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Übernahme ungedeckter Heimkosten durch Sozialhilfeträger – Voraussetzungen

Als das Geld knapp wurde, verweigerte das Amt die Hilfe – doch eine alte Dame kämpfte für ihr Recht auf Würde im Pflegeheim. Ein Gerichtsurteil in NRW zwingt nun zum Umdenken: Dürfen Sozialämter wirklich jedes Detail des Vermögensverbrauchs hinterfragen, wenn es um die Würde im Alter geht?

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
  • Datum: 28.09.2023
  • Aktenzeichen: L 9 SO 170/21
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren im Sozialrecht (Kostenübernahme für Stationäre Unterbringung)
  • Rechtsbereiche: Sozialrecht
  • Beteiligte Parteien:
    • Klägerin: Trägerin des Seniorenhauses St. V. in R., die die Übernahme der ungedeckten Kosten für die stationäre Unterbringung der verstorbenen Frau V. C. im Zeitraum vom 01.07.2018 bis 00.00.2020 (ca. 27.000 EUR) sowie die Erstattung außergerichtlicher Kosten fordert.
    • Beklagte: Partei, die den ursprünglichen Bescheid (Widerspruchsbescheid vom 12.03.2019) erlassen hat und nun zur Kostenerstattung für die stationäre Unterbringung sowie zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten verurteilt wurde.
  • Um was ging es?
    • Sachverhalt: Die Klägerin beantragte die Kostenübernahme für die stationäre Unterbringung der verstorbenen Frau V. C., die seit 2015 in ihrem Seniorenhaus lebte und deren monatliche Rentenzahlungen sowie anerkannter Pflegegrad dokumentiert sind. Der Streitgegenstand betrifft den Zeitraum vom 01.07.2018 bis zum Tod (00.00.2020) mit einem Kostenanspruch von ca. 27.000 EUR.
    • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die Kosten für die stationäre Unterbringung als ungedeckte Leistung vom Beklagten zu übernehmen sind und ob darüber hinaus die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen erstattet werden müssen.
  • Was wurde entschieden?
    • Entscheidung: Das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.03.2021 wurde abgeändert. Der Bescheid vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2019 wurde aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die ungedeckten Kosten für die stationäre Unterbringung der verstorbenen Frau V. C. sowie die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu zahlen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
    • Folgen: Der frühere Bescheid entfällt, wodurch der Beklagte zur Kostenerstattung verpflichtet wird. Mit der Nichtzulassung der Revision ist das Urteil endgültig.

Der Fall vor Gericht


LSG NRW: Sozialhilfeträger muss ungedeckte Heimkosten trotz Vermögens berücksichtigen

Ältere Frau in deutschem Sozialamt, besorgt gegenüber Fallmanager, der finanzielle Unterlagen überprüft.
Sozialhilfeübernahme ungedeckter Heimkosten trotz Vermögen | Symbolbild: KI-generiertes Bild

 

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) hat in einem Urteil (Az.: L 9 SO 170/21) vom 28. September 2023 entschieden, dass ein Sozialhilfeträger die ungedeckten Kosten für die stationäre Unterbringung einer Pflegebedürftigen auch dann übernehmen muss, wenn ursprünglich Vermögen vorhanden war, dessen Verbleib nicht lückenlos aufgeklärt ist. Das Gericht gab damit der Klage eines Seniorenheims statt und verpflichtete das zuständige Sozialamt zur Zahlung von rund 27.000 Euro für Ungedeckte Heimkosten.

Streit um ungedeckte Heimkosten: Sozialamt lehnt Zahlung wegen ungeklärtem Vermögensverbrauch ab

Im vorliegenden Fall ging es um die Kostenübernahme für eine 1924 geborene Frau V. C., die von August 2015 bis zu ihrem Tod in einem Seniorenheim lebte. Die Heimträgerin, das Seniorenhaus St. V., forderte vom Sozialamt die Begleichung ungedeckter Heimkosten für den Zeitraum vom 01. Juli 2018 bis zum Tod der Bewohnerin im Jahr 2020. Die Bewohnerin hatte zwar zunächst ihre Heimkosten aus eigenen Mitteln bestritten, diese waren jedoch im Laufe der Zeit aufgebraucht. Als die Bewohnerin Sozialhilfe beantragte, lehnte das Sozialamt die Kostenübernahme ab. Die Behörde argumentierte, dass die Bewohnerin bei Heimaufnahme über ein erhebliches Vermögen aus dem Verkauf ihres Hauses und Sparguthaben verfügt hatte. Ein Teil dieses Vermögens, so das Sozialamt, sei nicht nachvollziehbar verbraucht worden. Daher sei der Vermögensverzehr nicht hinreichend dargelegt und die Bedürftigkeit nicht nachgewiesen.

Sozialgericht Aachen bestätigt Ablehnung der Kostenübernahme

Das Sozialgericht Aachen hatte die Ablehnung des Sozialamtes in erster Instanz bestätigt. Das Gericht teilte die Auffassung des Sozialamtes, dass die Bewohnerin den Verbleib eines erheblichen Teils ihres Vermögens nicht ausreichend nachgewiesen habe. Insbesondere die monatlichen Abhebungen von 4.000 Euro durch die Bevollmächtigte der Bewohnerin und deren Verwendung blieben unklar. Das Sozialgericht sah es als nicht widerlegt an, dass ein Teil des Vermögens möglicherweise für andere Zwecke als die Heimkosten verwendet wurde und somit die Bedürftigkeit nicht zweifelsfrei festgestellt sei.

