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Supraspinatussehnen-Teilriss nach einem Arbeitsunfall: Warum die Anerkennung scheiterte

Ein Handwerker erlitt einen Supraspinatussehnen-Teilriss nach einem Arbeitsunfall und forderte von der gesetzlichen Versicherung Leistung. Trotz klarer Schilderung des Geschehens musste der Betroffene beweisen, dass der Unfall die wesentliche Ursache für den bereits vorgeschädigten Riss war.

Zum vorliegenden Urteil Az.: L 6 U 67/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landessozialgericht Sachsen‑Anhalt
  • Datum: 30.04.2025
  • Aktenzeichen: L 6 U 67/21
  • Verfahren: Berufung
  • Rechtsbereiche: Gesetzliche Unfallversicherung, Sozialversicherungsrecht, Kausalitätsprüfung

  • Das Problem: Ein Kläger wollte schwere Verletzungen an der Schulter und der Wirbelsäule als Folgen seines anerkannten Arbeitsunfalls feststellen lassen. Die gesetzliche Unfallversicherung erkannte nur eine leichte, ausgeheilte Ellenbogenkontusion an und lehnte die restlichen Schäden ab.
  • Die Rechtsfrage: Muss die gesetzliche Unfallversicherung die komplexen Schulter- und Sehnenrisse als wesentliche Folgen des Unfalls anerkennen, obwohl der Kläger bereits Vorerkrankungen hatte und der Unfallablauf widersprüchlich geschildert wurde?
  • Die Antwort: Nein, die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Das Gericht sah die Schulterläsionen und die weiteren Beschwerden als überwiegend alters- oder anlagebedingt an und nicht als Folge des Arbeitsunfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit.
  • Die Bedeutung: Im Sozialrecht muss der Kläger beweisen, dass der Unfall die Schäden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verursacht hat. Bei vorbestehenden, degenerativen Erkrankungen sind die Anforderungen an den Nachweis des Kausalzusammenhangs sehr hoch.

Der Fall vor Gericht


Warum wurde aus einem Arbeitsunfall ein jahrelanger Rechtsstreit?

Ein Ruck, ein stechender Schmerz, ein Sturz – so beschrieb ein Handwerker seinen Arbeitsunfall vom 15. November 2017. Die Folge: eine zerrissene Sehne in der linken Schulter. Für ihn war die Sache klar, der Unfall war schuld. Doch seine gesetzliche Unfallversicherung sah das anders. Sie blickte nicht nur auf den Unfalltag, sondern auch auf die Jahre davor.

Gutachter analysiert Bildfolien, um Kausalität des Supraspinatussehnen-Teilrisses nach Arbeitsunfall trotz Vorschäden zu klären.
Gericht sah Schulterschaden als Verschleiß, nicht als Folge des Arbeitsunfalls. | Symbolbild: KI

Und sie stieß auf ärztliche Berichte über eine bereits angeschlagene Schulter. Plötzlich stand nicht mehr nur die Geschichte des Unfalls im Raum, sondern die gesamte medizinische Vergangenheit des Mannes. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt musste entscheiden, welche Geschichte die Wahrheit erzählt: die des plötzlichen Unfalls oder die des schleichenden Verschleißes.

Weshalb lehnte die Versicherung die Anerkennung des Schulterschadens ab?

Die Unfallversicherung zweifelte nicht am Arbeitsunfall selbst. Sie anerkannte eine Prellung des linken Ellenbogens als direkte Folge. Die schweren Schäden in der Schulter – ein Teilriss der Supraspinatussehne und weitere Läsionen – stufte sie aber als nicht unfallbedingt ein. Ihre Argumentation stützte sich auf zwei Pfeiler.

Der erste Pfeiler war die medizinische Vorgeschichte des Handwerkers. Er war schon Jahre vor dem Unfall, unter anderem 2012 und zuletzt im September 2017, wegen Schulterproblemen wie einem Impingement-Syndrom und Sehnenentzündungen in Behandlung. Für die Versicherung war das ein starkes Indiz. Die Schulter war bereits vorgeschädigt.

