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Unfallfolgen sowie Entschädigungsleistungen aus gesetzlicher Unfallversicherung

Ein Arbeitsunfall, der auf einen Vorschaden trifft: Ein Hilfsarbeiter verletzte sich bei der Arbeit an der Schulter, doch die Unfallversicherung weigerte sich, den Sehnenriss als Unfallfolge anzuerkennen. Sie argumentierte, die Schulter sei bereits durch langjährigen Verschleiß stark vorgeschädigt gewesen. Wann zahlt die Versicherung, wenn ein Unfall auf ein bereits angeschlagenes Gelenk trifft?

Zum vorliegenden Urteil Az.: L 2 U 23/23 D | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landessozialgericht Hamburg
  • Datum: 19.02.2025
  • Aktenzeichen: L 2 U 23/23 D
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Sozialrecht, Unfallversicherungsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein Hilfsarbeiter, der nach einem Arbeitsunfall im Februar 2018 die Anerkennung einer Supraspinatussehnenruptur der rechten Schulter als Unfallfolge sowie weitere Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Verletztengeld, Verletztenrente) begehrt.
  • Beklagte: Die zuständige Berufsgenossenschaft, die die Anerkennung der Sehnenruptur als Unfallfolge und die Gewährung weiterer Leistungen ablehnt, da sie keinen wesentlichen Zusammenhang zum Arbeitsunfall sieht.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Der Kläger erlitt einen Arbeitsunfall, bei dem er nach eigenen Angaben beim Schieben einer schweren Scheibe ausrutschte und sich festhielt. Später wurde eine Ruptur der Supraspinatussehne diagnostiziert, deren Anerkennung als Unfallfolge und daraus folgende Leistungen die Beklagte verweigerte.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Ist die beim Kläger diagnostizierte Ruptur der Supraspinatussehne der rechten Schulter eine wesentliche Folge des im Februar 2018 erlittenen Arbeitsunfalls, die einen Anspruch auf weitere Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung begründet?

Wie hat das Gericht entschieden?

  • Berufung zurückgewiesen: Das Landessozialgericht Hamburg wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte somit die Ablehnung der Anerkennung der Sehnenruptur als Unfallfolge durch die Beklagte.
  • Kernaussagen der Begründung:
    • Kein geeignetes Unfallereignis: Der vom Kläger geschilderte Unfallhergang (Festhalten der Scheibe) stellte keine plötzliche, überfallartige Überdehnung der Sehne dar, wie sie für eine traumatische Ruptur medizinisch erforderlich wäre.
    • Überwiegend degenerative Befunde: Die medizinischen Bildgebungen und Befunde zeigten keine frischen, unfalltypischen Verletzungszeichen (z.B. Ödem), sondern vor allem vorbestehende, verschleißbedingte degenerative Veränderungen an der Schulter.
    • Lange Arbeitsunfähigkeit kein Beweis: Die Tatsache der langen Arbeitsunfähigkeit und der Behandlungen wurde nicht als Beweis für die Unfallbedingtheit der spezifischen Sehnenruptur gewertet, sondern bezog sich auf die ursprünglich anerkannte Schulterzerrung.
  • Folgen für den Kläger:
    • Die Ruptur der Supraspinatussehne wird nicht als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt.
    • Dem Kläger stehen keine weiteren Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wie Verletztengeld über den 26. März 2018 hinaus oder eine Verletztenrente, zu.

Der Fall vor Gericht


Ein falscher Schritt bei der Arbeit – zahlt die Unfallversicherung immer für die Folgen?

Stellen Sie sich vor, Sie heben bei der Arbeit etwas Schweres, rutschen aus und spüren einen stechenden Schmerz in der Schulter. Ein klassischer Arbeitsunfall, oder? Man geht zum Arzt, meldet den Vorfall, und die gesetzliche Unfallversicherung kommt für die Behandlung und den Lohnausfall auf. Aber was passiert, wenn die Ärzte feststellen, dass Ihre Schulter schon vor dem Unfall verschlissen war? Genau um diese komplizierte Frage drehte sich ein Fall vor dem Landessozialgericht Hamburg. Ein Hilfsarbeiter stritt mit seiner Unfallversicherung darüber, ob ein Sehnenriss in seiner Schulter eine Folge seines Arbeitsunfalls war oder ob die Verletzung hauptsächlich auf langjährigen Verschleiß zurückzuführen ist. Das Urteil zeigt sehr genau, wie Gerichte in solchen Fällen abwägen.

Wie kam es zu dem Streit vor Gericht?

Arbeiter rutscht aus, verliert Kontrolle über schwere Metallscheibe in Industriehalle.
Hilfsarbeiter rutscht mit schwerer Scheibe am Arbeitsplatz aus. Starker Schulterschmerz ist die Folge. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Kläger, ein 1958 geborener Mann, arbeitete als Hilfsarbeiter für eine Zeitarbeitsfirma. Im Februar 2018 passierte der Vorfall. Die genauen Details sind leicht widersprüchlich: In der Unfallanzeige heißt es, er sei beim Schieben einer schweren Scheibe ausgerutscht. Beim Arzt gab er später an, er sei beim Heben der Scheibe ausgerutscht und auf den rechten Arm gefallen. Unabhängig von der genauen Bewegung war das Ergebnis dasselbe: starke Schmerzen in der rechten Schulter.

