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Verkehrsunfall: Abgrenzung eines Unfalls auf einem Betriebsweg von einem sonstigen Wegeunfall

Haftungsprivileg der §§ 104 ff. SGB VII fallen, von sonstigen Wegeunfällen i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII

OLG Dresden, Az.: 7 U 1753/07, Urteil vom 19.03.2008

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 27.09.2007 (Az: 6 O 136/07) aufgehoben und

1.a) der Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist, sowie

b) zur Feststellung der Höhe des Anspruchs das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.

2. festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen künftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 14.12.2005 gegen 00.20 Uhr auf der Staatsstraße … von P. in Richtung L. , kurz vor dem Ortsausgangsschild von P. im Ortsteil C. , ca. 30 m nach der Einmündung der A. -T. -Straße, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

II. Die Kostenentscheidung – einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens – bleibt dem Landgericht vorbehalten.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 40.495,84 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 14.12.2005 auf der Staatsstraße . von P. in Richtung L. ereignet hat und infolgedessen seine Ehefrau ums Leben gekommen ist.

Verkehrsunfall: Abgrenzung eines Unfalls auf einem Betriebsweg von einem sonstigen Wegeunfall
Foto: ChiccoDodiFC / Bigstock

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass zu Gunsten der Beklagten der Haftungsausschluss nach §§ 104 ff. SGB VII eingreife. Denn der streitgegenständliche Verkehrsunfall habe sich auf einem in die Haftungsbeschränkung einbezogenen Betriebsweg ereignet. Die Fahrt sei maßgeblich durch die Organisation des Arbeitgebers geprägt gewesen. So habe der Zeuge P. glaubhaft bekundet, dass er die Fahrt organisiert habe. Er habe die Beklagte zu 1) angesprochen, ob sie die Aufgabe des Transportes übernehmen würde. Entgegen vorangegangener Weihnachtsfeiern habe er sich in dem Jahr nicht dafür entschieden, Zugfahrkarten zu organisieren oder ein Sammeltaxi zu bestellen, sondern sei an die Beklagte zu 1) herangetreten. Er habe der Beklagten zu 1) auch die ihr durch die Fahrt entstehenden Kosten erstatten wollen. Mit der Zusage der Beklagten zu 1), den Transport ihrer Kolleginnen für ihren Arbeitgeber zu übernehmen, habe es sich damit um eine innerbetriebliche Aufgabe und mehr als eine bloße Gefälligkeit gehandelt. Diese Wertung werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte zu 1) mit ihren Kolleginnen nochmals über die Durchführung des Transports gesprochen habe. Denn entscheidend sei das, was bei dem Zeugen P. letztlich angekommen sei. Dies habe der Fahrt, die genauso durchgeführt worden sei, wie er sie habe organisieren wollen, das Gepräge einer dienstlich organisierten Sammelfahrt gegeben.