Aufhebungsvertrag und Speed-Prämie: Kläger kämpft um Rechte
Key Takeaway des Urteils: Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern zurück. Der Kläger hatte auf eine zusätzliche Speed-Prämie nach Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags geklagt, die ihm jedoch verwehrt wurde. Das Gericht fand keine hinreichenden Gründe für eine Vertragsanpassung oder einen Schadensersatzanspruch aufgrund von Aufklärungspflichtverletzungen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Berufung abgewiesen: Das Landesarbeitsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil, das die Forderung des Klägers nach einer zusätzlichen Abfindung in Form einer Speed-Prämie abgelehnt hatte.
- Kein Anspruch auf Speed-Prämie: Laut Aufhebungsvertrag bestand kein Anspruch des Klägers auf eine Speed-Prämie, nur die vereinbarte Abfindung nach Sozialplan PACE! war zugesichert.
- Ergänzende Vertragsauslegung unzulässig: Das Gericht sah keine Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke, die eine ergänzende Vertragsauslegung rechtfertigen würde.
- Keine Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage: Die vereinbarte Abfindung entsprach den ursprünglichen Vertragsbestimmungen, und spätere Änderungen fielen in den Risikobereich des Klägers.
- Kein Anspruch aus ergänzender Vereinbarung: Die Vereinbarung zur Förderung freiwilliger Austritte galt nicht rückwirkend für bereits abgeschlossene Aufhebungsverträge.
- Kein Schadensersatzanspruch: Das Gericht sah keinen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, da keine relevante Verletzung seitens der Beklagten vorlag.
- Entscheidung zu Verhandlung und Aufklärung: Ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns wurde ausgeschlossen, da keine unfaire Verhandlungssituation vorlag und der Kläger ausreichend informiert wurde.
- Vertragsbestimmungen und Risikotragung: Der Kläger musste sich an die vertraglichen Vereinbarungen halten, und das Risiko späterer Vertragsänderungen tragen.
Übersicht
Sozialplanabfindung und ihre Rechtsgrundlagen: Ein kritischer Blick
Das Arbeitsrecht umfasst eine Vielzahl von Situationen, in denen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf unterschiedliche Weise interagieren. Besonders interessant sind Fälle, in denen Aufhebungsverträge, Abfindungen und damit verbundene Rechte und Pflichten eine Rolle spielen. Der Fokus dieses Artikels liegt auf der Sozialplanabfindung und der Speed-Prämie im Kontext von Aufhebungsverträgen sowie der Verletzung von Aufklärungspflichten.
Diese Themen sind von großer Bedeutung, da sie grundlegende Aspekte des Arbeitsrechts berühren: Wie werden Abfindungen berechnet? Welche Rolle spielen dabei spezielle Anreize wie die Speed-Prämie? Wie gestalten sich die Informations- und Aufklärungspflichten der Arbeitgeber im Rahmen der Vertragsverhandlungen? Diese Fragen sind nicht nur für die direkt beteiligten Parteien von Interesse, sondern auch für die allgemeine rechtliche Bewertung von Arbeitsverhältnissen.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat sich mit diesen Themen in einem konkreten Fall auseinandergesetzt. Dabei ging es um die Auslegung und Anwendung von Vertragsklauseln sowie die Beurteilung von Informationspflichten. Dieser Fall bietet tiefe Einblicke in die praktische Handhabung und die juristischen Feinheiten im Bereich des Arbeitsrechts.
Blicken wir nun detaillierter auf die Umstände und die juristischen Argumentationen, die in diesem speziellen Fall vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz verhandelt wurden. Hierbei wird deutlich, wie komplex und vielschichtig die rechtlichen Beurteilungen in der Arbeitswelt sein können.
Der Streit um die Speed-Prämie: Detailanalyse des Falls
Der Fall, der kürzlich vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz verhandelt wurde, dreht sich um einen strittigen Anspruch auf eine sogenannte Speed-Prämie nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Dieser Fall wirft verschiedene Fragen hinsichtlich der rechtlichen Einschätzungen und der Anwendung von Sozialplanregelungen auf.
Hintergründe des Rechtsstreits: Aufhebungsvertrag und Sozialplan
Der Kläger, seit 1983 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt, sollte im Rahmen eines Freiwilligenprogramms namens PACE! aus dem Unternehmen ausscheiden. Der Sozialplan PACE! sah vor, dass Mitarbeiter, die das Unternehmen aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung oder eines einvernehmlichen Aufhebungsvertrags verlassen, eine Abfindung erhalten. Die Höhe dieser Abfindung richtete sich nach einer festgelegten Formel, die das Alter, die Betriebszugehörigkeit und das Bruttomonatsgehalt berücksichtigte.
Kern des Konflikts: Zusätzliche Speed-Prämie
Die Beklagte bot dem Kläger eine Aufhebungsvereinbarung an, die er im Oktober 2021 unterzeichnete. Die Abfindung wurde gemäß dem Sozialplan berechnet. Unmittelbar nach der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags durch den Kläger wurde jedoch eine zusätzliche Vereinbarung, die Speed-Prämie, eingeführt. Diese sah vor, dass Mitarbeiter, die bis zum 31. Dezember 2021 einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen, zusätzlich zur regulären Abfindung eine Speed-Prämie erhalten. Der Kläger machte geltend, dass ihm diese Prämie zustehe, da er bei Kenntnis dieser neuen Regelung den Vertrag erst später unterzeichnet hätte.
Gerichtliche Auseinandersetzung und Entscheidung
Das Arbeitsgericht wies die Klage des Klägers ab, eine Entscheidung, die vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt wurde. Die Gerichte argumentierten, dass die Speed-Prämie nicht rückwirkend für bereits abgeschlossene Aufhebungsverträge gelte. Ferner wurde festgestellt, dass keine zusätzlichen mündlichen Vereinbarungen oder Zusicherungen seitens des Arbeitgebers getroffen wurden, die über die schriftliche Aufhebungsvereinbarung hinausgingen.
Rechtliche Einordnung und Ausblick
Dieser Fall verdeutlicht die Komplexität von Sozialplanregelungen und Aufhebungsverträgen. Er unterstreicht auch die Bedeutung einer klaren und umfassenden Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über alle relevanten Vertragsbedingungen. Obwohl der Kläger in diesem Fall keinen Anspruch auf die Speed-Prämie hatte, beleuchtet der Fall wichtige Aspekte des Arbeitsrechts, insbesondere im Kontext von Sozialplänen und betriebsbedingten Veränderungen.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz stellt klar, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen einzuhalten sind und dass Vertragsvereinbarungen und spätere Änderungen der Rahmenbedingungen genau zu prüfen sind. In ähnlichen Fällen könnten zukünftige Urteile durch diesen Fall beeinflusst werden, auch wenn jede Entscheidung auf den spezifischen Umständen des Einzelfalls beruht.
Für weitere Details und rechtliche Beratung in ähnlichen Fällen ist es empfehlenswert, sich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu wenden.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was umfasst eine Sozialplanabfindung und wie wird sie berechnet?
Eine Sozialplanabfindung ist eine finanzielle Entschädigung für Arbeitnehmer, die aufgrund einer Betriebsänderung, wie Umstrukturierungen oder Betriebsschließungen, ihren Arbeitsplatz verlieren. Die Abfindung soll die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehen, zumindest teilweise ausgleichen oder mildern.
