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Rente wegen voller Erwerbsminderung – Voraussetzungen

Hessisches Landessozialgericht – Az.: L 2 R 241/18 – Urteil vom 18.05.2021

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. April 2018 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1964 geborene Kläger hat keine abgeschlossene Ausbildung. Er arbeitete in diversen Berufen (als Maschinenbediener, Betriebsarbeiter in der Kunststoffherstellung und zuletzt als Hausmeister 4 h/Tag), wobei er seit 1998 überwiegend arbeitslos mit Leistungsbezug war. Er bezieht sei 2005 Arbeitslosengeld II. Für den Kläger ist ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt.

Bereits in den Jahren 2001 und 2011 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, welche von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin jeweils abgelehnt wurde. Eine im Jahr 2011 erhobene Klage nahm der Kläger auf Anraten des Gerichts zurück.

Am 9. Juli 2015 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Er halte sich wegen Hirnleistungsschwäche, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen bei deutlicher Fehlhaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule, angeborener Hüftgelenksdysplasie beidseits, Zustand nach Unterschenkelfraktur rechts, HWS-Problemen, Herzrhythmusstörungen, Schwindel und Kollapsneigung für erwerbsgemindert. Die Beklagte holte Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. C. und des Neurologen und Psychiaters Dr. D. ein. Zudem holte die Beklagte ein Gutachten des Sozialmediziners Dr. E. vom 30. November 2015 ein. Dr. E. kam bei den Diagnosen

Angststörung mit Einschränkung der psychischen Belastbarkeit,

Somatisierungsstörung mit Ausbildung und Verstärkung vielfacher Beschwerden,

chronisch-rückfällige Schmerzzustände des Nackens und des Schultergürtels,

Belastungsminderung und rückfällige Schmerzzustände der Rumpfwirbelsäule,

leichtgradige frühkindlich erworbene geistige Minderbegabung,

Minderbelastbarkeit und Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bei angeborener Gelenkfehlstellung (Hüftgelenksdysplasie),

Übergewicht, BMI 35 und

arterieller Bluthochdruck, medikamentös behandelt

zu dem Ergebnis, dass sich Einschränkungen der psychischen Belastbarkeit ergäben, jedoch kein vollständig aufgehobenes Leistungsvermögen. Aufgrund der beklagten Schwindelerscheinungen und Beschwerden am Bewegungsapparat, die im Rahmen der Untersuchung nicht objektiviert hätten werden können, sollten nur noch ebenerdigen Tätigkeiten ohne Absturzgefahr abverlangt werden. Bei dem Kläger liege eine leichtgradige geistige Minderbegabung vor, welche wohl durch eine frühkindliche Hirngewebeschädigung verursacht sei. Daraus resultiere eine Einschränkung beim Rechnen und eine leichtgradige Einschränkung des Anpassungs- und Umstellungsvermögens; bei entsprechender Anleitung an einem neuen leidensgerechten Arbeitsplatz könne sich der Kläger binnen vier bis sechs Wochen eingewöhnen. Der Kläger könne ausreichend gut lesen und für den Alltag ausreichend schreiben. Es bestehe eine ausreichende geistige und psychische Belastbarkeit für zumindest körperlich leichte Arbeit mit Funktionseinschränkungen. Besondere Anforderungen an die geistige Belastbarkeit (Lesen, Schreiben, Rechnen) seien nicht abzuverlangen. Auch hinsichtlich der orthopädischen Leiden seien körperlich leichte Arbeiten mit Funktionseinschränkungen möglich. Im Vergleich zu den Vorbegutachtungen in den Jahren 2001 und 2011 seien die psychischen Beschwerden des Klägers in den Vordergrund getreten. Eine adäquate psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung erfolge jedoch nicht.

Mit Bescheid vom 4. Januar 2016 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil der Kläger die medizinischen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente nicht erfülle. Die medizinisch festgestellten Einschränkungen ließen eine mindestens sechsstündige arbeitstägliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu.

