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Arbeitsunfall: Riss Supraspinatussehne & Schaden an Rotatorenmanschetten

Landessozialgericht Baden-Württemberg – Az.: L 8 U 4109/19 – Urteil vom 19.02.2020

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Riss der Supraspinatussehne der rechten Schulter Folge des Arbeitsunfalles vom 17.02.2018 ist.

Der am 20.11.1958 geborene Kläger ist als Werksfahrer bei der A. H. KG beschäftigt. Am 17.02.2018 rutschte er auf dem Weg vom Firmenparkplatz zur Firmengarage aus und stürzte auf die rechte Schulter. Er unternahm im Anschluss noch eine Betriebsfahrt zum Flughafen Z. und zurück. Der Arbeitgeber des Klägers zeigte mit Unfallanzeige vom 19.02.2018 (Bl. 1 der Verwaltungsakte) den Unfall bei der Beklagten an. Am 19.02.2018 suchte er den Unfallchirurgen Dr. Sch. auf, welcher im Durchgangsarztbericht vom 19.02.2018 eine Schulterprellung rechts und eine fragliche Fraktur im Bereich des Tuberculum majus humeri rechts diagnostizierte (Bl.48 der Verwaltungsakte).

Dr. Sch. veranlasste eine CT-Untersuchung der Schulter (radiologischer Befundbericht von Dr. T. vom 22.02.2018, Befund: kein Hinweis auf eine Fraktur, Bl. 2 der Verwaltungsakte) sowie eine Magnetresonanztomographie der rechten Schulter (radiologischer Befundbericht von Dr. K. vom 12.03.2018, Beurteilung: Nachweis eines subacromialen Impingementsyndroms bei Acromiontyp II, Nachweis einer Komplettruptur der Supraspinatussehne über die gesamte Breite mit Retraktion der Sehne auf Höhe des Humeruskopfes Grad II nach Patte, Nachweis einer kleinen intratendinösen Teilruptur der Subscapularissehne mit regelrechter Darstellbarkeit der langen Bizepssehne im Sulcus intertubercularis sowie durch das Rotatorenmanschettenintervall an den Bizepsanker, Bl. 8 der Verwaltungsakte).

Dr. Sch. teilte der Beklagten mit Schreiben vom 16.03.2018 mit, dass er aufgrund des Unfallherganges und weil in der MRT-Untersuchung keine wesentlichen degenerativen Vorschäden zu erkennen seien, die Ruptur als Unfallfolge bewerte. Die Krankmeldung dauere bis vom 19.02. bis zum 16.03.2018 (Bl. 12 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte übersandte dem Kläger einen Fragebogen, in welchem dieser am 14.04.2018 Angaben zum Unfallhergang machte (Bl. 37 bis 39 der Verwaltungsakte).

Der Radiologe Prof. Dr. D. kam in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 23.04.2018 zum Ergebnis, dass eine ausgeprägte aktivierte mäßig hypertrophe Arthrose des AC-Gelenkes, eine Schädigung der Rotatorenmanschette, insbesondere subtotale Ruptur der Supraspinatussehne und ein ausgeprägter Gelenkerguss und Bursitiden bestünden. Die Flüssigkeitsansammlungen in der Umgebung der rupturierten Supraspinatussehne seien aufgrund ihrer Ausprägungen in der Gesamtschau der Schäden als verletzungsspezifische Begleitverletzungen zu werten. Aus diesem Grund und aufgrund der fehlenden muskulären Atrophie sei das Ausmaß des Supraspinatusschadens zeitlich plausibel dem Unfallereignis vom 17.02.2018 zuzuordnen. Aufgrund der vorbestehenden knöchernen AC-Arthrose sei jedoch von einem Vorschaden auszugehen, der anhand der vorliegenden Untersuchung nicht einzustufen sei (Bl. 45 Rückseite Verwaltungsakte).

Die Beklagte zog weitere Befundberichte (Nachschaubericht vom 13.04.2018 von Dr. Sch., Bl.53 der Verwaltungsakte; Zwischenbericht vom 06.04.2018 der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. über die ambulante Behandlung vom 22.03.2018, Bl.57 bis 58 der Verwaltungsakte) und ein Vorerkrankungsverzeichnis der zuständigen Krankenkasse bei (Bl. 71 bis 73 der Verwaltungsakte).

Dr. F. führte in einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.06.2018 (Bl. 85 Rückseite der Verwaltungsakte) aus, dass ein so vollständiger Riss zu weitgehenden Lähmungserscheinungen des Armes führen müsse. Bei der Erstuntersuchung hätten sich lokale Anprallveränderungen unterhalb des Oberarmkopfes gezeigt, was für eine tiefere Kontusion spreche. Der Verletzungsmechanismus stehe eindeutig entgegen, so dass die Supraspinatussehnenruptur eindeutig als unfallunabhängig anzusehen sei.

