SG München, Az.: S 17 R 5469/04, Urteil vom 28.06.2007
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Säumniszuschläge wegen verspätet geleisteter Nachversicherungsbeiträge zahlen muss.
Der 1946 geborene Versicherte war von 01.07.1968 bis 07.06.1999 beim Kläger in einem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis als Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst beschäftigt. Er wurde auf eigenen Antrag aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Die Nachversicherung für die Beschäftigungszeit wurde im Juli 2004 durchgeführt. Mit Schreiben vom 02.07.2004 wurden der Beklagten die Nachversicherungsdaten mitgeteilt, die Wertstellung der Nachversicherungsschuld in Höhe von 185.471,04 EUR (362.749,83 DM) erfolgte am 09.07.2004.
Mit Bescheid vom 27.08.2004 machte die Beklagte Säumniszuschläge auf Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 100.860,50 EUR geltend und forderte den Kläger zur Überweisung dieses Betrags auf. Auf der Basis eines Fälligkeitstags am 08.06.1999 und unter Berücksichtigung einer Drei-Monats-Frist zum Zweck der Klärung von Fragen eines etwaigen Aufschubs (Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 27.04.1999) wurden der Berechnung 59 Monate Säumnis zugrunde gelegt.
Am 10.09.2004 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Klage ein und erhob die Einrede der Verjährung. Zur Anwendung komme die vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV; bei Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge am 08.06.1999 sei Verjährung am 31.12.2003 eingetreten.
Auf den Einwand der Beklagten, dass der Anspruch auf den Säumniszuschlag auf verspätet gezahlte Pflichtbeiträge in 30 Jahren verjähre, weil die entsprechenden Beiträge bedingt vorsätzlich vorenthalten worden seien, macht der Kläger geltend, dass ein vorsätzliches bzw. ein bedingt vorsätzliches Vorenthalten der Beiträge nicht vorliege. Dazu wird folgender Sachverhalt geschildert und auf diverse Anlagen Bezug genommen (insbesondere Schreiben des Bayerischen Justizministeriums an die Bezirksfinanzdirektion München vom 02.09.1999, vom 09.06.1999 und vom 24.06.2004, Organisationsplan der Bezirksfinanzdirektion München Stand 01.06.1999, Kopien aus der Besoldungsakte des Versicherten, Auszug aus dem von der Bezirksdirektion Würzburg erarbeiteten „Leitfaden für die Nachversicherung“ vom 19.07.1999):
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz habe die Bezirksfinanzdirektion München – Bezügestelle Besoldung – mit Schreiben vom 02.06.1999 und 09.06.1999 über die Entlassung des Versicherten informiert „mit der Bitte um Einstellung der Dienstbezüge und weitere Veranlassung hinsichtlich der Nachversicherung“. Die Bezirksfinanzdirektion München sei zuständig gewesen für die Entscheidung über den Aufschub der Beitragszahlung bzw. die Durchführung der Nachversicherung des Versicherten (§ 3 Nr. 3 Verordnung über Zuständigkeiten für die Entscheidung über den Aufschub der Beitragszahlung). Für die Festsetzung und Abrechnung der Beamtenbezüge des Versicherten sei das Referat 51/2 der Abteilung V/2 „Bezüge“ zuständig gewesen, für die Nachversicherung das Referat 55 derselben Abteilung. Die Schreiben vom 02.06.1999 und 09.06.1999 seien beim Referat 51/2 in Einlauf gelangt und dort bearbeitet worden im Hinblick auf die umgehend gebotene und auch veranlasste Einstellung der Dienstbezüge ab Juli 1999. In der Folgezeit sei vom Referat 51/2 gegenüber dem Versicherten eine Rückforderung in Höhe von 1024,81 DM wegen der für die Zeit von 08.06. bis 30.06.1999 ohne Rechtsgrund gezahlten Beamtenbezüge geltend gemacht worden, und zwar zunächst mit Einschreiben vom 13.10.1999 und anschließend mit Rückforderungsbescheid vom 20.12.1999. Nach Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheids sei bis Ende 2000 versucht worden, den Rückforderungsbetrag im Wege der Zwangsvollstreckung vom Versicherten, der zwischenzeitlich seinen Wohnsitz nach Italien verlegt hatte, beizutreiben. Die Sachbearbeiter des Referats 51/2 hätten es nach Eingang des Schreibens vom 02.06.1999 und auch in der Folgezeit schlichtweg übersehen, das für die Durchführung der Nachversicherung zuständige Referat 55 vom Eintritt des Nachversicherungsfalls zu unterrichten und dieses zu bitten, die erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten. Mangels Kenntnis vom Nachversicherungsfall habe das zuständige Referat 55 die Durchführung der Nachversicherung nicht veranlassen können. Erfolgt sei die Nachversicherung erst nach einem weiteren Schreiben des Justizministeriums vom 24.06.2004, motiviert durch eine Beanstandung des Versicherten im Juni 2004.