Der zweite Pfeiler waren die Befunde der Magnetresonanztomographie (MRT). Ein Gutachter der Versicherung, Dr. G., analysierte die Bilder vom 19. Dezember 2017. Er fand typische Anzeichen für einen degenerativen, also verschleißbedingten Prozess. Dazu zählten kleine Zysten am Knochen und die genaue Position des Risses an der Sehne. Gleichzeitig fehlten ihm die klassischen Spuren eines akuten, traumatischen Risses – etwa ein großer Gelenkerguss, Blutansammlungen oder ein klar abgetrennter Sehnenstumpf. Die Versicherung schloss daraus: Der Unfall hatte den bereits maroden Zustand vielleicht offengelegt, ihn aber nicht wesentlich verursacht. Ein Anspruch auf Anerkennung als Unfallfolge nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII bestehe nicht.

Welche gegensätzlichen Beweise prallten vor Gericht aufeinander?

Der Handwerker akzeptierte die Entscheidung nicht und zog vor das Sozialgericht. Sein Fall landete schließlich in der Berufung vor dem Landessozialgericht. Dort spitzte sich der Konflikt auf ein Duell der Sachverständigen zu.

Auf der einen Seite stand der von der Versicherung beauftragte orthopädische Gutachter Dr. G. Er blieb bei seiner Einschätzung: Die MRT-Bilder zeigten eine Verschleißerkrankung. Der Unfallablauf sei zudem unklar. Der Handwerker hatte ihn unterschiedlich geschildert – mal sprach er von einem Zerren, mal von einem Sturz auf die Schulter, mal bezeichnete er den Sturz nur als „eventuell“. Diese Widersprüche schwächten die These eines gezielten, heftigen Traumas auf die Schulter.

Auf der anderen Seite stand ein vom Kläger im Verfahren nach § 109 SGG benannter chirurgischer Gutachter, Dr. R. S. Er entwarf ein anderes Szenario, das er für plausibel hielt. Der Handwerker habe beim ruckartigen Ziehen am Bodenbelag eine exzentrische Belastung der Schultersehnen erlitten. Unmittelbar danach sei er auf den gebeugten Ellenbogen gefallen. Die Aufprallenergie habe sich über den Armknochen bis in die vorgeschädigte Schulter fortgepflanzt und dort die Sehne endgültig zerreißen lassen. Ein im Ellenbogen-MRT kurz nach dem Unfall festgestelltes Knochenmarködem stützte für ihn diese Theorie eines Sturzes. Der Unfall war für Dr. R. S. die Wesentliche Teilursache des Schadens.

Das Gericht stand vor einer schwierigen Wahl. Es musste die überzeugendere Kausalkette finden.

Wie wog das Gericht die Fakten ab und kam zu seiner Entscheidung?

Das Landessozialgericht folgte am Ende der Argumentation des ersten Gutachters Dr. G. und wies die Berufung des Handwerkers zurück. Die Richter zerlegten den Fall Stück für Stück und begründeten ihre Entscheidung mit einer Kette von Indizien, die gegen den Kläger sprachen.

Der entscheidende Maßstab im Sozialrecht ist nicht der absolute Beweis, sondern die „Hinreichende Wahrscheinlichkeit„. Das Gericht musste also überzeugt sein, dass es wahrscheinlicher ist, dass der Unfall die Schulterverletzung verursacht hat, als dass er es nicht getan hat. Diese Schwelle sah das Gericht nicht erreicht.

Ein zentraler Punkt waren die widersprüchlichen Schilderungen des Unfallhergangs. Der Kläger selbst hatte in einer frühen Telefonnotiz den Sturz auf Arm oder Schulter nur als „eventuell“ bezeichnet. Das untergrub die Theorie eines direkten, starken Traumas. Die Richter fanden die Rekonstruktion des zweiten Gutachters Dr. R. S. – Sturz auf den Ellenbogen mit Kraftweiterleitung – zwar denkbar, aber spekulativ. Der Kläger hatte diesen spezifischen Ablauf nie konsistent geschildert.

Dazu passten die ersten Symptome. Unmittelbar nach dem Unfall klagte der Mann vor allem über Schmerzen im Ellenbogen, nicht in der Schulter. Das stützte die Version einer reinen Ellenbogenprellung.

Den Ausschlag gaben die objektiven Befunde. Das Gericht schloss sich der Analyse von Dr. G. an. Die Merkmale im Schulter-MRT – die Art und Lage des Risses, die Begleiterscheinungen am Knochen – deuteten stark auf einen chronischen Verschleißprozess hin. Die typischen Anzeichen für einen frischen, unfallbedingten Riss fehlten. Die vor dem Unfall dokumentierten Schulterprobleme rundeten das Bild ab. Die Richter kamen zu dem Schluss: Die Schulter des Mannes war schon vor dem 15. November 2017 erheblich geschädigt. Der Unfall war nicht die wesentliche Ursache für den Sehnenriss. Die Klage wurde abgewiesen.

