Entlassungsentschädigung: Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs auch bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Das Bayerische Landessozialgericht bestätigte die Entscheidung, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Klägerin für die Zeit vom 01.05.2015 bis 14.07.2015 ruht. Grund hierfür war die Zahlung einer Entlassungsentschädigung an die Klägerin, welche das Arbeitsverhältnis vorzeitig, ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, beendete.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Zentrale Punkte des Urteils:
- Ruhe des Arbeitslosengeldanspruchs: Festgestellt für den Zeitraum 01.05.2015 bis 14.07.2015.
- Entlassungsentschädigung: Klägerin erhielt 20.011 € brutto, was zum Ruhen des Alg-Anspruchs führte.
- Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Arbeitsverhältnis wurde ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet.
- Änderungskündigung und Aufhebungsvereinbarung: Klägerin nahm Änderungskündigung an und schloss später eine Aufhebungsvereinbarung ab.
- Kündigungsfrist: Diskussion über die Länge der Kündigungsfrist (sechs oder sieben Monate), aber in jedem Fall wurde sie nicht eingehalten.
- Gesetzliche Regelungen: § 158 SGB III als Grundlage für das Ruhen des Alg-Anspruchs.
- Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit und des Alters der Klägerin: Bei der Berechnung der Ruhensfrist wurden diese Faktoren berücksichtigt.
- Ablehnung der Berufung: Das Gericht wies die Berufung der Klägerin zurück und bestätigte die vorherige Entscheidung.
Übersicht
Arbeitslosengeld und Entlassungsentschädigung: Ein rechtliches Dilemma
Das Spannungsfeld zwischen dem Anspruch auf Arbeitslosengeld und der Gewährung von Entlassungsentschädigungen bildet einen zentralen Konfliktpunkt im Sozialrecht. Gerade in Fällen, in denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund von Betriebsschließungen oder ähnlichen Umständen vor die Herausforderung gestellt werden, neue Arbeitsverhältnisse einzugehen oder diese zu beenden, gewinnt dieses Thema an Brisanz.
Dabei spielen nicht nur die Höhe und Art der Entlassungsentschädigung eine Rolle, sondern auch die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen und die damit verbundenen rechtlichen Folgen für den Bezug von Arbeitslosengeld. Besonders interessant wird die rechtliche Auseinandersetzung, wenn es um die Berücksichtigung von Sozialplänen und Aufhebungsvereinbarungen geht, die in enger Verbindung mit arbeitsrechtlichen Bestimmungen wie der Kündigungsschutzklage stehen. Die Frage, wie solche Entschädigungen auf den Anspruch von Arbeitslosengeld einwirken, ist von entscheidender Bedeutung, da sie nicht nur die finanzielle Situation der betroffenen Personen, sondern auch deren soziale Sicherheit maßgeblich beeinflusst.
Hintergründe der Auseinandersetzung um Arbeitslosengeld und Entlassungsentschädigung
Im Zentrum des Falles steht die alleinerziehende Klägerin, die seit Februar 1992 in Teilzeit bei der Firma K. E. GmbH in B-Stadt beschäftigt war. Aufgrund der Schließung der Betriebsstätte in B-Stadt und der Verlagerung des Arbeitsplatzes nach A-Stadt sah sich die Klägerin mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert. Der von der Firma mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Sozialplan sah vor, dass Mitarbeitern, die nicht bereit waren, den Arbeitsort zu wechseln, außer in Härtefällen keine Abfindung gezahlt wird. Als alleinerziehende Mutter, die unter physischen und psychischen Belastungen litt, galt die Klägerin als Härtefall und erhielt somit die Möglichkeit, am neuen Standort A-Stadt zu arbeiten, mit der Option auf eine Abfindung, sollte sie das Arbeitsverhältnisspäter beenden.
