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Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld bei verspäteter Meldung der Arbeitsunfähigkeit

Landessozialgericht Baden-Württemberg – Az.: L 5 KR 3488/18 – Urteil vom 22.01.2020

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.08.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 11. – 29.11.2017.

Die im Jahr 1956 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin war ab dem 26.09.2017 aufgrund Gelenkschmerzen in der Schulterregion und einem Impingement-Syndrom arbeitsunfähig erkrankt. Sie erhielt deswegen bis zum 06.11.2017 von ihrem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20.10.2017, die am 02.11.2017 bei der Beklagten einging, bescheinigte der Allgemein- und Arbeitsmediziner Dr. D. Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 10.11.2017.

Unter dem 03.11.2017 übersandte die Beklagte der Klägerin u.a. ein Informationsblatt, in dem ausgeführt worden ist, dass zu beachten sei, „dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Original innerhalb einer Woche nach Ausstellungsdatum bei der B. BKK vorliegt“. Unter dem 08.11.2017 teilte die Klägerin gegenüber der Beklagten im Rahmen der „Erklärung zur Erlangung von Krankengeld“ mit, dass sie sich nicht vorstellen könne, ihre Arbeit (auch stundenweise) wiederaufzunehmen und dass für die Zeit vom 09. – 28.11.2017 eine physikalische Therapie geplant sei.

Sodann bescheinigte Dr. D. mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10.11.2017 eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit bis zum 08.12.2017.

Nachdem die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 27.11.2017 Krankengeld ab dem 07.11.2017 i.H.v. kalendertäglich 49,46 EUR brutto (43,31 EUR netto) bewilligt hatte und auf dieser Grundlage Krankengeld vom 07. – 10.11.2017 und sodann wieder ab dem 30.11.2017 gewährte, entschied sie mit Bescheid vom 30.11.2017, dass der Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 11. – 29.11.2017 ruhe. Die am 10.11.2017 festgestellte Arbeitsunfähigkeit sei, so die Beklagte begründend, erst am 30.11.2017 und damit außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von einer Woche bei ihr eingegangen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 04.12.2017 Widerspruch, mit dem sie vorbrachte, sie habe am 10.11.2017 ihren Arzt aufgesucht, der sie bis zum 08.12.2017 krankgeschrieben habe. Noch am gleichen Tag habe sie die Krankmeldung an ihren Arbeitgeber geschickt. Dieser habe ihr zugesichert, die Bescheinigung an die Beklagte weiterzuleiten. Für den verspäteten Zugang bei der Beklagten trage sie daher keine Verantwortung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Gewährung von Krankengeld setze u.a. voraus, dass die (fortlaufende) Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse innerhalb von einer Woche gemeldet werde. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10.11.2017 sei erst am 30.11.2017 und damit außerhalb dieser Wochenfrist nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei ihr, der Beklagten, eingegangen, weshalb der Anspruch auf Krankengeld vom 11.11.2017 – 29.11.2017 ruhe. Die Gewährung von Krankengeld sei bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei vorlägen und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung treffe. Bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit handele es sich um eine Obliegenheit des Versicherten. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung wären daher grundsätzlich vom Versicherten zu tragen.

