Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Gerichtsurteil: Verletztengeldentzug aufgrund verweigerter Operation rechtens?
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Wann wird mir das Verletztengeld nach einem Arbeitsunfall entzogen?
- Was passiert, wenn ich eine vorgeschlagene Therapie oder Rehabilitation verweigere?
- Gibt es eine Möglichkeit, das Verletztengeld nach Einstellung wieder zu erhalten?
- Welche Rolle spielt die medizinische Dokumentation bei der Beurteilung meines Verletztengeldes?
- Ist es sinnvoll, ein Gutachten von einem unabhängigen Arzt einzuholen, wenn das Verletztengeld eingestellt wurde?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Das Urteil behandelt die Entziehung des Verletztengeldes eines Klägers, der nach einem Arbeitsunfall an einem Guillain-Barre-Syndrom litt.
- Der Kläger hatte zunächst Anspruch auf Verletztengeld, welches aufgrund der anerkannten Impffolgen gewährt wurde.
- Schwierigkeiten traten auf, als der Kläger Rehabilitationsmaßnahmen abbrach und sich gegen weitere ärztliche Empfehlungen wandte.
- Das Gericht wies die Berufung des Klägers zurück, da er nicht nachweisen konnte, dass er die Voraussetzungen für den Bezug von Verletztengeld erfüllte.
- Die Entscheidung basierte auf der Nichteinhaltung der medizinisch empfohlenen Rehabilitationsmaßnahmen sowie der mangelnden Mitwirkung des Klägers.
- Der Kläger hatte selbstständig ein Abbrechen der Behandlungen angeordnet, was als negativ für seinen Anspruch auf Leistungen gewertet wurde.
- Die Folgen des Urteils beinhalten, dass der Kläger zukünftig auf finanzielle Unterstützung verzichten muss, da das Gericht die Leistungseinstellung bestätigte.
- Außerdem wurde deutlich, dass mangelnde Mitwirkung bei Rehabilitationsmaßnahmen zu einem Verlust von Ansprüchen führen kann.
- Die Entscheidung des Gerichts hat präzedenzielle Bedeutung für ähnliche Fälle, in denen Patienten die empfohlene Therapie ablehnen.
- Die nicht zugelassene Revision schließt weitere rechtliche Schritte des Klägers vor höheren Instanzen aus.
Gerichtsurteil: Verletztengeldentzug aufgrund verweigerter Operation rechtens?
Verletztengeld ist eine finanzielle Unterstützung, die Geschädigten eines Unfalls zusteht, um den finanziellen Verlust durch den Unfall auszugleichen. Allerdings ist diese Leistung nicht automatisch garantiert. Die Voraussetzungen für den Bezug von Verletztengeld sind streng geregelt und im Sozialgesetzbuch geregelt. Einer der wichtigsten Punkte ist die Frage, ob der Betroffene zur Arbeit fähig ist. Ist der Unfallverursacher für den Unfall verantwortlich, erhält der Geschädigte grundsätzlich Verletztengeld. Allerdings kann das Verletztengeld unter bestimmten Voraussetzungen auch entzogen werden.
Diese Entziehung ist jedoch nicht willkürlich. Es muss ein triftiger Grund dafür vorliegen. So kann Verletztengeld beispielsweise entzogen werden, wenn der Betroffene beispielsweise keine Rehamaßnahmen wahrnimmt oder die medizinischen Behandlungen verweigert. Auch wenn sich der Verletzte nicht ausreichend bemüht, wieder gesund zu werden und seiner Arbeit nachzugehen, besteht die Gefahr, dass das Verletztengeld entzogen wird.
Eine aktuelle gerichtliche Entscheidung beschäftigt sich genau mit dieser Frage. Hier wurde dem Gericht der Fall eines Mannes vorgelegt, dem das Verletztengeld entzogen wurde. Der Betroffene verweigerte jedoch eine ihm angebotene Operation und argumentierte, dass er Angst vor Komplikationen habe. Der Richter musste im vorliegenden Fall abwägen, ob die Weigerung des Mannes, die Operation zu ertragen, einen triftigen Grund für eine Entziehung des Verletztengeldes darstellt.
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Der Fall vor Gericht
Einstellung des Verletztengeldes nach Arbeitsunfall rechtmäßig
Der 17. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 27.09.2017 (Az. L 17 U 735/15) entschieden, dass die Einstellung des Verletztengeldes durch die Berufsgenossenschaft nach einem Arbeitsunfall rechtmäßig war.
Hintergrund des Rechtsstreits
Ein 1968 geborener Diplom-Ingenieur erlitt am 04.03.2010 einen von der Berufsgenossenschaft anerkannten Impfschaden in Form eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) durch eine betrieblich erforderliche Impfung. In der Folge wurde ihm Verletztengeld gewährt.
Nach mehreren Jahren der Arbeits- und Belastungserprobung, in denen der Kläger maximal fünf Stunden täglich belastbar war, stellte die Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 01.10.2013 das Verletztengeld zum 10.10.2013 ein. Zur Begründung führte sie an, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu rechnen sei.