Eine Dienstanweisung für das Aufgabengebiet Nachversicherung gebe es nicht und habe es auch 1999 nicht gegeben. Die Arbeiten zu einem „Leitfaden für die Nachversicherung“, durch den den Nachversicherungssachbearbeitern ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine Hilfe für die tägliche Arbeit an die Hand gegeben werden sollte, seien im Juli 1999 zum Abschluss gebracht worden, eine Fortschreibung sei durch zwei Ergänzungslieferungen vom 01.07.2001 und 23.07.2001 erfolgt. Dieser Leitfaden enthalte unter Gliederungsziffer 8 einschlägige Schreiben und Bekanntmachungen des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen zu aktuellen Problemen und Entwicklungen im Recht der Nachversicherung, u.a. auch das Schreiben des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 23.10.1998, mit dem die Obersten Dienstbehörden des Freistaats Bayern über das Urteil des Bundessozialgerichts vom 29.07.1998 informiert und gebeten worden waren, entsprechend den vom Bundessozialgericht im besagten Urteil aufgestellten Grundsätzen zu verfahren. Wie das Bundessozialgericht entschieden habe, komme es für den Aufschub der Beitragszahlung nach § 184 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI darauf an, ob im Zeitpunkt des Ausscheidens eine hinreichend sichere, auf objektiven Merkmalen beruhende Erwartung besteht, dass der Nachzuversichernde innerhalb der Zwei-Jahres-Frist eine erneute entsprechende versicherungsfreie Beschäftigung aufnimmt. Der Dienstherr müsse demnach beim Ausscheiden beurteilen, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Betroffene innerhalb von zwei Jahren erneut eine versicherungsfreie Beschäftigung aufnimmt. Gemäß diesen Vorgaben sei im vorliegenden Fall verfahren worden.
Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass die zunächst nicht erfolgte Nachversicherung allenfalls auf einem möglicherweise auch grob fahrlässigen Organisationsverschulden der Bezügestelle der Bezirksfinanzdirektion München beruhen könne; dies reiche aber für Vorsatz im Sinn des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht aus. Zum Vorsatz gehöre ein Wissens- und ein Willenselement. Das Bundessozialgericht habe im Urteil vom 30.03.2000 (B 12 KR 14/99 R) ausgeführt, dass zum Vorsatz das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestands festgestellt werden müsse, d.h. anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell ermittelt werden müsse. Im Zweifel trage der Versicherungsträger die Feststellungs- bzw. Beweislast für das Vorliegen des subjektiven Tatbestands des Vorsatzes. Die Beklagte könne also nicht, wie im vorliegenden und in zahlreichen anderen Fällen, pauschal und generell vom Vorliegen einer 30jährigen Verjährungsfrist ausgehen.
Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 27.08.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.