Interessanterweise ging der Mann erst knapp zwei Wochen nach dem Unfall zu einem sogenannten Durchgangsarzt. Das ist ein speziell von den Unfallversicherungen zugelassener Arzt, der bei Arbeitsunfällen die Erstbehandlung durchführt. Dieser diagnostizierte zunächst eine einfache Schulterprellung. Doch die Schmerzen blieben.

Einen Monat nach dem Unfall wurde eine Magnetresonanztomografie (MRT) gemacht. Das ist ein bildgebendes Verfahren, das mit Magnetfeldern sehr detaillierte Bilder vom Körperinneren, insbesondere von Weichteilen wie Sehnen und Muskeln, erzeugen kann. Das Ergebnis war alarmierend: Die Bilder zeigten einen teilweisen Riss der Supraspinatussehne. Das ist eine der wichtigsten Sehnen in der Schulter, die für das Heben des Arms zur Seite verantwortlich ist. Außerdem fanden die Ärzte weitere Probleme: Entzündungen, Verschleißerscheinungen am Gelenk und an anderen Sehnen. Man spricht hier von degenerativen Veränderungen, also Schäden, die über lange Zeit durch Abnutzung entstehen und nicht durch einen plötzlichen Unfall.

Warum wollte die Unfallversicherung nicht mehr für die Schulterverletzung zahlen?

Zunächst schien alles seinen gewohnten Gang zu gehen. Die zuständige Berufsgenossenschaft, also die gesetzliche Unfallversicherung für sein Gewerbe, zahlte dem Mann Verletztengeld. Das ist eine Lohnersatzleistung, die man erhält, wenn man wegen eines Arbeitsunfalls nicht arbeiten kann. Sie bezahlte auch die weitere Behandlung, eine Operation an der Schulter und die anschließende Rehabilitation.

Doch dann ließ die Versicherung den Fall von zwei unabhängigen Fachärzten begutachten. Ein Neurologe fand keine Nervenschäden. Das unfallchirurgische Gutachten von Professor Dr. G1 brachte jedoch die Wende. Der Experte kam zu einem klaren Schluss: Der Sehnenriss in der Schulter des Mannes sei höchstwahrscheinlich keine Folge des Unfalls.

Aber wie kam er darauf? Seine Begründung stützte sich auf mehrere Punkte:

  1. Die MRT-Bilder zeigten zahlreiche degenerative Veränderungen, also deutliche Anzeichen für langjährigen Verschleiß. Dazu gehörten ein abgenutztes Schultereckgelenk und Veränderungen an mehreren Sehnen. Solche Schäden entwickeln sich über Jahre, nicht in einem einzigen Moment.
  2. Für eine unfallbedingte, also traumatische, Sehnenruptur fehlten die typischen Anzeichen. Normalerweise würde man bei einem frischen Riss durch Gewalteinwirkung eine Schwellung im Knochen (ein sogenanntes Ödem) oder andere Begleitverletzungen auf den MRT-Bildern sehen. Nichts davon war vorhanden.
  3. Die Art des Risses passte nicht zu dem geschilderten Unfallhergang.

Auf Basis dieses Gutachtens traf die Versicherung eine folgenschwere Entscheidung: Sie erkannte zwar das Ereignis als Arbeitsunfall an, aber nur für eine einfache Schulterzerrung. Die Kosten für die Behandlung und das Verletztengeld wollte sie daher nur bis zum 26. März 2018 übernehmen – dem Tag der ersten MRT-Untersuchung. Alle weitergehenden Ansprüche, wie eine Verletztenrente, lehnte sie ab. Eine Verletztenrente ist eine dauerhafte monatliche Zahlung, die man erhält, wenn die Arbeitsfähigkeit nach einem Arbeitsunfall um einen bestimmten Prozentsatz gemindert ist. Die Begründung der Versicherung: Der Sehnenriss und die damit verbundenen Probleme seien auf den bereits vorhandenen Verschleiß zurückzuführen. Der Unfall sei nicht die rechtlich wesentliche Ursache gewesen.

Wie entschied das erste Gericht und warum war der Kläger damit unzufrieden?

Der Mann wehrte sich gegen diese Entscheidung. Er legte zunächst Widerspruch ein, was ein formeller Rechtsbehelf ist, um eine Behördenentscheidung überprüfen zu lassen. Als dieser abgewiesen wurde, erhob er Klage vor dem Sozialgericht Hamburg. Er argumentierte, die Entscheidung der Versicherung sei willkürlich. Er sei ja schließlich monatelang krankgeschrieben und behandelt worden – das alles könne nicht nur von einer einfachen Zerrung kommen.

Das Sozialgericht wies seine Klage jedoch ab. Es folgte der Argumentation der Unfallversicherung und des Gutachters. Das Gericht war der Meinung, dass der Unfall – das Ausrutschen beim Festhalten einer schweren Scheibe – nicht die „rechtlich-wesentliche“ Ursache für den Sehnenriss gewesen sei. Mit dieser Entscheidung wollte sich der Kläger nicht abfinden und legte Berufung beim Landessozialgericht ein. Das bedeutet, er beantragte, dass die nächsthöhere Gerichtsinstanz den Fall noch einmal vollständig prüft.

Nach welchen Regeln entscheidet ein Gericht, ob ein Unfall die „wesentliche Ursache“ war?

Hier wird es juristisch spannend. Um zu verstehen, warum die Gerichte so entschieden haben, müssen wir uns das wichtigste Werkzeug ansehen, das sie in solchen Fällen nutzen: die Theorie der wesentlichen Bedingung.