Die Beklagte anerkannte mit Bescheid vom 13.06.2018 (Bl. 86 bis 88 der Verwaltungsakte) den Unfall vom 17.02.2018 als Arbeitsunfall. Folge des Arbeitsunfalles sei eine folgenlos ausgeheilte Prellung der rechten Schulter. Keine Folgen des Arbeitsunfalles seien ein vollständiger Riss der Supraspinatussehne sowie ein kleiner Einriss der Subscapularissehne bei bestehendem Engpasssyndrom der rechten Schulter (Impingementsyndrom) bei Acromion Typ II mit ausgeprägter aktivierter Arthrose des AC-Gelenks. Ein Anspruch auf Leistungen insbesondere Heilbehandlung und sonstige Geldleistung über den 16.03.2018 hinaus bestehe nicht.

Der Kläger erhob hiergegen am 10.07.2018 Widerspruch (Bl. 90 der Verwaltungsakte), welchen er vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten am 12.09.2018 begründete (Bl. 123 bis 126 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte wies den Widerspruch nach Beiziehung eines weiteren Zwischenberichts der BG-Klinik vom 06.09.2018 (Bl. 117 bis 118 der Verwaltungsakte) mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2018 zurück (Bl. 133 bis 135 der Verwaltungsakte) und führte aus, dass zum Zeitpunkt des Unfallereignisses bereits nachweislich degenerative Veränderungen im rechten Schultergelenk in Form einer Arthrose im Schultereckgelenk mit Einengung des Bereichs unterhalb des Schultereckgelenkes bei Sonderform des Fortsatzes am Schulterdach vorgelegen habe und dies gegen einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem festgestellten Schaden der Rotatorenmanschette spreche.

Der Kläger erhob hiergegen am 20.12.2018 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) und trug vor, dass der Riss der Supraspinatussehne auf den Unfall zurückzuführen sei. Der Kläger sei vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen. Arthrotische Veränderungen oder Ähnliches seien nicht diagnostiziert worden. Selbst die Feststellung einer Degeneration der Rotatorenmanschette führe zudem nicht automatisch dazu, das Unfallereignis als wesentliche Ursache ausschließen zu können. Es müsse auch das Stadium der Degeneration festgestellt werden. Hieran mangele es vorliegend. Der Beratungsarzt Dr. D. habe am 21.04.2018 lediglich ausgeführt, dass von einem Vorschaden auszugehen sei, der anhand der vorliegenden Untersuchung allerdings nicht einzustufen sei. Auch aus den weiteren Arztberichten gehe nicht hervor, dass degenerative Vorschäden beim Kläger vorlägen (Bl. 12 bis 17 der SG-Akte).

Das SG beauftragte Prof. Dr. Da. mit der Erstellung eines unfallchirurgischen Gutachtens von Amts wegen. In seinem am 04.06.2019 erstellten Gutachten teilte Dr. Da. mit, dass die Supraspinatussehnenruptur in wesentlicher Weise durch den Arbeitsunfall vom 17.02.2018 verursacht worden sei. Es seien Flüssigkeitsansammlungen in der Umgebung der rupturierten Supraspinatussehne vorhanden, welche als verletzungsspezifische Begleitmechanismen einzuordnen seien. Das des Weiteren vorliegende diskrete Outletimpingement sei nicht derartig ausgeprägt, als dass es als wesentliche Teilursache für die Zerreißung der Supraspinatussehne verantwortlich gemacht werden könne (Bl. 23 bis 51 der SG-Akte).

Die Beklagte trug mit Schreiben vom 26.07.2019 vor, dass im Durchgangsarztbericht vom 19.02.2018 eine diskrete oberflächliche Hämatomverfärbung etwa in Höhe subkapital beschrieben werde, was für einen direkten Sturz auf die rechte Schulter sprechen dürfte. Eine direkte Krafteinwirkung auf die Schulter sei jedoch als Hergang ungeeignet. Auch fehle ein Hinweis auf ein Drop-Arm-Syndrom. Des Weiteren sei auch keine sofortige Arbeitsniederlegung erfolgt. Eine leere Anamnese sei überdies kein Beweis dafür, dass keine „Schadensanlage“ bestehe. Denn sowohl die Rotatorentendinose als auch texturstörungsbedingte Defekte seien im hohen Prozentsatz symptomlos. Entsprechende Begleitschäden als Hinweis für eine traumatische Ursache (beispielsweise Knochenödeme) seien nicht nachweisbar (Bl. 55 bis 56 der SG-Akte).

Dr. Da. nahm mit Schreiben vom 23.08.2019 zu den Einwänden der Beklagten Stellung und hielt an seiner Bewertung des Sachverhaltes fest (Bl. 58 bis 60 der SG-Akte).