Landessozialgericht NRW kippt Urteil: Sozialamt zur Kostenübernahme verurteilt

Das Landessozialgericht NRW hob das Urteil des Sozialgerichts Aachen jedoch auf und verurteilte das Sozialamt zur Zahlung der ungedeckten Heimkosten. Das LSG stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Sozialhilfeleistung gemäß § 19 Abs. 1 SGB XII (Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch) erfüllt seien. Demnach hat Anspruch auf Sozialhilfe, wer nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und die erforderliche Hilfe nicht von Anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Begründung des LSG: Verbrauch des Vermögens für Heimkosten und Lebenshaltung nachgewiesen

Das LSG NRW argumentierte, dass zwar ein anfängliches Vermögen vorhanden war, dieses aber im Wesentlichen für die Heimkosten und den Lebensunterhalt der Bewohnerin aufgebraucht wurde. Das Gericht würdigte die vorgelegten Kontoauszüge und Unterlagen der Bevollmächtigten und kam zu dem Schluss, dass die monatlichen Abhebungen und Barauszahlungen plausibel mit den Lebensumständen und Bedürfnissen einer alten und pflegebedürftigen Heimbewohnerin in Einklang zu bringen seien. Es sei nachvollziehbar, dass neben den direkten Heimkosten auch weitere Ausgaben für persönliche Bedürfnisse, Kleidung, Friseur, Fußpflege, Taxifahrten und kleinere Zuwendungen an das Pflegepersonal angefallen seien.

Das Gericht betonte, dass es im Sozialhilferecht nicht darum gehe, jeden einzelnen Ausgabeposten lückenlos nachzuweisen. Vielmehr sei eine Gesamtschau der wirtschaftlichen Verhältnisse geboten. Im vorliegenden Fall sei es lebensnah und plausibel, dass das vorhandene Vermögen im Laufe der mehrjährigen Heimunterbringung aufgebraucht wurde, zumal die Heimkosten erheblich waren und die Renteneinkünfte der Bewohnerin eher gering ausfielen. Das LSG sah keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bewohnerin oder ihre Bevollmächtigte Vermögen beiseite geschafft oder verschwendet hätten, um Sozialleistungen zu erschleichen.

Sozialamt trägt Verfahrenskosten – Revision nicht zugelassen

Das Landessozialgericht verpflichtete das Sozialamt nicht nur zur Zahlung der ungedeckten Heimkosten, sondern auch zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen. Dies bedeutet, dass das Sozialamt auch die Anwaltskosten des Seniorenheims tragen muss. Die Revision gegen das Urteil wurde vom LSG nicht zugelassen. Damit ist die Entscheidung des Landessozialgerichts rechtskräftig.

Bedeutung für Betroffene: Stärkung des Sozialstaats bei Pflegebedürftigkeit und Schutz vor unberechtigter Kostenablehnung

Das Urteil des Landessozialgerichts NRW hat eine erhebliche Bedeutung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Es stärkt die Position von Heimbewohnern gegenüber Sozialhilfeträgern, wenn es um die Übernahme ungedeckter Heimkosten geht. Das Gericht stellt klar, dass Sozialämter nicht jeden Vermögensverbrauch bis ins kleinste Detail hinterfragen dürfen und eine realistische Einschätzung der Lebensumstände und Bedürfnisse von Pflegebedürftigen vornehmen müssen.

Es unterstreicht, dass es im Sozialhilferecht um die Sicherstellung des grundlegenden Existenzminimums geht und nicht um die lückenlose Aufklärung jedes einzelnen Ausgabepostens. Für Betroffene bedeutet dies mehr Rechtssicherheit und die Gewissheit, dass der Sozialstaat im Bedarfsfall einspringt, wenn die eigenen finanziellen Mittel für die notwendige Pflege nicht ausreichen, selbst wenn anfänglich Vermögen vorhanden war. Das Urteil signalisiert, dass Sozialämter bei der Prüfung von Sozialhilfeanträgen im Pflegebereich Augenmaß bewahren und die Belastungen für ältere und pflegebedürftige Menschen und deren Familien berücksichtigen müssen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass ein Leistungsanspruch auf Hilfe zur Pflege bestehen kann, selbst wenn der Verbleib von Vermögenswerten ungeklärt ist. Entscheidend ist, ob die pflegebedürftige Person selbst für den Vermögensschwund verantwortlich gemacht werden kann, was bei eingeschränkter Geschäftsfähigkeit oft nicht der Fall ist. Die Beweislast für die zweckwidrige Verwendung von Vermögen liegt beim Sozialhilfeträger – kann dieser keine konkreten Nachweise erbringen, darf die Leistung nicht verweigert werden. Dies stärkt den Schutz vulnerabler Pflegebedürftiger, deren finanzielle Angelegenheiten von Bevollmächtigten verwaltet werden.

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Rechtssichere Lösungen bei unklaren Heimkostenaufwendungen

Die Frage, inwieweit Sozialhilfeträger verpflichtet sind, ungedeckte Heimkosten zu übernehmen – auch wenn anfangs Vermögen vorhanden war – wirft häufig komplexe und individuelle Fragestellungen auf. Gerade die detaillierte Betrachtung der finanziellen Verhältnisse und die realitätsnahe Einschätzung der Lebensumstände stellen oft eine Herausforderung dar, die einer genauen rechtlichen Analyse bedarf.