Was bedeutet das konkret? Es reicht nicht aus, dass der Unfall irgendwie zum Schaden beigetragen hat. Ein rein zeitlicher Zusammenhang – erst der Unfall, dann der Schmerz – genügt nicht. Die Gerichte fragen vielmehr: War der Unfall eine so wichtige, so bedeutende Ursache für den Schaden, dass er rechtlich dafür verantwortlich gemacht werden kann?

Man kann es sich mit einem Bild vorstellen: Ein altes, morsches Gartenhaus steht schon seit Jahren und wackelt bei jedem Windstoß. Eines Tages kommt ein leichter Sommerregen, und ein Tropfen trifft das Dach – und das Haus stürzt ein. War dieser eine Regentropfen die wesentliche Ursache für den Einsturz? Wohl kaum. Die wesentliche Ursache war, dass das Haus bereits baufällig war. Wäre hingegen ein Orkan durch den Garten gefegt und hätte ein stabiles, neues Gartenhaus umgerissen, wäre der Orkan zweifellos die wesentliche Ursache.

Genau diese Abwägung machen die Sozialgerichte. Sie prüfen, ob der Arbeitsunfall der „Orkan“ war, der eine gesunde Struktur (die Sehne) zerstört hat, oder nur der „Regentropfen“, der auf eine bereits stark vorgeschädigte Struktur traf. Dafür schauen sie sich an:

  • Die Art und Stärke der Krafteinwirkung beim Unfall.
  • Den genauen zeitlichen Ablauf.
  • Die medizinischen Befunde, insbesondere die der ersten Ärzte und die Bilder aus dem MRT.

Warum sah auch das Landessozialgericht den Unfall nicht als wesentliche Ursache an?

Das Landessozialgericht Hamburg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung des Klägers zurück. Die Richter begründeten ihre Entscheidung sehr detailliert und folgten dabei zwei zentralen Argumentationslinien.

Die Art des Unfalls war ungeeignet, die Sehne zu zerreißen

Erstens analysierte das Gericht den Unfallhergang. Der Kläger hatte eine schwere Scheibe festgehalten, als er ausrutschte. Juristisch und medizinisch gesehen ist das eine bewusste, willentlich gesteuerte Muskelanspannung, um das Gewicht zu halten. Für einen unfallbedingten Sehnenriss ist aber typischerweise ein anderes Ereignis nötig: eine plötzliche, passive und unkontrollierbare Bewegung, die die Sehne überfallartig überdehnt. Ein Beispiel wäre, wenn jemand stolpert und sich im Fallen mit der Hand an einem Geländer festkrallt, während der Körper weiter nach unten reißt. Diese plötzliche, ruckartige Überdehnung, die den Muskel und die Sehne unvorbereitet trifft, ist der klassische Mechanismus für eine traumatische Ruptur. Dieser Mechanismus lag im Fall des Klägers nicht vor.

Die medizinischen Befunde sprachen eine klare Sprache

Zweitens stützte sich das Gericht, wie schon die Vorinstanz und die Versicherung, maßgeblich auf die medizinischen Beweise. Die MRT-Aufnahmen waren hier entscheidend. Das Gericht folgte den schlüssigen Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. G1.

  • Was die Bilder zeigten: Die Aufnahmen waren voll von Hinweisen auf langjährigen Verschleiß. Dazu zählten eine Chondromalazie (ein Knorpelschaden), deutliche Abnutzungen an anderen Sehnen und generelle degenerative Veränderungen. Diese Befunde malten das Bild einer Schulter, die bereits vor dem Unfall erheblich vorgeschädigt war.
  • Was die Bilder nicht zeigten: Es fehlten sämtliche typischen Anzeichen für eine frische, gewaltsame Verletzung. Es gab kein Knochenmarködem (eine Art „blauer Fleck“ im Knochen, der bei starker Krafteinwirkung entsteht), keine akute Schwellung und keine anderen frischen Begleitverletzungen.

Das Gericht schloss daraus: Das Schadensbild wurde eindeutig von den alten, verschleißbedingten Schäden geprägt. Der Riss war somit nicht die Folge eines „gesund“ in den Unfall hineingegangenen Gewebes, sondern das letzte Ereignis in einer langen Kette von Abnutzungsprozessen. Der Unfall war also nur der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, aber nicht die wesentliche Ursache für den Schaden selbst.

Aber was ist mit der langen Krankheit und den Behandlungen – zählte das nicht?

Das Gericht setzte sich auch mit den Argumenten des Klägers auseinander. Der Umstand, dass er lange krankgeschrieben war und die Versicherung anfangs sogar die Operation bezahlt hatte, konnte die Richter nicht überzeugen. Die anfänglichen Leistungen, so das Gericht, begründen keinen rechtlichen Anspruch darauf, dass die Versicherung den Sehnenriss dauerhaft als Unfallfolge anerkennen muss. Diese Zahlungen bezogen sich auf die anfänglich diagnostizierte Schulterzerrung. Die lange Arbeitsunfähigkeit beweist ebenfalls nicht den Unfallzusammenhang für den Riss; sie kann genauso gut durch das schmerzhafte Aufflammen der bereits bestehenden Arthrose und der anderen Verschleißschäden erklärt werden.

Da der Unfallmechanismus ungeeignet war und die medizinischen Befunde eindeutig auf einen Vorschaden hindeuteten, wurde die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Er muss die Kosten des Berufungsverfahrens selbst tragen.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass bei Arbeitsunfällen ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Verletzung nicht automatisch zur Anerkennung als Unfallfolge führt, wenn bereits erhebliche Vorschäden bestehen.