Hiergegen hat die Klägerin am 01.03.2018 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, dass sie bei jeder Arbeitsunfähigkeit ihre Bescheinigung dem Arbeitgeber übergeben habe, der diese an die Beklagte weitergeleitet habe. Dies habe zuvor nie zu Problemen geführt. Der in der Akte der Beklagten befindlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10.11.2017 lasse sich kein Eingangsstempel entnehmen und die Paginiernummer sei nicht leserlich. Auch habe sie der Beklagten bereits im Rahmen der Erklärung vom 08.11.2017, die am 09.11.2017 bei der Beklagten eingegangen sei, ihre Arbeitsunfähigkeit mitgeteilt. Überdies habe ihr die Beklagte im Bescheid vom 27.11.2017, obschon zu diesem Zeitpunkt keine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegen habe, zugesichert, Krankengeld zu gewähren. Die einschränkungslose Bewilligung von Krankengeld sei insofern als Zusicherung anzusehen, da die Beklagte bereits seit dem 09.11.2017 vom Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit Kenntnis gehabt habe.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat hierzu vorgetragen, der „Erklärung zur Erlangung von Krankengeld“ käme hinsichtlich des Nachweises der Arbeitsunfähigkeit keine Relevanz zu, hierfür sei einzig die vom Arzt ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung maßgeblich. Der Bescheid vom 27.11.2017 habe lediglich den grundsätzlichen Anspruch auf Krankengeld und dessen Höhe begründet. Da Krankengeld abschnittsweise gezahlt werde, sei im Bescheid vom 27.11.2017 keine Zusicherung zu erblicken. Im Hinblick auf den klägerseits angeführten fehlenden Nachweis des Eingangs der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat die Beklagte dargelegt, dass die dortige Eingangspost im Wege des elektronischen Dokumentenmanagementsystems verarbeitet werde. Eingehende Schriftstücke würden hierbei taggleich eingescannt und der Bearbeitung zugeführt. Anstelle eines Posteingangsstempels werde eine Paginierungsnummer auf das Schriftstück aufgedruckt. Diese, obschon bei der vorliegend relevanten Bescheinigung schwer leserlich, sei „auf dem Kopf stehend“ am oberen Rand aufgedruckt, wobei die Stellen 1 – 8 das Datum des Eingangs auswiesen. Zusätzlich werde das Eingangsdatum als „Meldedatum“ im Bearbeitungsprogramm hinterlegt.

Mit Urteil vom 16.08.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ausgeführt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10.11.2017 erst am 30.11.2017 und damit außerhalb der Wochenfrist des § 49 Abs. I Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bei der Beklagten eingegangen sei. Wenngleich einzuräumen sei, dass die eingescannte Paginierungsnummer auf der Bescheinigung schwer leserlich sei, weise das im Bearbeitungsprogramm hinterlegte Meldedatum unverkennbar den 30.11.2017 aus. Die Obliegenheit der Meldung der Arbeitsunfähigkeit an die Krankenkasse obliege dem Versicherten auch dann selbst, wenn er die Meldung seinem Arbeitgeber mit der Bitte um Weiterleitung an die Krankenkasse überlasse und auf diesem Wege Verzögerungen einträten, die er nicht zu vertreten hat. Die Erklärung zur Erlangung des Krankengeldes stelle keine Meldung der Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V dar, da dies eine gezielte Mitteilung aus Anlass eines aktuellen konkreten Krankengeld-Leistungsfalls erfordere, die in der erteilten Erklärung nicht getätigt worden sei. Der Regelungsgehalt des Bescheids vom 27.11.2017 habe sich auf die Zuerkennung des Stammrechts auf Krankengeld ab dem 07.11.2017 beschränkt. Das mit dem Bescheid vom 30.11.2017 festgestellte Ruhen des Leistungsanspruchs habe hingegen lediglich die Realisierung des Anspruchs zum Inhalt gehabt und damit das Bestehen des Stammrechts nicht berührt, weswegen im Bescheid vom 27.11.2017 keine Zusicherung liege.