Die Urteilslogik

Die Anerkennung eines Körperschadens als Unfallfolge verlangt einen lückenlosen Nachweis, dass der Unfall selbst die wesentliche Ursache für die festgestellte Verletzung darstellt.

  • Der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit: Die Kausalität zwischen dem versicherten Ereignis (Arbeitsunfall) und dem Gesundheitsschaden ist nur dann bewiesen, wenn das Gericht überzeugt ist, dass der ursächliche Zusammenhang wahrscheinlicher ist als das Gegenteil; eine bloße Möglichkeit der Verursachung genügt dem Beweismaßstab des Sozialrechts nicht.
  • Die Anforderung der wesentlichen Teilursache: Existieren bereits hochgradige Vorschäden oder chronische degenerative Prozesse, muss der Unfall eine so gravierende Kraft entfalten, dass er als wesentliche Teilursache für den Schaden anzusehen ist; er darf den bestehenden Zustand nicht nur unwesentlich offenlegen oder verschlimmern.
  • Beweiswert medizinischer und faktischer Konsistenz: Objektive Befunde aus bildgebenden Verfahren, wie das Fehlen typischer akuter Traumasymptome im MRT, entkräften die Unfallkausalität massiv, insbesondere wenn die Schilderungen des Unfallhergangs durch den Betroffenen widersprüchlich sind.

Gerichte gewichten objektive medizinische Befunde und die Plausibilität des Unfallhergangs stets höher als subjektive Schilderungen, um eine klare Trennlinie zwischen chronischem Verschleiß und akutem Trauma zu ziehen.


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Experten Kommentar

Der Kampf um die Anerkennung einer Schulterverletzung dreht sich im Sozialrecht fast immer um die gleiche Frage: War es der Verschleiß oder war es der Ruck? Dieses Urteil macht glasklar, dass ein degenerativ vorgeschädigtes Gelenk die Beweislage dramatisch erschwert. Der Knackpunkt war hier nicht nur der alte Schaden, sondern die fehlende Konsistenz in der Unfallschilderung des Handwerkers. Wer einen Rotatorenmanschetten-Riss als Arbeitsunfall geltend machen will, muss von Anfang an präzise dokumentieren; sonst hat die Argumentation der Versicherung, der Verschleiß sei die alleinige wesentliche Ursache, leichtes Spiel. Das Gericht legt die Messlatte für die „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ bei Vorschäden extrem hoch.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Rolle spielen Vorschäden oder Verschleiß bei der Anerkennung meines Arbeitsunfalls?

Vorschäden und Verschleiß spielen eine absolut zentrale Rolle und bilden oft das Hauptargument für die Ablehnung Ihres Arbeitsunfalls. Die gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft) durchleuchtet Ihre gesamte medizinische Vergangenheit, um einen Grund zu finden, den aktuellen Schaden nicht anzuerkennen. Die Anerkennung scheitert, wenn der Verschleiß so dominant ist, dass der Unfall nur als marginaler Auslöser gewertet wird, der den bereits maroden Zustand lediglich offengelegt hat.

Die Berufsgenossenschaft (BG) versucht nachzuweisen, dass der Gesundheitsschaden primär auf einen schleichenden, nicht-unfallbedingten Verschleißprozess zurückzuführen ist. Hierfür werden alle alten Behandlungsberichte herangezogen, etwa frühere Diagnosen oder Therapien für die betroffene Stelle. Juristisch muss der Arbeitsunfall gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII die wesentliche Teilursache der Verletzung sein. Liegt der Fokus der Schadensentstehung auf der Vorerkrankung, wird der Anspruch abgelehnt, auch wenn der Unfall objektiv stattgefunden hat.

Die BG sucht in bildgebenden Verfahren, wie der Magnetresonanztomographie (MRT), gezielt nach Anzeichen degenerativer Veränderungen. Typisch sind hierbei kleine Zysten am Knochen oder die spezifische Risslage an der Sehne, die für chronische Prozesse sprechen. Finden die Gutachter eindeutige Befunde für dominanten Verschleiß, argumentieren sie, der Unfall habe lediglich einen Zustand offengelegt. Verschweigen Sie kurz zurückliegende Behandlungen, führt dies außerdem zu massiven Glaubwürdigkeitsproblemen.