Für die Frage der Anwendung der 30-jährigen Verjährungsfrist kommt es aus ihrer Sicht nicht auf die individuellen Gegebenheiten des Einzelfalls an. Im Ergebnis spiele es deshalb keine Rolle, aus welchen Gründen die Nachversicherungsbeiträge nicht rechtzeitig gezahlt worden seien. Die Grundsätze im Urteil des BSG vom 30.03.2000 seien erkennbar auf private Arbeitgeber ausgerichtet. Die Frage nach den Anforderungen an den Tatbestand des vorsätzlichen Vorenthaltens von Beiträgen bei öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern bedürfe als Rechtsfrage noch höchstrichterlicher Entscheidung. Das gelte umso mehr, als die unterinstanzliche Rechtsprechung hierzu uneinheitlich sei. Während z.B. das Sozialgericht für das Saarland den Vorsatz aus der Sicht des mit der Beitragszahlung beim Arbeitgeber betrauten Sachbearbeiters beurteile (Urteile vom 16.02.2001, S 9 RA 323/99, und vom 18.10.2002, S 9 RA 45/02), betrachte das Sozialgericht Düsseldorf den Arbeitgeber insoweit als Ganzes ohne Rücksicht auf die Handlungen des einzelnen Sachbearbeiters (mehrere Urteile vom 28.10.2004, u.a. S 27 RA 57/02). Auch die Beklagte sei der Auffassung, dass bei öffentlichen Arbeitgebern, insbesondere bei der Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen, der Arbeitgeber im Ganzen zu betrachten sei. Ob der einzelne Sachbearbeiter fahrlässig oder vorsätzlich handelt, sei insoweit nicht von Bedeutung. Entscheidend sei die Außenwirkung. Der Arbeitgeber handele bedingt vorsätzlich, wenn er nach Ablauf von drei Monaten nach dem Ausscheiden des Beschäftigten noch keine Entscheidung über den Aufschub der Nachversicherung oder die Zahlung der Beiträge getroffen hat. Der bedingte Vorsatz werde durch die Tatsache begründet, dass er zu diesem Zeitpunkt von der Möglichkeit der Beitragspflicht ausgehen müsse und die rechtswidrige Unterlassung der Beitragszahlung billigend in Kauf nehme (BSG vom 21.06.1990, 12 RK 13/89).
Vorgebracht wird außerdem, dass die verspätete Nachversicherung auf einem Organisationsverschulden des Dienstherrn beruhe. Wenn die für die Durchführung der Nachversicherung zuständige Stelle (Referat 55) auf eine entsprechende Information der Bezügestelle (Referat 51/2) angewiesen gewesen sei, wäre es angezeigt gewesen, in den Bezügestellen zum Beispiel eine Art Schlussverfügungsvordruck vorzusehen, mit dem die Information über das unversorgte Ausscheiden des Beamten an die für die Durchführung der Nachversicherung zuständigen Stellen veranlasst wird.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der beigezogenen Nachversicherungsakte der Bezirksfinanzdirektion München (jetzt Landesamt für Finanzen) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Erhebt ein Land Klage, muss ein Vorverfahren nicht durchgeführt werden (§ 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG).
Die Klage ist auch begründet.
Der Bescheid vom 27.08.2004 ist rechtswidrig und aufzuheben. Der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Säumniszuschläge in Höhe von 100.860,50 EUR besteht zwar, er ist aber nicht durchsetzbar, weil der Kläger die Einrede der Verjährung erhoben hat. Der Anspruch ist verjährt. Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern, § 214 Abs. 1 BGB.
Der Anspruch auf Zahlung von Säumniszuschlägen richtet sich nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Diese Regelung ist auch im Fall verspätet entrichteter Nachversicherungsbeiträge anwendbar (BSG vom 12.02.2004, B 13 RJ 28/03, mit ausführlicher und zutreffender Begründung). Die Nachversicherungsbeiträge wurden nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags am 08.06.1999 beglichen, sondern erst am 09.07.2004. Die Höhe der erhobenen Säumniszuschläge ist nicht streitig, diesbezügliche Fehler sind nicht ersichtlich. Keiner Vertiefung bedarf auch die Frage, ob die Beklagte zu Recht auf den 08.09.1999 als dem für die Säumniszuschlags-Berechnung maßgeblichen Datum abgestellt hat oder ob richtigerweise der 08.06.1999 – bei unversorgtem Ausscheiden des Versicherten am 07.06.1999 – hätte zugrunde gelegt werden müssen. Streitgegenstand sind nur die mit Bescheid vom 27.08.2004 geltend gemachten Säumniszuschläge.
