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Ruhen Krankengeldanspruch bei verspäteter Meldung der Arbeitsunfähigkeit

Der Fall einer verspäteten Meldung der Arbeitsunfähigkeit: Auswirkungen auf den Krankengeldanspruch

Es geht um eine Angelegenheit, die im Alltag vieler Arbeitnehmer aufkommen kann und ernsthafte Konsequenzen für deren finanzielle Situation hat. Ein Arbeitnehmer wurde arbeitsunfähig und stellte einen Antrag auf Krankengeld. Alles verlief zunächst reibungslos, bis eine verspätete Meldung der Arbeitsunfähigkeit zur Debatte stand. Die Frau hatte ihre Folgebescheinigung verspätet eingereicht, woraufhin ihre Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes für einen bestimmten Zeitraum einstellte. Sie argumentierte, dass sie über die genauen Fristen und die Konsequenzen einer verspäteten Einreichung der Bescheinigung nicht ausreichend aufgeklärt worden sei. Doch wer trägt in diesem Fall die Verantwortung und welche Rolle spielt das Wissen um die Regeln und Pflichten?

Direkt zum Urteil Az: L 5 KR 136/21 springen.

Missverständnisse und die Folgen

Die Betroffene, geboren im Jahr 1984, wurde im März 2020 arbeitsunfähig geschrieben. Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums im April bewilligte die Krankenkasse das Krankengeld. Bei der Weitergabe einer Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit gab es jedoch Verzögerungen. Die Bescheinigung ging erst einige Tage nach der im Brief der Krankenkasse genannten Frist ein. Die Frau wies darauf hin, dass sie die Frist nicht gekannt und die Informationen verwirrend gefunden habe.

Ablehnung des Widerspruchs und Einschaltung des Gerichts

Die Krankenkasse hielt jedoch an ihrer Entscheidung fest und lehnte den Widerspruch der Frau ab. Sie legte daraufhin Klage beim Sozialgericht Regensburg ein und führte an, dass sie nicht ausreichend über die Rechtsfolgen einer verspäteten Einreichung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeklärt worden sei. Das Gericht sah jedoch keine Verletzung der Aufklärungspflichten seitens der Krankenkasse und wies die Klage ab.

Berufung und weitere Entwicklungen

Die Klägerin legte Berufung ein und verwies auf ihre bisherigen Ausführungen. Das Gericht wies jedoch auf die geringen Erfolgsaussichten hin. In der Zwischenzeit wurde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet. Trotz der angespannten Situation blieb sie dabei, dass die Krankenkasse ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sei. Die endgültige Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts steht noch aus.

Die Lehre aus diesem Fall ist klar: Es ist von großer Bedeutung, sich als Arbeitnehmer über die eigenen Pflichten und die genauen Fristen im Falle einer Arbeitsunfähigkeit im Klaren zu sein, um den Krankengeldanspruch nicht zu gefährden.


Das vorliegende Urteil

Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 5 KR 136/21 – Urteil vom 29.09.2021

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 11.03.2021 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld vom 22.04.2020 bis 11.05.2020.

1. Die 1984 geborene Klägerin war mit Erstbescheinigung vom 10.03.2020 arbeitsunfähig geschrieben. Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes am 20.04.2020 bewilligte die Beklagte Krankengeld ab dem 21.04.2020. Die Höhe bezifferte die Beklagte im Bescheid vom 24.04.2020 mit 51,90 € kalendertäglich. Das Schreiben enthielt „Wichtige Hinweise zur Krankengeldzahlung“, unter dem ersten Bulletpoint folgenden Hinweis: „Bitte schicken Sie uns die Bescheinigung über Ihre Arbeitsunfähigkeit so schnell wie möglich zu. Sie muss innerhalb von sieben Tagen bei uns eingegangen sein….“. Mit Folgebescheinigungen vom 22.04.2020 wurde eine weitere Arbeitsunfähigkeit bis 08.05.2020 festgestellt. Diese Folgebescheinigung ging bei der Beklagten am 12.05.2020 ein. Die Beklagte erließ deshalb am 18.05.2020 einen Ruhensbescheid für den Zeitraum vom 22.04. bis 11.05.2020.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und trug vor, sie habe nicht gewusst, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUB) immer binnen einer Woche einzugehen hätten, die Hinweise seien verwirrend gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2020 zurück.

2. Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) Klage erhoben mit der Begründung einer fehlenden Aufklärung über die Rechtsfolgen über verspäteten Vorlage der AUB durch die Beklagte.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.03.2021 abgewiesen. Die Klägerin sei ihren Obliegenheiten nicht nachgekommen, die Beklagte hingegen habe keine Aufklärungspflichten verletzt.

3. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und auf ihren Vortrag im Widerspruchs- und Klageverfahren verwiesen.

Der Senat hat die Klägerin mit gerichtlichem Hinweis vom 05.05.2021 auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung hingewiesen. Die Klägerin hat abermals die unvollständige Aufklärung durch die Beklagte betont und ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Amberg vom 17.05.2021 über die Eröffnung des Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin hat der Senat das Verfahren nach § 202 SGG iVm § 240 ZPO zunächst ausgesetzt. Die Insolvenzverwalterin, Rechtsanwältin Anja Adam, hat mit Schreiben vom 14.07.2021 erklärt, die Klägerin dürfe den Rechtsstreit selbst fortführen. Daraufhin hat der Senat das Verfahren wiederaufgenommen (§ 202 SGG iVm § 250 ZPO).