Der Weg zur gerichtlichen Auseinandersetzung
Die Klägerin nahm zunächst die Änderungskündigung an und zog nach A-Stadt um, wo sie unter zunehmend schwierigen Bedingungen arbeitete. Im Februar 2015 kam es zum Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung, die das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2015 beendete. Gemäß dieser Vereinbarung erhielt die Klägerin eine Entlassungsentschädigung von 20.011 Euro brutto. Nach ihrer Arbeitslosmeldung zum 1. Mai 2015 stellte die Beklagte jedoch das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. Mai bis 14. Juli 2015 fest, da die Klägerin eine Entlassungsentschädigung erhalten hatte. Die Klägerin legte daraufhin Widerspruch ein, der jedoch zurückgewiesen wurde, woraufhin sie Klage zum Sozialgericht Augsburg erhob.
Die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts
Das Bayerische Landessozialgericht wies die Berufung der Klägerin zurück und bestätigte damit das Urteil des Sozialgerichts Augsburg. Das Gericht erklärte, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Alg für die Zeit vom 1. Mai bis 14. Juli 2015 habe, da ihr Anspruch aufgrund der erhaltenen Entlassungsentschädigung ruhte. Nach § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht ein Anspruch auf Alg, wenn der Arbeitslose eine Entlassungsentschädigung erhält und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist beendet wird. Das Gericht stellte fest, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin vorzeitig im Sinne des § 158 Abs. 1 SGB III erfolgte, da die Kündigungsfristen nicht eingehalten wurden.
Schlussfolgerungen und rechtliche Einordnung
Die rechtliche Komplexität des Falles liegt in der Interpretation des § 158 SGB III und der Anwendung auf die spezifischen Umstände der Klägerin. Obwohl die Klägerin unter besonderen Umständen handelte, einschließlich der physischen und psychischen Belastungen, und versuchte, die Arbeitslosigkeit hinauszuzögern, sah das Gericht keine Möglichkeit, den Ruhenstatbestand des Alg zu umgehen. Die Entscheidung unterstreicht die strikte Anwendung der gesetzlichen Vorschriften bezüglich des Ruhens des Alg-Anspruchs bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung. Der Fall zeigt deutlich, wie entscheidend die Einhaltung der Kündigungsfristen und die spezifischen Bedingungen von Aufhebungsvereinbarungen in der Beurteilung solcher Fälle sind.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was bedeutet das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs?
Das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bezeichnet eine Aussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Dies bedeutet, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen bestimmten Zeitraum nicht geltend gemacht werden kann. Der Anspruch wird in der Regel nicht gekürzt, sondern nur zeitlich nach hinten verschoben.
Es gibt verschiedene Gründe, die zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs führen können. Ein häufiger Grund ist die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist, insbesondere wenn der Arbeitslose eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten hat. In diesem Fall ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte.
Ein weiterer Grund kann der Bezug anderer Sozialleistungen sein, wie z.B. Berufsausbildungsbeihilfe, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Rente wegen voller Erwerbsminderung oder eine öffentlich-rechtliche Altersrente. Auch der Bezug von Arbeitsentgelt in einem ruhenden (nicht beendeten) Arbeitsverhältnis oder die Erhaltung von Urlaubsabgeltung nach beendetem Arbeitsverhältnis kann zu einem Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs führen.
Es ist zu betonen, dass das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs unabhängig von den Gründen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintritt. Selbst wenn es gute Gründe für die frühzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gab, hat dies keinen Einfluss auf das Ruhen des Anspruchs.
Nach Beendigung der Ruhezeit entfällt die Auszahlungssperre automatisch. Wenn die betreffende Person bereits Arbeitslosengeld beantragt hat, ist in der Regel kein neuer Antrag notwendig.
Wie wird eine Entlassungsentschädigung rechtlich behandelt?
Die rechtliche Behandlung einer Entlassungsentschädigung in Deutschland kann in drei Hauptbereiche unterteilt werden: steuerliche Behandlung, sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen und Ruhe des Arbeitslosengeldanspruchs.
