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Unfallversicherung – Anerkennung einer psychischen Schädigung als Berufskrankheit

SG Gießen – Az.: S 1 U 34/14 – Gerichtsbescheid vom 01.07.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten wegen der Anerkennung einer behaupteten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Erkrankung „wie eine Berufskrankheit“ im Verfahren nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) und der Gewährung von Entschädigungsleistungen.

Unfallversicherung - Anerkennung einer psychischen Schädigung als Berufskrankheit
Symbolfoto: Von Africa Studio /Shutterstock.com

Der 1960 geborene Kläger war seit Beginn seiner Ausbildung zum Straßenwärter am 01.08.1976 während seines gesamten Berufslebens als Straßenwärter und Streckenwart, zuletzt beim Amt für Straßen und Verkehrswesen in der Autobahnmeisterei A-Stadt, tätig. Über eine Erkrankung des Klägers erfuhr die Beklagte durch eine Anzeige der Krankenkasse des Klägers, AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen, vom 04.04.2011. Darin wird als Diagnose seiner Erkrankung eine depressive Episode und Reaktion auf schwere Belastung angeführt. Die Beklagte setzte sich daraufhin zunächst telefonisch mit dem Kläger in Verbindung und erfragte, welche besonderen Ereignisse für diese psychische Erkrankung verantwortlich gemacht würden. Der Versicherte äußerte hierzu, man könne seine derzeitige Arbeitsunfähigkeit nicht an bestimmten Unfällen oder an der Menge der Unfälle in letzter Zeit festmachen. Es sei bei ihm einfach die Summe der Erlebnisse aus über 30 Dienstjahren, die dazu geführt hätten. Im weiteren Verwaltungsverfahren holte die Beklagte ärztliche Befunde über den Gesundheitszustand des Klägers ein und zog eine Auskunft bei dessen Arbeitgeber bei. Mit Bescheid vom 27.05.2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) und als Krankheit wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab. Hiergegen legte der Kläger am 04.06.2013 Widerspruch ein und verwies auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14.05.2009 – L 6 U 845/06. Die Beklagte holte im Verwaltungsverfahren eine beratungsärztliche Stellungnahme bei Dr. C. ein, der im Ergebnis die Anerkennung ablehnte. Darüber hinaus zog die Beklagte eine Auskunft beim DGUV Bundesverband, Sachgebiet Berufskrankheiten, zu der Frage ein, ob es neue wissenschaftliche Erkenntnisse gebe, die eine Anerkennung dieser Erkrankung im Verfahren nach § 9 Abs. 2 SGB VII unterstützen würden. Der Hauptverband beantwortete diese Anfrage mit Schreiben vom 21.10.2013 negativ, der ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales habe sich bislang noch nicht mit dieser Frage befasst. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2014 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers zurück.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 21.02.2014 beim Sozialgericht Gießen eingegangenen Klage. Er trägt vor, im Rahmen seiner Tätigkeit mit unzähligen Schwerverletzten und Verkehrstoten konfrontiert gewesen zu sein. Seine behandelnden Ärzte gingen im vorliegenden Fall deshalb von einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund der Vielzahl der Ereignisse aus. Zur weiteren Begründung legte er einen Arztbrief der D., Fachärztin für Psychiatrie in der V Klinik Gießen-Marburg, vor (Arztbrief vom 06.11.2013).

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Bescheids vom 27.05.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2014 die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine „posttraumatische Belastungsstörung“ als Krankheit „wie eine Berufskrankheit“ im Verfahren nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen und ihm die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen.

Das Gericht hat die Beteiligten zu der Möglichkeit einer Entscheidung nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Klage- und Verwaltungsakte der Beklagten über den Kläger Bezug genommen, die Gegenstand dieser Entscheidung sind.

II.

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, denn die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Zu dieser Verfahrensweise sind die Beteiligten gehört worden.

Die insbesondere form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, sachlich aber unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte mit ihren angegriffenen Verwaltungsentscheidungen die Anerkennung einer „posttraumatischen Belastungsstörung“ als Krankheit „wie eine Berufskrankheit“ im Verfahren nach § 9 Abs. 2 SGB VII abgelehnt, denn es liegen keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, dass diese Erkrankung einer Berufskrankheit entspricht und deshalb demnächst anerkannt werden müsste.

Als Anspruchsgrundlage kam hier nur § 9 Abs. 2 SGB VII in Betracht, als sogenannte Listenberufskrankheit ist eine traumatische psychische Schädigung bisher nicht in die Berufskrankheitenliste aufgenommen. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese Voraussetzungen liegen nach der im Widerspruchsverfahren beigezogenen Stellungnahme des Spitzenverbandes der DGUV und nach den Erkenntnissen des Gerichts über die Tätigkeit des Sachverständigenausschusses beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nicht vor. Die Erkenntnisse hier sind derzeit eindeutig.

Darüber hinaus muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass auch die Erkrankung für das Gericht nicht im Vollbeweis gesichert worden ist. Die Fachärztin für Psychiatrie, D., geht in ihrem Arztbrief vom 06.11.2013 hier relativ leichtfertig mit der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) um und kodiert diese wegen der Ungenauigkeit scheinbar auch ganz bewusst nicht nach einem der anerkannten internationalen Diagnosesysteme (ICD 10, DSM IV). Die Erkrankung, unter der der Kläger leidet, lässt sich nach den Kriterien beider internationaler Diagnosesysteme keinesfalls als posttraumatische Belastungsstörung diagnostizieren. Hierzu fehlen fast alle in den genannten Diagnosesystemen genannten Kriterien. Zweifellos besteht bei dem Kläger eine schwerwiegende psychische Erkrankung, wegen der er wohl auch immer noch Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Ein Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit ist hier jedoch unter dem Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit nicht einmal annähernd erwiesen. Auch insoweit ist es bezeichnend, dass die Ärztin für Psychiatrie D. in ihrem Arztbrief vom 06.11.2013 keinerlei eigene Untersuchungsergebnisse aufführt, sondern immer wieder nur auf die anamnestischen Angaben des Klägers verweist. Dies reicht keinesfalls aus, um für die Kammer weitere Ermittlungen erforderlich scheinen zu lassen. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt, über den Rechtsstreit konnte durch Gerichtsbescheid entschieden werden. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die vollinhaltlich zutreffenden Gründe insbesondere des angegriffenen Widerspruchsbescheids Bezug genommen. Die Klage war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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