Die Berechnung der Sozialplanabfindung erfolgt in der Regel anhand einer Formel oder eines Punktesystems, die im Sozialplan festgelegt werden. Übliche Bemessungskriterien für die Höhe der Abfindung sind unter anderem der Familienstand, Unterhaltsverpflichtungen, Betriebszugehörigkeit, Alter und das Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers. Eine häufig verwendete Faustformel zur Berechnung der Sozialplanabfindung lautet: „Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatseinkommen x Faktor“. Der Faktor kann je nach Sozialplan variieren und wird von Betriebsrat und Arbeitgeber ausgehandelt.
Es ist wichtig zu beachten, dass die genaue Berechnung der Sozialplanabfindung von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein kann und von den im jeweiligen Sozialplan festgelegten Kriterien abhängt. In einigen Fällen kann die Sozialplanabfindung auch durch Höchstbeträge gedeckelt sein.
Was ist eine Speed-Prämie im Kontext von Aufhebungsverträgen?
Eine Speed-Prämie, auch als Sprinterprämie oder Turboklausel bekannt, ist eine Vereinbarung im Kontext von Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen. Sie ermöglicht es dem Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist zu beenden. Wenn der Arbeitnehmer diese Option nutzt, erhält er eine zusätzliche Abfindung, die Sprinterprämie, die als Ausgleich für den Lohnverlust dient, der durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht.
Die Höhe der Sprinterprämie ist Verhandlungssache und sollte im Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag genau definiert werden. Sie kann als Anreiz dienen, das Arbeitsverhältnis frühzeitig zu beenden, insbesondere bei längeren Kündigungsfristen. Grundsätzlich gilt: Je früher der Arbeitnehmer ausscheidet, desto höher die Sprinterprämie.
Es ist zu beachten, dass auf Sprinterprämien keine Sozialversicherungsabgaben gezahlt werden müssen. Zudem kann eine zusätzlich gezahlte Abfindung, die nach Wahrnehmung einer Sprinterklausel zur vorzeitigen Auflösung eines Arbeitsvertrages gezahlt wird, ermäßigt besteuert werden.
Die Sprinterklausel bietet dem Arbeitnehmer Flexibilität und kann zu einer erhöhten Abfindung führen. Sie ermöglicht einen schnelleren Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber. Allerdings besteht kein Anspruch auf eine Sprinterprämie, wenn sie nicht im Aufhebungs-, Abwicklungsvertrag oder in einem Vergleich im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens vereinbart wurde.
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 6 Sa 136/22 – Urteil vom 31.01.2023
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – 1 Ca 110/22 – vom 21. April 2022 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf eine sog. Speed-Prämie nach Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung, zuletzt auch im Wege des Schadensersatzes wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht.
Der 1967 geborene Kläger war ab 01. September 1983 bei der Beklagten in B-Stadt beschäftigt. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 8.305,00 Euro.
Die Beklagte schloss mit dem bei ihr gewählten Gesamtbetriebsrat anlässlich von Personalabbaubemühungen im Rahmen des Freiwilligenprogramms PACE! unter dem 21. März 2018 den „Programm PACE! Sozialplan“ (Bl. 43 ff. d. A.; im Folgenden: Sozialplan PACE!), dessen Ziff. II auszugsweise wie folgt lautet:
„II.
1. Arbeitnehmer, die aufgrund einer betriebsbedingten (Änderungs-) Kündigung bzw. einvernehmlichen Aufhebung auf Veranlassung von C. zur Vermeidung einer betriebsbedingten (Änderungs-) Kündigung ausscheiden, erhalten für den Verlust des sozialen Besitzstandes und zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile eine Abfindung. Die jeweilige Abfindung berechnet sich nach folgender Formel:
Alter x Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsgehalt
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2. „Alter“ und „Betriebszugehörigkeit“ werden zum „Tag des Ausscheidens“ (tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses) auf zwei Stellen hinter dem Komma ermittelt und auf eine Stelle hinter dem Komma kaufmännisch gerundet.
3. „Bruttomonatsgehalt ist das tatsächlich gezahlte Jahresbruttoentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, Fahrtkostenerstattungen, Aufwandsentschädigungen oder Vergleichbares zum Stichtag 31.12. des jeweiligen Vorjahres dividiert durch 12.
4. Die Abfindung aus der vorstehenden Ziffer 1 erhöht sich bei Arbeitnehmern
a) um ein Nettomonatsgehalt (ohne Mehrarbeitszuschläge, Fahrtkostenerstattungen, Aufwandsentschädigungen oder Vergleichbares) für jeden vollen Monat, um den das Arbeitsverhältnis im Aufhebungsvertrag gegenüber der Dauer im Falle des Ausspruchs einer betriebsbedingten Kündigung verkürzt wird.
b) um vier Bruttomonatsgehälter, mindestens jedoch um 20.000,00 Euro für Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss dieses Sozialplans abschließen,
…
5. Der maximale Abfindungsbetrag beträgt 275.000,00 Euro brutto. Die Zahlungen gemäß Ziff. II. 4 a) und b) dieses Sozialplans fallen nicht unter die vorstehende Deckelung.
…““
Hinsichtlich der weiteren Regelungen des Sozialplans PACE! wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Ziel der Beklagten war es, bis Jahresende 2021 insgesamt 2.100 Stellen im Unternehmen abzubauen. Es war vorgesehen, mit Erreichung dieser Zahl das Abfindungsprogramm einzustellen, so dass weitere Interessenten keine Möglichkeit mehr haben, entsprechend den Regelungen des Sozialplans PACE! auszuscheiden.
Der Kläger vereinbarte mit dem Personalleiter des Werkes B-Stadt Z. im Frühjahr 2021, dass er im Dezember 2021 eine Aufhebungsvereinbarung nach den Regelungen des Sozialplans PACE! zum 31. Dezember 2021 unterzeichnen werde. Eine frühere Unterzeichnung sollte zunächst nicht erfolgen, um dem Kläger, der eine Kündigungsfrist von sieben Monate hatte, einen Anspruch auf sieben zusätzliche Nettogehälter an Abfindung nach II. Ziff. 4. a) des Sozialplans zu sichern.
In einer Personalleiterversammlung bei der Beklagten Anfang Oktober 2021 wurde den Personalleitern der einzelnen Betriebe mitgeteilt, es könnten mit interessierten Arbeitnehmern auch vor dem Monat Dezember Aufhebungsverträge abgeschlossen und in den Aufhebungsverträgen die zusätzliche Abfindung nach II. Ziff. 4. a) des Sozialplans vereinbart werden, ohne dass den vorzeitig unterschreibenden Arbeitnehmern dabei ein Nachteil gegenüber einer späteren Unterzeichnung im Monat Dezember entstehe.
Der Human Ressource Manager Y. teilte dem Kläger daraufhin Mitte Oktober 2021 mit, dass es etwas Neues gebe, er solle doch bitte im Oktober vorbeikommen und den Aufhebungsvertrag unterschreiben, er werde dann genauso gestellt, als wenn er den Vertrag im Dezember unterschreiben würde.