Entlassungsentschädigungen unterliegen grundsätzlich der Einkommensteuer. Sie können jedoch unter bestimmten Umständen steuerbegünstigt sein. Eine solche Steuervergünstigung kann beispielsweise dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer eine (Teil-)Abfindung wegen einer unbefristeten Reduzierung seiner Wochenarbeitszeit erhält. Die Steuervergünstigung setzt nicht mehr zwingend voraus, dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet wurde. Bestimmte Entschädigungsleistungen des Arbeitgebers können nach der sogenannten Fünftelregelung ermäßigt besteuert werden.
Im Bereich der Sozialversicherung sind Entlassungsentschädigungen grundsätzlich nicht beitragspflichtig. Sie gelten nicht als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt, da sie zum Ausgleich für die mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses verbundenen Nachteile bestimmt sind.
Eine Entlassungsentschädigung kann dazu führen, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. Dies bedeutet, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für eine bestimmte Zeit ausgesetzt wird. Die Dauer dieser Ruhezeit hängt von der Höhe der Entlassungsentschädigung und dem zuletzt erzielten Arbeitsentgelt ab. Während der Ruhezeit ist der Arbeitnehmer nicht durch die Agentur für Arbeit versichert.
Es ist zu erwähnen, dass in Deutschland grundsätzlich kein Abfindungsanspruch nach einer Kündigung besteht. Ein Arbeitgeber ist nach einer von ihm veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses in aller Regel auch nicht zu einer entsprechenden Zahlung verpflichtet.
Das vorliegende Urteil
Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 10 AL 265/15 – Urteil vom 14.12.2016
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.10.2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 01.05.2015 bis 14.07.2015 im Hinblick auf die Gewährung einer Entlassungsentschädigung.
Die am 09.06.1966 geborene, alleinerziehende (Geburtsdatum des jüngsten Kindes: 03.03.2008) Klägerin war seit Februar 1992 bei der Firma K. E. GmbH (K) in B-Stadt in Teilzeit (20 Wochenstunden) beschäftigt. Sie wohnt in A-Stadt. Im Hinblick auf die Schließung der Betriebsstätte von K am Standort in B-Stadt vereinbarte K mit dem Gesamtbetriebsrat am 04.12.2013 einen Interessenausgleich. Nach dem Sozialplan war allen Mitarbeitern ein Arbeitsplatz an einem anderen Arbeitsort anzubieten (Nr. 5 Abs. 1 des Sozialplans). Mitarbeiter, die nicht bereit waren, das neue Angebot anzunehmen und den Arbeitsort zu verändern, erhielten außer bei Härtefällen keinen Anspruch auf eine Abfindung. Ein Härtefall stellte es unter anderem dar, wenn ein alleinerziehender Mitarbeiter in Teilzeit arbeitete und ein oder mehr schulpflichtige Kinder oder Kinder im Kindergarten hatte. Ferner war festgelegt, dass Mitarbeiter, die Härtefälle sind, die Möglichkeit haben sollten, in Form einer maximal 6-monatigen „Schnupperversetzung“ einvernehmlich oder aufgrund einer akzeptierten Änderungskündigung an den neuen Standort A-Stadt zu wechseln. Diesen Mitarbeitern sollte ein Abfindungsanspruch auch zustehen, wenn sie zunächst im Sinne einer „Schnupperversetzung“ wechseln würden und erst danach ihr Arbeitsverhältnis kündigten oder einen Aufhebungsvertrag abschlössen, wobei dieser Anspruch auf einen Zeitraum von 6 Monaten ab Beginn der Schnupperversetzung befristet wurde (Nr. 6 des Sozialplans).
Am 23.12.2013 erhielt die Klägerin eine Änderungskündigung in Form einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit Wirkung zum 31.07.2014. Damit war das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.08.2014 am Standort in A-Stadt unter grundsätzlicher Beibehaltung der bestehenden arbeitsvertraglichen Bestimmungen verbunden. Die Klägerin nahm die Änderungskündigung ab 01.08.2014 bzw. nach späteren Angaben ab 01.10.2014 an und arbeitete sodann am Standort in A-Stadt. Am 05.02.2015 schloss die Klägerin mit K eine Aufhebungsvereinbarung, wonach auf Veranlassung des Arbeitnehmers bzw. gemäß Sozialplan, Punkt 6 (Härtefall mit Schnupperversetzung) jedoch im gegenseitigen Einvernehmen das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, mit Ablauf des 30.04.2015 aufgehoben wurde (§ 1 der Aufhebungsvereinbarung). Gemäß § 4 der Aufhebungsvereinbarung erhielt die Klägerin „gemäß Sozialplan eine Härtefallabfindung“ iHv 20.011 € brutto.