Der Kläger klagte gegen diese Entscheidung, unterlag jedoch sowohl vor dem Sozialgericht als auch vor dem Landessozialgericht.
Rechtliche Bewertung des Gerichts
Das Landessozialgericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Einstellung des Verletztengeldes. Entscheidend war die Prognose zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen war.
Das Gericht sah diese Prognose als gerechtfertigt an, da:
- Der Kläger fast drei Jahre an einer Wiedereingliederung teilgenommen hatte, ohne jemals volle Arbeitsfähigkeit wieder zu erlangen
- Ab Mai 2013 war er vollständig arbeitsunfähig
- Der Kläger selbst hatte mehrfach deutlich gemacht, sich auf unabsehbare Zeit für arbeitsunfähig zu halten
Ein im Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten bestätigte, dass die Prognose im Hinblick auf den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 01.10.2013 ungewiss war. Dies wurde mit einer nicht reversiblen Schädigung des Nervensystems und einem chronischen Schmerzsyndrom begründet.
Bedeutung für Verletzte nach Arbeitsunfällen
Das Urteil verdeutlicht, dass ein Anspruch auf Verletztengeld nicht unbegrenzt besteht. Entscheidend ist die Prognose, ob mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung an.
Für Betroffene bedeutet dies, dass sie sich aktiv um ihre Rehabilitation bemühen sollten. Auch wenn keine volle Arbeitsfähigkeit erreicht wird, kann eine erkennbare Verbesserung des Gesundheitszustands für die Prognose relevant sein.
Gleichzeitig zeigt der Fall die Bedeutung medizinischer Gutachten für die rechtliche Bewertung. Betroffene sollten daher auf eine sorgfältige Dokumentation ihres Gesundheitszustands achten.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil bekräftigt, dass der Anspruch auf Verletztengeld nicht unbegrenzt besteht und maßgeblich von der Prognose zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit abhängt. Entscheidend ist der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, wobei die bisherige Entwicklung des Gesundheitszustands, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und medizinische Gutachten eine zentrale Rolle spielen. Für Betroffene unterstreicht dies die Bedeutung aktiver Rehabilitationsbemühungen und sorgfältiger Dokumentation des Gesundheitsverlaufs.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie Verletztengeld beziehen, sollten Sie aktiv an Ihrer Rehabilitation mitwirken und jede Verbesserung Ihres Gesundheitszustands dokumentieren lassen. Die Berufsgenossenschaft kann das Verletztengeld einstellen, wenn nach ihrer Prognose mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung an, nicht auf spätere Entwicklungen. Eine Verweigerung von Behandlungen oder Reha-Maßnahmen könnte sich negativ auf diese Prognose auswirken. Lassen Sie sich daher medizinisch umfassend betreuen und informieren Sie sich frühzeitig über Ihre Rechte und Pflichten, um Ihren Anspruch nicht zu gefährden.
FAQ – Häufige Fragen
Sie haben einen Unfall erlitten und fragen sich, was nun? Wie funktioniert Verletztengeld und Rehabilitation? In unserer FAQ-Rubrik finden Sie verständliche Antworten auf Ihre wichtigsten Fragen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Wann wird mir das Verletztengeld nach einem Arbeitsunfall entzogen?
- Was passiert, wenn ich eine vorgeschlagene Therapie oder Rehabilitation verweigere?
- Gibt es eine Möglichkeit, das Verletztengeld nach Einstellung wieder zu erhalten?
- Welche Rolle spielt die medizinische Dokumentation bei der Beurteilung meines Verletztengeldes?
- Ist es sinnvoll, ein Gutachten von einem unabhängigen Arzt einzuholen, wenn das Verletztengeld eingestellt wurde?
Wann wird mir das Verletztengeld nach einem Arbeitsunfall entzogen?
Das Verletztengeld nach einem Arbeitsunfall wird unter bestimmten Umständen entzogen oder eingestellt. Der Anspruch auf Verletztengeld endet grundsätzlich mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Dies bedeutet, dass sobald die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht mehr besteht, auch kein Verletztengeld mehr gezahlt wird.
Es gibt jedoch weitere spezifische Situationen, in denen das Verletztengeld entzogen wird. Eine wichtige Voraussetzung für den Wegfall des Anspruchs ist die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit. Wenn der Versicherte in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit wieder auszuüben oder eine andere zumutbare Beschäftigung aufzunehmen, erlischt der Anspruch auf Verletztengeld.
Auch der Beginn von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben führt zur Beendigung des Verletztengeldes. In diesem Fall tritt das sogenannte Übergangsgeld an die Stelle des Verletztengeldes. Dies geschieht beispielsweise, wenn eine berufliche Rehabilitation oder Umschulung beginnt.
