeprägte Sehstörungen
  • Atemwegserkrankungen
  • Orthopädische Erkrankungen, die längeres Sitzen oder Stehen unmöglich machen

Rechtliche Konsequenzen

Wenn Sie weder die erforderlichen Fußwege bewältigen noch öffentliche Verkehrsmittel nutzen können und kein eigenes Kraftfahrzeug zur Verfügung steht, gilt der allgemeine Arbeitsmarkt als verschlossen. In diesem Fall besteht ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, auch wenn Sie theoretisch noch mehrere Stunden täglich arbeiten könnten.


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Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen nach einer Ablehnung des Rentenantrags?

Nach einer Ablehnung des Rentenantrags steht Ihnen der Widerspruch als wichtigstes Rechtsmittel zur Verfügung. Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat nach Zugang des Ablehnungsbescheids. Bei Wohnsitz im Ausland verlängert sich diese Frist auf drei Monate.

Einreichung des Widerspruchs

Der Widerspruch muss schriftlich eingereicht werden, idealerweise per Einschreiben. Eine ausführliche Begründung können Sie nachreichen, sollten dies aber im ersten Schreiben bereits ankündigen. Der Widerspruch muss folgende Angaben enthalten:

  • Ihre persönlichen Daten (Name, Geburtsdatum, Adresse)
  • Das Aktenzeichen des Ablehnungsbescheids
  • Die Formulierung „fristgerecht Widerspruch gegen den Bescheid vom…“
  • Ihre eigenhändige Unterschrift

Widerspruchsverfahren

Im Widerspruchsverfahren prüft ein Widerspruchsausschuss den Fall erneut. Dieser Ausschuss setzt sich aus Vertretern der Rentenversicherung, der Versicherten und der Arbeitgeber zusammen. Sie haben während des Verfahrens das Recht auf Akteneinsicht, um die genauen Ablehnungsgründe nachzuvollziehen.

Klageweg als weitere Option

Wird der Widerspruch abgelehnt, können Sie innerhalb eines Monats Klage beim Sozialgericht einreichen. Eine Klage ist auch möglich, wenn die Rentenversicherung nach drei Monaten noch nicht über den Widerspruch entschieden hat. Vor dem Sozialgericht entstehen keine Gerichtskosten. Das Gericht bestellt in der Regel einen neutralen Gutachter, dessen Einschätzung häufig zu einer Neubewertung durch die Rentenversicherung führt.


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Welchen Einfluss haben Grad der Behinderung und Pflegegrad auf die Bewertung der Erwerbsminderung?

Der Grad der Behinderung (GdB) und der Pflegegrad haben keinen direkten Einfluss auf die Bewertung der Erwerbsminderung. Diese Leistungen werden nach unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen und Kriterien beurteilt.

Unterschiedliche rechtliche Grundlagen

Der Grad der Behinderung wird im Sozialgesetzbuch IX geregelt und misst die Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Erwerbsminderungsrente hingegen ist im Sozialgesetzbuch VI verankert und bewertet ausschließlich die Fähigkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Bewertungskriterien der Erwerbsminderung

Bei der Erwerbsminderungsrente wird ausschließlich geprüft, wie viele Stunden Sie täglich noch arbeiten können. Dabei spielen die rentenrechtlichen Voraussetzungen eine wichtige Rolle – Sie müssen mindestens fünf Jahre versichert sein und in den letzten fünf Jahren mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge gezahlt haben.

Praktische Auswirkungen

Ein GdB von 100 bedeutet nicht automatisch einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Umgekehrt können Sie eine Erwerbsminderungsrente erhalten, auch wenn Sie keinen oder nur einen niedrigen GdB haben. Die gesundheitlichen Einschränkungen können sich jedoch in beiden Systemen auswirken. Wenn Sie beispielsweise aufgrund einer Depression erwerbsgemindert sind, kann diese auch zu einem GdB führen.

Aktuelle Änderungen

Ab Juli 2024 werden die Erwerbsminderungsrenten für Bestandsrentner erhöht. Betroffene, die zwischen 2001 und 2014 in Erwerbsminderungsrente gegangen sind, erhalten einen Zuschlag von 7,5 Prozent. Wer zwischen Juli 2014 und Dezember 2018 in EM-Rente ging, bekommt 4,5 Prozent mehr.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Erwerbsminderung

Eine gesundheitlich bedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit, die gesetzlich in volle und teilweise Erwerbsminderung unterteilt wird. Bei voller Erwerbsminderung kann eine Person weniger als 3 Stunden täglich arbeiten, bei teilweiser weniger als 6 Stunden. Geregelt ist dies in § 43 SGB VI. Die Beurteilung erfolgt unabhängig vom bisherigen Beruf für alle denkbaren Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Beispiel: Eine Bauarbeiterin kann wegen Rückenproblemen nicht mehr schwer heben, könnte aber noch 6 Stunden täglich Bürotätigkeiten ausüben – hier liegt keine Erwerbsminderung vor.


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Wegefähigkeit

Die Fähigkeit, den Weg zur Arbeit und zurück sowie notwendige Wege am Arbeitsplatz selbstständig zurückzulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss man mindestens viermal 500 Meter Wegstrecke pro Tag bewältigen und öffentliche Verkehrsmittel nutzen können. Die Wegefähigkeit ist nach § 43 SGB VI ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit. Beispiel: Wer nicht selbstständig zur Arbeit kommen kann, gilt meist als voll erwerbsgemindert, auch wenn er die eigentliche Arbeit noch ausführen könnte.