Am 28. Oktober 2021 unterzeichnete der Kläger eine Aufhebungsvereinbarung (Bl. 11 ff. d. A.) zum 31. Dezember 2021, in deren Ziff. 2 eine Abfindungshöhe von 319.772,49 Euro brutto vereinbart wurde, wobei sich aus den Erläuterungen im Vertrag ergibt, dass in diesem Betrag die im Sozialplan unter II. Ziff. 4. a) vorgesehene Abfindung, im Falle des Klägers ein Betrag von 44.772,49 Euro brutto, enthalten ist, was rechnerisch sieben durchschnittlichen Nettogehältern des Klägers entspricht. In Ziff. 11 und 12 ist Folgendes vereinbart:
„11. Mit dieser Vereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit der C. und dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, abgegolten.
12. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Die Aufhebung der Schriftform bedarf gleichfalls der Schriftform. Mündliche oder schriftliche Nebenabreden sind nicht getroffen.“
Bezüglich des weiteren Inhalts der Aufhebungsvereinbarung wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Am 29. Oktober 2021 einigten sich der Gesamtbetriebsrat der Beklagten und die Beklagte unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Konzernspitze auf eine „Vereinbarung zur Förderung freiwilliger Austritte“ (im Folgenden: Vereinbarung Förderung freiwilliger Austritte). Die Vereinbarung wurde nach Billigung durch die Konzernspitze in X. von den Betriebspartnern am 02. November 2021 unterzeichnet. Präambel und § 1 der Vereinbarung, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 47 ff. d. A. Bezug genommen wird, lauten auszugsweise wie folgt:
„Präambel
Da C. die Umsetzung des vorgesehenen Personalabbaus von bis zu 2.100 FTE weiterhin beabsichtigt, möchten die Parteien die Umsetzung der in der „PACE! – Betriebsvereinbarung zur Förderungen freiwilligen Ausscheidens und Mobilität vom 21. Oktober 2020 (nachfolgend: Betriebsvereinbarung zur Förderung freiwilligen Ausscheidens und Mobilität“) vereinbarten Maßnahmen erweitern, sowie das Angebot für die Beschäftigten attraktiver gestalten. Hierzu soll die externe Mobilität auf freiwilliger Basis bis Ende des Jahres 2021 für alle Beschäftigten durch einen zusätzlichen finanziellen Anreiz gefördert werden.
Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Parteien Folgendes:
„§ 1
Speed-Prämie
(1) Sofern Beschäftigte bis zum 31. Dezember 2021 einen Aufhebungsvertrag innerhalb des Freiwilligenprogramms PACE! unterzeichnen, erhalten sie eine einmalige, zusätzliche Speed-Prämie entsprechend Ziff. II. 4 b) des Sozialplans PACE! vom 21. März 2018. Entsprechend Ziff. II. 5. Satz 2 des Sozialplans PACE! vom 21. März 2018 fällt vorstehende Speed-Prämie nicht unter die Begrenzung der Ziff. II. 5. S. 1 des Sozialplans PACE! vom 21. März 2018. Der Anspruch auf die Speed-Prämie entsteht mit Abschluss des Aufhebungsvertrags und ist ab diesem Zeitpunkt vererblich. Die Speed-Prämie wird mit Ende des Arbeitsverhältnisses fällig.
…“
Die Beklagte zahlte dem Kläger den vereinbarten Abfindungsbetrag aus. Eine zusätzliche Speed-Prämie wurde an den Kläger nicht ausgekehrt.
Der Kläger hat am 11. Februar 2022 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern Zahlungsklage auf eine weitere Abfindung in Höhe der Speed-Prämie erhoben.
Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, ihm stehe die Speed-Prämie in Höhe von vier Bruttomonatsgehältern zu. Er habe die Aussage des HR-Managers Y., er werde bei vorgezogener Unterzeichnung seines Aufhebungsvertrages genauso gestellt werden, als wenn er diesen im Dezember unterschreiben würde, als Garantie der Beklagten dahingehend verstanden, dass er tatsächlich nicht schlechter gestellt werden würde. Änderungen der Rahmenbedingungen für die Berechnung der Abfindung nach Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages vor dem Monat Dezember müssten daher auch ihm zugutekommen. Dies gelte unabhängig von der Frage, ob die Zeugen Y. oder Z. von den neuen Speed-Prämien ab dem 02. November 2021 etwas gewusst hätten oder nicht. Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs sei es offensichtlich, dass die Beklagte bereits Anfang Oktober vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages die Speed-Prämie angedacht, im Oktober vorbereitet und mit dem Gesamtbetriebsrat verhandelt habe. Dass man die örtlichen Personalverantwortlichen gebeten habe, im Treffen Anfang Oktober Aufhebungsverträge vorzuziehen, sei offensichtlich erfolgt, um Kosten einzusparen. Jedenfalls sei der Aufhebungsvertrag gemäß § 313 BGB anzupassen. Es liege eine gestörte Geschäftsgrundlage vor. Wenn er bei Unterschrift im Oktober gewusst hätte, dass die Beklagte die Bedingungen bezüglich der Berechnung der Abfindungshöhe vor Dezember ändern würde, dann hätte er selbstverständlich im Oktober den Aufhebungsvertrag noch nicht unterschrieben. Vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages habe er kurzzeitig überlegt, die Aussage des HR-Managers Y. zur Gleichstellung der Vertragsbedingungen in den Vertrag selbst aufnehmen zu lassen. Er habe hiervon Abstand genommen, da er aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit der Vertragsparteien und mit den am Aufhebungsvertrag Beteiligten keine Zweifel an den Aussagen der Personalabteilung C. B-Stadt zur Gleichstellung gehabt habe. Auf die Schriftformklausel und die Abgeltungsklausel könne die Beklagte sich nicht berufen, da diese ihn gegenüber der mündlichen Garantiezusage benachteilige. Der Personalabteilung in W.-Stadt sei es völlig egal gewesen, ob sie mit dem Angebot der Speed-Prämie Arbeitnehmer habe beeinflussen können, die schon einen Aufhebungsvertrag geplant hätten oder ob sie damit Anreize für neue Arbeitnehmer schaffe.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 33.220,00 Euro Abfindung zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Zusage der Personalverantwortlichen in B-Stadt gegenüber dem Kläger habe sich nur auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden, mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Regelungen bezüglich der Berechnung der Abfindung bezogen und darauf, dass auch bei einer vorzeitigen Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages dennoch die erhöhte Abfindung nach II. Ziff. 4. a) des Sozialplans gezahlt werde. Eine Zusage dahingehend, dass der Kläger im Hinblick auf alle potentiellen Veränderungen so gestellt werden würde, als wenn er im Dezember 2021 den Vertrag unterzeichnet hätte, sei nicht erfolgt. Einen anderen Inhalt habe die Aussage der Personalverantwortlichen schon deswegen nicht haben können, da ihnen gar nicht bekannt gewesen sei, dass eine Speed-Prämie mit dem Gesamtbetriebsrat erarbeitet werde und auch zu diesem Zeitpunkt völlig unklar gewesen sei, ob es insofern zu einer Unterzeichnung kommen würde. Dies habe erst nach der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages nach Billigung durch die Zentrale am 02. November 2021 definitiv festgestanden. Es werde bestritten, dass bereits seit Anfang Oktober die Speed-Prämie festgestanden habe. Auch die vom Kläger behauptete „Direktive“ aus W.