Ein weiterer Grund für die Entziehung des Verletztengeldes ist der Bezug von Altersrente oder anderen Sozialleistungen, die den Lebensunterhalt sichern sollen. Hierzu zählen etwa Erwerbsminderungsrenten oder vergleichbare Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Verletztengeld spätestens mit Ablauf der 78. Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit endet. Diese zeitliche Begrenzung gilt jedoch nicht, wenn der Versicherte sich noch in stationärer Behandlung befindet. In diesem Fall wird das Verletztengeld bis zum Ende der stationären Behandlung weitergezahlt.
Bei Unternehmern und mitarbeitenden Ehegatten gelten besondere Regelungen. Hier kann eine Sperrfrist von 13 Wochen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zum Tragen kommen, während der kein Verletztengeld gezahlt wird.
Es ist zu beachten, dass die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse die Entscheidung über die Entziehung des Verletztengeldes trifft. Diese Entscheidung basiert auf medizinischen Gutachten und der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit des Versicherten.
In manchen Fällen kann es zu Unstimmigkeiten bezüglich der Beendigung des Verletztengeldes kommen. Versicherte haben das Recht, gegen eine solche Entscheidung Widerspruch einzulegen. Hierbei ist es ratsam, alle relevanten medizinischen Unterlagen und Gutachten zur Verfügung zu stellen, um die eigene Position zu untermauern.
Was passiert, wenn ich eine vorgeschlagene Therapie oder Rehabilitation verweigere?
Die Verweigerung einer vorgeschlagenen Therapie oder Rehabilitation kann verschiedene rechtliche und praktische Konsequenzen nach sich ziehen. Grundsätzlich haben Patienten das Recht, eine empfohlene Behandlung abzulehnen. Dies ergibt sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, welches verfassungsrechtlich geschützt ist. Allerdings können sich aus einer solchen Verweigerung unter Umständen negative Folgen ergeben.
Bei gesetzlich Krankenversicherten besteht eine Mitwirkungspflicht im Rahmen der Behandlung. Das bedeutet, dass Versicherte grundsätzlich dazu angehalten sind, an Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit mitzuwirken. Verweigert ein Patient eine medizinisch notwendige Therapie oder Rehabilitation ohne triftigen Grund, kann dies Auswirkungen auf Sozialleistungen haben.
Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung kann die Ablehnung einer Reha-Maßnahme dazu führen, dass Leistungen gekürzt oder ganz versagt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Rehabilitation dazu dienen sollte, die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen oder zu erhalten. Die Rentenversicherung hat in solchen Fällen das Recht, die Leistungen zu reduzieren oder einzustellen, wenn der Versicherte seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt.
Ähnliches gilt im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Hier kann die Verweigerung einer Therapie oder Rehabilitation zur Entziehung des Verletztengeldes führen. Dies ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Die Verweigerung muss ohne wichtigen Grund erfolgen, und die Maßnahme muss geeignet sein, die Erwerbsfähigkeit zu verbessern.
Es gibt jedoch Ausnahmen von diesen Regelungen. Ein wichtiger Grund für die Ablehnung einer Therapie oder Rehabilitation kann beispielsweise vorliegen, wenn die Maßnahme aus medizinischer Sicht nicht sinnvoll oder sogar kontraindiziert ist. Auch persönliche Umstände wie familiäre Verpflichtungen oder berufliche Gründe können unter Umständen als wichtiger Grund anerkannt werden.
Bei privat Versicherten gelten andere Regeln. Hier hängen die Konsequenzen einer Therapie- oder Reha-Verweigerung von den individuellen Vertragsbedingungen ab. In der Regel haben private Krankenversicherungen weniger Möglichkeiten, Leistungen aufgrund mangelnder Mitwirkung zu kürzen.
Es ist wichtig zu betonen, dass eine Therapie- oder Reha-Verweigerung immer im Einzelfall betrachtet werden muss. Die zuständigen Sozialversicherungsträger sind verpflichtet, die Gründe für eine Verweigerung sorgfältig zu prüfen. Dabei müssen sie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gegen die Interessen der Versichertengemeinschaft abwägen.
In der Praxis führt eine Therapie- oder Reha-Verweigerung nicht automatisch zu Leistungskürzungen. Oft wird zunächst versucht, den Versicherten von der Notwendigkeit der Maßnahme zu überzeugen. Erst wenn alle Bemühungen scheitern und keine wichtigen Gründe für die Ablehnung vorliegen, werden Konsequenzen in Betracht gezogen.
Für Patienten ist es ratsam, bei Bedenken gegen eine vorgeschlagene Therapie oder Rehabilitation das Gespräch mit dem behandelnden Arzt zu suchen. Oft können Missverständnisse ausgeräumt oder alternative Behandlungsmöglichkeiten gefunden werden. Eine offene Kommunikation kann dazu beitragen, negative Folgen zu vermeiden und gleichzeitig die bestmögliche Behandlung sicherzustellen.
Gibt es eine Möglichkeit, das Verletztengeld nach Einstellung wieder zu erhalten?