Das SG hob mit Urteil vom 30.10.2019 den Bescheid vom 13.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2018 auf und stellte fest, dass der Riss der Supraspinatussehne in der rechten Schulter Folge des Unfalls vom 17.02.2018 sei. Es spreche mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang, weshalb von einem hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang auszugehen sei. Für einen ursächlichen Zusammenhang spreche der MRT-Befund vom 09.03.2018, welcher Flüssigkeitsansammlungen im Sinne von verletzungsspezifischen Begleitverletzungen gezeigt habe. Auch habe sich der Kläger nach dem Unfall am Samstag am Montag direkt beim Durchgangsarzt vorgestellt und über im Verlauf durchweg unverändert bestehende Schmerzen geklagt. Vorerkrankungen der rechten Schulter seien dem Vorerkrankungsverzeichnis nicht zu entnehmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne der Geschehensablauf nicht als Kontrakriterium gelten. Der Kläger habe verschiedene Abläufe angegeben und es könne daher nicht sicher von einem bestimmten Ablauf ausgegangen werden, weshalb der Unfallhergang mangels gesicherter Anknüpfungstatsachen kein Kriterium für die Abwägung darstelle. Ebenso wenig als Kontrakriterium sei zu werten, dass der Bericht vom 17.02.2018 kein sogenanntes Drop-ArmSign erwähne. Es sei nicht zulässig, aus dem Schweigen des Berichts darauf zu schließen, dass ein solches nicht vorgelegen habe. Konkurrenzaussagen von überragender Bedeutung bestünden nicht. Es lägen ein Akromion-Typ II und ein geringes subacromiales Impingementsyndrom vor. Der Radiologe Dr. K. habe keinen Nachweis für eine höhergradige Chondropathie im Schultergelenk finden können. Deshalb sei der Unfall wesentlich für die Ruptur (Bl. 70 bis 75 der SG-Akte).

Unfallversicherung - Arbeitsunfall - Riss Supraspinatussehne/Rotatorenmanschettenschaden
(Symbolfoto: Von PongMoji/Shutterstock.com)

Die Beklagte hat gegen das ihr am 08.11.2019 zugestellte Urteil am 06.12.2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und hat ausgeführt, dass weder Prof. Dr. D. noch Dr. Da. ein unfallbedingtes Knochenödem (Bone Bruise) feststellen konnten, was eine besonders hohe Aussagekraft für einen verletzungsbedingten Rotatorenmanschettenschaden habe. Auch sei ein unfallbedingtes Zerreißen einer Sehnenstruktur immer mit einer erheblichen klinischen Beeinträchtigung verbunden. Der Kläger habe seine Tätigkeit am Unfalltag jedoch fortgesetzt und sich erst zwei Tage später untersuchen lassen. Soweit das SG ausführe, dass die fehlende Erwähnung eines sogenannten Drop-Arm-Signs nicht als Kontrakriterium zu werten sei, sei der Hinweis erlaubt, dass dadurch indes auch kein Prokriterium vorliege. Eine leere Anamnese sei kein Beweis dafür, dass keine Schadensanlage bestehe. Der typische Decrescendo-Verlauf von Schmerz und Symptomen sei vorliegend nicht festzustellen. Dem SG könne auch nicht darin gefolgt werden, dass der Unfallhergang mangels gesicherter Anknüpfungstatsachen kein Kriterium für die Abwägung darstellen könne. Es sei darauf hinzuweisen, dass der Unfallhergang vom Auftraggeber und damit dem Gericht vorzugeben sei. Auch habe Dr. Da. im Gutachten vom 04.06.2019 eindeutig angegeben, dass der Kläger auf dezidiertes Nachfragen mitgeteilt habe, er sei direkt auf das rechte seitliche Schultergelenk gefallen. Dieser Unfallmechanismus sei nach einhelliger Meinung in der Gutachtensliteratur ein ungeeigneter Mechanismus. Der Kläger habe diesen Unfallhergang auch durchgängig angegeben. Eine isolierte Verletzung der Rotatorenmanschette sei auch nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 02.05.2017, L 8 U 3887/16) die Ausnahme. Liege mit einem Sturz direkt auf die Schulter ein ungeeignetes Unfallgeschehen vor, so könne der Sturz auch nicht mithin rechtlich wesentlich auf den Unfall zurückgeführt werden (Bl. 9 bis 11 der Senatsakte).

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2019 zurückzuweisen.