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Er trägt vor, die Fahrt habe nicht zum innerbetrieblichen Organisations- und Funktionsbereich gehört. Sie sei auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den vom Landgericht selbst herangezogenen Kriterien nicht durch die betriebliche Organisation geprägt gewesen, zumal unstreitig kein betriebseigenes Auto benutzt worden sei, sondern der Privat-Pkw der Beklagten zu 1) bzw. ihres Lebensgefährten. Der Zeuge P. habe ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.09.2007 nicht bekundet, dass er die Fahrt organisiert habe. Er habe lediglich ausgesagt, die Beklagte zu 1) angesprochen zu haben, ob sie die Kolleginnen abholen und bis zu seinem Haus in M. mitnehmen könne. Er habe explizit bekundet, dass er es der Beklagten zu 1) freigestellt habe, ob sie fahre oder nicht. Woher das Landgericht das vermeintliche Wissen bezogen habe, der Zeuge hätte sich entgegen vorangegangener Weihnachtsfeiern in diesem Jahr nicht dafür entschieden, Zugfahrkarten zu organisieren oder ein Sammeltaxi zu bestellen, erschließe sich weder aus dem gesamten im Verfahren erfolgten Vortrag noch aus der Beweisaufnahme. Eine solche Aussage sei im Protokoll der Beweisaufnahme nicht festgehalten und sei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers auch nicht erinnerlich. Eine Vereinbarung zwischen der Beklagten zu 1) und dem Zeugen P. habe es nicht gegeben, vielmehr habe der Zeuge ausdrücklich klargestellt, dass der Vorschlag, die Beklagte zu 1) möge fahren, aus dem Kollegenkreis gekommen sei. Auch aus den Aussagen der Zeuginnen H. und N. , die das Landgericht überhaupt nicht in seine Überzeugungsbildung einbezogen habe, ergebe sich, dass die Übernahme der Fahrt durch die Beklagte zu 1) unter den Kolleginnen ausgemacht worden sei. Genauso habe es die Beklagte zu 1) selbst in ihrer informatorischen Anhörung zu Protokoll gegeben. Auch diese eigene Schilderung der Beklagten zu 1) habe das Landgericht nicht in die Beweiswürdigung einbezogen. Das in seiner Vernehmung behauptete Angebot des Zeugen P. gegenüber der Beklagten zu 1), die Fahrt zu vergüten, habe es nicht gegeben. An ein solches Angebot habe sich die Beklagte zu 1) weder in ihrem gesamten gerichtlichen Vortrag noch in ihrer informatorischen Anhörung erinnern können. Was den Zeugen P. zu dieser Aussage motiviert habe, bliebe unklar. Vorgerichtlich habe sich der Kläger als Ehemann der verstorbenen Mitarbeiterin mehrfach mit dem Zeugen P. unterhalten, um die Hintergründe des gesamten Vorganges zu erfahren. Dabei habe der Zeuge P. immer wieder angegeben, dass es sich nicht um eine Dienstfahrt gehandelt habe, sondern die Beklagte zu 1) nach den Absprachen zwischen den Kolleginnen freiwillig gefahren sei. Eine Vergütungsabrede sei dabei ebenfalls von ihm nicht erwähnt worden. Im Ergebnis sei aber selbst bei der vom Landgericht angenommenen Sachlage und einem Vergütungsangebot des Arbeitgebers ein Haftungsprivileg nicht eröffnet. Denn es habe sich weder um eine Fahrt mit einem betriebszugehörigen Fahrzeug noch um eine unternehmerische Entscheidung hinsichtlich der Fahrt gehandelt, sondern allenfalls um eine Anregung des Arbeitgebers, die gegenüber den ohnehin bereits vorher getroffenen Absprachen zwischen den Kolleginnen in den Hintergrund getreten sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Dresden vom 27.09.2007, Az: 6 O 136/07, wie folgt abzuändern:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 10,62 EUR zzgl. Zinsen aus 5,31 EUR i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie aus weiteren 5,31 EUR seit dem 21.09.2007 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 6.114,58 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.3218,20 EUR seit Rechtshängigkeit sowie aus je weiteren 965,46 EUR seit dem 05.01.2007, 05.04.2007 und 05.07.2007 zu zahlen.