-Stadt zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags habe es nicht gegeben. Im Übrigen seien die Regelungen im Aufhebungsvertrag abschließend formuliert worden. In Ziff. 12 des Aufhebungsvertrages sei ausdrücklich vereinbart worden, dass keine mündlichen oder schriftlichen Nebenabreden getroffen seien. Einen Anspruch unter dem Gesichtspunkt „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ nach § 313 BGB liege nicht vor, weil die Geschäftsgrundlage sich nicht geändert habe. Der Kläger habe genau das als Abfindung bekommen, was die Vertragspartner beim Unterzeichnen des Aufhebungsvertrages entsprechend den damals geltenden Regelungen gewollt und worauf sie sich geeinigt hätten. Spätere Änderungen der zugrundeliegenden Regelungen für die Berechnung von Abfindung lägen im Übrigen im Risikobereich des Klägers. Zumal für den Kläger umgekehrt das Risiko bestanden habe, dass wenn er zu lange mit der Vertragsunterschrift gewartet hätte, er möglicherweise nicht mehr am Freiwilligenprogramm hätte teilnehmen können.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21. April 2022 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, die Klage sei unbegründet. Ein Anspruch aus dem Aufhebungsvertrag bestehe nicht, da in diesem eine feste Summe vereinbart sei, die der Kläger bekommen habe, die Parteien in Ziff. 11 geregelt hätten, dass mit Durchführung der Vereinbarung sämtliche gegenseitigen Ansprüche abgegolten sein sollten und Ziff. 12 bestimme, dass es keine Nebenabreden gebe. Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus der Vereinbarung Förderung freiwilliger Austritte vom 02. November 2021, die eine Betriebsvereinbarung darstelle und daher wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen sei. Die Auslegung von § 1 der Vereinbarung ergebe, dass nur den Mitarbeitern, die zukünftig einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen würden, die Speed-Prämie zukommen solle. Ein Anspruch aus einer Garantiezusage stehe dem Kläger nicht zu, da sein Vorbringen eine solche nicht ergebe. Der Kläger selbst gehe davon aus, dass die handelnden Vertreter der Beklagten ihn nicht hätten bewusst „reinlegen“ wollen, sondern selbst nichts von den Verhandlungen über den Abschluss einer Speed-Prämie gewusst haben dürften. Er habe daher davon ausgehen müssen, dass deren Zusage, er werde bei Abschluss des Aufhebungsvertrages bereits im Oktober so gestellt, als wenn er ihn im Dezember unterschreiben würde, sich lediglich auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Regelungen habe beziehen können, wobei die einzige Ausnahme die zusätzliche Abfindung nach II. Ziff. 4 a) des Sozialplans PACE! gewesen sei, woran sich die Beklagte auch gehalten habe. Spätestens bei der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags habe der Kläger angesichts Ziff. 12 Satz 2 der Aufhebungsvereinbarung erkennen müssen, dass sich die Aussagen nur auf die weitere Abfindung bezogen hätten. Der Kläger habe das Risiko nach seinen eigenen Angaben auch bewusst in Kauf genommen. Letztlich könne allerdings dahingestellt bleiben, welche mündlichen Abreden die Parteien vor dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung getroffen hätten, da immer die letzte Vereinbarung gelte und dies die Bestimmungen der Aufhebungsvereinbarung seien, insbesondere auch Ziff. 12, nach der andere Abreden nicht getroffen seien. Daran müsse sich der Kläger festhalten lassen, dem es freistehe, den Vertrag nach § 123 BGB anzufechten, wenn er sich arglistig getäuscht fühle. Ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 BGB stehe ihm ebenfalls nicht zu. Die Geschäftsgrundlagen der Aufhebungsvereinbarung – der Sozialplan PACE! und die Sondervereinbarung, dass der Kläger die Abfindung nach II Ziff. 4 a Sozialplan PACE! auch zustehen solle, wenn er bereits im Oktober unterschreibe, hätten sich nicht verändert und die vereinbarte Summe sei ausgezahlt worden. Den Vertragspartnern sei aus früheren Personalabbauplanungen bekannt gewesen, dass betriebliche Regelungen sich ändern könnten. Dennoch hätten beide davon abgesehen insoweit eine Regelung aufzunehmen. Selbst wenn man wegen der Vereinbarung der „Speed-Prämie“ von einer Änderung der Geschäftsgrundlage ausgehe, liege angesichts der Tatsache, dass diese nur 10 % der vereinbarten Abfindungshöhe ausmache, keine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage vor. Jedenfalls habe der Kläger das Risiko getragen, dass sich die betrieblichen Regelungen dergestalt ändern würden, die ihm eine noch bessere Abfindungszahlung ermöglicht hätten. Da die Abfindungshöhe fest vereinbart gewesen sei, enthalte der Aufhebungsvertrag keine Anpassungsklausel. Schließlich führe eine Änderung der Geschäftsgrundlage jedenfalls nicht zu einer Unzumutbarkeit für den Kläger, da er genau das erhalten habe, was seinen Vorstellungen entsprochen habe. Ein Anspruch auf Anhebung der Abfindung ergebe sich auch nicht aus dem Gebot des fairen Verhandelns nach § 241 Abs. 2 BGB. Die Beklagte habe nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen, auch wenn das Gericht davon ausgehe, dass auf Seiten der Beklagten die angedachte Speed-Prämie im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages angesichts der zeitlichen Nähe durchaus bereits weitgehend vorbereitet gewesen sei, zumal sie nur kurz danach am 29. Oktober 2021 mit dem Gesamtbetriebsrat bereits abschließend verhandelt gewesen sei. Selbstverständlich habe die Mitteilung an die Personalverantwortlichen Anfang Oktober, sie könnten bereits im Oktober Aufhebungsverträge abschließen, dem Zweck gedient, möglichst viele Arbeitnehmer ohne Anspruch auf die Speed-Prämie zu Aufhebungsverträgen zu bewegen. Dies sei jedoch nach der Rechtsprechung eine zulässige Wahrung eigener Interessen gewesen und keine im rechtlichen Sinne unfaire Verhandlungssituation, da es dem Kläger freigestanden habe, den Vertrag erst im Dezember abzuschließen und er bei einem Abschluss schon im Oktober den Vorteil gehabt habe, sicher davon ausgehen zu können, dass er entsprechend den vereinbarten Regelungen würde ausscheiden können. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, könne sich der Kläger jedoch allenfalls vom Aufhebungsvertrag lösen, nicht jedoch eine höhere Abfindungszahlung verlangen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf S. 6 ff. des Urteils (= Bl. 84 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das am 06. Mai 2022 zugestellte Urteil mit am 27. Mai 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 25. Mai 2022 Berufung eingelegt und diese mit am 01. Juli 2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 30. Juni 2022 begründet.