Sammeln Sie umgehend alle Arztberichte und Befunde der letzten fünf Jahre, welche die betroffene Körperstelle betreffen, und bereiten Sie sich auf diese juristische Argumentation vor.


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Wie beweise ich, dass mein Arbeitsunfall trotz Vorschaden die wesentliche Ursache ist?

Der Beweis der Kausalität muss primär über objektive medizinische Befunde geführt werden. Die Berufsgenossenschaft lehnt die Anerkennung meist ab, wenn frühe bildgebende Verfahren keine eindeutigen Merkmale eines akuten Traumas zeigen. Es ist entscheidend, einen traumatischen Riss von einem chronischen Verschleiß abzugrenzen, da die subjektive Schilderung des Schmerzes oder „Rucks“ allein vor Gericht nicht ausreicht.

Unfallversicherungen prüfen die ersten MRT-Aufnahmen sehr genau auf Zeichen einer frischen Verletzung. Zu den klassischen Indizien eines akuten Schadens zählen ein Knochenmarködem, ein Gelenkerguss oder frische Blutansammlungen. Fehlen diese Marker, nutzt die Versicherung dies als Hauptargument gegen die Kausalität. Sie behauptet dann, dass der Vorschaden die wesentliche Ursache darstellt und der Unfall den bereits maroden Zustand lediglich offengelegt hat.

Beauftragen Sie einen eigenen Gutachter nach § 109 SGG, um die Kausalkette plausibel neu zu konstruieren. Dieser muss detailliert darlegen, wie die Kraftübertragung des Unfalls (etwa ein Sturz auf den Ellenbogen mit Weiterleitung der Energie) die finale Schädigung trotz Vorschaden wesentlich verursacht hat. Ebenso wichtig ist die Konsistenz der frühen ärztlichen Dokumentation. Wenn Sie primär nur Schmerzen am Ellenbogen, nicht aber an der später schwer verletzten Schulter melden, schwächt dies die Glaubwürdigkeit des akuten Schulterschadens massiv.

Fordern Sie beim Radiologen, der das erste MRT erstellte, einen Zusatzbericht an, der das Vorhandensein oder Fehlen typischer Traumamerkmale für Ihren Anwalt bestätigt.


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Was muss ich bei der Schilderung des Unfallhergangs beachten, um Fehler zu vermeiden?

Die Schilderung des Unfallhergangs ist der wichtigste Angelpunkt in jedem Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie muss von der ersten Meldung an absolut konsistent und präzise sein. Jede Abweichung zwischen der frühen Telefonnotiz, dem D-Arzt-Bericht und der späteren Aussage vor Gericht kann als massive Beweisschwäche gewertet werden. Widersprüchliche Angaben machen die Rekonstruktion der Kausalkette spekulativ.

Gerichte benötigen eine klare Schilderung der Krafteinwirkung, um die Plausibilität eines unfallbedingten Traumas zu prüfen. Vermeiden Sie daher vage Formulierungen wie „eventuell“ oder „möglicherweise“ in Ihren Notizen oder Gesprächen. Notwendig sind präzise Beschreibungen wie „Sturz auf die Schulter“ oder „ruckartiges Ziehen mit Widerstand“, um ein direktes, heftiges Trauma zu belegen. Fehlt diese Klarheit von Beginn an, erlaubt dies dem Gericht, die gesamte Theorie eines Unfallschadens als bloß spekulativ abzutun und abzulehnen.

Ein Beispiel: Der Kläger im konkreten Fall bezeichnete den Sturz auf Arm oder Schulter in einer frühen Telefonnotiz nur als „eventuell“. Diese Ungenauigkeit nutzten die Richter, um die Theorie eines direkten, starken Traumas juristisch zu untergraben. Ebenso entscheidend ist, die primären Symptome klar mit dem Unfallort zu verknüpfen. Wer unmittelbar nach einem Schulterunfall hauptsächlich über Schmerzen an einem anderen Körperteil klagt, stützt die These einer reinen Prellung statt des schweren Sehnenrisses.

Erstellen Sie sofort nach dem Ereignis ein detailliertes Gedächtnisprotokoll, das die Krafteinwirkung und den Ort des ersten stechenden Schmerzes festhält.