Wir unterstützen Sie dabei, Ihre spezifische Situation objektiv zu erfassen und verschiedene Handlungsoptionen zu prüfen. Unsere sorgfältige und transparente Vorgehensweise hilft, Ihre Interessen zu wahren und eine fundierte Entscheidungsbasis zu schaffen. Bei weiterem Klärungsbedarf stehen wir Ihnen als kompetenter Partner zur Seite.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Unter welchen Voraussetzungen übernimmt der Sozialhilfeträger ungedeckte Heimkosten?

Der Sozialhilfeträger übernimmt ungedeckte Heimkosten im Rahmen der „Hilfe zur Pflege“ nach dem 7. Kapitel des SGB XII (§§ 61 bis 66a), wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

Grundvoraussetzungen für die Kostenübernahme

Pflegebedürftigkeit muss vorliegen, und zwar mindestens Pflegegrad 2. Die Pflegebedürftigkeit wird durch den Medizinischen Dienst der Pflegekasse oder das Gesundheitsamt festgestellt.

Heimnotwendigkeit muss gegeben sein. Das bedeutet, dass die ambulante Pflege nicht mehr ausreicht und eine stationäre Unterbringung notwendig ist. Diese Feststellung kann zunächst kurzzeitig durch einen Arzt erfolgen, endgültig jedoch nur durch den Medizinischen Dienst oder das Gesundheitsamt.

Finanzielle Bedürftigkeit muss nachgewiesen werden. Die eigenen finanziellen Mittel (Einkommen und Vermögen) sowie die Leistungen der Pflegeversicherung reichen nicht aus, um die Heimkosten vollständig zu decken.

Einkommens- und Vermögensprüfung

Bei der Prüfung der finanziellen Bedürftigkeit werden sowohl das Einkommen als auch das Vermögen des Pflegebedürftigen und unter Umständen auch des Ehe- oder Lebenspartners berücksichtigt.

Einkommen: Der Pflegebedürftige muss grundsätzlich sein gesamtes Einkommen (z.B. Renten) zur Deckung der Heimkosten einsetzen, abzüglich eines Taschengeldes (152,01 Euro seit Januar 2024). Bei Ehepaaren gilt:

  • Wenn beide Ehepartner im Heim leben, müssen beide ihr gesamtes Einkommen für die Heimkosten verwenden.
  • Wenn nur ein Ehepartner im Heim lebt, muss dem zu Hause lebenden Partner genügend Geld für seinen Lebensunterhalt verbleiben. Das gemeinsame Einkommen wird dann nur eingeschränkt für die Heimkosten herangezogen.

Vermögen: Das Vermögen des Pflegebedürftigen muss bis auf einen Schonbetrag für die Heimkosten eingesetzt werden. Der Vermögensfreibetrag (Schonvermögen) beträgt:

  • 10.000 Euro für Alleinstehende
  • 20.000 Euro für Ehe- und Lebenspartner

Für jedes unterhaltene Kind kann ein weiterer Freibetrag von 500 Euro abgezogen werden.

Antragstellung und erforderliche Unterlagen

Ein Antrag auf Sozialhilfe muss gestellt werden, sobald absehbar ist, dass die eigenen Mittel zur Deckung der Heimkosten nicht ausreichen. Die Kostenübernahme erfolgt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung, eine rückwirkende Bewilligung ist nicht möglich.

Für den Antrag werden je nach Einzelfall verschiedene Unterlagen benötigt:

  • Personalausweis oder Reisepass
  • Nachweise über das Einkommen (z.B. Rentenbescheide)
  • Nachweise über vorhandenes Vermögen (z.B. Sparbücher, Immobilien)
  • Heimvertrag als Nachweis der Ausgaben
  • Bescheide/Einstufungen der Pflegekasse

Zunächst reicht ein formloser Antrag zur Fristwahrung, danach ist das vollständige Antragsformular mit allen notwendigen Unterlagen einzureichen.

Berechnung der ungedeckten Heimkosten

Die ungedeckten Heimkosten, die vom Sozialhilfeträger übernommen werden können, berechnen sich wie folgt:

Ungedeckte Heimkosten = Gesamte Heimkosten – Leistungen der Pflegekasse – einzusetzendes Einkommen

Wenn Sie beispielsweise monatliche Heimkosten von 2.709,38 Euro haben, Pflegeleistungen in Höhe von 1.262 Euro (Pflegegrad 3) erhalten und eine Rente von 1.200 Euro beziehen, betragen die ungedeckten Heimkosten 247,38 Euro. Hinzu kommt das Taschengeld von 120,42 Euro, sodass die Gesamtleistung des Sozialamts 367,80 Euro beträgt.

Bei einem Umzug ins Pflegeheim wird für die Dauer der Kündigungsfrist (in der Regel drei Monate) die Miete der bisherigen Wohnung bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens berücksichtigt.

Besonderheiten bei der Antragstellung

Der Antrag sollte gestellt werden, wenn die Heimnotwendigkeit gegeben ist, die pflegebedürftige Person ins Heim kommt und die offenen Kosten mit den eigenen Mitteln nicht gedeckt werden können.

Wichtig: Bereits bezahlte Rechnungen werden vom Sozialamt nicht erstattet, sondern nur offene Rechnungen (ungedeckte Kosten). Die Übernahme von Schulden ist grundsätzlich ausgeschlossen.