Der Kläger macht zweitinstanzlich zur Begründung seiner Berufung nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 30. Juni 2022, wegen deren weiteren Inhaltes ergänzend auf Bl. 119 ff. Bezug genommen wird, unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend,
die Durchsetzungsfähigkeit des Vorstandsvorsitzenden von V. U. T. werde als bekannt vorausgesetzt, der bereits bei PSA einen umfassenden Personalabbau seit 2014 durchgesetzt habe. Ziel sei es gewesen, die Beklagte als Tochter von V. wieder in die Gewinnzone zu bringen, so dass die Personaleinsparung von 2.100 Stellen höchste Priorität bei der Beklagten im Stammhaus W.-Stadt gehabt habe. Er sei sehr wohl der Meinung, dass es eine Rechtsgrundlage für seinen Anspruch gebe. Der Arbeitsdirektor der Beklagten habe – als Plan B für den Fall, dass bis Ende Oktober nicht ausreichend Beschäftigte zum Jahresende 2021 die Beklagte verlassen würden – bereits Anfang Oktober 2022 eine Speed Prämie in Planung gehabt, um sicherzugehen, dass zum Jahresende 2.100 Mitarbeiter als Ausscheidende an die Konzernmutter gemeldet werden können. Damit habe es ein ausschließliches Interesse der Beklagten an der Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung bereits im Oktober 2021 gegeben, wobei es ja wohl eine Selbstverständlichkeit gewesen sei, die 2 Monate aus der Kündigungsfrist in den Vertrag aufzunehmen. Eine Einschränkung der Aussage des Zeugen Y. hinsichtlich der Gleichwertigkeit der Unterschrift im Oktober oder November habe es nicht gegeben. Der Kläger habe natürlich auch Interesse an dem Aufhebungsvertrag gehabt, sonst hätte er ihn nicht unterzeichnet. Im Prinzip sei es ihm aber egal gewesen, ob es zum Aufhebungsvertrag gekommen wäre oder nicht, da er bei der Beklagten einen ausgezeichneten Job mit einer sehr auskömmlichen Vergütung gehabt habe und dann im Zweifelsfall weitergearbeitet hätte, wenn sich Anfang Dezember herausgestellt hätte, dass die Quote von 2.100 Mitarbeitern bereits erfüllt ist. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass ein Anspruch aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 02. November 2021 nicht herzuleiten sei, da man auch die Auffassung vertreten könne, dass der Gesamtbetriebsrat als Arbeitnehmer-Gremium angesichts der Wortwahl „Sofern Beschäftigte bis 31. Dezember 2021 einen Aufhebungsvertrag … unterzeichnen“ alle Beschäftigten, die bis 31. Dezember 2021 unterzeichnet hätten, in den Genuss der Speed-Prämie habe kommen lassen wollen, nachdem die Personalabteilung in W.-Stadt diese bereits zum 29. Oktober 2021 vorbereitet gehabt habe. Zudem unterscheide das Gericht fälschlich zwischen einer mündlichen Zusage und dem anschließenden schriftlichen Vertrag, obwohl dies alles als Einheit zu betrachten sei. Er habe darauf vertraut, so behandelt zu werden, als wenn er im Dezember unterschreiben würde. Die Umstände hätten sich nun einmal geändert. Dass das Gericht eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB abgelehnt habe, sei aus seiner Sicht nur logisch. Ähnlich habe das Gericht dann die Frage des Gebots des fairen Handelns behandelt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dem Kläger entstehe kein finanzieller Anspruch. Ein Schadensersatzanspruch komme jedoch bei der Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht, was das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt habe. Es sei in Betracht zu ziehen, dass die Beklagte dem Kläger Schadensersatz in Höhe des eingeklagten Betrags gemäß § 280 Abs. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB wegen einer unvollständig erteilten Auskunft leisten müsse. Die Beklagte sei aufgrund ihrer Initiative, den Kläger entgegen der ursprünglich angedachten Variante bereits im Oktober 2021 den Aufhebungsvertrag unterschreiben zu lassen, in der Pflicht gewesen, den Kläger umfassend über die Veränderungen im Vergleich zu einem späteren Vertragsabschluss zu informieren. Hierbei sei es unerheblich, ob die handelnden Personen „undolos“ oder „dolos“ gehandelt hätten. Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 obliege der Beklagten, ein etwaig fehlendes Verschulden darzulegen und zu beweisen. Der Kläger müsse im Wege des Schadensersatzes so gestellt werden, wie es dem Geschehensablauf entsprochen hätte, wenn er richtig und vollständig informiert worden wäre. So wie der Zeitablauf gewesen sei, könne man nur den Rückschluss ziehen, dass die Beklagte die Personalverantwortlichen aufgefordert habe, eventuell bereits geplante Aufhebungsverträge nun unverzüglich zu unterzeichnen und in Kenntnis gesetzt habe, dass das Abbauziel bis 31. Dezember 2021 vermutlich nicht erreicht werde und man den Plan B mit der Speed Prämie entwickelt habe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 21. April 2022 – 1 Ca 110/22 – wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 33.220,00 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 05. September 2022 (Bl. 153 ff. d. A.), hinsichtlich deren weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen wird, unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens zweitinstanzlich wie folgt,
die bloßen Vermutungen des Klägers zu internen Abläufen bei der Beklagten im Oktober 2021 seien nicht entscheidungserheblich. Zutreffend sei der beabsichtigte Personalabbau von 2.100 FTE bis 31. Dezember 2021. Um den Abschluss weiter zu intensivieren sei am 02. November 2021 die Vereinbarung Förderung freiwilliger Austritte geschlossen worden. Dass diese in den Tagen zuvor vorbereitet und verhandelt worden sei, sei unerheblich. Der Kläger trage widersprüchlich dazu vor, in wessen Interesse die Aufhebungsvereinbarung gelegen habe. Der Kläger habe auch im Berufungsverfahren nicht dargelegt, warum aus der Aufhebungsvereinbarung der geltend gemachte Anspruch herzuleiten sein solle. Zu Recht sei ein Anspruch aus einer angeblichen Garantiezusage verneint worden. Es habe auch keine mündliche Garantiezusage des Personalleiters Z. gegeben, der Kläger werde im Hinblick auf alle potentiellen Regelungen so gestellt, als wenn er im Dezember 2021 den Vertrag unterzeichnet hätte. Jedenfalls komme es hierauf nicht an, da etwaige Vereinbarungen von der schriftlichen Abrede abgelöst seien. Auch aus der Vereinbarung Förderung freiwilliger Austritte ergebe sich kein Anspruch, da diese nicht nachträglich die Konditionen des Aufhebungsvertrages geändert habe. Das Arbeitsgericht habe die Vereinbarung zutreffend ausgelegt. Einen Anspruch aus „Störung der Geschäftsgrundlage“ habe es ebenso zurecht abgelehnt, da der Aufhebungsvertrag zu den angedachten Konditionen zustande gekommen sei. Auch aus einer angeblichen Verletzung des „Gebots des fairen Verhandelns“ bzw. Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1 iVm. § 242 Abs. 2 BGB ergebe sich kein Anspruch. Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass bereits die Rechtsfolge einer Verletzung des Gebots des fairen Verhandelns – Entfall der Rechtswirkungen der Aufhebungsvereinbarung – nicht die vom Kläger begehrte Rechtsfolge darstelle. Daneben stehe dem Kläger kein Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB wegen Verletzung einer behaupteten Hinweis- und Aufklärungspflicht zu, da der Kläger eine solche bereits nicht schlüssig dargetan habe. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung habe es schlicht noch keine betriebliche Vereinbarung über die Einführung der Speed-Prämie gegeben. Auf eine etwaige bloße Planung könne es rechtlich nicht ankommen. Eine Hinweispflicht des Arbeitgebers darauf, dass es möglicherweise in Zukunft weitere Incentivierungen zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages geben werde, bestehe nicht. Es liege vielmehr in der Risikosphäre des Arbeitnehmers, dass sich die Konditionen noch ändern könnten. Mit der Argumentation des Klägers komme es anderenfalls zu der unbilligen Situation, dass ein Arbeitgeber im Fall einer abgestuften Incentivierung im Verlauf eines Freiwilligenprogramms stets alle Beschäftigten, die sich schon für eine Auflösung entschieden hätten, nachträglich, eventuell noch Jahre später, an weiteren Leistungen beteiligten müsse. Das widerspreche der Rechtsprechung zu Stichtagsregelungen. In jedem Fall hätte eine derartige Pflicht jedoch vorausgesetzt, dass die Beklagte bei Vertragsschluss gewusst habe, dass es eine weitere Incentivierung für Unentschlossene geben werde, was nicht der Fall gewesen sei. Dass die Einführung der Speed-Prämie bereits Anfang Oktober 2021 festgestanden habe, sei unzutreffend und werde bestritten. Erst Anfang November 2021 und damit deutlich nach Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung habe die Einführung der Speed-Prämie festgestanden, da die Gesamtbetriebsvereinbarung erst am 02. November 2021 unterzeichnet worden sei. Es werde auch bestritten, dass der Kläger aufgefordert worden sei, die Vereinbarung schon früher als von ihm gewünscht zu unterzeichnen; es habe ihm nach dem Prinzip der doppelten Freiwilligkeit vollkommen freigestanden, ob und wann er die Vereinbarung unterzeichne. Auch habe der Kläger keinen kausalen Schaden dargelegt. Die Personalabbaugrenze hätte im Dezember zum Zeitpunkt einer fiktiven Unterzeichnung bereits erfüllt sein können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A
Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 06. Mai 2022 mit am 27. Mai 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 25. Mai 2022 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz vom 30. Juni 2022, eingegangen bei Gericht am 01. Juli 2022, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 ZPO).