Das Verletztengeld kann unter bestimmten Umständen nach seiner Einstellung erneut gewährt werden. Die Wiederaufnahme der Zahlung ist an spezifische Voraussetzungen geknüpft, die sich aus dem Zweck dieser Leistung ergeben.
Grundsätzlich endet der Anspruch auf Verletztengeld, wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr besteht oder wenn die maximale Bezugsdauer von 78 Wochen erreicht ist. Allerdings kann es Situationen geben, in denen eine erneute Zahlung gerechtfertigt ist.
Eine Möglichkeit zur Wiederaufnahme des Verletztengeldes besteht, wenn sich der Gesundheitszustand des Versicherten nach der Einstellung der Leistung wieder verschlechtert. Dies muss in direktem Zusammenhang mit dem ursprünglichen Arbeitsunfall oder der Berufskrankheit stehen. In solchen Fällen kann die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse erneut Verletztengeld gewähren.
Wichtig ist hierbei der kausale Zusammenhang zwischen der erneuten Arbeitsunfähigkeit und dem versicherten Ereignis. Es reicht nicht aus, dass lediglich eine neue Erkrankung auftritt, die nicht mit dem Arbeitsunfall oder der Berufskrankheit in Verbindung steht.
Eine weitere Konstellation, in der eine Wiederaufnahme des Verletztengeldes möglich ist, ergibt sich bei notwendigen Folgebehandlungen. Wenn beispielsweise nach einer gewissen Zeit der Arbeitsfähigkeit eine Operation erforderlich wird, die auf den ursprünglichen Versicherungsfall zurückzuführen ist, kann für die Dauer dieser Behandlung und der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit erneut Verletztengeld gezahlt werden.
Die Beweislast für die Notwendigkeit einer erneuten Zahlung liegt beim Versicherten. Es ist ratsam, alle medizinischen Unterlagen sorgfältig zu dokumentieren und aufzubewahren, die den Zusammenhang zwischen der aktuellen Arbeitsunfähigkeit und dem ursprünglichen Versicherungsfall belegen können.
Es gibt jedoch auch Einschränkungen zu beachten. Die maximale Bezugsdauer von 78 Wochen gilt in der Regel für den gesamten Versicherungsfall, auch wenn dieser sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Das bedeutet, dass auch bei einer Wiederaufnahme der Zahlung die bereits bezogenen Zeiten angerechnet werden.
In der Praxis wird jeder Fall individuell geprüft. Die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse wird eine erneute medizinische Begutachtung veranlassen, um die Notwendigkeit der Leistung zu überprüfen. Dabei wird auch beurteilt, ob alternative Maßnahmen, wie etwa Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, in Betracht kommen.
Es ist zu beachten, dass die Wiederaufnahme des Verletztengeldes nicht automatisch erfolgt. Der Versicherte muss aktiv werden und einen entsprechenden Antrag stellen. Dabei sollten alle relevanten medizinischen Unterlagen und Nachweise über den Zusammenhang mit dem ursprünglichen Versicherungsfall eingereicht werden.
In komplexen Fällen, insbesondere wenn es Unklarheiten über den kausalen Zusammenhang gibt, kann es zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommen. Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verletztengeldes konkretisiert und betont dabei stets die Notwendigkeit eines eindeutigen Zusammenhangs mit dem versicherten Ereignis.
Welche Rolle spielt die medizinische Dokumentation bei der Beurteilung meines Verletztengeldes?
Die medizinische Dokumentation spielt eine zentrale Rolle bei der Beurteilung des Verletztengeldes. Sie dient als Grundlage für die Entscheidung über den Anspruch und die Dauer der Leistung.
Besonders wichtig ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Durchgangsarztes oder einer Durchgangsärztin. Diese speziell qualifizierten Ärzte sind für die Behandlung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zuständig. Ihre Bescheinigung muss explizit bestätigen, dass die Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit besteht. Ohne diese spezifische Bestätigung kann der Anspruch auf Verletztengeld gefährdet sein.
Die lückenlose Dokumentation des Heilungsverlaufs ist ebenfalls von großer Bedeutung. Regelmäßige ärztliche Untersuchungen und deren sorgfältige Aufzeichnung belegen den Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit. Dies ist entscheidend, da das Verletztengeld nur so lange gezahlt wird, wie die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit andauert.
Auch Befundberichte und Gutachten von Fachärzten können eine wichtige Rolle spielen. Sie liefern detaillierte Informationen über Art und Schwere der Verletzung sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Diese Dokumente können insbesondere bei komplexen Fällen oder Streitigkeiten über die Anspruchsdauer ausschlaggebend sein.
Die Dokumentation der Heilbehandlung ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Therapiepläne, Verlaufsberichte und Nachweise über die Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen zeigen, dass aktiv an der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gearbeitet wird. Dies ist eine Voraussetzung für den fortlaufenden Bezug von Verletztengeld.
Es ist zu beachten, dass die medizinische Dokumentation nicht nur für die initiale Bewilligung des Verletztengeldes relevant ist, sondern auch für dessen Fortführung. Die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse kann jederzeit eine Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen vornehmen. Hierbei wird erneut auf die vorliegende medizinische Dokumentation zurückgegriffen.