Der Kläger hat zur Berufungserwiderung angeführt, dass das Urteil des SG nicht zu beanstanden sei. Der Kläger habe sowohl bei der Begutachtung durch Dr. Da. als auch im mündlichen Verhandlungstermin vor dem SG nachvollziehbar erklärt, weshalb er nicht unmittelbar nach dem Unfall einen Arzt aufgesucht habe, sondern erst einige Tage später. Er habe am Unfalltag einen sehr wichtigen Termin wahrnehmen, nämlich seine Chefin zu einem sehr wichtigen Termin fahren müssen. Er habe bei seiner beruflichen Tätigkeit als Fahrer, ausgestattet mit einem Automatikfahrzeug an diesem Tag, seinen rechten Arm bzw. die Schulter schonen können und ohne den verletzten Arm bzw. die verletzte Schulter schalten und fahren können. Der rechte Arm habe während des gesamten Fahrens nicht eingesetzt werden müssen. Auch habe er direkt nach dem Unfall seine Schulter sofort gekühlt. Er habe zwar an diesem Tag starke Schmerzen verspürt, sei allerdings einiges gewohnt und gehe nicht wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt. Er habe auch nicht zu einem Notdienst gehen, sondern mit dem Arztbesuch bis Montag warten wollen. Ein Arztbesuch noch innerhalb von drei Tagen sei im Übrigen noch als Prokriterium für die Unfallkausalität anzusehen. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe das SG eine Einzelfallbetrachtung unter Beurteilung sämtlicher Kriterien vorgenommen. Auch sei nach der Ansicht des Gutachters Dr. Da. eine Zusammenhangsbeurteilung ausschließlich aufgrund einer Analyse des Unfallmechanismus nicht möglich. Bei dem Sturz habe es sich um den Bruchteil weniger Sekunden gehandelt. Es könne daher nicht mit Sicherheit festgestellt werden, wie er genau auf die Schulter gefallen sei und vor allem, ob dies tatsächlich so oder so gewesen sein müsse (Bl. 20 bis 25 der Senatsakte).

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach §124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt (Beklagte Schreiben vom 25.01.2020, Bl. 29 der Senatsakte, Kläger Schreiben vom 27.01.2020, Bl. 31 der Senatsakte).

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 13.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Supraspinatussehnenrisses der rechten Schulter als Folge des Arbeitsunfalles vom 17.02.2018. Das Urteil des SG vom 30.10.2019 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Soweit der Kläger die Feststellung des Sehnenrisses als Folgen des Unfalls vom 17.02.2018 begehrt, ist richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG oder nach Wahl des Versicherten kombiniert mit der Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG (vgl. BSG 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 und BSG 27.04.2010 – B 2 U 23/09 R -). Bei dem Klageantrag handelt es sich um eine nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage auf Feststellung weiterer Unfallfolgen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2018 hat die Beklagte den vom Kläger als Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsschaden „vollständiger Riss der Supraspinatussehne“ ausdrücklich als Unfallfolge abgelehnt. Es besteht auch ein Feststellungsinteresse nach § 55 Abs. 1 SGG. Aus der Feststellung der Sehnenruptur als Unfallfolge können konkrete Leistungsansprüche abgeleitet werden, da die Beklagte unfallbedingte Arbeitsunfähig- und Behandlungsbedürftigkeit lediglich bis zum 16.03.2018 anerkannt hat.

Vorliegend hat der Senat festgestellt, dass zusätzlich zu den von der Beklagten bereits anerkannten unfallbedingten Gesundheitsstörungen (Prellung der rechten Schulter) keine Gesundheitsstörungen rechtlich wesentlich hinreichend wahrscheinlich auf den Unfall vom 17.02.2018 zurückzuführen sind. Die weitere vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung, der Riss der Supraspinatussehne an der rechten Schulter, ist nicht rechtlich wesentlich hinreichend wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall vom 17.02.2018 zurückzuführen.