Die Erhebung der Säumniszuschläge ist nicht durch § 24 Abs. 2 SGB IV ausgeschlossen. Diese Vorschrift lautet: Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.“ Möglicherweise wird man die Anwendung dieser Regelung bei Nachversicherungsfällen nicht schon daran scheitern lassen können, dass hier die Beitragsschuld typischerweise nicht durch Bescheid der Beklagten als Beitragsgläubigerin festgestellt wird, sondern die Nachversicherungsbeiträge vom Beitragsschuldner selbst ermittelt und eigeninitiativ gezahlt werden (§ 184 Abs. 1 und 3, § 185 Abs. 1 SGB VI). Dies kann aber dahingestellt bleiben. Die Rechtsfolge des § 24 Abs. 2 SGB IV tritt jedenfalls deswegen nicht ein, weil der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Im Fall des unversorgten Ausscheidens eines Beschäftigten aus einem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis hat der Nachversicherungsschuldner regelmäßig Kenntnis von seiner Zahlungspflicht. Diffizile Rechtsfragen wie sie oftmals bei sozialversicherungsrechtlichen Beitragsansprüchen gegenüber privaten Arbeitgeben entstehen und zu klären sind, gibt es bei der Nachversicherung grundsätzlich nicht. Im Angelegenheiten der Nachversicherung sind Unklarheiten und daraus resultierend eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht noch am ehesten vorstellbar im Zusammenhang mit der Frage des Bestehens von Aufschubgründen (dazu BSG vom 12.02.2004, B 13 RJ 28/03), was bei der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung allerdings keine Rolle spielt.
Der Durchsetzung des Anspruchs auf Säumniszuschläge steht die Einrede der Verjährung entgegen. Die Verjährung richtet sich nach der vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV und nicht, wie die Beklagte meint, nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, wonach Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind, verjähren. Bei Fälligkeit am 08.06.1999 begann die Vier-Jahres-Frist am 01.01.2000 und lief am 31.12.2003 ab. Geltend gemacht hat die Beklagte den Anspruch auf Säumniszuschläge erst mit Bescheid vom 27.08.2004 und damit nach Eintritt der Verjährung.
Ansprüche auf Beiträge im Sinn des § 25 SGB IV sind auch Ansprüche auf Nebenleistungen (Nebenforderungen) wie Säumniszuschläge, Verzugszinsen, Mahngebühren, Kosten der Vollstreckung. Die Anwendung der 30-jährigen Verjährungsfrist auf Nebenforderungen setzt nicht voraus, dass die Nebenforderungen vorsätzlich vorenthalten worden sein müssten. Entscheidend ist, ob die Beitragsansprüche vorsätzlich vorenthalten wurden (vgl. BSG vom 08.04.1992, 10 RAr 5/91).
Nach dem vom Kläger geschilderten, von der Beklagten nicht bestrittenen und vom Gericht zugrunde gelegten Sachverhalt liegt eine vorsätzliche Vorenthaltung von Beiträgen nicht vor.
Für Vorsatz im Sinn des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Dabei reicht es für das Eingreifen der 30-jährigen Verjährungsfrist aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Fahrlässigkeit, auch in den Erscheinungsformen der bewussten oder der groben Fahrlässigkeit, genügt nicht. Notwendig ist die Feststellung des inneren (subjektiven) Tatbestands des Vorsatzes; er muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner individuell ermittelt werden (BSG vom 30.03.2000, B 12 KR 14/99 R; BSG vom 21.06.1990, 12 RK 13/89). Für den Vorsatz der Personen, deren sich der Beitragsschuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient, hat er nach § 278 BGB einzustehen (vgl. Urteil des Sozialgerichts München vom 28.06.2006, S 17 R 5626/04).