Die Vollständigkeit und Aktualität der medizinischen Unterlagen liegt in der Verantwortung des Versicherten. Es ist ratsam, alle relevanten Dokumente sorgfältig aufzubewahren und bei Bedarf der Versicherung vorzulegen. Eine gute Kommunikation mit den behandelnden Ärzten kann dabei helfen, dass alle notwendigen Informationen zeitnah und vollständig dokumentiert werden.
In Zweifelsfällen oder bei Unklarheiten bezüglich der erforderlichen Dokumentation empfiehlt es sich, direkt mit der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse Kontakt aufzunehmen. Diese können genau Auskunft darüber geben, welche Unterlagen für die Beurteilung des individuellen Falls benötigt werden.
Die sorgfältige Führung und Vorlage der medizinischen Dokumentation kann entscheidend dazu beitragen, dass der Anspruch auf Verletztengeld reibungslos anerkannt und die Leistung ohne Unterbrechungen gewährt wird. Sie bildet das Fundament für eine faire und sachgerechte Beurteilung des Verletztengeldes und sichert somit die finanzielle Unterstützung während der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit.
Ist es sinnvoll, ein Gutachten von einem unabhängigen Arzt einzuholen, wenn das Verletztengeld eingestellt wurde?
Die Einholung eines unabhängigen ärztlichen Gutachtens kann in der Tat sinnvoll sein, wenn das Verletztengeld eingestellt wurde. Dies gilt insbesondere dann, wenn Zweifel an der medizinischen Beurteilung bestehen, die zur Einstellung der Leistung geführt hat.
Das Verletztengeld wird in der Regel eingestellt, wenn die Arbeitsunfähigkeit endet oder wenn die zuständige Berufsgenossenschaft auf Grundlage ärztlicher Einschätzungen zu dem Schluss kommt, dass keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr vorliegt. In solchen Fällen kann ein unabhängiges Gutachten dazu beitragen, eine objektive Beurteilung des Gesundheitszustands zu erhalten und möglicherweise den Anspruch auf weitere Leistungen zu untermauern.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Berufsgenossenschaft bei ihrer Entscheidung über die Gewährung von Verletztengeld an strenge gesetzliche Vorgaben gebunden ist. Sie muss ihre Entscheidungen auf Grundlage medizinischer Fakten treffen. Ein unabhängiges Gutachten kann neue medizinische Erkenntnisse liefern oder bestehende Befunde aus einer anderen Perspektive beleuchten. Dies kann besonders wertvoll sein, wenn die bisherigen ärztlichen Beurteilungen unvollständig erscheinen oder wenn sich der Gesundheitszustand seit der letzten Begutachtung verändert hat.
Allerdings sollte man beachten, dass die Kosten für ein solches Gutachten in der Regel zunächst selbst getragen werden müssen. Nur wenn das Gutachten tatsächlich zu einer Änderung der Entscheidung führt, besteht die Möglichkeit, dass die Kosten erstattet werden. Es ist daher ratsam, vor der Beauftragung eines unabhängigen Gutachtens sorgfältig abzuwägen, ob die medizinische Situation tatsächlich strittig ist und ob realistische Chancen auf eine Änderung der Entscheidung bestehen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Auswahl des Gutachters. Es sollte sich um einen anerkannten Facharzt handeln, der über spezifische Erfahrungen im Bereich der Begutachtung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten verfügt. Die Unabhängigkeit und Neutralität des Gutachters sind entscheidend für die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des Gutachtens bei der Berufsgenossenschaft oder im Falle eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht.
Es ist auch zu bedenken, dass ein unabhängiges Gutachten nicht automatisch zu einer Wiederaufnahme der Verletztengeldzahlungen führt. Die Berufsgenossenschaft ist nicht an die Einschätzung des unabhängigen Gutachters gebunden, muss sich aber in ihrer Entscheidung mit den neuen Erkenntnissen auseinandersetzen. Sollte die Berufsgenossenschaft trotz eines für den Versicherten günstigen unabhängigen Gutachtens bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben, kann dies als Grundlage für einen Widerspruch oder eine Klage vor dem Sozialgericht dienen.
In komplexen Fällen, bei denen die medizinische Beurteilung schwierig ist oder wenn verschiedene Ärzte zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen, kann ein unabhängiges Gutachten besonders wertvoll sein. Es kann dazu beitragen, Unklarheiten auszuräumen und eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Dabei ist es wichtig, dass das Gutachten alle relevanten medizinischen Aspekte berücksichtigt und in einer auch für medizinische Laien nachvollziehbaren Weise begründet ist.