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) „wesentlich“ und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als „wesentlich“ anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache“ oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (ständige Rechtsprechung; vgl. stellvertretend zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 17; B 2 U 40/05 R, UV Recht Aktuell 2006, 419; B 2 U 26/04R, UV Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs – der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität – genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteile vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R und B 2 U 26/04 R – a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des „Vollbeweises“, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Die unfallmedizinische Literatur (z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 417 ff., 429 ff.), welche der Senat in ständiger Rechtsprechung zugrunde legt (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 23.07.2019, L 8 U 3443/17 sowie Urteile vom 16.08.2019, L 8 U 3067/18 sowie L 8 U 444/17), führt aus, dass Veränderungen der Rotatorenmanschette im Sinne alters- und teils anlagebedingter Formen sich bei einem Großteil aller über 50-Jährigen finden, ohne dass sie eine krankhafte Bedeutung mit funktionellen Einbußen nach sich ziehen müssen. Diese allgemeine medizinische Erkenntnis hat der Sachverständige Dr. Da. in seinem Gutachten ebenso erwähnt, indem er ein Lebensalter von weniger als 50 Jahre als Pro-Kriterium für den Unfallzusammenhang wertet (Seite 7 sowie Seite 9 seines Gutachtens, Bl. 29 und 31der SG-Akte). Auch spielen für diese Veränderungen äußere mechanische Einwirkungen keine nachweisbare Rolle. Im Gegensatz zur form- und texturveränderungsbedingten Erkrankung mit den entsprechenden Veränderungen in der Schulter im Bereich der Rotatorenmanschette bedarf es zur traumatischen Schädigung, also aus medizinischer Sicht unfallbedingten Schädigung durch äußere, auf den Körper einwirkende Gewalt, die die physiologische Belastbarkeit der von dieser Einwirkung betroffenen Strukturen übersteigt, eines bestimmten Unfallmechanismus. Denn als dem Gelenk und der Gelenkkapsel anliegende Muskelschicht ist die Rotatorenmanschette vor äußerer direkter Gewalteinwirkung geschützt, und zwar durch das Schulterdach, das Schulterblatt sowie durch den dicken äußeren Muskelmantel, insbesondere den Musculus deltoideus. Da die biomechanische Reißfestigkeit einer Sehne ein Vielfaches der Reißfestigkeit eines Muskels übertrifft, muss bei einer direkten Schädigung der Rotatorenmanschette und ihrer Sehnenspiegel die äußere dicke Muskelschicht, die als Puffer wirkt, zerquetscht und zerstört werden. Bei direktem Sturz auf die Schulter kann die Rotatorenmanschette biomechanisch grds. nicht geschädigt werden (vgl. Senatsurteile vom 16.08.2019, L 8 U 3067/18 sowie L 8 U 444/17).

Dies hat auch Dr. Da. unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Standardwerk „Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage“ zusammenfassend ausgeführt (Seite 6 und 7 seines Gutachtens; vgl insoweit auch Schönberger et. al. a.a.O. Seite 429, 431 ff.). Es kommt dann vielmehr zur Quetschung und Einblutung in die äußere Muskelschicht; bei höherer Gewalteinwirkung entstehen Oberarmkopfbrüche bzw. Oberarmkopfhalsbrüche, Schultereckgelenksprengungen und Schlüsselbeinbrüche. Die traumatische Schädigung der Rotatorenmanschette, außer durch direkte perforierende Verletzungen wie Stichverletzungen, entsteht daher durch indirekte Gewalteinwirkung mit Zugentwicklung auf die einzelnen Anteile der Rotatorenmanschette, wie es z.B. der Sturz auf den nach hinten ausgestreckten Arm oder das gebeugte Ellbogengelenk als typischer Mechanismus für eine Rotatorenmanschettenruptur traumatischen Ursprungs darstellt (dazu vgl. Schönberger et a. a.a.O. Seite 433). Verrenkungsgeeignete Mechanismen sind insoweit aus biomechanischen Gründen in der Lage, die Rotatorenmanschette traumatisch bedingt zu schädigen (dazu vgl. Schönberger et a. a.a.O. Seite 432). Dabei kommt es zur axialen Weiterleitung der Gewalt auf das Schultergelenk, so dass sich der Oberarmkopf gegenüber der Schulterblattpfanne ruckartig verschiebt, wobei es zu einer Überdehnung und Einblutung in die den Oberarmkopf zur Pfanne zentrierende Rotatorenmanschette kommen kann. Erst höhere Gewalteinwirkung kann zu einer Rissbildung oder zu einem Abriss der Muskelansätze der Rotatorenmanschette, insbesondere des Supraspinatussehnenansatzes führen, wenn die Gewalteinwirkung den Oberarmkopf gegenüber der Pfanne derart verschiebt, dass die Elastizität und Dehnungskapazität der Sehne und der Muskulatur der Rotatorenmanschette überstiegen wird. Hier entstehen fast ausschließlich ansatznahe, also dicht am Knochen gelegene Ausrisse bzw. Zerreißungen. Darüber hinaus gibt es noch eine Anzahl weiterer dynamischer Mechanismen, bei denen je nach Richtungseinwirkung bestimmte Teile der Rotatorenmanschette traumatisch bedingt reißen können. Hierbei handelt es sich aber um Mechanismen, die mit Krafteinwirkung auf die Schulter einhergehen, wie z.B. das plötzliche Hereinziehen eines Armes in eine laufende Maschine oder Hochrasanztraumen (z.B. bei Motorradfahrern, die an einem Verkehrsschild mit dem Arm hängen blieben; vgl. Schönberger et al. a.a.O. Seite 432). Auch isoliert treten strukturelle Veränderungen der Rotatorenmanschette auf, dies insbesondere im Bereich des Supraspinatussehnenspiegels unter dem Schulterdach (der sogenannten Schulterdach-Enge, verstärkt durch Formvarianten des Schulterdachs in diesem Bereich), die sich häufig spontan exacerbierend, eine akute Schultersteife ohne jedwede äußere Gewalteinwirkung hervorrufend, zeigen. Dabei weist der Verlauf bei strukturbedingten Schultererkrankungen einen Crescendo-Charakter auf. Traumatisch bedingte Schultergelenksverletzungen weisen dagegen, wie der Senat bereit im Einklang mit der herrschenden unfallversicherungsrechtlichen-unfallmedizinischen Literatur (z.B. Schönberger, et. al. a.a.O. Seite 417 ff., 429 ff.) entschieden hat, hinsichtlich der Beschwerdesymptomatik einen Decrescendo-Charakter. Initial weisen traumatisch bedingte Schäden an der Rotatorenmanschette, selbst bei nicht substanziellen Veränderungen, wie Einblutungen, Überdehnungen mit Schwellung der Sehnen und Kapselanteilen eine charakteristische klinische Symptomatik auf. Diese besteht in einer sofortigen vollkommenen Funktionseinbuße in Form des „drop arm sign“. Der betroffene Arm wirkt auch muskulär wie gelähmt (Schönberger et al. a.a.O. Seite 434).