3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 2.091,83 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.02.2006 zu zahlen.

4. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 318,00 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.02.2006 zu zahlen.

5. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld aus geerbtem und abgetretenem Recht für die Verletzungen seiner Ehefrau K. B. aufgrund des Verkehrsunfalls vom 14.12.2005 sowie aus eigenem Recht für die aufgrund des Unfalls erlittenen Beeinträchtigungen zzgl. Zinsen aus dem vom Gericht zu bestimmenden Betrag i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ab dem 01.10.2007 eine Rente für entgangene Unterhaltsleistungen bis zum dritten Werktag eines kalendermäßigen Quartals für jeweils drei Monate im Voraus i.H.v. 967,23 EUR zu zahlen.

7. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger Kosten für die außergerichtliche Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes i.H.v. 1.530,58 EUR zzgl. Zinsen aus 777,19 EUR seit Rechtshängigkeit sowie aus weiteren 753,39 EUR seit dem 21.09.2007 zu zahlen.

8. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 14.12.2005 gegen 00:20 Uhr auf der Staatsstraße . von P. in Richtung L. , kurz vor dem Ortsausgangsschild von P. im Ortsteil C. , ca. 30 m nach der Einmündung der A. -T. -Straße zu ersetzen, soweit er nach der mündlichen Verhandlung entsteht und die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten beantragen,

1. die Berufung zurückzuweisen;

2. hilfsweise, die Sache an das Landgericht zur Feststellung der Höhe der Ansprüche zurückzuverweisen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Sie tragen vor, dass entscheidend sei, dass der Zeuge P. die Beklagte zu 1) angesprochen habe, ob sie die Fahrt übernehme. Es komme dagegen nicht darauf an, ob dieser die Fahrt auch angeordnet habe. Jedenfalls habe sich die Beklagte zu 1) auf Frage des Zeugen P. bereit erklärt, den Transport der Kolleginnen durchzuführen. Damit und mit dem Angebot, die Fahrt zu vergüten, habe die Fahrt die von der Rechtsprechung geforderte Prägung durch die Organisation des Arbeitgebers erhalten.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 19.03.2008 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen P. , H. und N. . Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2008 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und hinsichtlich der Klageanträge zu Ziff. 1 bis 7 durch Grundurteil zu entscheiden (§ 304 ZPO), wobei gleichzeitig auf Antrag der Beklagten die Sache an das Landgericht im Hinblick auf die Feststellung der Höhe des Anspruchs zurückzuverweisen war. Über den Feststellungsantrag war dagegen durch Teilurteil (§ 301 ZPO) zu entscheiden.

1. Eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach folgt aus §§ 7 ff. StVG, 823 ff. BGB, 3 PflVG.

Die Voraussetzungen einer Haftungsbeschränkung nach § 105 SGB VII liegen nicht vor, weil sich der streitgegenständliche Unfall nach der Überzeugung des Senates jedenfalls nicht auf einem Betriebsweg i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII, sondern auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg ereignet hat.

a) Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebes verursachen, diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Die Beurteilung, ob die Geschädigte den Unfall auf einem Betriebsweg nach § 8 Abs. 1 SGB VII oder einen Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII erlitten hat, ist nach den Kriterien vorzunehmen, die von der Rechtsprechung für das frühere Abgrenzungsmerkmal des § 637 RVO zwischen privilegierten und nicht privilegierten Wegen – nämlich die Teilnahme am allgemeinen Verkehr – entwickelt worden sind. Unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung ist ein nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherter Betriebsweg nicht schon dann anzunehmen, wenn mit der Fahrt die Förderung eines betrieblichen Interesses verbunden war. Dieses Kriterium kann zwar Bedeutung für die Einordnung der schädigenden Tätigkeit als betriebliche und des Unfalls als Arbeitsunfall haben. Zur Abgrenzung der Unfälle, die als Betriebsweg unter das Haftungsprivileg der §§ 104 ff. SGB VII fallen, von sonstigen Wegeunfällen i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII, bei denen eine Entsperrung der Haftung erfolgt, genügt es aber nicht. Von einem Unfall auf einem Betriebsweg ist vielmehr nur dann auszugehen, wenn die gemeinsame Fahrt der Arbeitskollegen selbst als Teil des innerbetrieblichen Organisations- und Funktionsbereiches erscheint. Rückschlüsse darauf, unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, ergeben sich aus dem Grund für die in den §§ 104 ff. SGB VII grundsätzlich vorgesehene Haftungseinschränkung. Deren Rechtfertigung beruht maßgeblich auf dem die gesetzliche Unfallversicherung mittragenden Gedanken der Haftungsablösung durch die alleinige Beitragspflicht des Arbeitgebers. Die §§ 104 ff. SGB VII dienen seinem Schutz, indem seine Haftung – auch hinsichtlich eventueller Freistellungs- oder Erstattungsansprüche der bei einer betrieblichen Tätigkeit schädigenden Arbeitskollegen – durch die Einstandspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung beschränkt wird. Dadurch erfolgt ein dem Interesse des Unfallverletzten gerecht werdender Schadensausgleich. Zugleich wird das Risiko von Arbeitsunfällen für den Arbeitgeber kalkulierbar und der Betriebsfrieden innerhalb der betrieblichen Gefahrengemeinschaft gewahrt. Bei dieser Sachlage ist auch nach neuem Recht ein Weg dann als Teil des innerbetrieblichen Organisations- und Funktionsbereichs und mithin als Betriebsweg anzusehen, wenn eine Fahrt maßgeblich durch die betriebliche Organisation geprägt ist, insbesondere indem sie durch die Organisation (Werkverkehr, Einsatz eines betriebseigenen Fahrzeuges, Fahrt auf dem Werksgelände) als innerbetrieblicher bzw. innerdienstlicher Vorgang gekennzeichnet oder durch Anordnung des Dienstherrn zur innerbetrieblichen bzw. innerdienstlichen Aufgabe erklärt worden ist . In dem Fall ist nach der ratio legis der §§ 104 ff. SGB VII eine Haftungseinschränkung geboten, weil sich aufgrund der bestehenden betrieblichen Gefahrengemeinschaft ein betriebsbezogenes Haftungsrisiko verwirklicht hat, von dem der Unternehmer auch hinsichtlich eventueller Freistellungs- oder Erstattungsansprüche grundsätzlich befreit werden soll (vgl. zu Vorstehendem nur BGH, VersR 2004, 788; BGH, Urteil vom 02.12.2003, Az: VI ZR 348/02, zitiert nach juris; BGH, NJW 2001, 442, jeweils m.w.N.).

Auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg hat der Geschädigte dagegen den sich aus der Zugehörigkeit zu seinem Betrieb ergebenden Gefahrenbereich verlassen und sich wie ein anderer Verkehrsteilnehmer in den Verkehr mit den damit verbundenen Gefahren begeben; der nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherte Weg steht in einem so „losen Zusammenhang“ mit der betrieblichen Tätigkeit des Verunglückten, dass es nicht gerechtfertigt wäre, ihn auf seine Ansprüche gegen den Unfallversicherungsträger zu beschränken. Normzweck ist daher, dem Verletzten die Ansprüche gegen den Arbeitgeber und die Kollegen zu belassen, wenn er außerhalb betrieblicher Gegebenheiten unter solchen Umständen geschädigt wird, die ihn auch als normalen Verkehrsteilnehmer hätten treffen können. Daraus folgt, dass die Haftung des Unternehmers bzw. Arbeitskollegen daher nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Versicherungsfall auf einem Weg eingetreten ist, der sich für den geschädigten Versicherten als Betriebsweg darstellt (vgl. nur BGH, NJW 2001, 442; Lauterbach, Unfallversicherung (SGB-VII), § 104 Rz. 23 f. m.w.N.).

b) Die Kriterien, die nach der vorgenannten Rechtsprechung des BGH insbesondere für die Einordnung eines Weges als Betriebsweg geeignet sind, wie Einsatz eines betriebseigenen Fahrzeuges oder Anordnung des Dienstherrn, sind hier unstreitig nicht gegeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat aber auch nicht davon überzeugt, dass die Fahrt, die dem streitgegenständlichen Unfall vorausging, aufgrund anderer Umstände maßgeblich durch die betriebliche Organisation geprägt war, mithin ein Betriebsweg vorlag. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass es sich um einen sonstigen Wegeunfall i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII gehandelt hat.

Zwar hat der Zeuge P. im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Senat glaubhaft bekundet, die Beklagte zu 1) angesprochen zu haben, ob sie die Fahrt übernehmen könne und ihr diesbezüglich angeboten zu haben, die Kosten für die Fahrt zu übernehmen. Einen weitergehenden Einfluss auf die Organisation der Fahrt hat er jedoch nicht gehabt. So hat er dazu glaubhaft erklärt, dass er es zum einen der Beklagten zu 1) freigestellt habe, ob sie die Fahrt durchführt und zum anderen seien sich die Mitarbeiterinnen sodann, wie er erfahren habe, untereinander einig geworden, dass die Beklagte zu 1) die Fahrt übernehmen werde. Er selbst habe sich um die Sache nicht mehr gekümmert und sich nach dem Gespräch mit der Beklagten zu 1) weder bei Teambesprechungen noch anderweitig in Gespräche, die die Fahrt bzw. ihre Organisation zum Gegenstand hatten, eingeschaltet. Auch habe er keine Erinnerung daran, dass er anlässlich einer Teambesprechung bekannt gegeben habe, dass die Beklagte zu 1) die Fahrt übernehmen werde.