Mit Schreiben vom 27. Januar 2016 legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass vor dem Hintergrund der geistigen und seelischen Behinderung mittlerweile die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit nicht mehr vorhanden sei, um sich innerhalb von drei Monaten in eine neue Beschäftigung einzuarbeiten. Dies zeige der bisherige berufliche Lebensweg mit der Ausübung sehr einfacher Tätigkeiten und die langjährige Arbeitslosigkeit. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 9. August 2016 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass es zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes gekommen sei. Seit dem Jahr 2015 leide er neben weiterbestehenden und leistungseinschränkenden orthopädischen Erkrankungen verstärkt unter einer Schwindelsymptomatik. Die psychischen Beschwerden seien in den Vordergrund getreten und hätten sich verstärkt. Das Gericht hat Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. C., des Neurologen und Psychiaters Dr. D. und des Facharztes für Orthopädie Dr. F. eingeholt. Des Weiteren hat das Gericht Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei dem Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. Der Sachverständige hat sein Gutachten vom 19. Februar 2018 auf die medizinischen Befunde, die in der Verwaltungsakte der Beklagten vorliegen, sowie auf die im Gerichtsverfahren eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers gestützt, weil das Gutachten nach Aktenlage erstellt worden ist, da sich der Kläger zur Wahrnehmung des Untersuchungstermins nicht im Stande gesehen hat. Der Sachverständige ist bei den Diagnosen

leichtgradige frühkindliche Intelligenzminderung mit auch seelischen Symptomen,

Bluthochdruckleiden, medikamentös behandelt und

Adipositas

zu der Einschätzung gekommen, dass der Kläger noch sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter qualitativen Einschränkungen tätig sein könne. Bei der Tätigkeit sollte die Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung bestehen. Es sollten keine Tätigkeiten unter verschärftem Zeitdruck oder Akkordbedingungen und nicht in Nachtschicht als psychogener Stressor ausgeübt werden. Dabei sollte es sich um geistig einfache Tätigkeiten handeln. Die therapeutischen Optionen des psychotherapeutischen Fachgebietes seien nicht ausgeschöpft. Der Kläger sei in der Vergangenheit auch über einen längeren Zeitraum regelmäßig beruflich tätig gewesen. Nach Aktenlage bestehe die erforderliche Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, um sich innerhalb von drei Monaten in eine neue Berufstätigkeit einarbeiten zu können. Der Kläger könne sein Handeln einschätzen und entsprechend reagieren bzw. modifizieren. Die Urteilskraft und die Kritik- und Einsichtsfähigkeit zur eigenen Person und zum sozialen Umfeld sei nicht eingeschränkt. Die Denkfunktionen seien eingeschränkt, was bei der Art der beruflichen Tätigkeit zu berücksichtigen sei. Nach Aktenlage lägen keine ausgeprägten Störungen der sozialen Kompetenzen und der Alltagskompetenzen vor. In Betracht kämen Berufsbilder in den Bereichen des Verpackens leichter Industrie- und Handelserzeugnisse oder entsprechende Prüftätigkeiten. Es könnten Montier-, Sortier-, Reinigungsarbeiten oder andere leichte Hilfsarbeiten wie das Zureichen, Abnehmen, Zusammensetzen oder Kleben von Teilen, dem Aufnehmen von Produkten von einem Band oder einer Maschine oder die Bedienung von Hebeln oder Steuerungspulten erbracht werden. Auch sei der Kläger gesundheitlich im Stande, von seiner Wohnung aus öffentliche Verkehrsmittel aufzusuchen und zu benutzen. Gegebenenfalls müsste bei Aufnahme der beruflichen Tätigkeit ein Training erfolgen. Auch hinsichtlich der Umstellung und Anpassungsfähigkeit sei gegebenenfalls noch eine externe Unterstützung notwendig.

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 27. April 2018 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der angegriffene Bescheid vom 4. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2016 rechtmäßig sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente. Er erfülle zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts jedoch fest, dass der Kläger nicht im rentenrechtlichen Sinn voll oder teilweise erwerbsgemindert sei. Der Sachverständige Dr. G. beschreibe in seinem Gutachten ausführlich und verständlich die bei dem Kläger festgestellten Erkrankungen und ihre Auswirkungen auf seine Erwerbsfähigkeit. Er erläutere gut nachvollziehbar, weshalb die qualitativen Einschränkungen im Leistungsbild zu keiner quantitativen Einschränkung führten. Insgesamt deckten sich die Beschreibungen der Erkrankungen des Klägers mit den Befundberichten der behandelnden Ärzte und das sozialmedizinische Fazit des Sachverständigen decke sich auch mit dem Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten. Soweit im Befundbericht des Dr. C. eine andere medizinische Schlussfolgerung gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass Dr. C. Facharzt für Allgemeinmedizin sei und für ihn fachfremde Gesundheitsstörungen in seine Einschätzung miteingeflossen seien. Die eingeholten Befundberichte zeigten, dass eine Behandlung der gesundheitlichen Probleme des Klägers insbesondere auf orthopädischen und psychotherapeutischen Fachgebiet bis jetzt nicht konstant und nicht ausreichend durchgeführt worden sei. Die fehlende Behandlungsdichte spreche gegen den Nachweis einer rentenrelevanten Einschränkung des Klägers.

Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigen am 13. Juni 2018 zugestellte Urteil am 12. Juli 2018 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger behauptet weiterhin, dass die bei ihm vorliegenden Erkrankungen eine zumindest dreistündige Tätigkeit arbeitstäglich unmöglich machten. Seine körperlichen Schmerzen und Beeinträchtigungen hätten sich erheblich verschlechtert und aus Sicht des behandelnden Psychiaters sei eine Rückkehr auf den allgemeinen Arbeitsmarkt aus nervenärztlicher Sicht nicht mehr vorstellbar.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. April 2018 sowie den Bescheid vom 4. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung in gesetzlichem Umfang ab dem 1. Juli 2015 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die erstinstanzliche Entscheidung und die bisherigen Ermittlungen.

Der Kläger hat Bescheinigungen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. vom 30. April 2017, 27. Juli 2018 und 27. Oktober 2019 vorgelegt.

Der Senat hat Befundberichte bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. F. vom 11. September und 2. Oktober 2018 und des Allgemeinarztes Dr. C. vom 15. September 2018 eingeholt.

Zudem hat der Senat von Amts wegen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. eingeholt. Dieser ist aufgrund ambulanter Untersuchung am 27. Februar 2019 in seinem Gutachten vom 4. März 2019 bei den Diagnosen

Anpassungsstörung mit leichter depressiv-ängstlicher Reaktion,

leichte Intelligenzminderung ohne wesentliche Verhaltensstörung,

degeneratives Zervikalsyndrom ohne Wurzelreiz- oder –ausfallssymptome und

Adipositas

zu dem Ergebnis gekommen, dass qualitative Einschränkungen bestünden, insbesondere hinsichtlich der geistigen und psychischen Belastbarkeit. Der Kläger sei aber in der Lage, Arbeiten im Einklang mit bestimmten Einschränkungen zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Kläger könne während der festgestellten Zeitdauer in qualitativer Hinsicht noch rückengerechte, leichte Tätigkeiten verrichten. Der Kläger sei in der Lage, Arbeiten mit einfachen Ansprüchen an die geistige und psychische Belastbarkeit, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sowie geistige Flexibilität zu verrichten, die idealerweise gut strukturiert und überwacht sein sollten. Arbeiten im Schicht- oder Nachtdienst sowie unter Akkordbedingungen seien nicht möglich. Der Kläger sei nicht in der Lage, körperlich schwerere Tätigkeiten mit Heben und Tragen schwerer Gegenstände sowie häufigen Überkopfarbeiten zu verrichten. Zudem seien Arbeiten in Zwangshaltungen nicht leidensgerecht. Die dem (Rest-) Leistungsvermögen entsprechenden Tätigkeiten könnten noch unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Arbeitsbedingungen verrichtet werden. Weitere sogenannte betriebsunübliche Einsatzbeschränkungen, z. B. zusätzliche betriebsunübliche Pausen, seien nicht vonnöten. Bei der Begutachtung hätten sich an der Fähigkeit des Klägers, dass er sich an die Erfordernisse im Erwerbsleben anzupassen bzw. sich umzustellen vermag, keine Zweifel ergeben, solange es sich um entsprechend adaptierte, intellektuell einfache Tätigkeiten handele. Hinsichtlich des Weges zur Arbeitsstätte ergäben sich aus neurologisch-psychiatrischer Perspektive keine Einschränkungen der Wegefähigkeit. Der Kläger sei in der Lage, mehr als 500 Meter viermal täglich in einer Zeit von jeweils weniger als zwanzig Minuten zurückzulegen. Er sei auch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und ein Kraftfahrzeug zu führen. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe ab Antragstellung am 9. Juli 2015.

Der Kläger hat daraufhin ein „Plausibilitätsgutachten“ des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. J. vom 2. Mai 2019 vorgelegt, der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass unter Berücksichtigung der Ausführungen des Dr. H. und der Berichte des Dr. D. auch ein in zeitlicher Hinsicht eingeschränktes Leistungsvermögen bestehe, so dass der Kläger nur noch in der Lage sei, leidensgerechte Tätigkeiten von drei bis unter sechs Stunden täglich zu verrichten.