Die Klägerin meldete sich am 13.02.2015 zum 01.05.2015 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Mit Bescheid vom 07.05.2015 stellte die Beklagte das Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen der Zahlung einer Entlassungsentschädigung für die Zeit vom 01.05.2015 bis 14.07.2015 fest und bewilligte mit weiterem Bescheid vom 07.05.2015 unter Beachtung des Ruhenszeitraumes Alg für die Zeit vom 15.07.2015 bis 13.07.2016 mit einem Leistungsbetrag von 35,53 € täglich. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Gegen die ursprüngliche Änderungskündigung zum 31.07.2014 habe sie Kündigungsschutzklage eingereicht, weshalb es ihr bis zur Standortschließung zum 30.09.2014 möglich gewesen sei, in B-Stadt zu arbeiten. Die Kündigungsfrist habe vier Wochen betragen und sei im Aufhebungsvertrag berücksichtigt worden, so dass sie die Arbeitslosigkeit um insgesamt neun Monate über den ursprünglichen Kündigungstermin hinausgezögert habe. Ihr sei von vornherein klar gewesen, dass sie aufgrund der permanenten physischen und psychischen Belastung langfristig nicht weiter in A-Stadt beschäftigt sein könne. In der Abfindungssumme sei ein Betrag von 2.500 € als im Sozialplan festgelegter Kinderzuschlag berücksichtigt worden. 10.000 € der Netto-Abfindung seien in den Erwerb einer Wohnung geflossen. Im Rahmen des Pendelns nach A-Stadt seien hierfür weitere Kosten angefallen. Der Kindsvater zahle keinen Unterhalt und ein Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) sei mittlerweile entfallen. Trotz Senkung ihrer monatlichen Belastungen sei sie auf das Alg angewiesen. Die andauernden Überlastungen hätten bei ihr und ihrer Tochter zu gesundheitlichen Problemen geführt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2015 zurück. Die Kündigungsfrist habe nach der Arbeitsbescheinigung sieben Monate zum Ende des Vierteljahres betragen. Damit hätte die Kündigungsfrist erst am 30.09.2015 geendet. Im Hinblick auf das Alter und die Beschäftigungsdauer ruhe der Anspruch auf Alg bei 30%-iger Berücksichtigung bis 14.07.2015. Die Gründe, aus denen das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, seien unerheblich. Es könne keine Verkürzung des Ruhenszeitraumes wegen einer besonderen Härte vorgenommen werden.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Sie habe zur Sicherung ihres Arbeitsplatzes alle Möglichkeiten ergriffen und sich bereit erklärt, an einer sogenannten „Schnupperversetzung“ teilzunehmen. Ab dem 01.08.2014 sei sie dann nach A-Stadt gependelt. Wegen der hohen physischen und psychischen Belastung habe sie das Schnupperprogramm mit Aufhebungsvertrag beendet. Sie sei mehrfach krankgeschrieben und nicht bei der Arbeit gewesen. Ihre Tochter habe fortlaufend Angstzustände gehabt und sei oft weinend in der Schule gesessen. Hätte sie die Änderungskündigung wirksam werden lassen, wäre das Arbeitsverhältnis bereits zum 31.07.2014 beendet worden. Bei der vorliegenden Konstellation sei ihr die Abfindung nicht „wegen“ und nicht nur anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden. Diese sei ausweislich des Sozialplans nur für Mitarbeiter vorgesehen gewesen, die von dem Weiterbeschäftigungsangebot in A-Stadt Gebrauch gemacht hätten oder unter die Härtefallregelung gefallen seien. Mit Urteil vom 06.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis sei durch den Aufhebungsvertrag ohne Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden. Insbesondere habe keine vierwöchige Kündigungsfrist gegolten, da infolge der Änderungskündigung die bestehenden arbeitsvertraglichen Bestimmungen trotz des Wechsels des Betriebsstandortes fortgegolten hätten. Im Übrigen sei bei zwei aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber vorliegend zwischen den Beschäftigungsverhältnissen ein derart enger sachlicher Zusammenhang gegeben, dass die Beschäftigungszeiten aus dem früheren Arbeitsverhältnis in B-Stadt bei der Ermittlung der Kündigungsfrist zu berücksichtigen gewesen wäre.