Zur Beurteilung eines Rotatorenmanschettenschadens sind daher die gesamten Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Dazu gehört u.a. die Vorgeschichte, der Unfallmechanismus, der Verlauf der Erkrankung sowie die radiologisch-bildgebenden, histologischen und intraoperativen Befunde.

Hinsichtlich der Vorgeschichte besteht beim Kläger nachweislich des Vorerkrankungsverzeichnisses vom 07.05.2018 (Blatt 71 bis 73 der Verwaltungsakte) an der rechten Schulter keine manifeste Vorschädigung. Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Versicherte nach §§ 7 ff. SGB VII. in dem Gesundheitszustand versichert ist, in dem er sich zum Unfallzeitpunkt befindet.

Im vorliegenden Fall stellt der Senat den Unfallhergang dahingehend fest, dass der Kläger beim Laufen über den Firmenparkplatz zur Garage, in der die Firmenautos stehen, auf Schnee ausgerutscht ist. Er hatte etwas unter den rechten Arm geklemmt und trug etwas in der rechten Hand. Er fiel direkt seitlich auf die rechte Schulter ohne sich mit der rechten Hand oder dem rechten Arm abzufangen. Diesen Unfallhergang hat der Kläger bei der Begutachtung durch Dr. Da. am 22.05.2019 geschildert und auch im Fragebogen der Beklagten am 14.04.2018 angegeben (Bl. 37 und 38 der Verwaltungsakte). Der Kläger hat auch die Frage nach einem Abfangen oder einer Abstützreaktion mit der rechten Hand oder dem rechten Arm ausdrücklich verneint. Insofern liegen keine unklaren oder inkonsistenten Angaben vor.

Dieser Unfallhergang ist kein verrenkungsgeeigneter, zur traumatischen Schädigung der Rotatorenmanschette geeigneter Mechanismus (vgl. auch Beschluss des Senats vom 23.07.2019, L 8 U 3443/17, vgl. auch Mehrtens et a. a.a.O. Seite 433), da es nicht zu einer axialen Weiterleitung der Gewalt auf das Schultergelenk kommt, sondern vielmehr zur Quetschung und Einblutung in die äußere Muskelschicht (Schönberger et. al. a.a.O., S. 431). Bei höherer Gewalteinwirkung entstehen Oberarmkopfbrüche bzw. Oberarmkopfhalsbrüche, Schultereckgelenksprengungen und Schlüsselbeinbrüche. Es sind daher immer auch andere Strukturen der Schulter, Haut, Unterhaut, Muskulatur, Kapsel-Band-Apparat, Schleimbeutel und andere knöcherne und knorpelige Strukturen betroffen. Eine Dehnungsbelastung mit denkbarer Überforderung der Sehnenfestigkeit der Supraspinatussehne liegt bei einer direkten Krafteinwirkung nicht vor. Dass ein direkter Anprall stattgefunden hat, belegt auch der Durchgangsarztbericht von Dr. Sch. vom 19.02.2018. Danach lag eine diskrete oberflächliche Hämatomverfärbung etwa in Höhe subcapital mit geringer Schwellung vor. Der Unfallhergang spricht somit gegen eine traumatische Ursache.