Diese Grundlage der Beurteilung, die auch für die Nachversicherung gilt, verkennt die Beklagte, wenn sie geltend macht, ein bedingt vorsätzliches Vorenthalten von Beiträgen sei stets anzunehmen, wenn der Arbeitgeber nach Ablauf von drei Monaten seit dem Ausscheiden des Beschäftigten noch keine Entscheidung über den Aufschub der Nachversicherung oder die Zahlung der Beiträge getroffen hat. Diese Auffassung läuft darauf hinaus, dass der Vorsatz unterstellt oder fingiert wird, was weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV zulassen, der ein vorsätzliches Fehlverhalten mit einer langen Verjährungsfrist sanktioniert. Die Vorschrift lässt auch keinen Raum für eine Sonderbehandlung staatlicher Stellen.
Vorsatz kann hier nicht festgestellt werden, auch nicht in Form des bedingten Vorsatzes. Es ist nicht ausreichend, dass die zuständigen Sachbearbeiter allgemein die Verpflichtung zur Durchführung der Nachversicherung bei unversorgtem Ausscheiden eines Beamten kannten. Entscheidend ist, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Nichtabführung der Beiträge in diesem Einzelfall billigend in Kauf genommen worden wäre oder gar wissentlich und willentlich betrieben worden wäre. Die Sachbearbeiter in dem für die Nachversicherung zuständigen Referat 55 haben von dem Vorgang 1999 keine Kenntnis bekommen, weil die Sachbearbeiter des Nachbarreferats 51/2, zuständig für die Festsetzung und Abrechnung der Beamtenbezüge, es versäumt haben, die Schreiben des Justizministeriums vom 02.06.1999 und 09.06.1999, in denen „um Einstellung der Dienstbezüge und weitere Veranlassung hinsichtlich der Nachversicherung“ gebeten worden war, an das Referat 55 weiterzuleiten. Dieses Versäumnis ist als schlichtes Versehen und damit als fahrlässiges Verhalten einzuordnen (vgl. LSG für das Saarland vom 11.11.2004, L 1 RA 65/02, zum Fall einer „lediglich fehlerhaften Sachbearbeitung“). Es wäre lebensfremd anzunehmen, die Sachbearbeiter des Referats 51/2 hätten die Weiterleitung der Schreiben des Justizministeriums mit Bedacht unterlassen und dabei die Nichtabführung von Nachversicherungsbeiträgen zumindest billigend in Kauf genommen. Ursächlich für das Versagen der Sachbearbeiter des Referats 51/2 war allem Anschein nach, dass es sich um eine ungewöhnlich zügige Entlassung aus dem Staatsdienst mitten im Kalendermonat handelte und über längere Zeit hinweg ein Rückforderungsanspruch wegen des überzahlten Gehalts zu bearbeiten war.
Dahin stehen kann, ob dem Kläger der Vorwurf eines Organisationsmangels gemacht werden kann, weil er keine Vorkehrungen getroffen hat, um ein Versehen der Sachbearbeitung beispielsweise der hier vorliegenden Art zu vermeiden. Denn es lässt sich jedenfalls nicht Vorsatz oder bedingter Vorsatz bezüglich der Nichtabführung von Beiträgen an die Beklagte feststellen. Das theoretisch vorstellbare Unterlassen von organisatorischen Maßnahmen zur Optimierung der Arbeitsabläufe und zur Verhinderung von Fehlern wäre mit Sicherheit nicht von der Intention getragen, der Beklagten Nachversicherungsbeiträge vorzuenthalten. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich grundlegend von den Gegebenheiten in dem Fall, den das LSG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 16.10.2006 (L 2 R 129/05) entschieden hat. Der vorliegende Fall und übrigens auch andere der 17. Kammer bekannte Fälle (z.B. Urteil des Sozialgerichts München vom 29.06.2006, S 17 R 5626/04) lassen durchaus nicht vermuten, dass der Kläger nicht stets bemüht (gewesen) wäre, in Nachversicherungsangelegenheiten gesetzestreu und korrekt zu verfahren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Kammer lässt die Sprungrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 161 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).