II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit fehlerfreier, sorgfältiger Begründung abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Berufungskammer auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug, macht sie sich zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf eine weitere Abfindung in Höhe der Speed-Prämie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dies gilt auch für den von ihm erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer behaupteten Aufklärungspflicht der Beklagten. Die Berufung unterlag der Zurückweisung.
1. Ein Zahlungsanspruch des Klägers auf eine Speed-Prämie ergibt sich nicht aus der Aufhebungsvereinbarung vom 28. Oktober 2021. Die Parteien haben in deren Ziff. 2 eine dem Sozialplan PACE! entsprechende Abfindung in Höhe von 319.772,49 Euro brutto vereinbart. Es wurde hierbei ausdrücklich klargestellt, dass damit ua. auch ein Anspruch auf einen sieben Nettogehältern des Klägers entsprechenden Betrag von 44.772,49 Euro brutto an Abfindungserhöhung nach Ziff. II.4.a) Sozialplan PACE! abgegolten ist, der bei wörtlicher Anwendung der Vorschrift infolge der 7-monatigen Kündigungsfrist des Klägers angesichts der Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung bereits im Oktober 2021 niedriger gewesen wäre. Ein Anspruch auf eine Speed-Prämie gemäß § 1 Vereinbarung Förderung freiwilliger Austritte ist in der Aufhebungsvereinbarung der Parteien nicht vorgesehen.
2. Der Kläger kann sich nicht auf eine ergänzende Vertragsauslegung berufen.
2.1. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist. Eine Regelungslücke liegt dabei nur vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder zwar nicht übersehen, aber doch bewusst deshalb offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig hielten, und sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausgestellt hat. Eine Planwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, wenn also ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (BAG 28. April 2021 – 4 AZR 230/20 – Rn. 70 f., 20. Januar 2021 – 4 AZR 283/20 – Rn. 42; 6. Juli 2011 – 4 AZR 706/09 – Rn. 27, jeweils zitiert nach juris).
2.2. In Anwendung dieser Grundsätze kann vorliegend eine planwidrige Regelungslücke nicht angenommen werden. Die Parteien beabsichtigten, dem Kläger im Wege der Aufhebungsvereinbarung einen Abfindungsbetrag zukommen zu lassen, der die günstigste Erhöhungsmöglichkeit nach Ziff. II. 4. a) unter vollständiger Aufzehrung der für den Kläger geltenden Kündigungsfrist beinhaltet. Dieses Ziel wurde durch die geschlossene Aufhebungsvereinbarung erreicht, auch wenn die Parteien diese bereits im Oktober 2021 geschlossen haben. Weitere Regelungspläne haben beide Parteien mit der Aufhebungsvereinbarung nicht verfolgt.
3. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass eine Anpassung des Vertrags zu Gunsten der begehrten Abfindungserhöhung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB) in Betracht kommt.
3.1. Nach § 313 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB kann, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen, eine Anpassung des Vertrags nur verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (BAG 23. April 2013 – 3 AZR 513/11 – Rn. 36, zitiert nach juris). Eine Störung der Geschäftsgrundlage kann bei einem beiderseitigen Irrtum über die Rechtslage bei Abschluss des Vertrags anzunehmen sein, wenn ohne diesen beiderseitigen Irrtum der Vertrag nicht wie geschehen geschlossen worden wäre; eine Vertragsanpassung ist jedoch auch in diesem Fall nur bei erheblichen Störungen des Äquivalenzverhältnisses in Betracht zu ziehen (BAG 24. August 2016 – 5 AZR 129/16 – Rn. 55, mwN, zitiert nach juris).
3.2. Zu Recht geht das Arbeitsgericht davon aus, dass vom Wegfall der Geschäftsgrundlage bereits deshalb nicht ausgegangen werden kann, weil sich die wesentlichen Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nicht als falsch herausgestellt habe. Grundlage der Vereinbarung der Parteien war eine Abfindungsregelung nach dem Sozialplan PACE! unter Berücksichtigung von dessen Ziff. II.4.a). Genau diese Vereinbarung haben die Parteien getroffen und der geregelte Betrag wurde an den Kläger ausgekehrt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dem Kläger ein Festhalten an den vertraglichen Vereinbarungen unzumutbar wäre. Dass sich betriebliche Regelungen im Verlauf eines Abfindungsprogramms und damit auch nach Unterzeichnung seiner Aufhebungsvereinbarung ändern können, musste dem Kläger bewusst sein. Dies legt – neben etwaigen Erfahrungen aus vorangegangenen Personalabbauprogrammen der Beklagten während der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers – schon die Tatsache nahe, dass die Beklagte, sich vorliegend – entgegen ursprünglicher Absicht – zur weiteren Förderung des konkreten Personalabbaus entschieden hatte, bereits bei Unterzeichnung im Oktober 2021 die Abfindungserhöhung in Höhe der gesamten Kündigungsfrist nach Ziff. II. 4. a) Sozialplan PACE! auszukehren. Erst recht, nachdem der Kläger trotz eines derartigen Risikos mit der Aufnahme einer umfassenden Abfindungsklausel in Ziff. 11 der Aufhebungsvereinbarung einverstanden war, scheidet die geltend gemachte Anpassung der vertraglichen Regelungen hinsichtlich der Speed-Prämie aus. Ungeachtet dessen dürfte angesichts der Gesamtsumme der Abfindung im Verhältnis zur Klageforderung keine erhebliche Störung des Äquivalenzverhältnisses vorliegen.
4. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht darauf stützen, der Personalsachbearbeiter Y. habe ihm zugesagt, er werde bei vorgezogener Unterzeichnung seines Aufhebungsvertrages alle tatsächlichen Vorteile erhalten, die er bei einem Vertragsschluss im Dezember 2021 hätte. Bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers hat der Zeuge Y. eine derartige Zusage nicht erteilt. Der Kläger durfte dessen Mitteilung auch nicht in diesem Sinne verstehen. Dies ergibt die Auslegung der Erklärung.
4.1. Atypische Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (vgl. BAG 19. November 2019 – 3 AZR 332/18 – Rn. 18, zitiert nach juris).
4.2. Hiervon ausgehend wurde eine Zusage im vom Kläger behaupteten Sinne nicht erteilt. Nach dem Vortrag des Klägers hat der Zeuge Y. ihn Mitte Oktober 2021 angerufen und mitgeteilt, es gebe etwas Neues, er solle doch bitte im Oktober vorbeikommen und den Aufhebungsvertrag unterschreiben, er werde genauso gestellt, als wenn er den Vertrag im Dezember 2021 unterschreiben würde. Daraufhin haben die Parteien unstreitig noch im Oktober 2021 eine Aufhebungsvereinbarung zum 31. Dezember 2021 getroffen, nach der der Kläger eine Abfindung in von an Anfang an in Aussicht genommener Höhe einschließlich der höchstmöglichen Erhöhung nach Ziff. II. 4. a) Sozialplan PACE! erhält. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Wortlaut der Erklärung des Zeugen Y. offen für das vorgetragene Verständnis des Klägers wäre, kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Parteien vorliegend den Vertragsschluss in den Dezember 2021 verschoben hatten, damit der Kläger von der vollständigen Abfindungserhöhung nach Ziff. II. 4. a) Sozialplan PACE! profitieren kann, weil das Arbeitsverhältnis dann für den vollen Zeitraum der siebenmonatigen Kündigungsfrist des Klägers verkürzt worden wäre. Wenn der Zeuge Y. den Kläger vor diesem Hintergrund bittet, den Vertrag schon im Oktober zu unterzeichnen, weil es eine Neuerung gebe und die Aufhebungsvereinbarung dann – obwohl das Arbeitsverhältnis unter Betrachtung der Kündigungsfrist nur fünf Monate verkürzt beendet wurde – dennoch die vollständige Abfindungserhöhung für sieben Monate enthält, kann die Aussage, der Kläger werde so gestellt, als wenn er im Dezember unterzeichne, unter Berücksichtigung des Verlaufs der Verhandlungen und des besprochenen Ziels der Vertragsunterzeichnung erst im Dezember 2021 nur so verstanden werden, dass damit die Anerkennung der vollständigen Erhöhung bereits im Oktober 2021 gemeint war. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Kläger jegliche sich künftig etwaig ergebenden weiteren Abfindungserhöhungen zusagen wollte, gab es nicht. Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst einräumt, dass der Zeuge Y. von der späteren Erhöhung keine Kenntnis hatte und zudem angesichts der Tatsache, dass die Parteien eine umfassende Abgeltungsklausel und den Ausschluss mündlicher Nebenabreden vereinbart haben.
5. Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 1 Abs. 1 Vereinbarung Förderung freiwilliger Austritte. Dies hat das Arbeitsgericht unter gründlicher Auslegung der Vorschrift unter Berücksichtigung des Wortsinns, des erkennbaren Zwecks der Regelung, des Gesamtzusammenhangs und der Systematik zu Recht entschieden. Soweit die Berufung meint, der Vorschrift sei ein abweichender Regelungsgehalt zuzubilligen, weil der Gesamtbetriebsrat als Arbeitnehmer-Gremium angesichts der Wortwahl alle Beschäftigten, die bis 31. Dezember 2021 unterzeichnet hätten, in den Genuss der Speed-Prämie habe kommen lassen wollen, nachdem die Personalabteilung diese bereits zum 29. Oktober 2021 vorbereitet habe, ändert dieses nach dem Wortlaut mögliche Verständnis der Regelung nichts an den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zum Auslegungsergebnis im Übrigen. Dieses Auslegungsergebnis hat im Text keinen Niederschlag gefunden.
6. Die Forderung des Klägers ist nicht als Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 bis 253 BGB iVm. § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB begründet.
6.1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der entgangenen Speed-Prämie wegen Verletzung des Gebots des fairen Verhandelns. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
a) Bei dem Gebot fairen Verhandelns handelt es sich im Zusammenhang mit der Verhandlung eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags um eine durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht iSd. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 241 Abs. 2 BGB (BAG 07. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 31, zitiert nach juris). Das Gebot fairen Verhandelns schützt unterhalb der Schwelle der von §§ 105, 119 ff. BGB erfassten Willensmängel die Entscheidungsfreiheit bei Vertragsverhandlungen (BAG 07. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 32, aaO). Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. Das Gebot fairen Verhandelns wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird. Eine Verhandlungssituation ist dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken, geschehen. Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung) (BAG 07. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34, mwN, aaO). Liegt ein schuldhafter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns im Sinne einer Nebenpflichtverletzung gemäß § 241 Abs. 2 BGB vor, ist der Aufhebungsvertrag nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Regelfall unwirksam (BAG 07. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 35, aaO). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Schadensersatz bei Aufklärungspflichtverletzungen ist bezogen auf eine Verletzung des Gebots fairen Verhandelns nicht einschlägig (BAG 07. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 40, aaO).
b) Der Kläger hat bereits nicht behauptet, die Beklagte habe ihn durch Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen beim Abschluss des Aufhebungsvertrags in eine psychische Drucksituation versetzt oder eine solche ausgenutzt, die eine freie und überlegte Entscheidung erheblich erschwert oder sogar unmöglich gemacht habe. Der Kläger beruft sich vielmehr darauf, die Beklagte habe ihm Informationen zum zu erwartenden Anspruch auf eine Speed-Prämie vorenthalten und macht damit keinen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns im Sinne der dargestellten Rechtsprechung, sondern eine Verletzung von Aufklärungspflichten geltend. Selbst wenn die Beklagte bei den Vertragsverhandlungen zum Abschluss des Aufhebungsvertrags gegen das sog. Gebot fairen Verhandelns verstoßen hätte, würde dies darüber hinaus zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags führen, die jedoch erklärtermaßen nicht das Ziel der Klage ist.