Dr. H. ist wiederum in einer angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 3. September 2019 bei seiner Einschätzung des Leistungsvermögens geblieben.

Zum weiteren Sach- und Streitstand wird im Übrigen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG).

Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. April 2018 war nicht aufzuheben, da der Bescheid vom 4. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 54 Abs.1 Satz 2 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Gemäß § 43 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch

1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und

2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der für den Nachweis der sog. Vorversicherungszeit im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI maßgebliche Fünf-Jahres-Zeitraum verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 und § 241 Abs. 1 SGB VI um die im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Aufschubzeiten (insbesondere Anrechnungs- und Ersatzzeiten). Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren dann nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestands eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit der Vorschrift des § 53 SGB VI zufolge (z. B. wegen eines Arbeitsunfalls) vorzeitig erfüllt ist. Nach der Sonderregelung des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit außerdem nicht erforderlich für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit den im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (insbesondere Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Rentenbezugszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, bedarf es gemäß § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI keiner Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten.

Die für eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche allgemeine Wartezeit im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 Nr. 3 SGB VI ist gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Versicherungszeit von fünf Jahren zurückgelegt ist.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weil seine Erwerbsfähigkeit nicht in rentenberechtigendem Ausmaß herabgemindert ist. Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen sind dem Kläger leichte körperliche Arbeiten von sechs Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar. Zur Überzeugung des Senats ist der Eintritt eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung bei dem Kläger nicht nachgewiesen.

Die Fähigkeit des Klägers, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Umfang zu erzielen (Erwerbsfähigkeit), ist durch verschiedene Gesundheitsstörungen beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung der festgestellten Leiden auf orthopädischem und psychiatrischem Gebiet steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das quantitative Leistungsvermögen des Klägers jedoch nicht gemindert ist. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand des Klägers vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten im Sinne einer Längsschnittbetrachtung. So stützt der Senat seine Auffassung zum Leistungsvermögen des Klägers auf die fachpsychiatrische Begutachtung im Berufungsverfahren durch Dr. H., aber auch auf das im Klageverfahren eingeholte Gutachten des Dr. G.