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Grad der Behinderung

Ein Maß für die Beeinträchtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aufgrund körperlicher, geistiger oder seelischer Einschränkungen. Wird in Zehnerschritten von 20 bis 100 festgestellt. Ab einem GdB von 50 liegt eine Schwerbehinderung vor (§ 2 SGB IX). Wichtig: Der GdB hat keine direkte Aussagekraft über die Erwerbsfähigkeit einer Person. Beispiel: Jemand kann einen GdB von 50 wegen Diabetes haben, ist aber voll erwerbsfähig.


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Pflegebedürftigkeit

Ein Zustand, in dem eine Person aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit nicht mehr eigenständig den Alltag bewältigen kann und regelmäßig Hilfe benötigt. Die Pflegebedürftigkeit wird in Pflegegrade von 1-5 eingeteilt (§ 14 SGB XI). Sie steht rechtlich in keinem direkten Zusammenhang mit der Erwerbsfähigkeit. Beispiel: Eine Person kann pflegebedürftig sein und trotzdem noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder umgekehrt.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 43 SGB VI (Rente wegen Erwerbsminderung): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Leistung wird gewährt, wenn der Versicherte wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, in nennenswertem Umfang Erwerbstätigkeit auszuüben. Im vorliegenden Fall wurde die Klage abgewiesen, weil die Klägerin trotz ihrer gesundheitlichen Probleme als in der Lage eingestuft wurde, leichte körperliche Arbeiten regelmäßig zu verrichten.
  • § 2 SGB IX (Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben): In diesem Paragraphen wird die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben thematisiert und wie diese durch geeignete Maßnahmen gefördert werden sollen. Bei der Beurteilung der Erwerbsminderung der Klägerin wurde berücksichtigt, dass sie trotz ihrer Erkrankungen, insbesondere nach medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen, eine Erwerbsfähigkeit aufweist, die eine Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht.
  • § 46 SGB VI (Leistungsarten): Dieser Paragraph zählt die verschiedenen Arten von Renten und deren Voraussetzungen auf, einschließlich der Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung. Die Ablehnung der Rente für die Klägerin stützt sich darauf, dass sie nicht die geforderten Kriterien für eine volle oder teilweise Erwerbsminderung erfüllt, da Ärzte ihre Arbeitsfähigkeit trotz Einschränkungen als gegeben einschätzen.
  • § 84 SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe): Dieser Paragraph behandelt die Möglichkeiten der Rehabilitation und die Unterstützung zur Teilhabe am Erwerbsleben. Das Gericht verwies auf die erfolgreiche Rehabilitation der Klägerin und die Möglichkeit, trotz ihrer Erkrankungen zurück in den Arbeitsprozess zu finden. Dies steht im Einklang mit dem gerichtlichen Urteil, das die Klage aufgrund der vorhandenen Erwerbsfähigkeit zurückwies.
  • § 45 SGB VI (Berücksichtigung der allgemeinen Lebensumstände): In diesem Paragraphen wird berücksichtigt, wie persönliche Lebensumstände und Gesundheitszustände die Arbeitsfähigkeit beeinflussen können. In dem Fall wurde gesehen, dass die Klägerin trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen noch in der Lage war, zumindest in einem reduzierten Umfang zu arbeiten, was die Entscheidung der Beklagten und des Gerichtes beeinflusste, keine Erwerbsminderungsrente zu gewähren.

Weitere Beiträge zum Thema

  • Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit: Ablehnung bestätigt
    Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein wies die Berufung einer Klägerin ab, die eine Erwerbsminderungsrente beantragt hatte. Obwohl sie an schweren Depressionen und orthopädischen Beschwerden litt, erfüllte sie zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Das Gericht bestätigte die Entscheidung der Rentenversicherung und ließ die Berufung nicht zu. → → Versicherungsrechtliche Voraussetzungen für Erwerbsminderungsrente
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    Ein ehemaliger Dachdecker beantragte eine Erwerbsminderungsrente aufgrund gesundheitlicher Probleme. Das Gericht entschied jedoch gegen ihn, da Gutachter ihm trotz mehrerer gesundheitlicher Probleme noch eine ausreichende Arbeitsfähigkeit für leichte Tätigkeiten bescheinigten. Der Kläger muss nun beweisen, dass er weniger als sechs Stunden täglich arbeiten kann, um seinen Rentenanspruch durchzusetzen. → → Beweislast für Erwerbsunfähigkeit bei gesundheitlichen Problemen
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    Eine Klägerin beantragte eine volle Erwerbsminderungsrente aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen. Das Gericht wies die Klage ab, da die medizinischen Gutachten ergaben, dass die Klägerin noch in der Lage war, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Mögliche Verschlechterungen des Gesundheitszustands nach dem maßgeblichen Zeitpunkt konnten nicht berücksichtigt werden. → → Voraussetzungen für volle Erwerbsminderungsrente überprüfen

Das vorliegende Urteil

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 3 R 60/20 – Urteil vom 13.12.2022


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