Wenn das Heim auf die Begleichung offener Heimkostenrechnungen drängt, sollten Sie das Pflegeheim informieren, dass Sie Hilfe zur Pflege beantragt haben, und um eine Stundung der Kosten bitten, bis der Bescheid vom Sozialamt vorliegt.


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Wie muss der Vermögensverbrauch bei Beantragung von Sozialhilfe für Heimkosten nachgewiesen werden?

Bei der Beantragung von Sozialhilfe für Heimkosten müssen Sie den Vermögensverbrauch durch verschiedene Dokumente nachweisen. Das Sozialamt prüft dabei, ob das vorhandene Vermögen bis auf das Schonvermögen aufgebraucht wurde, bevor Sozialhilfe gewährt wird.

Erforderliche Nachweise für den Vermögensverbrauch

Für den Nachweis des Vermögensverbrauchs müssen in der Regel folgende Dokumente vorgelegt werden:

  • Kontoauszüge der letzten drei Monate aller Konten des Pflegebedürftigen
  • Nachweise über vorhandenes Vermögen wie Sparbücher, Wertpapiere, Lebensversicherungen (mit Rückkaufswerten), Bausparverträge
  • Nachweise über Immobilienbesitz und Grundstücke (Grundbuchauszüge, Wertgutachten)
  • Nachweise über Kraftfahrzeuge (Fahrzeugschein, Wertgutachten)
  • Rentenbescheide und Pensionsnachweise sowie Belege über sonstige Einkünfte
  • Heimvertrag oder andere Nachweise über die Höhe der Pflegekosten

Wenn Sie den Antrag auf Sozialhilfe stellen, sollten Sie diese Unterlagen möglichst vollständig einreichen, um Verzögerungen zu vermeiden. Die Sozialhilfe wird erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gewährt und nicht rückwirkend für die Vergangenheit.

Detaillierungsgrad der Nachweise

Bei der Dokumentation des Vermögensverbrauchs ist keine lückenlose Aufklärung jeder einzelnen Ausgabe erforderlich. Das Bundesfinanzhof-Urteil vom 18. April 2013 (VR 48/11) hat klargestellt, dass die Auffassung, eine lückenlose Aufklärung aller Ausgaben sei nur mit einem Haushaltsbuch möglich und daher unzumutbar, unhaltbar ist. Dennoch müssen Sie den Verbleib größerer Vermögenswerte plausibel erklären können.

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass Vermögen, dessen Verbleib ungeklärt ist, weiterhin zum Vermögen des Hilfebedürftigen zählt und bei den Sozialleistungen einzusetzen ist. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Erklärungen zum Verbleib des Geldes glaubhaft und schlüssig sind, aber nicht bewiesen werden können.

Umgang mit nicht nachweisbarem Vermögensverbrauch

Wenn Sie den Verbleib von Vermögen nicht nachweisen können, gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Bei unverschuldetem Beweisnotstand, etwa wenn der Pflegebedürftige aufgrund seiner Erkrankung (z.B. Demenz) keine Auskünfte mehr geben kann, kann das Gericht seine Entscheidung auf bloßes Klägervorbringen stützen.
  • Die Leistungen dürfen nicht versagt werden, falls der Hilfebedürftige durch von ihm nicht zu beeinflussende Umstände an der Mitwirkung bzw. Aufklärung gehindert ist.
  • Ihre Erklärungen zum Verbleib des Geldes müssen glaubhaft und schlüssig sein. Glaubhaftigkeit liegt vor, wenn die Wahrheit des Vortrags überwiegend wahrscheinlich ist. Eine bloße Möglichkeit und Denkbarkeit reicht jedoch nicht aus.

Beispiel: Die Behauptung, „Geld an eine Frau auf der Straße verschenkt zu haben“, wurde vom OVG NRW als unglaubhaft bewertet.

Berücksichtigung des Schonvermögens

Bei der Prüfung des Vermögensverbrauchs wird das Schonvermögen nicht berücksichtigt. Zum Schonvermögen gehören seit Januar 2023:

  • Barbeträge oder Geldwerte bis zu 10.000 Euro pro Person (also 20.000 Euro bei Ehepaaren)
  • Ein angemessenes Kraftfahrzeug (geschützt bis zu einem Verkehrswert von 7.500 Euro)
  • Selbstgenutztes Wohneigentum in angemessener Größe
  • Bestattungsvorsorgevertrag in angemessener Höhe
  • Staatlich geförderte Altersvorsorge wie die Riester-Rente

Wenn Sie einen Antrag auf Sozialhilfe stellen, sollten Sie diese Vermögenswerte klar als Schonvermögen kennzeichnen, damit sie bei der Berechnung des einzusetzenden Vermögens außen vor bleiben.


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Welche Rechtsmittel haben Betroffene, wenn das Sozialamt die Übernahme von Heimkosten ablehnt?

Wenn das Sozialamt die Übernahme von Heimkosten ablehnt, stehen Ihnen als Betroffener mehrere Rechtsmittel zur Verfügung, um gegen diese Entscheidung vorzugehen.