Der Sachverständige Dr. H. führte aus, dass der Kläger unter Schmerzen im Bereich beider Hüftgelenke, der Hals- und Nackenregion mit Ausstrahlung in die oberen Extremitäten, Schulterschmerzen, Schwindel und Kopfschmerzen sowie situativ auftretenden Ängsten und Unsicherheit beim Autofahren, Stimmungsschwankungen, Zukunfts- und Existenzsorgen und depressiven Verstimmungen leide. Aktenkundig sei anlässlich einer neurologisch-psychiatrischen Vorstellung im Juli 1979 bei dem damals vierzehnjährigen Kläger der Verdacht auf intellektuelle Minderbegabung geäußert worden. Von Seiten des behandelnden Nervenarztes, der den Kläger niedrigfrequent betreue, werde diese im Zusammenhang mit einer Frühgeburt im siebten Monat in Verbindung gebracht und ein 1987 bestimmter IQ von unter 90 erwähnt. Eine Untersuchung des Schädels habe, abgesehen von einer das altersentsprechende Maß überschreitenden Atrophie mit Erweiterung vor allem der inneren Liquorräume, keine weiteren pathologischen Ergebnisse erbracht. Die MRT-Bilder habe der Sachverständige einsehen können. Die in der MRT beschriebene Atrophie korrespondiere mit der in der hiesigen klinischen Untersuchung imponierenden leichten Intelligenzminderung sowie den diesbezüglichen aktenkundigen Einschätzungen. Eine regelmäßige psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung sei weder in den letzten Jahren noch aktuell durchgeführt worden, eine antidepressiv-medikamentöse oder anxiolytische Behandlung finde nicht statt. Im aktuellen psychiatrischen Untersuchungsbefund anlässlich der Begutachtung präsentiere sich ein freundlicher, offener und kooperativer, im klinischen Gesamteindruck einfach strukturierter Kläger, der ohne Zeichen wesentlicher mnestischer oder konzentrativer Defizite über seinen Werdegang und seine Beschwerden berichte. Die Stimmung sei situationsadäquat unauffällig, die affektive Modulationsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Es bestehe eine leichte Grübelneigung sowie ein auf die unsichere Zukunftsperspektive und die finanziellen Sorgen eingeengtes Denken. Der Antrieb sei normal, psycho-motorisch sei der Kläger ruhig. Klinische Zeichen einer schwerergradigen Depressivität, wie eine vitale Antriebs-, Freud- oder Interessenreduktion, oder eine namhafte Störung der vegetativen Funktionen bzw. zirkadianen Rhythmik seien nicht festzustellen. Beschrieben würden situative, eher diffus geschilderte Ängste, die nicht den Charakter von Panikattacken oder spezifischen Ängsten hätten. Die geschilderten Beschwerden imponierten eher als Ausdruck einer Überforderung bei intellektuell anspruchsvolleren Tätigkeiten, insbesondere mit erhöhten Ansprüchen an die Konzentrationsfähigkeit und psychische Belastbarkeit. Aus psychiatrischer Sicht sei demnach die Diagnose einer Anpassungsstörung mit längerer leichter depressiv-ängstlicher Reaktion im Kontext der schwierigen psychosozialen und finanziellen Verhältnisse sowie der körperlichen Grunderkrankungen zu stellen. Die diagnostischen Kriterien einer eigenständigen Angst- oder Zwangserkrankung, einer Persönlichkeitsstörung oder einer Störung aus dem psychotischen Formenkreis seien nicht erfüllt. Bei ausführlicher Exploration der Gestaltungsfähigkeit des Alltages sei festzustellen, dass es dem Kläger, zumindest wenn es ihm gelinge, intellektuell anspruchsvollere Tätigkeiten zu vermeiden, durchaus möglich sei, den Alltag seinen Bedürfnissen entsprechend zu gestalten. So sei er in der Lage, sich um den Haushalt und die Versorgung der Mutter zu kümmern, auf kurzen Strecken ein Kraftfahrzeug zu führen und auch regelmäßig in einem Ehrenamt tätig zu sein. An dieser Stelle sei auch zu erwähnen, dass es dem Kläger immerhin in der Vergangenheit gelungen sei, über viele Jahre einer regelmäßigen, intellektuell einfachen Tätigkeit nachzugehen, beispielsweise über zehn Jahre in einer Kleiderbügelfabrik und später als Hausmeistergehilfe. Es fänden sich keine Hinweise, die dafür sprächen, dass vergleichbare Tätigkeiten nicht auch aktuell möglich wären, zumal es klinisch und aktenkundig keine Hinweise dafür gebe, dass sich eine andere zerebrale Störung in der Zwischenzeit ereignet hätte, die eine Verschlechterung der intellektuellen Funktionen begründen könnte. Angesichts des psychopathologischen Befundes, der Angaben zur Alltagsgestaltung und der Verhaltensbeobachtung sei eine qualitative Aspekte überschreitende Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht festzustellen. Der Kläger sei nach wie vor als in der Lage anzusehen, zumindest Arbeiten mit einfachen Ansprüchen an die geistige und psychische Belastbarkeit sechs Stunden und mehr pro Tag zu verrichten. Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an die geistige und psychische Belastbarkeit, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sollten vermieden werden, ebenso Arbeiten im Schicht- und Nachtdienst bzw. unter Akkordbedingungen. Der neurologische Untersuchungsbefund sei abgesehen von der Adipositas mit einem BMI von 36,5 kg/m2 unauffällig. Die Untersuchung der Hirnnerven, der Koordination, der Stand- und Gangversuche sowie der Sensibilität sei unauffällig, der Reflexstatus normal. Unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben sowie der Vorbefunde sei auf neurologischem Fachgebiet die Diagnose eines degenerativen Zervikalsyndroms ohne Wurzelreiz- oder -ausfallsymptome zu stellen, diesbezüglich bestünden lediglich qualitative Leistungseinschränkungen dergestalt, dass körperlich schwere Tätigkeiten mit Heben und Tragen schwerer Gegenstände nicht mehr möglich seien. Der Kläger sei nicht in der Lage, häufige Überkopfarbeiten zu verrichten. Zudem seien Arbeiten in Zwangshaltungen nicht leidensgerecht. Die dem Restleistungsvermögen entsprechenden Tätigkeiten könnten aus ärztlicher Sicht noch unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Arbeitsbedingungen verrichtet werden. Weitere sogenannte betriebsunübliche Einsatzbeschränkungen, z. B. zusätzliche betriebsunübliche Pausen, seien nicht vonnöten. Bei der Begutachtung hätten sich an der Fähigkeit des Klägers keine Zweifel ergeben, dass er sich an die Erfordernisse im Erwerbsleben anzupassen bzw. sich umzustellen vermag. Hinsichtlich des Weges zur Arbeitsstätte ergäben sich aus neurologisch-psychiatrischer Perspektive keine Einschränkungen der Wegefähigkeit. Der Kläger sei in der Lage, mehr als 500 Meter viermal täglich in einer Zeit von jeweils weniger als zwanzig Minuten zurückzulegen. Er sei auch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und ein Kraftfahrzeug zu führen. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe ab Antragstellung am 9. Juli 2015. Es fänden sich keine Hinweise, die dafür sprächen, dass sich seither wesentliche Änderungen des Gesundheitszustands eingestellt hätten. Der Einschätzung des vorausgehenden nervenärztlichen Gutachtens des Dr. G. vom Februar 2018 schließe er sich an, der Beurteilung des behandelnden Nervenarztes könne er nicht folgen, da eine derart ausgeprägte überdauernde psychiatrische oder neurologische Störung nicht festzustellen sei.