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Was tun, wenn die Berufsgenossenschaft meinen Schulterschaden wegen Verschleiß ablehnt?

Wenn Sie den Ablehnungsbescheid der Berufsgenossenschaft (BG) erhalten, müssen Sie schnell handeln. Legen Sie zunächst fristgerecht Widerspruch gegen die Entscheidung ein. Der zentrale strategische Schritt ist danach die Verlagerung des Konflikts von der Verwaltungsebene auf die Gerichtsebene. Nur vor dem Sozialgericht erhalten Sie die Chance, die Argumentation der BG wirksam zu entkräften.

Die Berufsgenossenschaft stützt ihre Ablehnung fast immer auf ein Gutachten, das primär Anzeichen für chronischen Verschleiß bewertet. Da die BG ihre einmal gefällte Entscheidung selten ohne gerichtlichen Druck revidiert, ist eine Klage vor dem Sozialgericht unumgänglich. Bereiten Sie sich frühzeitig auf das sogenannte Duell der Sachverständigen vor. Ihr Fachanwalt für Sozialrecht beantragt Akteneinsicht und leitet das Verfahren zielgerichtet ein.

Der wichtigste Hebel im Prozess ist die Benennung eines eigenen, spezialisierten Gutachters nach § 109 SGG im Gerichtsverfahren. Dieser Sachverständige muss das Gutachten der BG systematisch widerlegen und eine alternative, plausible Kausalkette darlegen. Er fokussiert sich auf objektive Befunde wie Knochenmarködeme oder Gelenkergüsse, die ein akutes Trauma belegen. So kann Ihr Gutachter darlegen, dass der Unfall die wesentliche Schadensursache war, auch wenn Vorschäden existierten.

Beauftragen Sie sofort einen Fachanwalt für Sozialrecht, der die Fristen überwacht und geeignete, neutrale Sachverständige für das gerichtliche Verfahren vorschlägt.


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Was bedeutet hinreichende Wahrscheinlichkeit bei der Anerkennung eines Arbeitsunfalls?

Die hinreichende Wahrscheinlichkeit ist der entscheidende Maßstab im Sozialrecht, um die Kausalität zwischen einem Unfall und der erlittenen Verletzung festzustellen. Diese Schwelle verlangt, dass die Unfallursache statistisch überwiegender sein muss, als dass sie es nicht war. Juristen sprechen von einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent dafür, dass der Arbeitsunfall die wesentliche Ursache des Schadens ist.

Dieser juristische Maßstab geht weit über eine bloße Möglichkeit hinaus und erfordert stichhaltige, objektive Beweise. Die Wahrscheinlichkeit wird primär durch die medizinischen Befunde, insbesondere die Analyse der MRT-Bilder, bestimmt. Wenn dort die Zeichen für einen chronischen Verschleiß (Degenerativer Prozess) dominieren und klassische traumatische Anzeichen wie ein Gelenkerguss fehlen, sinkt die Wahrscheinlichkeit unter die notwendige Schwelle. Das Gericht ist nicht verpflichtet, zugunsten des Klägers zu entscheiden, nur weil eine Unfallfolge denkbar ist.

Spekulative Kausalketten reichen nicht aus, um eine Ablehnung zu verhindern. Nehmen wir an, die Rekonstruktion eines Gutachters über die Kraftweiterleitung ist theoretisch möglich, aber die Unfallschilderung des Klägers ist widersprüchlich oder vage. In diesem Fall verliert die Theorie an Beweiskraft. Wenn die Gutachten stark für eine dominant verschleißbedingte Ursache sprechen, ist die Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der schweren Verletzung nicht hinreichend wahrscheinlich.

Lassen Sie Ihren Anwalt dezidiert argumentieren, warum die Indizienkette des Unfalls eine Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent für die Unfallkausalität zwingend belegt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


**Bildtyp:** Editorial-Foto

**Hauptmotiv:** Schreibtisch mit Büromaterialien

**Text im Bild:** 
- SOZIALRECHT GLOSSAR
- Fachbegriffe einfach erklärt.
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- ALG I ANTRAG
- PFLEGEGRAD EINSTUFUNG.
- BEWILLIGT

**Wesentliche Bildelemente:** Buch, Lupe, Kugelschreiber

**Bildbeschreibung:** Das Bild zeigt eine büroähnliche Umgebung mit einem Schreibtisch. Auf dem Tisch liegen ein geöffnetes Buch, eine Lupe und Kugelschreiber. Ein Ordner mit der Aufschrift "BEWILLIGT" und ein Aktenkorb mit beschrifteten Unterlagen sind ebenfalls sichtbar.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Degenerativer Prozess

Ein Degenerativer Prozess beschreibt den fortschreitenden, alters- oder verschleißbedingten Abbau von Gewebe, der langfristige Gesundheitsschäden ohne akutes Trauma verursacht.
Die Unfallversicherung nutzt die Feststellung eines degenerativen Prozesses, um festzustellen, ob ein Gesundheitsschaden primär auf Vorerkrankungen und nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist.