Gegen das ihr am 27.08.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.09.2018 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie bringt vor, dass sie mit ihrer Erklärung vom 08.11.2017 der Beklagten die Arbeitsunfähigkeit gemeldet habe. Sinn und Zweck der Ruhensregelung sei es, es der Krankenkasse zu ermöglichen, möglichst schnell zu klären, ob Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bestehe. Nachdem diese jedoch für die Zeit bis zum 10.11.2017 bekannt gewesen sei, hätte die Beklagte rechtzeitig Maßnahmen ergreifen können, was sie jedoch unterlassen habe. Auch sei es nach der Schilderung der Beklagten zum Prozess der Verarbeitung der dortigen Eingangspost unverändert unklar, wer oder was die Post einscanne, weswegen, so die Klägerin unter Verweis auf das Urteil des LSG für das Land Nordrhein- Westfalen vom 26.04.2018 (- L 5 KR 845/17 -, in juris), die Beklagte ihrer Nachweispflicht für das Scan-Datum nicht nachgekommen sei. Im Übrigen sei die Wochenfrist bei Folgeerkrankungen nicht anwendbar. Dies werde durch § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) bestätigt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.08.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2018 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 11. – 29.11.2017 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführung des SG im angefochtenen Urteil. Ergänzend bringt sie vor, dass § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nicht durch die Regelungen des EntgFG suspendiert werde und die Meldeobliegenheit bei einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit nicht auf die erstmalige Bewilligung von Krankengeld begrenzt sei. Ergänzend hat die Beklagte mitgeteilt, dass die Anlieferung der Post durch die D. P. AG morgens zwischen 8.00 und 8.30 Uhr erfolge, die eingegangene Post sodann zum Scannen vorbereitet und der Scanstelle übergeben werde. Das Scannen werde vom Dokumentenmanager der Beklagten durchgeführt. Träten bei den Vorgängen Verzögerungen auf, sei nach den internen „Richtlinien über die Eingangspostverarbeitung mit elektronischen Posteingang“ ein manueller Posteingangsstempel anzubringen. Da die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keinen derartigen Stempel aufweise, sei von einem taggleichen Scannen auszugehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020 geworden sind, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, insb. statthaft, da der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,- EUR (§ 144 Abs. 1 Satz Nr. 1 SGG) bei einem streitbefangenen Zeitraum von 19 Tagen und einem täglichen Anspruch auf Krankengeld i.H.v. 43,31 EUR netto, d.h. bei einem streitgegenständlichen Betrag von 822,89 EUR überschritten ist.

Die Berufung führt jedoch für die Klägerin nicht zum Erfolg. Das SG hat die Klage in nicht zu beanstandender Weise abgewiesen; der Bescheid der Beklagten vom 30.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 11. – 29.11.2017.

Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 SGB V in der vom 23.07.2015 – 10.05.2019 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) vom 16.07.2015 (BGBl. I S.1211) im Falle der Krankenhausbehandlung oder der Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an (Nr. 1), im Übrigen von dem Tage der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (Nr. 2). Der Anspruch auf Krankengeld bleibt nach § 46 Satz 2 SGB V jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.

Wird das Krankengeld jeweils aufgrund der von einem Vertragsarzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entsprechend der dort angegebenen voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit gezahlt, liegt hierin eine zeitlich befristete Bewilligung (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 25.10.2018 – B 3 KR 23/17 R -, vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R – und vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R -, jew. in juris).

Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs ist es deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (vgl. st. Rspr. des BSG, u.a. Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R -; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 19/14 R -, beide in juris m.w.N.).

Die bei der Beklagten gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V als Beschäftigte mit Anspruch auf Krankengeld pflichtversicherte Klägerin war (auch) im Zeitraum vom 11. – 29.11.2017 arbeitsunfähig erkrankt, was ihr von Dr. D. rechtzeitig i.S.d. § 46 SGB V mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10.11.2017 bescheinigt worden ist. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.

Die Klägerin hat dennoch keinen durchsetzbaren Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld, weil der diesbezügliche Anspruch vom 11. – 29.11.2017 geruht hat.

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in der vom 23.07.2015 – 10.05.2019 geltenden Fassung des GKV-VSG vom 16.07.2015 (BGBl. I S.1211) ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Hieraus folgt, dass den Versicherten hinsichtlich der die begehrten Krankengeld-Leistungen auslösenden Arbeitsunfähigkeit eine grundsätzlich strikt zu handhabende Meldeobliegenheit gegenüber der Krankenkasse trifft. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit an die Krankenkasse ist eine Tatsachenmitteilung, die nicht an die Einhaltung einer bestimmten Form gebunden ist und die den Versicherten als Obliegenheit trifft. Der Versicherte muss seine Arbeitsunfähigkeit nicht persönlich mitteilen, sondern kann die Mitteilung auch durch einen Vertreter übermitteln. Es reicht grundsätzlich aus, wenn der Krankenkasse die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bekanntgegeben wird und die Bekanntgabe dem Versicherten zuzurechnen ist. Dies gilt, entgegen der Einschätzung der Klägerin, für jede erneute Inanspruchnahme des Krankengeldes, d.h. auch dann, wenn wegen der Befristung der bisherigen ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung über die Weitergewährung von Krankengeld neu zu befinden ist; die Meldepflicht ist auf den jeweiligen konkreten Leistungsfall bezogen (BSG, Urteil vom 08.08.2019 – B 3 KR 18/18 R -, in juris, dort Rn. 17; Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R -, in juris, dort Rn. 17; Urteil des erkennenden Senats vom 11.12.2019 – L 5 KR 2554/19 -, in juris). Die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V soll die Krankenkassen zum einen davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Krankengeld-Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen, um Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen können. Überdies soll es den Krankenkassen auch ermöglicht werden, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können (BSG, Urteil vom 08.08.2019 – B 3 KR 18/18 R -, in juris, dort Rn. 17 f.).

Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit an die Krankenkasse ist entsprechend § 130 Abs. 1 und 3 Bürgerliches Gesetzbuch erst dann erfolgt, wenn sie der Krankenkasse zugegangen ist (BSG, Urteil vom 08.08.2019, a.a.O., dort Rn. 20). Dies ist vorliegend erst am 30.11.2017 erfolgt. Die Einwände der Klägerin, der Eingang erst zu diesem Zeitpunkt sei nicht nachgewiesen, verfangen vorliegend nicht. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist tatsächlich bei der Beklagten eingegangen. Dies ist zur Überzeugung des Senats am 30.11.2017 erfolgt. Der Senat verkennt nicht, dass das aktenkundige Exemplar keinen Eingangsstempel trägt, jedoch ist auf dem Formular die mit den Zahlen 20171130 beginnende Paginierungsnummer, obschon schwer leserlich, vermerkt. Diese Zahlenkombination gibt nach der Codierung der Beklagten das Eingangsdatum des (körperlichen) Schriftstücks wieder. Der Klägerin ist zwar insofern zuzugestehen, dass damit „nur“ der Zeitpunkt belegt ist, zu dem das Dokument eingescannt worden ist, indes bestehen für den Senat keine Zweifel daran, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch (und nicht bereits früher) zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten körperlich eingegangen ist. Zwar erfolgt das Scannen nach den Richtlinien der Beklagten zur Eingangspostverarbeitung mit elektronischem Posteingang nicht unmittelbar nach dem Eingang; die Eingangspost wird hierzu erst einer eingerichteten Scanstelle übergeben, indes ist der Scanvorgang taggenau, d.h. am Tage des Eingangs durchzuführen. Zwar sind Rückstände beim Einscannen der Dokumente hierdurch nicht ausgeschlossen, indes hat die Beklagte in ihrer Richtlinie einen Mechanismus festgelegt, nach dem bei Rückständen in der Vorbereitung der Eingangspost zum Scannen auf dem Dokument händisch ein Eingangsstempel anzubringen ist. Hierdurch ist gewährleistet, dass ggf. aufgetretene Rückstände dokumentiert werden. Da indes auf dem aktenkundigen Exemplar der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein derartiger Stempel aufgebracht ist, ist ein zeitlich früherer Eingang des Schriftstückes bei der Beklagten als am 30.11.2017 nicht belegt. Die allgemein gehaltenen Ausführungen der Klägerin geben weder Anlass zu weiteren Ermittlungen noch rechtfertigen diese sogar eine Umkehr der Beweislast (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.08.2019 – L 7 AL 124/18 -, in juris, Rn 17 ff.). Obschon die Klägerin i.d.S. keine Kenntnis der Abläufe bei der Beklagten hat, gilt dies vorliegend insb. auch deswegen, als die Klägerin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach ihrem eigenen Vortrag nicht selbst an die Beklagte übermittelt, sondern sie vielmehr ihrem Arbeitgeber übergeben hat, der diese sodann an die Beklagte übersandt hat. Aufgrund dieser Entscheidung der Klägerin, die Bescheinigung nicht „direkt“ an die Beklagte zu versenden, sondern einen Dritten einzuschalten, ist ihr bspw. der ihre Behauptung des früheren Zugangs substantiierende Vortrag, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung deutlich, d.h. außerhalb der dem üblichen Postlauf von drei Tagen entsprechenden Zeit, vor dem 30.11.2017 zur Post gegeben zu haben, verwehrt. Im Übrigen würde, wenn dem unsubstantiierten Vortrag, das Schriftstück sei zu einem früheren als dem eingescannten Zeitpunkt zugegangen zu folgen wäre, dazu führen, dass seit der Umstellung auf die elektronische Aktenbearbeitung (demnächst auch bei Gerichten) jede Fristversäumnis unschädlich wäre, wenn die Behörde sich nicht auf das eingescannte Eingangsdatum berufen darf, sondern einen anderen Zugangsnachweis erbringen müsste. Die Ausführungen des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 26.04.2018 (a.a.O.) stehen dem nicht entgegen. Ungeachtet davon, dass die Ausführungen, auf die die Klägerin reklamiert, nicht entscheidungstragend gewesen sind, ist nicht ersichtlich, dass die dortige Beklagte über ein ähnliches System wie die hiesige Beklagte zur Dokumentation der zeitlichen Abläufe beim Scannen, verfügt hat.