6.2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verletzung der Aufklärungspflicht zu. Die Beklagte hat ihre Aufklärungspflicht nicht verletzt. Ob die Beklagte im Falle der schuldhaften Verletzung einer Aufklärungspflicht ausnahmsweise zum Ersatz des positiven Interesses verpflichtet gewesen wäre, weil nach dem Vortrag des Klägers feststeht, dass der günstigere Vertrag zu einem späteren Zeitpunkt geschlossen worden wäre (vgl. BAG 15. März 2012 – 8 AZR 37/11 – Rn. 40; vgl. auch BGH 24. Juni 1998 – XII ZR 126/96 – Rn. 15 ff., zitiert nach juris), kann dahinstehen.
a) Aus einem Schuldverhältnis erwachsen einer Vertragspartei nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils (§ 241 Abs. 2 BGB). Die Pflichten können sich auch auf Aufklärung des Vertragspartners richten (BAG 22. Januar 2009 – 8 AZR 161/08 -, Rn. 27, zitiert nach juris).
b) Grundsätzlich hat jeder Vertragspartner selbst für die Wahrnehmung seiner Interessen zu sorgen. Der jeder Partei zuzubilligende Eigennutz findet seine Grenze jedoch in dem schutzwürdigen Lebensbereich des Vertragspartners. Wo diese Grenze liegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalles und mittels einer umfassenden Interessenabwägung zu ermitteln. Dabei sind insbesondere das erkennbare Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits zu beachten und gegeneinander abzuwägen (BAG 22. Januar 2009 – 8 AZR 161/08 -, Rn. 28, aaO).
c) Gesteigerte Aufklärungspflichten können den Arbeitgeber vor allem dann treffen, wenn eine zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Vereinbarung auf seine Initiative hin und in seinem Interesse zustande kommt oder wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Arbeitnehmer durch eine sachgerechte und vom Arbeitgeber redlicherweise zu erwartende Aufklärung vor der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses bewahrt werden muss, weil er sich durch diese aus Unkenntnis selbst schädigen würde (BAG 22. Januar 2009 – 8 AZR 161/08 -, Rn. 28, aaO). Die Rechtsprechung hat eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer auch dann bejaht, wenn dieser in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seiner Rechte, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, im Ungewissen ist, während der Arbeitgeber unschwer Auskunft geben kann. Insbesondere darf der Arbeitgeber bei den Vertragsverhandlungen nicht verschweigen, was die vollständige Vertragsdurchführung in Frage stellen kann und was ihm bekannt ist oder bekannt sein müsste. Auch hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unaufgefordert über alle Umstände zu informieren, die dem Arbeitnehmer unbekannt, aber für die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung des Arbeitsvertrags erheblich sind (BAG 22. Januar 2009 – 8 AZR 161/08 -, Rn. 31, mwN, aaO). Die Aufklärungs- und Informationsverpflichtung darf keine übermäßige Belastung des Arbeitgebers begründen. Je größer das für den Arbeitgeber erkennbare Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers und je leichter dem Arbeitgeber die entsprechende Information möglich ist, desto eher ergeben sich Auskunfts- und Informationspflichten für den Arbeitgeber (BAG 22. Januar 2009 – 8 AZR 161/08 -, Rn. 33, mwN, aaO). Eine Partei braucht die andere zu ihrem eigenen Nachteil nicht über deren vertragliche Rechte und ihre optimale Wahrung aufzuklären (Münchener Kommentar – Bachmann BGB 9. Auflage 2022 § 241 Rn. 216; BGH 19. März 1987 – IX ZR 159/86 – Rn. 14, OLG München 14. Januar 1998 – 3 U 3479/97 – Rn. 32). Ebenfalls keine Aufklärungspflicht besteht hinsichtlich einer möglichst günstigen rechtlichen oder wirtschaftlichen Gestaltung (vgl. Münchener Kommentar – Bachmann BGB 9. Auflage 2022 § 241 Rn. 216).
d) Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass die Beklagte jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung mit einer späteren Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat auf die Vereinbarung Förderung freiwilliger Austritte und damit mit der Speed-Prämie als weiterer Möglichkeit der Abfindungserhöhung bei Nichterreichen der Abbauziele gerechnet hat, war sie nicht verpflichtet, den Kläger auf diese potentielle Möglichkeit hinzuweisen. Unabhängig davon, dass zum Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung ein Anspruch auf eine weitere Abfindungserhöhung in Gestalt der Speed-Prämie mangels tatsächlicher Einigung der Betriebsparteien unter Billigung der Konzernmutter rechtlich ohnehin noch nicht bestanden hat, ist die Beklagte dem Kläger entgegengekommen, indem sie trotz früherer Aufhebungsvereinbarung eine dem vollständigen Lauf der Kündigungsfrist entsprechende Abfindungserhöhung nach Ziff. II 4. a) Sozialplan PACE! angeboten hat. An dieser Regelung hatten beide Parteien ein Interesse, nachdem die Beklagte ein Abbauziel zu erreichen hatte und der Kläger durch den Abschluss der Aufhebungsvereinbarung Rechtssicherheit dergestalt erlangte, dass er nicht länger die Beendigung des Programms vor Unterzeichnung seiner Aufhebungsvereinbarung fürchten musste. Soweit der Kläger behauptet hat, es sei ihm auf den Abschluss des Aufhebungsvertrags letztlich nicht angekommen, da er ein einträgliches Einkommen bei der Beklagten erzielt habe, vermochte dies die Berufungskammer angesichts des tatsächlich erfolgten Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung mit einem nicht unerheblichen Abfindungsbetrag nicht zu überzeugen. Auch der Kläger hat eingeräumt, dass er ein Eigeninteresse am Aufhebungsvertrag hatte. Damit entsprechen die Regelungen der Aufhebungsvereinbarung der Parteien exakt dem, was zwischen ihnen ursprünglich vereinbart worden war und was Ende Oktober 2021 Rechtslage war, bzw. den Kläger sogar besser stellte. Angesichts dieser Situation war die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger auf schwebende Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat zu weiteren Abfindungserhöhungsmöglichkeiten im Falle der Nichterreichung der Abbauzahlen zu informieren. Dass derartige „Nachbesserungen“ der Angebote im Rahmen von Abbauprogrammen nicht ungewöhnlich sind, musste dem Kläger bekannt sein, gerade angesichts der Tatsache, dass die Beklagte sich auch vorliegend bereit erklärt hatte, seinen geplanten Aufhebungsvertrag ohne wirtschaftliche Einbußen bereits zu einem früheren Zeitpunkt abzuschließen. Vor diesem Hintergrund wäre es dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, sich beispielsweise beim Betriebsrat über etwaig zu erwartende Neuerungen zu informieren. Da ein Hinweis auf einen etwa bevorstehenden Abschluss der Vereinbarung Förderung weiterer Austritte und die Speed-Prämie die eigenen Interessen der Beklagten konterkariert hätte, war diese nicht verpflichtet, auf diese rechtlich noch nicht abgesicherte Situation hinzuweisen, um dem Kläger eine etwaige Möglichkeit einer – weiteren – Erhöhung seines Abfindungsbetrages angedeihen zu lassen, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht einmal bestand. Einen Anspruch auf eine für ihn wirtschaftlich möglichst günstige Gestaltung seines Aufhebungsvertrages hatte der Kläger nicht. Mit der Änderung der Abfindungsmodalitäten im Laufe des Abbauprogramms hat sich ein typisches Geschäftsrisiko verwirklicht, welches der Kläger zu tragen hat. Dass dem Kläger dies bewusst war, zeigt sich im Übrigen daran, dass er vorgetragen hat, er habe überlegt, sich vertraglich zusichern zu lassen, dass nachfolgende Änderungen zu seinen Gunsten berücksichtigt werden.
B
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.