  • Theorie der wesentlichen Bedingung entscheidet: Das Gericht wendete konsequent an, dass der Arbeitsunfall nur dann entschädigungspflichtig ist, wenn er die „rechtlich wesentliche“ Ursache für den Schaden darstellt – ein bloßer zeitlicher Zusammenhang oder ein Beitrag zum Schadensverlauf genügt nicht.
  • Medizinische Befunde überwiegen subjektive Schilderungen: Die MRT-Aufnahmen mit ihren objektiven Befunden zu degenerativen Veränderungen und dem Fehlen traumatischer Anzeichen waren entscheidender als die Beschwerden des Betroffenen oder die anfänglichen Zahlungen der Versicherung.
  • Unfallmechanismus muss zur Verletzungsart passen: Das Gericht prüfte detailliert, ob die geschilderte Krafteinwirkung (kontrolliertes Festhalten beim Ausrutschen) überhaupt geeignet war, die diagnostizierte Verletzung (Sehnenriss) zu verursachen, und verneinte dies aufgrund der fehlenden plötzlichen, unkontrollierbaren Überdehnung.

Das Urteil zeigt exemplarisch, wie Gerichte bei der Abgrenzung zwischen unfallbedingten und verschleißbedingten Schäden eine streng evidenzbasierte Bewertung vornehmen und dabei die objektiven medizinischen Befunde in den Mittelpunkt stellen.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Auswirkungen haben Vorerkrankungen oder Verschleiß auf meinen Anspruch bei einem Arbeitsunfall?

Vorerkrankungen oder altersbedingter Verschleiß sind im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen ein häufiges Thema. Wichtig ist: Eine bereits bestehende gesundheitliche Schwäche oder Vorschäden schließen einen Anspruch bei einem Arbeitsunfall nicht automatisch aus. Die gesetzliche Unfallversicherung, zum Beispiel die Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse, prüft in solchen Fällen sehr genau, ob der Arbeitsunfall dennoch die maßgebliche Ursache für die erlittenen Gesundheitsschäden ist.

Das Prinzip der „wesentlichen Ursache“

Entscheidend für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist das sogenannte Prinzip der „wesentlichen Ursache“. Das bedeutet, der Arbeitsunfall muss nicht die alleinige Ursache für die Verletzung sein. Es reicht aus, wenn der Arbeitsunfall eine von mehreren Ursachen war, die aber von besonderer Bedeutung für den Gesundheitsschaden ist. Stellen Sie sich vor, Sie haben bereits eine leichte Abnutzung in der Schulter (Verschleiß). Wenn Sie dann bei der Arbeit ausrutschen und sich dabei die Schulter verletzen, muss die gesetzliche Unfallversicherung prüfen, ob das Ausrutschen die wesentliche Ursache für die plötzlichen und starken Schulterschmerzen war, selbst wenn die Vorerkrankung eine Rolle gespielt hat.

Die Frage ist also nicht, ob die Vorerkrankung überhaupt eine Rolle spielt, sondern ob der Arbeitsunfall trotz der Vorerkrankung das Ereignis war, das zu den akuten Problemen geführt hat oder diese so erheblich verschlimmert hat, dass der Unfall als die treibende Kraft für den eingetretenen Schaden anzusehen ist. Wenn Ihr Gesundheitszustand ohne den Unfall ebenfalls und zu der gleichen Zeit zu den gleichen Beschwerden geführt hätte, wird der Unfall in der Regel nicht als wesentlich angesehen. Es muss ein qualitativer Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem plötzlichen Gesundheitsschaden bestehen.

Auswirkungen auf die Leistungshöhe

Sollte der Arbeitsunfall als wesentliche Ursache anerkannt werden, so haben Sie grundsätzlich Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die genaue Höhe dieser Leistungen kann jedoch davon abhängen, welcher Anteil der gesundheitlichen Beeinträchtigung auf den Arbeitsunfall und welcher auf die Vorerkrankung zurückzuführen ist. Die gesetzliche Unfallversicherung leistet in der Regel für den Schaden, der durch den Arbeitsunfall zusätzlich zur Vorerkrankung entstanden ist. Das bedeutet, wenn eine Vorerkrankung oder Verschleiß bereits eine gewisse Einschränkung verursacht hat, bevor der Arbeitsunfall geschah, und der Unfall diese Einschränkung lediglich verstärkt oder eine neue Schädigung hinzukommt, wird die Unfallversicherung prüfen, welcher Anteil der Gesamtbeeinträchtigung tatsächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist.

Wie die Versicherung prüft

Um dies zu beurteilen, zieht die gesetzliche Unfallversicherung in der Regel medizinische Berichte und Gutachten heran. Dabei wird genau untersucht, welche Art von Verletzung durch den Unfall entstanden ist und in welchem Maße die bereits bestehende Vorschädigung dazu beigetragen hat. Für Sie bedeutet das, dass eine präzise Schilderung des Unfallhergangs und aller Symptome wichtig ist, um die Ursachen eindeutig zuordnen zu können.

Die Bewertung, ob ein Arbeitsunfall die „wesentliche Ursache“ für eine Verletzung ist, ist immer eine Einzelfallentscheidung, die auf der Grundlage der medizinischen Fakten und der genauen Umstände des Unfalls getroffen wird.