Mithin ist der Senat davon überzeugt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10.11.2017 erst am 30.11.2017 bei der Beklagten eingegangen ist. Da dieser Zeitpunkt außerhalb der Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ab dem Beginn der festgestellten Arbeitsunfähigkeit am 10.11.2017 liegt, ruht der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V.

Ein zeitlich früherer Zugang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist, anders als von der Klägerin geltend gemacht, auch nicht in der Erklärung vom 08.11.2017 zu erblicken. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist eine Tatsachenmitteilung, d.h. der Krankenkasse ist notwendig auch und gerade der Hinweis auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zur Kenntnis zu bringen (vgl. BSG, Urteil vom 12.11.1985 – 3 RK 35/84 -, in juris, dort Rn. 12). Ungeachtet davon, dass die „Erklärung zur Erlangung von Krankengeld“ klägerseits bereits unter dem 08.11.2017 und damit vor der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10.11.2017 abgegeben worden ist und bereits deswegen keine Mitteilung einer zwei Tage später festgestellten weiteren Arbeitsunfähigkeit beinhalten konnte, hat die Klägerin in der Erklärung vom 08.11.2017 lediglich mitgeteilt, dass sie sich nicht vorstellen könne, ihre Arbeit (auch stundenweise) wieder aufzunehmen und dass für die Zeit vom 09. – 28.11.2017 eine physikalische Therapie geplant sei. Da die bloße Durchführung einer therapeutischen Maßnahme einer Aufnahme der Erwerbstätigkeit nicht entgegensteht und die subjektive Einschätzung der Klägerin, sich eine Wiederaufnahme der Tätigkeit nicht vorstellen zu können, keine Rückschlüsse auf die tatsächliche (objektive) Fähigkeit, wieder arbeiten zu können, oder gar auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zulässt, kann in der Erklärung vom 08.11.2017 keine Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V erblickt werden.

Die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V treten unabhängig davon ein, ob den Versicherten ein Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft. Auch eine vom Versicherten rechtzeitig zur Post gegebene, aber auf dem Postweg verloren gegangene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder eine Verzögerung der Übermittlung durch die Post kann den Eintritt der Ruhenswirkung daher selbst dann nicht verhindern, wenn die Meldung unverzüglich nachgeholt wird oder wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Krankengeld im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind (BSG, Urteil vom 08.08.2019, a.a.O., Rn. 20; Urteil vom 25.10.2018, a.a.O.; nochmals bestätigt durch Urteil vom 05.12.2019 – B 3 KR 5/19 R -, s. Terminbericht Nr. 56/16). Wird, wie vorliegend, dem Versicherten vom Vertragsarzt die für die Krankenkasse bestimmte Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgehändigt, wird er in die Lage versetzt, den Weg der Meldung an die Krankenkasse selbst zu bestimmen, das Risiko der Postlaufzeit einzuschätzen und ggf. andere Kommunikationswege zu nutzen, um die Krankenkasse in Kenntnis der (fortbestehenden) Arbeitsunfähigkeit zu setzen. Dies rechtfertigt es, das Risiko, dass die von ihm zu übersendende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf dem Postweg verloren geht oder verspätet zugeht, dessen Sphäre zuzuordnen (BSG, Urteil vom 08.08.2019, a.a.O., Rn. 28). Auch insoweit ist der Vortrag, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unverzüglich nach Erhalt vom Arzt an den Arbeitgeber übergeben zu haben, der sie an die Beklagte weitergeleitet habe, nicht entscheidungsrelevant.