Die Klägerin hat dagegen Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt und ergänzend ausgeführt, es sei eine einschränkende Auslegung des § 158 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geboten, da vorliegend eine Manipulation zu Lasten der Arbeitslosenversicherung nicht in Betracht kommen könne. Die Entlassungsentschädigung wäre in jedem Fall am Ende der Kündigungsfrist in gleicher Höhe zu bezahlen gewesen. Der Ruhenstatbestand sei nur anzuwenden, wenn ein Beschäftigungsverhältnis mit Lohnanspruch unterbrochen werde, weil nur dann in der Abfindung ein Entgeltanteil enthalten sein könne. Hätte sie gegen die Beendigungskündigung keine Kündigungsschutzklage erhoben, wäre kein Ruhenstatbestand eingetreten, da dann die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten worden wäre. Nur weil sie versucht habe, unter erheblichen physischen und psychischen Einschränkungen die Arbeitslosigkeit hinauszuzögern, und die „Schnupperversetzung“ angenommen habe, könne es für einen solchen Fall nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen, dass nachträglich ein Ruhenstatbestand eintrete. Es bestehe eine Vergleichbarkeit mit der Konstellation eines Abwicklungsvertrages nach Ausspruch einer Kündigung, bei der die Abfindung nicht angerechnet werde, wenn die vorausgegangene Kündigung die Kündigungsfrist gewahrt habe. Bereits mit ordentlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses wäre die Sozialplanabfindung in gleicher Weise angefallen. Es habe eine gesetzliche Kündigungsfrist von sechs Monaten, nicht von sieben zum Ende eines Kalendermonats gegolten.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.10.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 07.05.2015 (Feststellung des Ruhens) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2015 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 07.05.2015 (Bewilligungsbescheid) auch für die Zeit vom 01.05.2015 bis 14.07.2015 Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat vorgebracht, dass die Gründe für den Aufhebungsvertrag unerheblich seien.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide vom 07.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Streitgegenstand ist vorliegend die Zahlung von Alg für die Zeit vom 01.05.2015 bis 14.07.2015, die die Beklagte mit Bescheid vom 07.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2015 abgelehnt hat. Da der „Bewilligungsbescheid“ vom 07.05.2015, mit dem die Beklagte für diesen Zeitraum kein Alg bewilligt hat, mit dem „Ruhensbescheid“ vom 07.05.2015 eine Einheit bildet – er setzt das festgestellte Ruhen des Anspruchs auf Alg leistungsrechtlich um -, ist auch dieser Gegenstand des Verfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 05.08.1999 – B 7 AL 14/99 R – BSGE 84, 225; Urteil vom 12.05.2012 – B 11 AL 6/11 R – SozR 4-4300 § 144 Nr 23; Urteil des Senats vom 22.04.2015 – L 10 AL 168/14).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Alg für die Zeit vom 01.05.2015 bis 14.07.2015. Ein Anspruch auf Alg setzt nach § 137 Abs. 1 SGB III Arbeitslosigkeit (Nr. 1), eine Arbeitslosmeldung (Nr. 2) und die Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr. 3) voraus. Diese Voraussetzungen hat die Klägerin für die Zeit ab dem 01.05.2015 dem Grunde nach unbestrittenermaßen erfüllt. Insofern hat die Beklagte auch Alg im Hinblick auf das am 01.05.2015 entstandene Stammrecht ab 15.07.2015 bewilligt.