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Welche Rolle spielen ärztliche Gutachten und medizinische Befunde bei der Beurteilung eines Arbeitsunfalls?

Bei der Beurteilung eines Arbeitsunfalls spielen ärztliche Gutachten und medizinische Befunde eine entscheidende Rolle. Sie bilden das Herzstück jeder Entscheidung, die von der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse) oder später von Gerichten getroffen wird. Es geht darum, ob und in welchem Umfang ein Gesundheitsschaden die Folge eines Arbeitsunfalls ist.

Bedeutung für die Anerkennung und Leistungsgewährung

Medizinische Unterlagen sind unerlässlich, um den Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden zu beweisen. Dieser Zusammenhang wird juristisch als Kausalität bezeichnet. Stellen Sie sich vor, ein Hilfsarbeiter rutscht aus und hat starke Schulterschmerzen. Die medizinischen Befunde müssen nun zeigen, dass diese Schmerzen und eventuelle Verletzungen der Schulter tatsächlich durch den Sturz bei der Arbeit verursacht wurden und nicht schon vorher bestanden oder eine andere Ursache haben.

  • Erstdokumentation: Schon die ersten ärztlichen Untersuchungen und Berichte sind extrem wichtig. Sie halten fest, welche Beschwerden unmittelbar nach dem Unfall auftraten und welche Diagnosen gestellt wurden. Dies geschieht oft durch den sogenannten Durchgangsarzt (D-Arzt), der für Arbeitsunfälle zuständig ist.
  • Objektive Befunde: Bildgebende Verfahren wie MRTs (Magnetresonanztomographien) oder CTs (Computertomographien) liefern objektive Einblicke in den Körper. Sie können Verletzungen wie Risse, Brüche oder Entzündungen sichtbar machen. Solche Befunde sind besonders aussagekräftig, da sie über die bloße Schilderung von Symptomen hinausgehen und eine neutrale Grundlage für die Beurteilung bieten.
  • Fachärztliche Gutachten: Die Unfallversicherung oder das Gericht beauftragen oft unabhängige Fachärzte mit der Erstellung von Gutachten. Diese Ärzte untersuchen die betroffene Person erneut und bewerten alle vorhandenen medizinischen Unterlagen. Sie geben eine fachliche Einschätzung ab, ob der Unfall die festgestellten Schäden verursacht hat und welche Auswirkungen diese auf die Arbeitsfähigkeit oder das Leben der Person haben.

Der Gutachter als „Sachverständiger“

Im Gerichtsverfahren wird ein ärztlicher Gutachter als Sachverständiger bezeichnet. Seine Aufgabe ist es, dem Gericht medizinisches Fachwissen verständlich darzulegen, um die Entscheidung zu ermöglichen. Das Gericht ist zwar nicht zwingend an das Gutachten gebunden, aber in der Praxis kommt ihm erhebliches Gewicht zu. Eine präzise und nachvollziehbare medizinische Dokumentation und Diagnose ist daher entscheidend. Wenn die Gutachten widersprüchlich sind oder wichtige Fragen unbeantwortet lassen, können weitere Gutachten eingeholt werden, was das Verfahren verlängert.

Für Sie bedeutet das: Die Genauigkeit und Vollständigkeit der medizinischen Dokumentation von Anfang an ist von großer Bedeutung. Jede medizinische Behandlung, jeder Befund und jede Diagnose im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall sollte sorgfältig erfasst und aufbewahrt werden. Nur so kann später nachvollziehbar belegt werden, welche gesundheitlichen Folgen der Arbeitsunfall hatte und welche Leistungen der Unfallversicherungsträger erbringen muss.


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Welche Schritte sollte ich unmittelbar nach einem Arbeitsunfall unternehmen, um meine Ansprüche zu sichern?

Unmittelbar nach einem Arbeitsunfall sind bestimmte Schritte wichtig, um eine korrekte Abwicklung durch die gesetzliche Unfallversicherung zu ermöglichen. Diese Maßnahmen legen die Grundlage für eine mögliche Anerkennung des Vorfalls als Arbeitsunfall und die damit verbundenen Leistungen.

1. Umgehende Meldung an den Arbeitgeber

Nach einem Arbeitsunfall ist es wichtig, den Arbeitgeber unverzüglich über den Vorfall zu informieren. Dies ist eine gesetzliche Pflicht. Kleinere Verletzungen, die voraussichtlich nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, sollten zumindest im sogenannten Verbandbuch des Betriebs dokumentiert werden. Tritt jedoch eine Arbeitsunfähigkeit ein, die länger als drei Tage dauert, oder kommt es zu einem Todesfall, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Unfall der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse zu melden.

Die frühzeitige Meldung ist von Bedeutung, weil sie die Grundlage für die Anerkennung des Vorfalls als Arbeitsunfall durch die gesetzliche Unfallversicherung bildet. Eine Verzögerung oder das Unterlassen der Meldung kann die spätere Klärung des Unfallhergangs und die Zuordnung der Verletzung zum Arbeitsunfall erschweren.

2. Aufsuchen eines Durchgangsarztes (D-Arzt)

Bei einer Verletzung, die über eine leichte Bagatellverletzung hinausgeht, ist der Besuch eines sogenannten Durchgangsarztes (D-Arzt) zwingend notwendig. Ein D-Arzt ist ein speziell von den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zugelassener Facharzt, meist ein Chirurg oder Orthopäde, der auf die Behandlung von Arbeitsunfällen spezialisiert ist. Er entscheidet, ob ein Fall als Arbeitsunfall anerkannt werden kann, leitet die notwendigen medizinischen Maßnahmen ein und übermittelt den Unfallbericht an die zuständige Berufsgenossenschaft.