Beispiel: Da das MRT typische Anzeichen eines degenerativen Prozesses, wie Knochenzysten, aufwies, argumentierte die Versicherung, der Unfall sei nicht die wesentliche Ursache gewesen.

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Hinreichende Wahrscheinlichkeit

Die Hinreichende Wahrscheinlichkeit ist der im Sozialrecht geltende Beweismaßstab, der erfüllt sein muss, damit ein Richter die Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der Verletzung als gesichert annimmt.
Juristen fordern damit eine Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent, um auszuschließen, dass die gerichtliche Entscheidung auf bloßen Spekulationen oder Mutmaßungen basiert.

Beispiel: Das Landessozialgericht sah die hinreichende Wahrscheinlichkeit nicht erreicht, da die Indizienkette für eine dominant verschleißbedingte Ursache des Schulterschadens sprach.

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Kausalkette

Eine Kausalkette ist die logische und zeitliche Abfolge von Ereignissen, welche die Verknüpfung des Arbeitsunfalls mit der resultierenden Verletzung beweist oder widerlegt.
Dieses komplexe juristische und medizinische Konstrukt muss schlüssig belegen, dass die Krafteinwirkung des Unfalls direkt oder als wesentliche Teilursache zur Verletzung führte.

Beispiel: Der vom Kläger benannte Gutachter versuchte, eine neue Kausalkette zu konstruieren, indem er die Energieübertragung vom Ellenbogen in die vorgeschädigte Schulter nachwies.

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Knochenmarködem

Ein Knochenmarködem ist eine Ansammlung von Flüssigkeit im Knochenmark, die meistens ein starkes Indiz für eine frische, traumatische Verletzung oder Prellung ist.
In der Unfallmedizin wird diese Flüssigkeitsansammlung in der Magnetresonanztomographie als wichtiger Marker genutzt, um akute, unfallbedingte Schäden von chronischem Verschleiß abzugrenzen.

Beispiel: Das Gericht berücksichtigte das im Ellenbogen-MRT festgestellte Knochenmarködem als Beweis für einen Sturz auf den gebeugten Arm.

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§ 109 SGG

Dieser Paragraph des Sozialgerichtsgesetzes, kurz § 109 SGG, gibt Klägern das Recht, auf eigene Kosten einen spezifischen Sachverständigen zu benennen, dessen Gutachten in das Gerichtsverfahren eingeführt wird.
Dieses zentrale Instrument ermöglicht es dem Kläger, die Argumentation der Berufsgenossenschaft durch einen eigenen, spezialisierten Experten wirksam zu entkräften und die Waffengleichheit im Prozess herzustellen.

Beispiel: Um die Ablehnung zu revidieren, beauftragte der Handwerker gemäß § 109 SGG einen chirurgischen Gutachter, der eine alternative Ursache für den Sehnenriss darlegte.

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Wesentliche Teilursache

Juristen sprechen von der Wesentlichen Teilursache, wenn der Arbeitsunfall trotz eventueller Vorschäden nicht nur ein marginaler Auslöser, sondern ein Faktor mit gewichtiger Bedeutung für den eingetretenen Gesundheitsschaden ist.
Nach dem Sozialgesetzbuch muss der Unfall mindestens diese Rolle innehaben; ist der Vorschaden dominierend, muss die gesetzliche Unfallversicherung den Anspruch ablehnen.

Beispiel: Das Gericht wies die Klage ab, weil es der Auffassung war, der Unfall sei nicht die wesentliche Teilursache für den Sehnenriss, da der chronische Verschleiß die Schadensentstehung bestimmte.

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Das vorliegende Urteil


Landessozialgericht Sachsen-Anhalt – Az.: L 6 U 67/21 – Urteil vom 30.04.2025


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