Letztendlich hängt die Sinnhaftigkeit eines unabhängigen Gutachtens von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. Faktoren wie die Schwere der Verletzung, die Dauer der bisherigen Arbeitsunfähigkeit, die Qualität der bisherigen ärztlichen Beurteilungen und die persönliche gesundheitliche Situation des Versicherten spielen dabei eine wichtige Rolle. In jedem Fall sollte die Entscheidung für ein unabhängiges Gutachten wohlüberlegt sein und die möglichen Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen werden.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Verletztengeld: Eine finanzielle Leistung der Berufsgenossenschaft (gesetzliche Unfallversicherung), die bei Arbeitsunfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit gezahlt wird. Es soll den Verdienstausfall ausgleichen, den der Verletzte durch die gesundheitliche Beeinträchtigung erleidet.
- Arbeitsunfähigkeit: Zustand, in dem eine Person aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage ist, ihre berufliche Tätigkeit auszuüben. Im vorliegenden Fall war der Kläger nach dem Impfschaden zunächst teilweise, später dann vollständig arbeitsunfähig.
- Wiedereingliederung: Schrittweise Rückkehr eines Verletzten in den Arbeitsprozess nach einer längeren Krankheit oder einem Unfall. Dabei wird die Arbeitszeit und Belastung langsam gesteigert, um den Arbeitnehmer wieder an die Anforderungen des Berufslebens zu gewöhnen. Im vorliegenden Fall nahm der Kläger an einer Wiedereingliederung teil, konnte jedoch keine volle Arbeitsfähigkeit erreichen.
- Prognose: Eine medizinische Einschätzung darüber, wie sich der Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit eines Verletzten voraussichtlich entwickeln werden. Diese Prognose ist entscheidend dafür, ob und wie lange Verletztengeld gezahlt wird. Im vorliegenden Fall ging die Berufsgenossenschaft davon aus, dass der Kläger seine Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangen würde.
- MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit): Prozentuale Angabe, die ausdrückt, wie stark die Erwerbsfähigkeit eines Verletzten durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit gemindert ist. Je höher die MdE, desto höher ist in der Regel auch die Rente, die der Verletzte erhält. Im vorliegenden Fall beantragte der Kläger die Feststellung der MdE, um eine Rente zu erhalten.
- Gutachten: Schriftliche Stellungnahme eines Sachverständigen, in der er seine fachliche Meinung zu einem bestimmten Sachverhalt darlegt. Im Sozialrecht werden häufig medizinische Gutachten eingeholt, um den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit eines Verletzten zu beurteilen. Im vorliegenden Fall stützte sich das Gericht bei seiner Entscheidung unter anderem auf ein Sachverständigengutachten.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 44 Abs. 1 SGB VII (Sozialgesetzbuch VII): Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Verletztengeld für Versicherte, die infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit arbeitsunfähig sind. Im vorliegenden Fall erhielt der Kläger Verletztengeld aufgrund eines anerkannten Impfschadens, der als Arbeitsunfall eingestuft wurde.
- § 48 SGB VII: Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen für die Einstellung von Verletztengeld. Eine der Voraussetzungen ist, dass keine Aussicht auf Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit besteht. Im vorliegenden Fall stellte die Berufsgenossenschaft das Verletztengeld ein, da sie der Ansicht war, dass der Kläger seine Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangen würde.
- § 49 SGB VII: Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Rente nach Einstellung des Verletztengeldes. Wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit mindestens 20 Prozent beträgt, besteht ein Anspruch auf Rente. Im vorliegenden Fall beantragte der Kläger die Feststellung der MdE und die Nachzahlung der Rente.
- § 103 SGB VII: Dieser Paragraph regelt die medizinische Rehabilitation. Versicherte haben Anspruch auf medizinische Rehabilitation, wenn diese notwendig ist, um ihre Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen oder zu verbessern. Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger eine medizinische Rehabilitation empfohlen, die er jedoch ablehnte.
- § 12 SGB X (Sozialgesetzbuch X): Dieser Paragraph regelt die Mitwirkungspflichten des Versicherten. Versicherte sind verpflichtet, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und an erforderlichen Untersuchungen teilzunehmen. Im vorliegenden Fall könnte die Weigerung des Klägers, an einer medizinischen Rehabilitation teilzunehmen, als Verletzung seiner Mitwirkungspflichten angesehen werden.
Das vorliegende Urteil
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: L 17 U 735/15 – Urteil vom 27.09.2017
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.10.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung des wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 04.03.2010 gewährten Verletztengeldes.
Der am 00.00.1968 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur und war zuletzt bei der Firma P Antriebstechnik als Projektleiter im Bereich Konstruktion und Entwicklung tätig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Arbeitsplatzbeschreibungen vom 20.04.2012 und 21.09.2012 (Bl. 1004 und 1192 ff. der Verwaltungsakte) Bezug genommen. Er erlitt am 04.03.2010 einen von der Beklagten anerkannten Impfschaden in Form eines Guillain-Barre-Syndroms (GBS) durch eine betrieblich erforderliche Impfung. Nach einem auch stationären Heilverfahren ließ die Beklagte den Kläger durch Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. I, Uniklinik X (Gutachten vom 16.06.2010), und durch Dr. I1, Praxis für Impfstoffsicherheit, X1 (Gutachten vom 06.10.2010), begutachten. Beide Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass das GBS durch die Impfungen entstanden sei. Prof. Dr. Dr. I nahm eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. an.