Der Senat schließt sich dieser Bewertung des Sachverständigen Dr. H. aus eigener Überzeugung an, denn sie wird widerspruchsfrei aus seiner Untersuchung des Klägers hergeleitet und begründet. Sie stimmt zudem mit den Vorgutachten des Dr. G. und des Dr. E. überein.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Plausibilitätsgutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. J. vom 2. Mai 2019. Dieser führt aus, dass die Angaben des langjährig behandelnden Psychiaters Dr. D. nahelegen würden, dass psychische Beschwerden (Depressivität, Ängste) bereits langjährig vorlägen, was vor dem Hintergrund der bestehenden leichten Intelligenzminderung auch nachvollziehbar sei. Leichte Intelligenzminderungen gingen häufig mit langjährig, häufig lebenslang bestehenden psychischen Beschwerden einher. Im speziellen Fall des Klägers sei es bei isolierter Betrachtung der einzelnen psychischen Störungen (Intelligenzminderung, leichtere depressive beziehungsweise Angstsymptomatik) nachvollziehbar, dass sich hieraus für den Sachverständigen Dr. H. keine quantitative Einschränkung der Erwerbsfähigkeit ergeben habe. Andererseits wäre es aber im Falle des Klägers erforderlich gewesen, eine integrierte Betrachtung vorzunehmen. Konkret sei damit gemeint, dass leichtere psychische Beschwerden (Depressivität, Ängste) durch eine intelligenzgeminderte Person in aller Regel bei zumutbarer Willensanstrengung schlechter kompensierbar seien, als dies bei einer Person ohne eine entsprechende Intelligenzminderung der Fall sei. Vor diesem Hintergrund erscheine auch die Einschätzung des langjährig behandelnden Nervenarztes Dr. D. plausibel, dass im Falle des Klägers nicht zu erwarten sei, dass er zukünftig wieder dazu in der Lage sein werde, vollumfänglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Plausibel sei diese Einschätzung auch vor dem Hintergrund der bisherigen Erwerbsbiografie. Entsprechend erscheine es realistischer, von einem verminderten quantitativen Leistungsvermögen (drei bis sechs Stunden) auszugehen, wobei bezüglich der von Dr. H. festgestellten qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit Übereinstimmung bestehe.

Der Senat vermag sich dieser Einschätzung nicht anzuschließen, da Prof. Dr. J. für seine sozialmedizinische Bewertung keine plausible Begründung aufzeigt, die an konkrete leistungseinschränkende Defizite des Klägers anknüpft. Er geht vielmehr pauschal davon aus, dass sich die bei dem Kläger bestehenden leichten psychischen Leiden wegen seiner Intelligenzminderung schwerwiegender als erwartbar auswirken würden. Konkrete Anknüpfungstatsachen benennt er dafür aber nicht. Der Senat schließt sich daher den Ausführungen des Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. September 2019 an. Er führt aus, dass Prof. Dr. J. zwar die Anpassungsstörung als nicht hinreichend begründet ansehe, er jedoch nicht darlege, welche andere Diagnose aus dem unzweifelhaft vorliegenden effektiven Diagnosespektrum er für angemessen erachten würde. Das Vorliegen einer leichten Depression widerspreche seiner Ansicht nach nicht der Diagnose einer Anpassungsstörung, die durchaus mehrfach im Leben jeweils im Zusammenhang mit belastenderen Lebensereignissen bzw. Situationen auftreten könne. Die Diagnose einer leichten Depressivität werde auch von Prof. Dr. J. nicht in Frage gestellt. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. J. würde es sich allenfalls um eine Dysthymie handeln, also eine chronische leichte depressive Störung, die ebenfalls nicht geeignet sei, eine qualitative Aspekte überschreitende Minderung der Erwerbsfähigkeit zu begründen. Die von Prof. Dr. J. geforderte integrierende Betrachtung unter Einschluss der leichten Intelligenzminderung des Klägers sei erfolgt und in die in seinem Gutachten formulierte sozialmedizinische Leistungsbeurteilung eingemündet. Dies ergibt sich auch für den Senat nachvollziehbar aus dem Gutachten des Dr. H., der alle Leiden des Klägers gewürdigt hat, nachdem er ihn – im Gegensatz zu Prof. Dr. J. – auch persönlich untersucht hatte.