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regenburg vom 11.03.2021 und den Bescheid der Beklagten vom 18.05.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld für den Zeitraum vom 22.04.2020 bis 10.05.2020 in gesetzlicher Höhe auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Gegenstand der Entscheidung waren die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten. Auf diese wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 144, 151 SGG) ist nicht begründet.

Der Senat konnte ohne mündlichen Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben (Schreiben der Klägerin vom 26.05.2021, Schreiben der Beklagten vom 27.07.2021).

Der Gerichtsbescheid des SG verneint im Ergebnis zutreffend einen Anspruch auf Krankengeld im streitgegenständlichen Zeitraum des Ruhens vom 22.04.2020 – 10.05.2020. Der Anspruch auf Krankengeld ruht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in diesem Zeitraum, da die Klägerin ihrer Obliegenheit zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse nicht binnen Wochenfrist nachgekommen ist. Die gesetzliche Rechtsfolge des Ruhens des Krankengeldanspruchs bei verspäteter Meldung tritt unabhängig davon ein, ob die Klägerin über die Rechtslage aufgeklärt war oder nicht (dazu 1.). Es besteht auch kein Anspruch auf Auszahlung von Krankengeld auf der Basis eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Kassen sind nicht verpflichtet, die Versicherten auf deren gesetzliche Obliegenheiten hinzuweisen (dazu 2.). Da keine Beratungspflicht besteht, kommt es nicht darauf an, ob die Hinweise der Beklagten ausreichend gewesen sind (dazu 3.).

1. Die Rechtsansicht der Klägerin, die gesetzliche Rechtsfolge des Ruhens trete dann nicht ein, wenn sie diese nicht gekannt habe bzw. wenn die Hinweise der Beklagten vermeintlich verwirrend waren, findet keine Stütze im Gesetz.

Die AU-Meldung bezweckt, der Krankenkasse die Nachprüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu ermöglichen. Die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr 5 SGB V soll die Krankenkassen zum einen davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen, um Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen können. Überdies sollen die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, die AU zeitnah durch den Medizinischen Dienst überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Die Wochenfrist, innerhalb derer die Meldung der AU gegenüber der Krankenkasse erfolgen kann, ist mit Rücksicht darauf eine Ausschlussfrist (BSG, Urt. v. 25.10.2018 – B 3 KR 23/17 R). Die gesetzlich vorgeschriebene AU-Meldung stellte bis 2020 – im hier streitgegenständlichen Zeitraum – allein eine Obliegenheit der Versicherten dar (BSG, Urt. v. 10.5.2012 – B 1 KR 20/11 R). Mögliche Härten für den Versicherten hatte der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Soweit die Meldung in den Verantwortungsbereich der Versicherten fällt, ist die Gewährung von Krankengeld auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft (bspw. BSG, Urt. v. 25.10.2018 – B 3 KR 23/17 R, Rn. 19; BSG, Urt. v. 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R).

2. Die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung verneint im Krankengeldrecht eine Pflicht der Krankenkassen, die Versicherten über ihre Obliegenheiten aufzuklären (st. Rspr., vgl. BSG – B 1 KR 17/13 R, B 1 KR 19/14 R, B 1 KR 25/14 R, LSG Hessen – L 1 KR 432/19, im Anschluss B 3 KR 26/20 B). Die Klägerin kann daher keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend machen. Die Praxis einiger Krankenkassen zur Information über die Rechtslage basiert nicht auf einer gesetzlichen Pflicht. Sie erscheint im Hinblick auf die Rechtsfolgen, insbesondere im Rahmen des hier nicht einschlägigen § 192 SGB V zwar sinnvoll, jedoch besteht eine allgemeine Pflicht nach § 13 SGB I nicht. Etwas Anderes ergibt sich auch aus den von der Klägerin vorgetragenen Urteilen (LSG BW, Urt. v. 22.11.2017 – L 5 KR 2067/17; BSG, Urt. v. 25.10.2018 – B 3 KR 23/17 R). Diesen Entscheidungen lag lediglich ein Sachverhalt zugrunde, in welchen die beklagten Krankenkassen unstreitig aufgeklärt hatten.

Eine Situation, bei der die Beklagte eine Pflicht zur Spontanberatung gehabt hätte, ist vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

3. Es kann im Ergebnis mangels Beratungspflicht offenbleiben, ob das Informationsschreiben der Beklagten vom 24.4.2020 ausreichend war. Hierzu ist festzustellen, dass die Information über die Obliegenheit (Eingang der AUB bei der Kasse spätestens nach 7 Tagen) korrekt war. Daraus lässt sich eine zusätzliche Belehrung über die gesetzlichen Rechtsfolgen nicht begründen.

Damit blieb die Berufung vollumfänglich ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung basiert auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.

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