Mit Schreiben vom 19.10.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie von einem Zusammenhang zwischen den Impfungen und dem GBS ausgehe, ihre Zuständigkeit grundsätzlich anerkennende, entsprechende Kosten übernehme und die Krankenversicherung angewiesen habe, Verletztengeld zu leisten. Die Feststellung einer Verletztenrente könne allerdings erst nach Wegfall des Verletztengeldes vorgenommen werden.
Ab August 2010 erfolgte eine Arbeits- und Belastungserprobung, anfangs mit einer täglich zweistündigen Belastung, die schrittweise bis Juli 2011 auf fünf Stunden erhöht wurde. Ab November 2011 wurde die Belastung auf vier Stunden täglich gesenkt. Dieser Prozess wurde von dem behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. Q begleitet. In den Wiedereingliederungsplänen gab Dr. Q jeweils an, der Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit sei z. Zt. nicht absehbar. Ab dem 17.05.2013 wurde der Kläger von Dr. Q wegen des GBS als vollständig arbeitsunfähig angesehen. Die Arbeits- und Belastungserprobung wurde ausgesetzt. Wegen des Behandlungsverlaufs bei Dr. Q wird auf den Arztbericht vom 21.06.2013 (Bl. 1655 der Verwaltungsakte) Bezug genommen.
Die Beklagte ließ den Kläger in der neurologischen Klinik und Poliklinik C von Professor Dr. U am 19.7.2011 untersuchen und gewährte ihm eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der T Klinik, I2, ab dem 31.08.2011. Am 21.09.2011 brach der Kläger die Maßnahme ab. Gegenüber dem zuständigen Berufshelfer der Beklagten gab der Kläger an, dass es im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme zu einer Verschlechterung des Leidens gekommen sei und er deshalb die Maßnahme abgebrochen habe. Zudem teilte der Kläger mit, dass die Arbeits- und Belastungserprobung bis zu 4 Stunden überwiegend gut verlaufen sei. Ab 5 Stunden sei die Belastung grenzwertig (Berufshelferbericht vom 13.10.2011).
Mit Bescheid vom 17.10.2011 gewährte die Beklagte dem Kläger weiterhin Verletztengeld, wobei sie ausführte, dass nach aktueller Einschätzung die medizinische Rehabilitation nach weiteren Behandlungsmaßnahmen in Form von Arbeitstherapie und Belastungserprobung voraussichtlich mit Arbeitsfähigkeit abgeschlossen werden könne.
Am 26.06.2012 stellte sich der Kläger erneut bei Prof. Dr. U vor, welcher eine stationäre Aufnahme zur Abklärung des weiteren Heilverfahrens und Klärung der Arbeitsfähigkeit empfahl, zu der es aber wegen Vorbehalten des Klägers nicht kam.
Die Beklagte ließ den Kläger durch die von diesem benannten Ärzte Dr. B und Prof. Dr. H untersuchen und begutachten. Der Unfallchirurg und Sozialmediziner Dr. B kam in seinem Gutachten vom 21.11.2012 zu dem Ergebnis, dass mit einer Besserung des Leistungsvermögens zu rechnen sei. Die Frage nach einer konkreten beruflichen Rehabilitation ließ er offen. In seinem Gutachten vom 12.02.2013 gelangte Prof. Dr. H, Neurologische Klinik in C, nach einer stationären Aufnahme des Klägers vom 21.01. bis 23.01.2013 zu dem Ergebnis, dass derzeit nicht einzuschätzen sei, wann der Kläger seine bisherige Tätigkeit wieder voll aufnehmen könne. Das Fatigue-Syndrom könne auch über 10 Jahre nach einem durchlittenen GBS persistieren. Über eine berufliche Rehabilitation solle nach der medizinischen Rehabilitation entschieden werden. Derzeit sei keine berufliche Rehabilitation angezeigt. Es wurde allerdings eine medizinische Rehabilitation in der T Klinik in L empfohlen. Auf eine Rückfrage der Beklagten beim Gutachter, ob in absehbarer Zeit von dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit auszugehen sei, antwortete dieser lediglich mit „ja“ (Eingang der Stellungnahme bei der Beklagten am 30.04.2013). Am Ende der Stellungnahme teilte der Gutachter mit, dass eine erneute Begutachtung in 18 Monaten vorgeschlagen werde, da sich im Längsschnitt besser die prognostische Abschätzung treffen lasse, ob eine volle Arbeitsfähigkeit in nachfolgenden Jahren zu erwarten sei.
Die vom Sachverständigen vorgeschlagene medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der T Klinik L erfolgte aufgrund von Vorbehalten des Klägers nicht.
Mit Schreiben vom 28.06.2013 beantragte der Kläger, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festgesetzt und die Rente nachgezahlt werden solle. Zudem teilte er mit, dass er sich selbst nach einer geeigneten Reha-Klinik umschauen werde.