Widerspruchsverfahren

Der erste Schritt nach Erhalt eines Ablehnungsbescheids ist das Einlegen eines Widerspruchs. Hierbei müssen Sie folgende Punkte beachten:

  • Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Zugang des Ablehnungsbescheids beim zuständigen Sozialamt eingehen.
  • Fehlt im Bescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr.
  • Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen. Ein Widerspruch per Telefon oder E-Mail ist nicht möglich.
  • Für den Widerspruch reicht zunächst ein formloses Schreiben aus, in dem Sie erklären, dass Sie gegen den Bescheid vom (Datum) Widerspruch einlegen.
  • Die Begründung können Sie auch nachreichen, wichtig ist nur die Einhaltung der Frist.
  • Senden Sie den Widerspruch am besten per Einschreiben mit Rückschein, um den Eingang nachweisen zu können.

Wenn Sie selbst nicht in der Lage sind, den Widerspruch einzulegen, kann eine von Ihnen bevollmächtigte Vertrauensperson dies in Ihrem Namen tun. Bei bestehender gesetzlicher Betreuung legt der Betreuer den Widerspruch ein.

Nach Eingang Ihres Widerspruchs prüft das Sozialamt Ihren Fall erneut. Hilft das Sozialamt dem Widerspruch nicht ab, gibt es ihn an die zuständige Widerspruchsstelle weiter, die dann über Ihren Widerspruch entscheidet.

Klage vor dem Sozialgericht

Wird auch Ihr Widerspruch abgelehnt, können Sie Klage beim Sozialgericht erheben:

  • Die Klage muss innerhalb eines Monats nach Zugang des Widerspruchsbescheids beim zuständigen Sozialgericht eingereicht werden.
  • Die Klage kann schriftlich eingereicht oder bei der Rechtsantragsstelle des Sozialgerichts zu Protokoll gegeben werden.
  • Dem Klageantrag sollten Sie den ursprünglichen Bescheid des Sozialamts, den Widerspruchsbescheid und alle relevanten Unterlagen beifügen.
  • Für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht fallen keine Gerichtskosten an.

Das Sozialgericht prüft, ob die Einwände gegen den Bescheid stichhaltig sind. In einer möglichen mündlichen Verhandlung haben Sie die Gelegenheit, Ihre Sichtweise zu erläutern. Danach fällt das Gericht ein Urteil, das Ihnen entweder die begehrte Sozialhilfe zuspricht oder Ihre Klage abweist.

Begründung des Widerspruchs und der Klage

Für eine erfolgreiche Anfechtung sollten Sie in Ihrer Begründung folgende Aspekte berücksichtigen:

  • Beziehen Sie sich auf die im Ablehnungsbescheid genannten Gründe und widerlegen Sie diese Punkt für Punkt.
  • Führen Sie alle relevanten persönlichen Umstände an, die für eine Kostenübernahme sprechen.
  • Legen Sie dar, warum die Heimunterbringung in Ihrem Fall notwendig und angemessen ist.
  • Fügen Sie, wenn möglich, neue Beweise oder Gutachten bei, die Ihre Position stützen.

Rechtliche Unterstützung

Bei komplexen Fällen kann es sinnvoll sein, sich von einem auf Sozialrecht spezialisierten Rechtsanwalt unterstützen zu lassen. Bei einem erfolgreichen Ausgang des Verfahrens können die Anwaltskosten unter Umständen vom Sozialamt übernommen werden.

Besonderheiten bei der Vermögensprüfung

Beachten Sie, dass das Sozialamt vor der Kostenübernahme prüft, ob Sie über eigenes Einkommen oder Vermögen verfügen, das vorrangig zur Deckung der Heimkosten eingesetzt werden muss. Auch Schenkungen, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor Eintritt der Pflegebedürftigkeit vorgenommen wurden, können vom Sozialamt zurückgefordert werden.

Wenn Sie der Meinung sind, dass das Sozialamt Ihr Vermögen oder Einkommen falsch bewertet hat, sollten Sie dies in Ihrem Widerspruch detailliert darlegen.


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Welche Ausgaben neben den direkten Heimkosten werden bei der Sozialhilfeberechnung berücksichtigt?

Bei der Sozialhilfeberechnung für Pflegeheimbewohner werden neben den direkten Heimkosten auch persönliche Ausgaben berücksichtigt, die für ein würdevolles Leben notwendig sind. Pflegebedürftige Personen haben Anspruch auf einen Barbetrag (früher „Taschengeld“ genannt), der zur Deckung persönlicher Bedürfnisse dient.

Höhe des Barbetrags und gesetzliche Grundlage

Der Barbetrag beträgt seit dem 1. Januar 2025 152,01 Euro pro Monat für Erwachsene in Pflegeheimen. Diese Summe entspricht 27% der Regelbedarfsstufe 1 und wird jährlich zum 1. Januar angepasst. Die gesetzliche Grundlage hierfür findet sich in § 27b SGB XII.

Wenn Sie als Pflegeheimbewohner Sozialhilfe beziehen, erhalten Sie diesen Barbetrag zur freien Verfügung, während der restliche Sozialhilfebetrag direkt an die Einrichtung geht, um die Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu decken.