Der Besuch eines D-Arztes ist entscheidend, da seine Diagnose und Einschätzung maßgeblich für die Entscheidung der Berufsgenossenschaft über die Anerkennung des Unfallereignisses sind. Wenn Sie zuerst einen Hausarzt aufsuchen, wird dieser Sie in der Regel an einen D-Arzt überweisen, um die weiteren Schritte einzuleiten.

3. Frühzeitige und detaillierte Dokumentation

Es ist hilfreich, den Unfallhergang und die erlittenen Symptome detailliert zu dokumentieren. Notieren Sie sich möglichst bald nach dem Unfall:

  • Den genauen Zeitpunkt und Ort des Unfalls.
  • Eine präzise Beschreibung, wie der Unfall passiert ist.
  • Welche Personen anwesend waren (Zeugen) und deren Kontaktdaten.
  • Welche Verletzungen und Beschwerden unmittelbar nach dem Unfall auftraten und wie diese sich entwickeln. Auch scheinbar geringfügige Beschwerden sollten vermerkt werden, da sich deren Ausmaß später ändern kann.

Eine genaue Dokumentation hilft, den Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden klar darzulegen. Sie dient als wichtige Grundlage für die spätere Beurteilung durch die Berufsgenossenschaft und kann Missverständnisse oder Schwierigkeiten bei der Anspruchsstellung vorbeugen.


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Kann ich trotz einer Vorerkrankung oder eines Verschleißes finanzielle Leistungen nach einem Arbeitsunfall erhalten?

Ja, grundsätzlich ist es möglich, finanzielle Leistungen nach einem Arbeitsunfall zu erhalten, auch wenn bereits eine Vorerkrankung oder ein altersbedingter Verschleiß vorliegt. Das ist eine wichtige Besonderheit im Arbeitsunfallrecht.

Die Bedeutung der „wesentlichen Ursache“

Entscheidend ist, dass der Arbeitsunfall die „wesentliche Ursache“ für die entstandene Gesundheitsschädigung sein muss. Das bedeutet: Der Unfall muss die Verletzung oder Krankheit nicht als einzige Ursache hervorgerufen haben. Es reicht aus, wenn der Unfall das Leiden so stark ausgelöst, verschlimmert oder erstmalig spürbar gemacht hat, dass er im Vergleich zu anderen Ursachen (wie einer Vorerkrankung oder Verschleiß) eine bedeutende Rolle spielt.

Stellen Sie sich vor, ein Hilfsarbeiter rutscht mit einer schweren Scheibe am Arbeitsplatz aus und erleidet starke Schulterschmerzen. Auch wenn seine Schulter bereits einen altersbedingten Verschleiß aufwies, könnte der Sturz und die Belastung durch die schwere Scheibe die entscheidende Ursache dafür sein, dass die Schmerzen nun so stark sind oder eine akute Verletzung wie ein Sehnenriss überhaupt erst auftritt. Der Arbeitsunfall muss die Vorschädigung also deutlich überlagern oder aktivieren. Die bestehende Vorerkrankung wird in solchen Fällen als „Gelegenheitsursache“ angesehen, die nur die Schwachstelle aufzeigt, während der Unfall die tatsächliche Auswirkung verursacht.

Praktische Auswirkungen auf Leistungen

Die Unfallversicherung prüft in solchen Fällen genau, inwieweit der Arbeitsunfall kausal für die Gesundheitsschädigung war. Hierbei wird in der Regel ein umfassendes medizinisches Gutachten erstellt. Es geht darum festzustellen, ob die Vorerkrankung ohne den Unfall in dieser Form ebenfalls aufgetreten wäre oder ob der Unfall das Geschehen erst ausgelöst oder massiv beschleunigt hat.

Für Sie bedeutet das: Auch wenn Sie bereits Beschwerden oder eine bekannte Diagnose haben, kann ein Arbeitsunfall, der eine bestehende Schwachstelle aktiviert oder verschlimmert, trotzdem zur Anerkennung als Arbeitsunfall führen. Im Fall des Hilfsarbeiters mit der Schulter bedeutet das, dass trotz des Vorverschleißes Leistungen wie Verletztengeld (eine Art Lohnersatz während der Heilbehandlung und Arbeitsunfähigkeit) oder im Falle einer dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Verletztenrente in Betracht kommen können. Es ist also nicht entscheidend, dass Sie vor dem Unfall völlig gesund waren, sondern ob der Arbeitsunfall eine signifikante und ursächliche Rolle bei der Entstehung oder Verschlimmerung Ihrer aktuellen Beschwerden gespielt hat.


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Welche Möglichkeiten habe ich, wenn die gesetzliche Unfallversicherung meine Ansprüche ablehnt?

Wenn die gesetzliche Unfallversicherung eine Leistung ablehnt, ist das kein endgültiges Urteil. Das deutsche Sozialrecht bietet verschiedene Wege, solche Entscheidungen überprüfen zu lassen. Dies stellt sicher, dass Betroffene die Möglichkeit haben, ihre Rechte durchzusetzen, falls sie mit einer Entscheidung nicht einverstanden sind.

Der erste Schritt: Widerspruch einlegen

Die erste und wichtigste Möglichkeit, eine Ablehnung überprüfen zu lassen, ist der Widerspruch. Dies ist ein formaler Einspruch gegen die Entscheidung der Unfallversicherung.