Hinsichtlich des Erkrankungs- und Heilungsverlaufs stellt der Senat anhand der Angaben des Klägers im Fragebogen sowie bei der Begutachtung durch Dr. Da. fest, dass der Kläger unmittelbar nach dem Sturz Schmerzen verspürt hat, welche er im Fragebogen als durchgehend anhaltend, aber zunächst weniger stark, nach Stunden/Tagen stärker werdend mit Belastungs- und Ruheschmerzen beschrieb. Der Kläger hat die Schulter mit einem Eisbeutel gekühlt und fuhr dann noch seine Chefin zu einem Termin nach Z. in einem Firmenwagen mit Automatikgetriebe. Der Bericht des erstbehandelnden Durchgangsarztes Dr. Sch. vom 19.02.2018 enthält keine Angaben über die Beweglichkeit der rechten Schulter. Es wurde lediglich eine Schmerzangabe und eine Hämatomverfärbung mit diskreter Schwellung notiert und die Diagnose einer Schulterprellung rechts mit fraglicher Fraktur im Bereich des Tuberculum majus gestellt. Eine sofortige Lähmung der Schulter mit der Folge der sofortigen Arbeitseinstellung kann der Senat nach diesen Angaben nicht feststellen. Auch wenn die Schaltung mit Automatikgetriebe weit weniger große Anforderungen an die Schulterbeweglichkeit rechts stellt, ist ein Fahren mit einer auf einer Seite bewegungsunfähigen Schulter nur sehr schwer vorstellbar, da der Fahrer zumindest teilweise mit beiden Händen und Armen das Lenkrad fassen muss. Der Senat kann somit nicht feststellen, dass der Kläger unmittelbar nach dem Unfall starke initiale Schmerzen hatte, welche zur sofortigen Niederlegung zumindest von händischen Arbeitstätigkeiten, zu welchen der Senat auch das Steuern eines Autos mit Automatikgetriebe zählt, geführt haben. Der Kläger hat den Schmerz im Fragebogen auch als zunächst weniger stark und dann zunehmend beschrieben. Dies passt zu seiner Angabe, dass er – wenn auch mit Schmerzen in der Schulter – noch in der Lage war, seiner Fahrertätigkeit nachzukommen und insofern die notwendige Beweglichkeit zum beidseitigen Fassen des Lenkrades hatte. Der Erkrankungsverlauf hatte somit nicht den für eine traumatische Genese passenden Decrescendo-Charakter. Die sofortige Arbeitsniederlegung, der alsbaldige Arztbesuch und der starke initiale Schmerz mit Abklingen im weiteren Verlauf ist nach der bereits angeführten Senatsrechtsprechung im Einklang mit der herrschenden unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger et. al., a.a.O., S. 435) als Indiz für eine traumatische Verursachung zu werten. Diese Indizien sind jedoch vorliegend nicht feststellbar. Dass im Durchgangsarztbericht kein Drop-Arm-Sign erwähnt ist, ist dagegen weder als Indiz für noch gegen eine traumatische Ursache zu werten, da keine Angaben darüber vorliegen, ob Dr. Sch. bei der Erstuntersuchung überhaupt Bewegungsmaße erhoben hat. Das Lebensalter des Klägers spricht indes gegen eine traumatische Ursache, da zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr die meisten Rotatorenmanschettenschäden auftreten (vgl. Schönberger et. al., a.a.O., S. 431).

Die bildgebenden Befunde in Gestalt des CT der rechten Schulter vom 22.02.2018 (Bl. 32 der Verwaltungsakte) sowie des MRT der rechten Schulter vom 09.03.2018 zeigen keine schwergradigen Vorschädigungen des rechten Schultergelenks. Im CT vom 22.02.2018 wird im Befund eine altersentsprechende Mineralisation mit unauffälliger Darstellung des AC-Gelenks bei regulärem Stand des Humeruskopfes in der Cavitas glenoidalis bei glatten kongruenten Gelenkflächen erhoben. Ein Hinweis auf eine pathologische Aufhellungslinie oder kortikale Konturunterbrechung insbesondere im Bereich des Tuberculum majus humeri fand sich nicht. Das MRT vom 09.03.2018 erbrachte den Nachweis eines subacromialen Impingementsyndroms bei Acromiontyp II, einen Nachweis einer Komplettruptur der Supraspinatussehne über die gesamte Breite mit Retraktion der Sehne auf Höhe des Humeruskopfes Grad II nach Patte, einen Nachweis einer kleinen intratendinösen Teilruptur der Subscapularissehne mit regelrechter Darstellbarkeit der langen Bizepssehne im Sulcus intertubercularis sowie durch das Rotatorenmanschettenintervall an den Bizepsanker. Der Gutachter Dr. Da. weist in seinem Gutachten vom 04.06.2019 darauf hin, dass das MRT vom 09.03.2018 Flüssigkeitsansammlungen in der Umgebung der rupturierten Supraspinatussehne zeige und damit verletzungsspezifische Begleitverletzungen objektiv vorlägen. Auch der Beratungsarzt Prof. Dr. D. weist in seiner Stellungnahme vom 23.04.2018 auf verletzungsspezifische Begleitverletzungen hin. Zudem weist Dr. Da. darauf hin, dass eine AC-Gelenksarthrose nicht nachweisbar sei und nur ein geringfügiges und keinesfalls ausgeprägtes Outlet-Impingement-Syndrom vorliege. Dem steht allerdings die Aussage des Beratungsarztes und Radiologen Prof. Dr. D. entgegen, welcher eine ausgeprägte aktivierte, mäßig hypertrophe Arthrose des AC-Gelenkes nach dem MRT vom 09.03.2018 erkennt. Insofern liegen zwar vorbestehende, aber auch nach der Aussage von Prof. Dr. D. nicht ausgeprägte degenerative Veränderungen vor. Dies stellt der Senat in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. Da. und der Stellungnahme von Prof. Dr. D. fest.