Ein Nachweis des Eintritts des Leistungsfalles ergibt sich auch nicht aus dem übrigen Berichtswesen. Dr. C. beschreibt in seinem Befundbericht vom 15. Januar 2017, dass der Kläger psychisch nicht so belastbar sei. Er reagiere leicht mit Ängsten und Blutdrucksteigerung. Dr. C. schildert Funktionseinschränkungen im qualitativen Leistungsbild; der Kläger könne nicht schwer heben und nicht fest greifen, längeres Stehen oder Sitzen schmerzten, es bestünden Konzentrationsstörungen. Dr. D. berichtet in seinem Befundbericht vom 30. April 2017, dass die letzte Behandlung im September 2015 erfolgt sei. Therapeutische Maßnahmen auf seinem Fachgebiet seien nicht erfolgt; mangels Kontakt könne er sich zu der Fähigkeit der Organisation der Lebensführung nicht äußern. Der Orthopäde Dr. F. gibt in seinem Befundbericht vom Dezember 2016 an, dass bei Erstvorstellung des Klägers im Februar 2015 leichte Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule bestanden hätten. Bei Wiedervorstellung am 22. April 2016 hätten keine HWS-Blockierungen vorgelegen, sondern lediglich leichte Verspannungen der halswirbelsäulenstabilisierenden Muskulatur. Aufgrund der von ihm diagnostizierten Erkrankungen würden keine Funktionseinschränkungen vorliegen. Dr. D. gibt sodann in seinem Bericht vom 27. Juli 2018 an, dass zwischenzeitlich Veränderungen in den Beschwerden dergestalt eingetreten seien, dass sich die körperlichen Schmerzen und Beeinträchtigungen so erheblich verschlechtert hätten, dass eine Arbeit als Fabrikarbeiter mit Heben von schweren Gewichten bis 25kg und ständigem Wechsel der Körperhaltung nicht mehr möglich sei. Eine Schmerzdistanzierung sei dem Kläger aus physischen und psychischen Gründen nicht möglich. Er sei nicht lernfähig, konzentrationsschwach, antriebsarm, depressiv verstimmt, bei Ein- und Durchschlafstörungen nicht ausreichend erholungsfähig und er sei vor allem nicht in der Lage von seinen Beschwerden und Ängsten, besonders von den Zukunftsängsten und den Sorgen um die herzkranke Mutter, Abstand zu nehmen. Eine Rückkehr auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sei aus nervenärztlicher Sicht nicht mehr vorstellbar. Der Kläger sei ein behinderter Mensch, der einfach vorzeitig in den Ruhestand gehen müsse. In einem aktuellen Befundbericht des Dr. F. aus dem Jahr 2018 werden erneut ein funktionelles HWS-Syndrom und eine mäßige Coxarthrose beidseits bestätigt. In dem Befundbericht des Dr. C. vom 15. September 2018 wird mitgeteilt, dass die Blutdruckwerte bei Kontrollen und medikamentöser Behandlung im oberen Normbereich lägen.

Auch aus den in diesen Berichten benannten weiteren Leiden ergibt sich kein in zeitlicher Hinsicht eingeschränktes Leistungsvermögen. Soweit der Kläger an einem Bluthochdruck und geringgradigen orthopädischen Erkrankungen leidet, kommen diesen Leiden nur qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens zu. Eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens vermögen die dokumentierten internistischen und orthopädischen Leiden nicht zu begründen. Hinsichtlich der psychischen Leiden verbleibt es nach Ansicht des Senats bei den Feststellungen der Gutachter Dr. H. und Dr. G. Die Stellungnahmen des Dr. D. sind nicht objektiv, sondern schon aufgrund der Sprachwahl erkennbar subjektiv durch das langjährige Arzt-Patienten-Verhältnis geprägt. Sehr deutlich klingt ein erhebliches Mitleid mit dem Kläger durch und es zeigt sich ein appellativer Charakter dergestalt, dass der Kläger vorzeitig in Rente gehen können müsse. Tatsächlich wird dies aber vor allem damit begründet, dass sich der Kläger stets bodenständig um Arbeit bemüht habe und nunmehr seit Jahren ehrenamtlich im Dorfverschönerungsverein mitarbeite und seine Mutter pflege. Weshalb der Kläger aber eine leidensgerechte Tätigkeit nicht verrichten könnte, ergibt sich aus den Berichten nicht. Dr. D. stellt auf die Erwerbsbiographie des Klägers und die fehlende Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ab, indes sind dies nicht die rechtlich relevanten Maßstäbe für die Begründung einer Erwerbsminderung im rentenrechtlichen Sinn.