  • Frist beachten: Für den Widerspruch gibt es eine feste Frist, die in der Regel einen Monat nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids beträgt. Es ist entscheidend, diese Frist einzuhalten.
  • Begründung: Im Widerspruch sollten Sie darlegen, warum Sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind und welche Punkte aus Ihrer Sicht neu bewertet werden sollten. Die Unfallversicherung muss den Fall dann erneut prüfen, oft unter Berücksichtigung neuer oder bislang nicht ausreichend berücksichtigter Fakten oder medizinischer Gutachten.
  • Ziel: Das Widerspruchsverfahren soll der Unfallversicherung die Chance geben, ihre eigene Entscheidung selbst zu korrigieren, bevor ein Gericht eingeschaltet wird.

Der Weg zum Sozialgericht: Die Klage

Wird auch der Widerspruch von der Unfallversicherung abgelehnt (dies geschieht durch einen sogenannten Widerspruchsbescheid), ist der Rechtsweg damit noch nicht ausgeschöpft. Der nächste Schritt ist die Klage vor dem Sozialgericht.

  • Frist beachten: Auch hier gibt es eine Frist, meist ebenfalls einen Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids, um Klage zu erheben.
  • Gerichtliche Überprüfung: Das Sozialgericht ist eine unabhängige Instanz, die den gesamten Sachverhalt und die Entscheidungen der Unfallversicherung nochmals umfassend und objektiv überprüft. Es geht darum, festzustellen, ob die Ablehnung rechtmäßig war.
  • Verfahrensweise: Das Gericht fordert alle relevanten Akten von der Unfallversicherung an, hört alle Beteiligten an und kann eigene medizinische Gutachten in Auftrag geben, um den Gesundheitszustand und den Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu klären. Das Verfahren vor dem Sozialgericht ist in der Regel kostenfrei für die klagende Person, es sei denn, die Klage ist mutwillig erhoben.
  • Gerichtliches Ziel: Das Sozialgericht entscheidet, ob die Unfallversicherung zur Leistung verpflichtet ist oder ob die Ablehnung zu Recht erfolgte.

Die Berufung: Weiterzug zum Landessozialgericht

Wenn Sie mit der Entscheidung des Sozialgerichts nicht einverstanden sind, gibt es unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, Berufung beim zuständigen Landessozialgericht einzulegen.

  • Voraussetzungen: Eine Berufung ist nicht immer automatisch zulässig. Oft muss der Wert des Streitgegenstandes eine bestimmte Grenze überschreiten oder das Sozialgericht muss die Berufung selbst zugelassen haben, weil die Sache eine grundsätzliche Bedeutung hat oder von der Rechtsprechung abweicht.
  • Nächste Instanz: Das Landessozialgericht ist die nächsthöhere Instanz nach dem Sozialgericht. Es überprüft die Entscheidung des Sozialgerichts sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht. Auch hier kann es zu weiteren Beweiserhebungen, beispielsweise durch zusätzliche medizinische Gutachten, kommen.

Dieser mehrstufige Weg vom Widerspruch bis hin zur Klage und möglichen Berufung zeigt, dass eine Ablehnung der Ansprüche durch die gesetzliche Unfallversicherung nicht das Ende der Möglichkeiten bedeutet. Das System ist darauf ausgelegt, Entscheidungen mehrfach überprüfen zu lassen, um eine korrekte und gerechte Lösung zu finden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Berufung

Die Berufung ist ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei die Überprüfung eines Urteils der ersten Instanz durch ein höheres Gericht beantragt. Das Landessozialgericht prüft dabei den Fall sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht nochmals vollständig. Sie ermöglicht es, eine Gerichtsentscheidung anzufechten, wenn man mit dem Ergebnis nicht einverstanden ist. Im vorliegenden Fall legte der Kläger Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ein, um seine Ansprüche erneut prüfen zu lassen.

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degenerativen Veränderungen

Dies sind Abnutzungserscheinungen oder Verschleißschäden an Körperstrukturen, die sich typischerweise über längere Zeiträume entwickeln. Sie entstehen nicht durch einen einzelnen Unfall, sondern durch normale Beanspruchung, Alterung oder Vorerkrankungen. Im Kontext von Arbeitsunfällen sind degenerative Veränderungen oft entscheidend dafür, ob ein Unfall als die „wesentliche Ursache“ für eine Verletzung anerkannt wird, da sie zeigen, dass das Gewebe bereits vorgeschädigt war.

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Durchgangsarzt

Ein Durchgangsarzt (kurz D-Arzt) ist ein von den gesetzlichen Unfallversicherungen, wie Berufsgenossenschaften, zugelassener Facharzt (meist Chirurgen oder Orthopäden). Er ist die erste Anlaufstelle nach einem Arbeitsunfall oder Wegeunfall, wenn die Verletzung über eine Bagatelle hinausgeht. Der D-Arzt entscheidet über die Behandlung und ob der Vorfall als Arbeitsunfall anerkannt werden kann, indem er einen Bericht an die zuständige Unfallversicherung sendet.