Für die Zeit vom 01.05.2015 bis 14.07.2015 hat der Anspruch auf Alg geruht. Ein Anspruch auf Alg ruht, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (§ 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Nach § 158 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB III beginnt die Frist mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde vorzeitig im Sinne des § 158 Abs. 1 SGB III unabhängig davon beendet, ob eine Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres (§ 626 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) oder – wie von der Klägerin vorgetragen – eine Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB) galt. In jedem Fall hat die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30.04.2015 (§ 1 der Aufhebungsvereinbarung) ausgehend von der Aufhebungsvereinbarung am 05.02.2015 keinesfalls die gesetzliche Kündigungsfrist gewahrt. Eine Frist von nur vier Wochen, wie im Widerspruch behauptet, galt nicht. Insbesondere handelte es sich bei dem nach Annahme der Änderungskündigung nicht um ein neues Arbeitsverhältnis, für das die bisherige Beschäftigungsdauer für die Berechnung der Kündigungsfrist nach § 622 BGB irrelevant wäre, da sich aus der Änderungskündigung vom 23.12.2013 eindeutig ergibt, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis lediglich an einem neuen Arbeitsort fortgesetzt werden sollte. Selbst bei Annahme, es würde sich nach Änderung des Beschäftigungsortes um ein neues Beschäftigungsverhältnis bei K. handeln, wären die Beschäftigungszeiten aus einem früheren Beschäftigungsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber anzurechnen, da zwischen den beiden Beschäftigungsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang bestanden hat (vgl. dazu BAG, Urteil vom 18.09.2003 – 2 AZR 330/02; Urteil vom 23.10.2008 – 2 AZR 131/07; Preis in Staudinger, BGB, Stand 2016, § 622 Rn. 25b).
Wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin auch eine Entlassungsentschädigung iHv 20.011 € brutto nach § 4 der Aufhebungsvereinbarung erhalten. Die Vorschrift des § 158 SGB III geht bezüglich des Abfindungsbetrages typisierend von der Annahme aus, dieser enthalte Arbeitsentgeltanteile, wenn im Hinblick auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Kündigungsfristen nicht gewahrt werden. Dabei spielt es keine Rolle, wenn der Abfindungsbetrag aufgrund eines Sozialplans gezahlt wird. Im Gegensatz zur Änderungskündigung vom 23.12.2013, die im Hinblick auf ihre Wirkung zum 31.07.2014 die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten hätte, war dies im Rahmen der Aufhebungsvereinbarung gerade nicht mehr der Fall. Diese stellte keine Regelung der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nach einer Kündigung dar, unabhängig wie ein solcher Falle rechtlich zu bewerten wäre. Es bestand vielmehr nach wie vor ein wirksames Arbeitsverhältnis, das erst durch die Aufhebungsvereinbarung mit Ablauf des 30.04.2015 beendet worden ist. Im Ergebnis stellt auch der Fall, in dem ein Arbeitnehmer anlässlich einer Betriebsstilllegung zur Abwendung einer Arbeitgeberkündigung zunächst ein Versetzungsangebot annimmt, später aber aus dem Arbeitsverhältnis an dem neuen Beschäftigungsort innerhalb der vom Sozialplan vorgesehenen Erprobungszeit ausscheidet, um die Sozialplanabfindung im Zusammenhang mit der früheren Betriebsänderung ungekürzt zu erhalten, eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar (so auch: Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, Stand 06/2016, § 158 Rn. 52 mit Verweis auf LSG Niedersachsen, Urteil vom 17.06.1997 – L 7/8 Ar 124/96). Im Übrigen wäre fraglich, ob die Abfindung überhaupt noch aufgrund des Sozialplans zu leisten gewesen wäre, da in dessen Nr. 6 der Abfindungsanspruch bei einer Schnupperversetzung auf einen Zeitraum von sechs Monaten ab deren Beginn befristet war. Unabhängig vom Vollzug der Schnupperversetzung nach A-Stadt ab 01.08.2014 (so die Änderungskündigung) oder ab 01.10.2014 (so der Vortrag im Rahmen der Berufung) wäre der Anspruch nur für eine Beendigung bis spätestens 31.03.2015 gegeben gewesen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete aber erst mit Ablauf des 30.04.2015.