Zwar hat das BSG Ausnahmen von der strikten Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V für Fälle anerkannt, wenn die Fristüberschreitung der Meldung auf Umständen beruhte, die in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fallen und der Versicherte weder wusste noch wissen musste, dass diese von der Arbeitsunfähigkeit keine Kenntnis erlangt hatte, wenn der Versicherte geschäfts- bzw. handlungsunfähig gewesen ist oder aber, wenn der Versicherte seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hatte, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert worden ist (BSG, Urteil vom 25.10.2018, a.a.O.). Eine derartige Ausnahmekonstellation liegt jedoch vorliegend nicht vor, da die Beklagte in Ermangelung der Kenntnis davon, dass die bestehende Arbeitsunfähigkeit über den 10.11.2017 hinaus andauern werde, keinerlei Einfluss auf die der Klägerin obliegende Meldeobliegenheit ausüben konnte. Auch der zuletzt vom BSG im Urteil vom 08.08.2019 (a.a.O.) angenommene Ausnahmefall, dass es aufgrund von besonderen Umständen zu keiner Aushändigung bzw. Überlassung der für die Krankenkasse bestimmten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gekommen ist, liegt vorliegend ersichtlich nicht vor.

Der Klägerin kann auch keine Wiedereinsetzung in die Wochenfrist gewährt werden, da es sich hierbei um eine Ausschlussfrist handelt (BSG, Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 -, in juris, Urteil vom 25.10.2018, a.a.O., Rn. 18; Schifferdecker in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 2, § 49 SGB V, Rn. 46).

Auch eine Leistungsgewährung unter dem Gesichtspunkt einer Nachsichtgewährung kommt vorliegend nicht in Betracht. Diese Rechtsfigur, die maßgebend auf dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) fußt, hat das BSG für Konstellationen unverschuldeter Fristversäumnisse herangezogen, um das damalige Fehlen einer gesetzlichen Wiedereinsetzungsregelung zu kompensieren Insb. im Zusammenhang mit Ausnahmefällen bei der Versäumung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und der Meldung derselben an die Krankenkasse ist sie jedoch nicht (mehr) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 08.08.2019, a.a.O., Rn. 37). Ungeachtet hiervon lägen auch die Voraussetzungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R -, in juris, dort Rn. 22) nicht vor, da die Fristversäumung nicht auf einer von der Krankenkasse zu vertretenden Fehlentscheidung beruht.

Da schließlich § 5 Abs. 1 Satz 5 EntgFG, anders als klägerseits geltend gemacht, Versicherte nicht von ihrer Verpflichtung freistellt, ihre Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse in den zeitlichen Grenzen von § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V mitzuteilen (BSG, Urteil vom 25.10.2018 – B 3 KR 23/17 R -, in juris; Urteil vom 26.09.2019 – B 3 KR 1/19 R -, in juris, dort Rn. 16 f.), ruhte der Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Krankengeld, wie von der Beklagten entschieden, nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V vom 11. – 29.11.2017 wegen der verspäteten Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit.

Der Annahme, dass der Anspruch auf Krankengeld vom 11. – 29.11.2017 geruht hat, steht auch der Bescheid der Beklagten vom 27.11.2017 nicht entgegen. Die Beklagte hat in diesem Bescheid bereits nicht zugesichert, der Klägerin – bedingungslos – Krankengeld ab dem 07.11.2017 zu zahlen. Sie hat vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass fehlende Informationen seitens der Klägerin dazu führen können, dass Krankengeld zurückgefordert werden müssen. Auch lässt der Bescheid vom 30.11.2017 das mit Bescheid vom 27.11.2017 festgestellte Stammrecht auf Krankengeld unberührt. Das Ruhen des Anspruchs führt nicht dazu, dass der Anspruch auf Krankengeld entfällt; das Stammrecht bleibt vielmehr erhalten.

Mithin ruhte der Anspruch der Klägerin auf die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 11. – 29.11.2017 wegen der verspäteten Meldung der Arbeitsunfähigkeit. Der Bescheid der Beklagten vom 30.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 16.08.2018 ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

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