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Theorie der wesentlichen Bedingung

Dies ist das juristische Prinzip, nach dem beurteilt wird, ob ein Unfall die rechtlich relevante Ursache für einen Gesundheitsschaden ist. Es reicht nicht, dass der Unfall irgendeinen Beitrag geleistet hat; vielmehr muss er von so besonderer Bedeutung sein, dass er als die maßgebliche oder treibende Kraft für den Schaden angesehen werden kann. Die Gerichte prüfen dabei, ob der Unfall die bereits bestehenden Vorschäden nur „gelegenheitsweise“ traf oder ob er eine entscheidende, neue Schädigung hervorrief oder eine bereits vorhandene massiv verschlimmerte. Sie ist entscheidend dafür, ob eine Verletzung als Arbeitsunfall anerkannt und Leistungen gezahlt werden.

Beispiel: Ein altes, baufälliges Haus stürzt bei leichtem Regen ein. Der Regen war zwar eine Ursache, aber die wesentliche Ursache war die Baufälligkeit. Wäre das Haus stabil gewesen und bei einem Orkan eingestürzt, wäre der Orkan die wesentliche Ursache.

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Verletztengeld

Das Verletztengeld ist eine Lohnersatzleistung der gesetzlichen Unfallversicherung, die Versicherten während ihrer Arbeitsunfähigkeit nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit gezahlt wird. Es soll den Verdienstausfall ausgleichen, solange die Heilbehandlung und Genesung andauert und die Person nicht arbeiten kann. Es wird nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gezahlt und endet, sobald die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt ist oder andere Leistungen wie die Verletztenrente in Betracht kommen.

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Verletztenrente

Die Verletztenrente ist eine dauerhafte monatliche Geldleistung der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie wird gezahlt, wenn die Arbeitsfähigkeit einer Person aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit dauerhaft um mindestens 20 Prozent gemindert ist. Im Gegensatz zum Verletztengeld, das den vorübergehenden Lohnausfall deckt, soll die Verletztenrente den langfristigen Einkommensverlust aufgrund einer bleibenden Gesundheitsschädigung ausgleichen. Ob und in welcher Höhe eine Verletztenrente gezahlt wird, hängt von der festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit ab.

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Widerspruch

Der Widerspruch ist ein formeller Rechtsbehelf, mit dem man die Entscheidung einer Behörde oder Sozialversicherung überprüfen lassen kann, wenn man mit dieser nicht einverstanden ist. Er muss schriftlich und innerhalb einer Frist (meist einem Monat) nach Erhalt des Bescheids bei der betreffenden Stelle eingereicht und begründet werden. Durch den Widerspruch wird der Fall intern neu geprüft; wird er abgelehnt, ist der Weg zur Klage vor dem Sozialgericht eröffnet.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 8 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) – Arbeitsunfall: Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, der sich infolge einer versicherten Tätigkeit ereignet. Versichert sind dabei nicht nur die Tätigkeit selbst, sondern auch Wege zur Arbeit oder vom Arbeitsplatz. Das Gesetz legt fest, dass eine Gesundheitsschädigung nur dann als Arbeitsunfall anerkannt wird, wenn sie durch ein plötzliches, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis verursacht wurde, das im Zusammenhang mit der Arbeit steht. Das Ziel ist es, Personen, die bei der Arbeit körperlichen Schaden erleiden, finanziell abzusichern und ihre medizinische Versorgung zu gewährleisten.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die zentrale Frage des Falles war, ob der Sehnenriss des Hilfsarbeiters als Folge seines Arbeitsunfalls im Sinne dieser Definition anerkannt werden konnte, oder ob der Unfall lediglich eine bereits vorhandene Vorschädigung aggravierte.

  • Grundsatz der wesentlichen Ursache (Theorie der wesentlichen Bedingung im Sozialrecht): Für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Unfallfolge im Sozialrecht ist es nicht ausreichend, dass der Unfall überhaupt zum Schaden beigetragen hat (sog. „conditio sine qua non“). Vielmehr muss der Unfall eine „wesentliche“ Ursache für den Gesundheitsschaden gewesen sein. Das bedeutet, der Unfall muss so bedeutend zur Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens beigetragen haben, dass er als rechtlich maßgebliche Ursache angesehen werden kann, auch wenn andere Faktoren mitgewirkt haben. Besonders relevant ist dies, wenn Vorschäden oder degenerative Veränderungen vorliegen.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Gerichte wandten diesen Grundsatz an, um zu prüfen, ob das Ausrutschen des Klägers die rechtlich wesentliche Ursache für seinen Sehnenriss war, oder ob der Riss hauptsächlich auf die bereits vorhandenen, altersbedingten Verschleißerscheinungen zurückzuführen ist.

  • Bedeutung medizinischer Gutachten im Sozialrecht (Sachverhaltsermittlung): Im Sozialrecht spielen medizinische Gutachten eine entscheidende Rolle, um den genauen Gesundheitszustand einer Person, die Art und den Umfang einer Schädigung sowie den Zusammenhang zwischen einem Ereignis und einem Gesundheitsschaden festzustellen. Gerichte sind in der Regel auf die Expertise von Fachärzten angewiesen, um komplexe medizinische Sachverhalte zu verstehen und die Kausalität zwischen Unfall und Verletzung zu beurteilen. Die Qualität und Schlüssigkeit der Gutachten sind maßgeblich für die richterliche Entscheidungsfindung.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf das unfallchirurgische Gutachten von Prof. Dr. G1 und die darin festgestellten MRT-Befunde, die eindeutig auf langjährigen Verschleiß hindeuteten und typische Anzeichen einer frischen, unfallbedingten Verletzung vermissen ließen.


Das vorliegende Urteil


Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 2 U 23/23 D – Urteil vom 19.02.2025


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