Ohne rechtlichen Belang für die Anwendung des § 158 SGB III sind die Gründe, die die Klägerin zum Abschluss der Aufhebungsvereinbarung veranlasst haben. Selbst eine ihr zustehende Kündigungsmöglichkeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist wäre insofern unerheblich (vgl. BSG, Urteil vom 20.01.2000 – B 7 AL 48/99 R – SozR 3-4100 § 117 Nr. 20). Dass dem Arbeitgeber nach Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses am Standort A-Stadt im Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung ein Recht zur fristlosen Kündigung zugestanden hätte, ist weder ersichtlich noch vorgebracht worden.
Eine einschränkende Auslegung des § 158 SGB III für die Fälle, in denen am Ende der Kündigungsfrist eine Entschädigung in gleicher Höhe zu zahlen wäre, ist nicht angezeigt. Es ist ohne Bedeutung, ob die Abfindung auch bei Beendigung durch ordentliche Kündigung gezahlt worden wäre (vgl. Bender in Gagel, SGB II/SGB III, Stand Juni 2016, § 158 Rn 28a). Voraussetzung ist allein, dass zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung ein ursächlicher Zusammenhang besteht, nicht aber ob die Abfindung in ursächlichem Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht (vgl. BSG, Urteil vom 21.09.1995 – 11 RAr 41/95 – SozR 3-4100 § 117 Nr. 12). Soweit entgegen der Rechtsprechung des BSG (zB Urteil vom 21.09.1995 – 11 RAr 41/95 – SozR3-4100 § 117 Nr. 12) die Ansicht vertreten wird, Fallgestaltungen, bei denen kein Zweifel daran aufkommen kann, dass die Entlassungsentschädigung in jedem Fall am Ende der ordentlichen Kündigungsfrist in gleicher Höhe zu zahlen ist, weil etwa ein Sozialplan für alle ausscheidenden Arbeitnehmer eine Entlassungsentschädigung vorsieht und der Arbeitnehmer zB wegen besonderer Umstände vorzeitig fristlos kündigt (so Bender aaO Rn 41 f. mwN), überzeugt dies im Hinblick auf die vom Gesetzgeber bewusst gewollte Typisierung nicht. Zudem hat die Klägerin durch ihr Verhalten, nämlich den Abschluss der Aufhebungsvereinbarung, eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses hingenommen. Maßgeblich für die Anwendung des § 158 SGB III ist alleine die objektive Rechtslage, mithin wie das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet worden ist, nicht wie es hätte enden können oder sollen (vgl dazu BSG aaO mwN). Ohne Belang ist letztlich, wie die Klägerin ihre Abfindung tatsächlich verwendet hat.
Damit begann die Ruhensfrist bezüglich der Zahlung des Alg nach § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III am 01.05.2015. Die Frist läuft grundsätzlich bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der Kündigungsfrist geendet hätte. Da aber im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit der Klägerin (23 Jahre) und ihr Lebensalter (48 Jahre) nur 30 Prozent der Entlassungsentschädigung zu berücksichtigen waren (§ 158 Abs 2 Satz 3 SGB III) und ein kalendertäglich verdientes Arbeitsentgelt iHv 79,17 € zugrunde zu legen ist, errechnet sich nach § 158 Abs 2 Satz 2 SGB III nur eine Dauer der Ruhensfrist von 75 Kalendertagen (30% von 20.011 € / 79,17 €). Dieser Zeitraum ist in jedem Fall kürzer als sechs Monate, so dass es auf die Frage einer sechsmonatigen oder siebenmonatigen Kündigungsfrist nicht ankommt.
Die Beklagte hat damit zu Recht das Ruhen des Anspruchs auf Alg für die Zeit vom 01.05.2015 bis 14.07.2015 festgestellt. In dieser Zeit kann die Klägerin kein Alg beanspruchen.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.