Vom Barbetrag abgedeckte persönliche Ausgaben

Mit dem Barbetrag sollen folgende typische persönliche Ausgaben finanziert werden:

  • Friseurleistungen
  • Fußpflege (soweit nicht medizinisch notwendig und von der Krankenkasse übernommen)
  • Körperpflegeprodukte
  • Zeitschriften und Zeitungen
  • Kleinere Anschaffungen für den persönlichen Bedarf
  • Zuzahlungen für Medikamente
  • Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen
  • Einkäufe in der Cafeteria des Heims
  • Süßigkeiten und zusätzliche Lebensmittel wie Obst

Zusätzliche Bekleidungshilfe

Neben dem Barbetrag haben Sie als Heimbewohner auch Anspruch auf eine Bekleidungshilfe. Diese wird entweder als Einmalbetrag je nach Bedarf oder als monatliche Pauschale (meist zwischen 20 und 30 Euro) gewährt. Die Bekleidungshilfe wird in der Regel auf das „Taschengeldkonto“ überwiesen.

Der Antrag auf Bekleidungshilfe wird formlos beim Sozialamt gestellt. Dabei können Sie wählen, ob Sie eine laufende Pauschale oder bei Bedarf Einmalbeträge beantragen möchten. Bei Einmalbeträgen muss der Antrag vor dem Kauf der Kleidung gestellt werden.

Verwaltung des Barbetrags

Der Barbetrag wird Ihnen persönlich ausgezahlt. Wenn Sie ihn nicht selbst verwalten können, dürfen Sie eine Person Ihrer Wahl damit beauftragen. Alternativ kann die Pflegeeinrichtung im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht die Barbetragsverwaltung übernehmen.

In vielen Fällen wird das Geld auf einem im Heim geführten „Konto“ verwaltet, zu dem Sie einen Anspruch auf Abrechnung („Kontoauszug“) haben. Sie können das Geld aber auch auf einem normalen Bankkonto selbst verwalten, was jedoch praktische Schwierigkeiten bereiten kann, wenn Sie Bargeld benötigen und nicht gut zum Geldautomaten kommen können.

Erhöhung des Barbetrags bei besonderem Bedarf

Der Barbetrag kann auf Antrag erhöht werden, wenn ein zusätzlicher notwendiger Bedarf besteht, den die Einrichtung nicht deckt und für den der Mindestbetrag nicht ausreicht. Beispiele hierfür sind Kosten für Internet im Heim oder wenn ein Heim nicht genügend Nahrung zur Verfügung stellt.

Wichtig zu wissen: Auch wenn Sie die Heimkosten selbst finanzieren können, aber dann kein Taschengeld mehr übrig haben, können Sie Hilfe zur Pflege allein für den Barbetrag beantragen.

Medizinisch notwendige Transportkosten

Medizinisch notwendige Fahrtkosten zum Arzt oder ins Krankenhaus werden nicht vom Barbetrag abgedeckt, sondern von der Krankenkasse übernommen. Diese Kosten müssen Sie also nicht aus Ihrem Barbetrag bestreiten.

Der Barbetrag soll Ihnen trotz Heimunterbringung ein Mindestmaß an finanzieller Selbstbestimmung und sozialer Teilhabe ermöglichen. Er ist ein wichtiger Bestandteil der Sozialhilfeberechnung, der sicherstellt, dass Sie auch bei Sozialhilfebezug persönliche Bedürfnisse befriedigen können.


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Wann kann ein Pflegeheim direkt beim Sozialhilfeträger die Übernahme ungedeckter Kosten beantragen?

Ein Pflegeheim kann direkt beim Sozialhilfeträger die Übernahme ungedeckter Kosten beantragen, wenn die pflegebedürftige Person ihre Pflegekosten nicht mehr selbst begleichen kann und die Voraussetzungen für „Hilfe zur Pflege“ nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) erfüllt sind.

Voraussetzungen für die direkte Antragstellung durch das Pflegeheim

Die direkte Antragstellung durch das Pflegeheim ist möglich, wenn:

  • Die pflegebedürftige Person nicht mehr in der Lage ist, den Antrag selbst zu stellen (z.B. aufgrund kognitiver Einschränkungen)
  • Die Leistungen der Pflegeversicherung und das eigene Einkommen sowie Vermögen des Pflegebedürftigen nicht ausreichen, um die Heimkosten zu decken
  • Der Pflegebedürftige mindestens Pflegegrad 2 hat (bei geringerer Pflegebedürftigkeit sind die Leistungen eingeschränkt)
  • Es besteht eine akute finanzielle Notlage, die die Versorgung des Pflegebedürftigen gefährdet

In der Praxis wird das Pflegeheim zunächst versuchen, mit dem Pflegebedürftigen oder dessen Angehörigen eine Lösung zu finden. Wenn dies nicht möglich ist, kann das Heim als Leistungserbringer einen eigenen Anspruch auf Kostenerstattung geltend machen.

Ablauf der Antragstellung durch das Pflegeheim

Wenn Sie als Pflegebedürftiger oder Angehöriger mit dieser Situation konfrontiert sind, läuft der Prozess typischerweise so ab:

  1. Das Pflegeheim stellt fest, dass die Kosten nicht mehr gedeckt werden können
  2. Das Heim informiert den Pflegebedürftigen oder dessen rechtlichen Vertreter über die Situation
  3. Bei fehlender Handlungsfähigkeit des Pflegebedürftigen kann das Heim einen Eilantrag beim Sozialamt stellen
  4. Das Sozialamt prüft die finanzielle Bedürftigkeit des Pflegebedürftigen
  5. Bei Bewilligung übernimmt das Sozialamt die ungedeckten Kosten direkt mit dem Pflegeheim

Mitwirkungspflichten trotz direkter Antragstellung

Auch wenn das Pflegeheim den Antrag stellt, bestehen für den Pflegebedürftigen oder dessen Angehörige weiterhin Mitwirkungspflichten:

  • Offenlegung der finanziellen Verhältnisse: Das Sozialamt benötigt vollständige Informationen über Einkommen und Vermögen des Pflegebedürftigen und ggf. des Ehepartners
  • Nachweis der Pflegebedürftigkeit: Es muss ein Pflegegrad vorliegen, der durch den Medizinischen Dienst festgestellt wurde
  • Prüfung von Unterhaltsansprüchen: Das Sozialamt prüft, ob Kinder mit einem Jahresbruttoeinkommen über 100.000 Euro unterhaltspflichtig sind

Rechtliche Grundlagen für den direkten Anspruch des Pflegeheims

Der direkte Anspruch des Pflegeheims basiert auf folgenden rechtlichen Grundlagen:

  • §§ 61-66a SGB XII: Regeln die „Hilfe zur Pflege“ als Teil der Sozialhilfe
  • Nachrangigkeitsprinzip: Sozialhilfe wird nur gewährt, wenn keine anderen Mittel zur Verfügung stehen (§ 2 SGB XII)
  • Eilbedürftigkeit: Bei akuter Notlage kann ein beschleunigtes Verfahren eingeleitet werden

Wichtig: Das Pflegeheim kann nicht eigenmächtig Preise erhöhen, um ungedeckte Kosten auszugleichen. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass einseitige Preiserhöhungen durch Heimträger ohne Zustimmung der Bewohner nicht zulässig sind.

Wenn Sie als Angehöriger mit dieser Situation konfrontiert sind, sollten Sie beachten, dass seit 2020 das Angehörigenentlastungsgesetz gilt. Kinder müssen für ihre pflegebedürftigen Eltern nur dann Unterhalt zahlen, wenn ihre Bruttoeinkünfte mehr als 100.000 Euro im Jahr betragen.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Sozialhilfeträger

Ein Sozialhilfeträger ist die öffentliche Stelle, die für die Gewährung von Sozialhilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) zuständig ist. In der Regel handelt es sich um Landkreise, kreisfreie Städte oder überörtliche Träger wie Landeswohlfahrtsverbände. Sozialhilfeträger entscheiden über Anträge auf verschiedene Hilfeleistungen und übernehmen deren Finanzierung. Sie prüfen die Anspruchsvoraussetzungen, darunter insbesondere die Bedürftigkeit des Antragstellers gemäß §§ 19 ff. SGB XII.

Beispiel: Eine pflegebedürftige Person kann ihre Heimkosten nicht vollständig aus eigenen Mitteln decken. Der zuständige Sozialhilfeträger prüft den Antrag auf „Hilfe zur Pflege“ und übernimmt bei Vorliegen der Voraussetzungen die ungedeckten Kosten.


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Stationäre Unterbringung

Die stationäre Unterbringung bezeichnet die dauerhafte Versorgung und Betreuung hilfsbedürftiger Personen in einem Pflegeheim oder einer vergleichbaren Einrichtung. Im Gegensatz zur ambulanten Pflege leben die Betroffenen vollständig in der Einrichtung und erhalten dort rund um die Uhr Betreuung. Die rechtlichen Grundlagen finden sich im SGB XI (Pflegeversicherung) sowie im SGB XII (Sozialhilfe). Die Kosten setzen sich aus Pflegekosten, Unterkunfts- und Verpflegungskosten sowie Investitionskosten zusammen.

Beispiel: Frau C. aus dem Urteilsfall lebte seit 2015 im Seniorenhaus St. V. und erhielt dort eine vollstationäre Versorgung, deren ungedeckte Kosten Gegenstand des Rechtsstreits waren.


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Pflegegrad

Der Pflegegrad ist eine Einstufung, die den Umfang der Pflegebedürftigkeit einer Person bestimmt und nach § 15 SGB XI in fünf Stufen (1-5) eingeteilt wird. Die Einstufung erfolgt durch den Medizinischen Dienst anhand eines festgelegten Begutachtungsverfahrens, das körperliche, kognitive und psychische Einschränkungen berücksichtigt. Der Pflegegrad entscheidet über Art und Umfang der Leistungen aus der Pflegeversicherung und kann auch Ansprüche auf Sozialhilfeleistungen beeinflussen.

Beispiel: Eine Person mit Pflegegrad 4 hat erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit und erhält entsprechend höhere Leistungen der Pflegekasse für ihre stationäre Unterbringung als jemand mit Pflegegrad 2.


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Ungedeckte Heimkosten

Ungedeckte Heimkosten sind Kosten für die stationäre Pflege, die weder durch Leistungen der Pflegeversicherung noch durch eigenes Einkommen und Vermögen des Pflegebedürftigen gedeckt werden können. Nach § 61 ff. SGB XII können diese Kosten im Rahmen der „Hilfe zur Pflege“ vom Sozialhilfeträger übernommen werden. Voraussetzung ist, dass die pflegebedürftige Person nachweislich nicht in der Lage ist, diese Kosten selbst zu tragen oder kein einzusetzendes Vermögen mehr vorhanden ist.

Beispiel: Bei Frau C. im Urteilsfall betrugen die ungedeckten Heimkosten etwa 27.000 EUR für den Zeitraum von Juli 2018 bis zu ihrem Tod, die der Sozialhilfeträger zunächst abgelehnt hatte zu übernehmen.