Der Aussage des Zeugen P. stehen auch nicht die Bekundungen der Zeuginnen H. und N. entgegen. Die Zeugin H. , die bei dem Gespräch zwischen dem Zeugen P. und der Beklagten 1) unstreitig nicht anwesend war und die unfallbedingt an Erinnerungsschwächen leidet, hat – soweit überhaupt ein Erinnerungsvermögen vorhanden war – bekundet, dass sich die Übernahme der Fahrt durch die Beklagte zu 1) in Gesprächen unter den Kolleginnen ergeben habe. Dass der Arbeitgeber, d.h. der Zeuge P. , im Rahmen einer Organisation der Übernahme der Fahrt durch die Beklagte zu 1) in Erscheinung getreten ist, hat sie nicht bestätigen können. Auch die Zeugin N. , die ebenfalls an dem Gespräch zwischen dem Zeugen P. und der Beklagten zu 1), welches die Fahrt zum Gegenstand hatte, nicht beteiligt war, hat erklärt, dass im Kollegenkreis besprochen worden sei, dass die Beklagte zu 1) die Fahrt übernehmen solle. Zwar konnte auch sie Einzelheiten bezüglich der Absprachen nicht mehr nennen. Aus ihrer Aussage geht jedoch hervor, für sie sei maßgeblich gewesen, dass die Beklagte zu 1) am nächsten Tag Frühschicht gehabt habe und deshalb für die Übernahme der Fahrt aus ihrer Sicht geeignet gewesen sei. Eine Einflussnahme auf die Organisation der Fahrt durch den Arbeitgeber, die für sie in irgendeiner Form erkennbar geworden ist, hat sie ebenfalls nicht bekundet.

Anders als vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, hat die Beweisaufnahme vor dem Senat auch nicht ergeben, dass die Organisation der Fahrten zu den Weihnachtsfeiern in den Vorjahren der Arbeitgeber jeweils übernommen hatte, indem er beispielsweise Zugfahrkarten besorgt oder ein Sammeltaxi bestellt hatte. Vielmehr hat der Zeuge P. dazu glaubhaft bekundet, dass es Zugfahrten zu irgendwelchen Feierlichkeiten nicht gegeben habe. Lediglich zu einer Jubiläumsfeier habe er einmal ein Sammeltaxi bestellt, da er zu dem Zeitpunkt über einen Kunden eine günstige Taxifahrt habe organisieren können.

Die Fahrt ist, was für die Annahme eines Betriebsweges in Abgrenzung zu einem sonstigen Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII entscheidend ist, mithin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht maßgeblich durch die betriebliche Organisation geprägt gewesen. Vielmehr beschränkte sich nach der Aussage der Zeugen die Einflussnahme des Arbeitgebers, die im Übrigen den anderen Mitarbeitern nicht bekannt war, auf eine Anregung oder Nachfrage seinerseits gegenüber der Beklagten zu 1), die Fahrt durchzuführen und ihr dafür im Gegenzug die Kosten zu erstatten. Die entscheidenden Absprachen, d.h. ob und wie die Beklagte zu 1) die Fahrt tatsächlich durchführt, sind ohne den Arbeitgeber, d.h. den Zeugen P. , im Kollegenkreis getroffen worden. Vor diesem Hintergrund hat die Fahrt jedenfalls nicht die für einen Betriebsweg erforderliche maßgebliche Prägung durch die betriebliche Organisation erhalten, sondern beruhte letztlich auf einer Absprache der Kolleginnen untereinander. Daran ändert es auch nichts, dass die Beklagte zu 1) aus ihrer und der Sicht der übrigen Mitarbeiterinnen die geeignete Fahrerin war, weil sie an dem nächsten Tag Frühschicht hatte. Zwar mag dieser Umstand dazu geführt haben, dass die Wahl auf die Beklagte zu 1) fiel, er ist jedoch nicht geeignet, die Fahrt selbst als innerbetrieblichen Vorgang oder Aufgabe zu kennzeichnen (vgl. BGH, a.a.O.).

Unerheblich ist auch, dass der Arbeitgeber den zweiten Teil der Fahrt, nämlich von M. nach D. und zurück, übernommen hat, da dadurch der Weg, den die Beklagte zu 1) zurückgelegt hat, ebenfalls keine dienstliche Prägung erfahren hat.

2. Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet, da die Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts für den Kläger aufgrund des Unfalltodes seiner Ehefrau gegeben ist (vgl. nur BGH, VersR 2001, 874; OLG Frankfurt, SP 2005, 338).

III.

Über die Kosten, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens, ist erst im Endurteil durch das Landgericht, wenn auch über den Betrag der Höhe nach entschieden wird, eine Entscheidung zu treffen (vgl. nur Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 304 Rz. 26).

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 42 Abs. 2, 47, 48 GKG, 3 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Zulassungsvoraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen, zumal es sich um eine Entscheidung eines Einzelfalles handelt.

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