Der Senat vermag nach alledem der Ansicht des Gutachters und damit auch des SG nicht zu folgen, wonach der Sturz die wesentliche Ursache für die Suprasinatussehnenruptur darstellt. Dr. Da. begründet dies damit, dass Unfallereignis sei conditio sine qua non für die Ruptur gewesen. Die vorbestehende Schadensanlage sei dagegen nur – soweit sie überhaupt nachweisbar sei – geringfügig und nicht so weit fortgeschritten gewesen, als dass mit dem Eintritt des Gesundheitsschadens bereits bei alltäglichen Belastungen zu rechnen war. Die Frage der Eignung des Unfallereignisses sei kein selbstständiger Berührungspunkt, sondern von der wissenschaftlichen Kausalität umfasst. Die Kausalitätsprüfung dürfe daher nicht mit der Begründung abgebrochen werden, dass das Unfallereignis „generell nicht geeignet“ gewesen sei, den Gesundheitszustand herbeizuführen. Bei konkurrierenden Ursachenfaktoren sei immer eine Abwägung durchzuführen. Die Ausführungen von Dr. Da. stehen nicht im Einklang mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss des Senats vom 23.07.2019, L 8 U 3443/17 sowie Urteile vom 16.08.2019, L 8 U 3067/18 sowie L 8 U 444/17) sowie der darin angeführten unfallmedizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 417 ff., 429 ff.). Danach ist ein geeigneter Unfallhergang ein gewichtiges Kriterium in der Zusammenhangsbeurteilung und nicht nur ein Kriterium unter vielen. Auch muss das Überwiegen der Vorschädigung oder des Unfallereignisses positiv festgestellt werden. Es genügt daher nicht für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles, dass – wie Dr. Da. auf Seite 11 seines Gutachtens anführt – bei fehlender Feststellbarkeit des Überwiegens von Vorschädigung oder Unfallereignisses beide als gleichwertig zu betrachten sind. Sofern sich nicht nachweisen lässt, welche Ursache rechtlich wesentlich war, kann die Ruptur nicht als Unfallfolge anerkannt werden. Eine Anerkennung als Unfallfolge setzt eine positive Feststellung im Sinne des Überwiegens der Pro – Kriterien voraus. Auch sofern Dr. Da. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.08.2019 anführt, dass eine Zusammenhangsbeurteilung ausschließlich aufgrund der Analyse des Unfallereignisses nicht möglich sei, da dieser durch die Verletzten häufig nicht in der wünschenswerten Genauigkeit widergegeben werde, überzeugt dies den Senat nicht. Sofern der Unfallhergang nicht sicher feststellbar ist, kann eine Feststellung der Unfallfolgen nach Kausalitätskriterien nicht durchgeführt werden. Überdies ist im vorliegenden Fall der Unfallhergang vom Kläger ausreichend präzise und auch weitgehend gleichlautend widergegeben worden und kann in dieser Form ohne Zweifel der Prüfung zugrunde gelegt werden.

Maßgeblich für den fehlenden Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und der Supraspinatussehnenruptur ist für den Senat im Übrigen nicht nur der ungeeignete Unfallhergang, sondern auch die nicht feststellbare starke Bewegungseinschränkung unmittelbar nach dem Unfall mit fehlendem Decrescendo – Verlauf in den Folgetagen. Dem stehen die nur geringen degenerativen Veränderungen sowie die im MRT vom 09.03.2018 zu Tage getretenen Flüssigkeitsansammlungen als verletzungsspezifische Begleitverletzungen als Indizien für eine traumatische Verursachung gegenüber. Ob diese Verletzungen indes bereits am 17.02.2018 oder in der Zeit danach entstanden sind, kann der Senat nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen. Dagegen spricht der Verlauf unmittelbar nach dem Unfall mit nicht feststellbarer schwergradiger Bewegungseinschränkung. Auch ist das Anpralltrauma durch die Befunde im Durchgangsarztbericht vom 19.02.2018 belegt, auch wenn ein „Bone bruise“ (ein Knochenmarködem) nicht gesichert werden konnte.

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Unfallablaufs und des Erkrankungsverlaufs stellt der Senat fest, dass der Unfall vom 17.02.2018 des Klägers die Supraspinatussehnenruptur an der rechten Schulter nicht rechtlich wesentlich verursacht hat, da eine traumatische Verursachung nicht hinreichend belegt ist.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und das vorliegende Gutachten haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO).

Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG vom 30.10.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

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