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Geschäftsfähigkeit

Die Geschäftsfähigkeit bezeichnet die rechtliche Fähigkeit einer Person, wirksame Willenserklärungen abzugeben und Rechtsgeschäfte selbständig vorzunehmen. Sie ist in §§ 104 ff. BGB geregelt und kann vollständig vorhanden, eingeschränkt oder nicht vorhanden sein. Bei Pflegebedürftigen, insbesondere mit kognitiven Einschränkungen, kann die Geschäftsfähigkeit beeinträchtigt sein, was für die Beurteilung ihrer Verantwortlichkeit für Vermögensverschiebungen relevant ist.

Beispiel: Eine demenzkranke Heimbewohnerin kann aufgrund ihrer eingeschränkten Geschäftsfähigkeit nicht für das Verschwinden ihres Vermögens verantwortlich gemacht werden, wenn sie keine bewussten Entscheidungen mehr über ihre Finanzen treffen konnte.


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Beweislast

Die Beweislast bezeichnet die Verpflichtung einer Partei in einem Rechtsstreit, bestimmte Tatsachen zu beweisen. Im Sozialrecht gilt grundsätzlich der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 SGB X), der Behörden verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Bei Vermögensverfügungen, die als missbräuchlich angesehen werden könnten, muss der Sozialhilfeträger nachweisen, dass diese zweckwidrig erfolgten, um Leistungen zu verweigern (§ 103 SGB XII).

Beispiel: Im vorliegenden Fall konnte der Sozialhilfeträger nicht nachweisen, dass die pflegebedürftige Person ihr Vermögen vorsätzlich verschwendet hatte, um Sozialhilfe zu erhalten, weshalb er zur Kostenübernahme verpflichtet wurde.


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Berufungsverfahren

Das Berufungsverfahren ist ein Rechtsmittelverfahren gegen Entscheidungen eines erstinstanzlichen Gerichts mit dem Ziel, diese Entscheidung überprüfen zu lassen. Im Sozialrecht richtet sich das Berufungsverfahren nach den §§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Landessozialgericht überprüft dabei sowohl Rechts- als auch Tatsachenfragen. Die Berufung muss binnen eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils eingelegt werden.

Beispiel: Im vorliegenden Fall wurde das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Aachen durch das Landessozialgericht NRW im Berufungsverfahren abgeändert, wodurch der Sozialhilfeträger zur Zahlung der ungedeckten Heimkosten verurteilt wurde.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 19 Abs. 3 SGB XII (Einsetzen der Sozialhilfe): Die Sozialhilfe setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe die Notlage bekannt wird; sie setzt nicht ein, wenn vorrangig Leistungen anderer erbracht werden oder zu erbringen sind. Beantragung ist für das Einsetzen der Sozialhilfe nicht erforderlich. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Sozialhilfeträger muss ab dem Bekanntwerden der Bedürftigkeit im Juni 2018 leisten, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob zu diesem Zeitpunkt noch Vermögen vorhanden war, das vor dem Bekanntwerden verbraucht worden ist.
  • § 90 SGB XII (Einzusetzendes Vermögen): Grundsätzlich ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen, bevor Sozialhilfe in Anspruch genommen werden kann. Kleinere Barbeträge oder andere Vermögenswerte sind jedoch nach § 90 Abs. 2 SGB XII geschützt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das ursprüngliche Vermögen der Pflegebedürftigen (Erlös aus Hausverkauf und Sparguthaben) musste vor dem Einsatz von Sozialhilfe aufgebraucht werden, wobei zum Zeitpunkt der Antragstellung nur noch das Schonvermögen vorhanden war.
  • § 103 SGB XII (Kostenersatz bei schuldhaftem Verhalten): Ein Kostenersatz kann vom Sozialhilfeträger gefordert werden, wenn jemand sein Vermögen vermindert hat in der Absicht, die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe herbeizuführen. Eine besondere Beweislast für diese Absicht trifft den Sozialhilfeträger. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Beklagte konnte nicht nachweisen, dass die Vermögensminderung durch Geldabhebungen mit der Absicht erfolgte, Sozialhilfe zu erlangen, daher ist ein Kostenersatzanspruch nicht begründet.
  • § 1901 BGB (Betreuungsrecht): Die Vorschrift regelt die Pflichten eines Betreuers oder Bevollmächtigten, der im Interesse des Betreuten zu handeln hat und dessen Wohl und Wünsche zu berücksichtigen hat. Der Betreuer muss vermögensschädigende Handlungen unterlassen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Bevollmächtigte der Pflegebedürftigen hatte zwar erhebliche Geldbeträge für die Pflegebedürftige abgehoben, jedoch konnte nicht nachgewiesen werden, dass diese pflichtwidrig zum Nachteil der Pflegebedürftigen verwendet wurden.
  • § 19 Abs. 5 SGB XII (Antragstellung durch den Leistungserbringer): Sozialleistungsträger sollen mit Einrichtungen und Diensten Vereinbarungen zur Erbringung von Leistungen schließen. Diese können auch im Namen des Leistungsberechtigten einen Antrag auf Leistungen stellen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin als Pflegeheimträgerin konnte den Antrag auf Kostenübernahme für die Heimunterbringung geltend machen und die Ansprüche der verstorbenen Pflegebedürftigen weiterverfolgen.

Das vorliegende Urteil


Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: L 9 SO 170/21 – Urteil vom 28.09.2023


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