Für den Senat sind Anhaltspunkte dahingehend, dass die Gutachten der Sachverständigen Dr. H. und Dr. G. entscheidungserhebliche schwere Mängel aufweisen, in sich widersprüchlich sind, von unzulässigen Voraussetzungen ausgehen oder Zweifel an der Sachkunde oder Sachdienlichkeit des Gutachtens erwecken, nicht erkennbar. Darüber hinaus sind Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer, in den vorliegenden Gutachten oder im sonstigen medizinischen Berichtswesen bislang nicht berücksichtigter Gesundheitsbeeinträchtigungen mit ernsthaft ins Gewicht fallendem erwerbsmindernden Dauereinfluss, aufgrund derer eine andere Sicht der Dinge geboten erscheinen könnte, nicht ersichtlich. Der Senat hält deshalb das Leistungsvermögen des Klägers mit den von medizinischer Seite insgesamt getroffenen Feststellungen für ausreichend aufgeklärt und weitere Begutachtungen von Amts wegen für nicht geboten. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche leichte Arbeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen zu verrichten.

In Anbetracht des ausgeführten Restleistungsvermögens kann der Kläger auch im Übrigen nicht damit gehört werden, dass seine Resterwerbsfähigkeit im Arbeitsleben wegen der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr verwertbar ist. Denn es gibt zur Überzeugung des Senats auf dem für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarkt noch eine nennenswerte Zahl von Tätigkeiten, die er trotz seines eingeschränkten Leistungsvermögens ausüben kann. Unter Berücksichtigung des festgestellten Leistungsvermögens liegen bei dem Kläger insbesondere auch keine ins Gewicht fallenden besonderen Umstände vor, welche die Ausübung einer leichten körperlichen Tätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschweren. Insoweit bedarf es im Rahmen der – bezüglich des hier streitigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung allein maßgeblichen – Frage nach dem Bestehen realer Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld einer besonders eingehenden Prüfung lediglich dann, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung festgestellt ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83, SozR 2200 § 1246 Nr. 117 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82, SozR 2200 § 1246 Nr. 104) oder wenn der Rentenbewerber wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter heraus fällt (vgl. BSG, Urteile vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr. 90; vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79, SozR 2200 § 1246 Nr. 75). Derart gravierende Einschränkungen liegen bei dem Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor.

Ob im Übrigen die in Betracht kommenden Arbeitsplätze frei sind oder besetzt, ist für die Entscheidung unerheblich, denn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten, der wie der Kläger noch zumindest sechs Stunden pro Arbeitstag einsatzfähig ist, hängt nicht davon ab, ob das Vorhandensein von für ihn offenen Arbeitsplätzen für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten konkret festgestellt werden kann oder nicht. Der im Sinne der sog. konkreten Betrachtungsweise auf die tatsächliche Verwertbarkeit der Resterwerbsfähigkeit abstellende Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 10. Dezember 1976, GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75 u. GS 3/76, BSGE 43, 75-86) kann bei diesem Personenkreis grundsätzlich nicht herangezogen werden. Das hat der Gesetzgeber in § 43 Abs. 3 SGB VI nochmals ausdrücklich mit dem Hinweis darauf klargestellt, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer – ungeachtet der jeweiligen Arbeitsmarktlage – unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Ausnahmen können allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand nicht dazu in der Lage ist, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten, oder wenn er außerstande ist, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011, B 13 R 79/11 R). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Bei dem Kläger liegt weder eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit vor noch besteht das Erfordernis von zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen.

Für den Kläger ergibt sich im Übrigen kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben auch Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, die

1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und

2. berufsunfähig

sind.

Der im Jahre 1964 geborene Kläger gehört bereits aufgrund seines Geburtsdatums nicht zum berechtigten Personenkreis nach § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

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