Mit Schriftsatz vom 21.08.2013 beantragte der Kläger abermals die Feststellung der Verletztenrente. Es sei von der von Dr. I vorgeschlagenen MdE i.H.v. 100 v.H. auszugehen. Zudem wies der Kläger darauf hin, dass er aufgrund seiner schwerwiegenden Erkrankungen keineswegs in der Lage sei, am gesamten Wirtschaftsleben teilzunehmen. Vielmehr gelinge es ihm mit großer Anstrengung, lediglich vier Stunden täglich zu arbeiten, wobei von einem normalen Arbeitstag aufgrund der damit verbundenen Schmerzen nicht die Rede sein könne. Derzeit sei er wieder über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt. Daher sei die vom Gutachter vorgeschlagene MdE i.H.v. 100 v.H. auch nachvollziehbar.
Nach Anhörung erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 01.10.2013, mit dem sie die Einstellung des Verletztengeldes mit Ablauf des 10.10.2013 mitteilte. Zur Begründung führte sie aus, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu rechnen sei und keine innerbetriebliche Umsetzungsmöglichkeit bestünde. Zu dieser Auffassung sei sie unter Auswertung der Angaben des Klägers, der behandelnde Ärzte und des eingeschalteten Gutachters gelangt. Es bestünden auch keine Fördermöglichkeiten im Rahmen einer beruflichen Reha, da der Kläger nur maximal fünf Stunden arbeitsfähig sei.
Den gegen den Bescheid ohne Begründung eingelegten Widerspruch vom 04.11.2013 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2014 unter Vertiefung der bisherigen Begründung zurück.
Am 17.02.2014 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Zahlung des Verletztengeldes habe nicht eingestellt werden dürfen.
Der Kläger hat beantragt, das Gutachten nach § 109 SGG von Herrn Dr. K noch einzuholen, hilfsweise den Bescheid vom 01.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 16.01.2014 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich auf die Begründungen in den angefochtenen Entscheidungen berufen.
Mit Urteil vom 22.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die isolierte Anfechtungsklage sei zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte habe zu Recht das Verletztengeld mit Ablauf des 10.10.2013 entzogen. Das SG hat unter Darlegung der gesetzlichen Voraussetzungen ausgeführt, unproblematisch seien der Ablauf der 78. Woche der Arbeitsunfähigkeit und das Ende der stationären Behandlung zum Einstellungszeitpunkt erfüllt. Bei dem Kläger sei auch die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung am 01.10.2013 nicht abzusehen gewesen. Selbst wenn man mit einigen Obergerichten von einer vollständigen gerichtlichen Überprüfbarkeit der von der Beklagten getroffenen Prognoseentscheidung ausgehe, sei diese rechtmäßig erfolgt. Auch wenn man sich der Auffassung, dass der Ablauf der 78. Woche der Arbeitsunfähigkeit bereits ein Indiz dafür darstelle, dass mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht mehr zeitnah zu rechnen sei, nicht anschließe, so sei doch vorliegend bei einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Jahren von einem solchen Indiz auszugehen, zumal in den drei Jahren Arbeitsunfähigkeit fast drei Jahre eine Arbeits- und Belastungserprobung durchgeführt worden sei, die zu keiner auch nur vorübergehenden Arbeitsfähigkeit geführt habe. Für die Prognoseentscheidung der Beklagten spreche auch, dass der Kläger selbst durch seinen Bevollmächtigten angegeben habe, dass er lediglich vier Stunden täglich habe arbeiten können, wobei das Tätigwerden einem normalen Arbeitsalltag nicht entsprochen habe. Allerdings komme es nicht allein auf die Sichtweise des Versicherten an. Doch auch nach den weiteren Umständen sei ein Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht abzusehen gewesen. So habe Prof. Dr. H ausgeführt, dass zum Begutachtungszeitpunkt im Januar 2013 nicht konkret habe gesagt werden können, wann mit der Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit in vollem Umfang zu rechnen sei. Das Fatigue-Syndrom könne auch über zehn Jahre nach einem durchlittenen GBS persistieren. Zwar habe Prof. Dr. H in der anschließenden Stellungnahme auch angegeben, dass von einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit wieder auszugehen sei. Allerdings habe er diese Aussage nicht begründet und sie am Ende der Stellungnahme durch den Hinweis relativiert, dass eine weitere Begutachtung nach 18 Monaten erfolgen solle, weil sich im Längsschnitt besser die prognostische Abschätzung treffen lasse, ob eine volle Arbeitsfähigkeit in den nachfolgenden Jahren zu erwarten sei. Bei dieser Aussage sei schon der vorgeschlagene lange Zeitablauf von 18 Monaten (= 78 Wochen) bis zu einer erneuten Begutachtung problematisch. Letztlich habe er zudem ausgesagt, dass die Arbeitsfähigkeit auch noch nach Jahren gänzlich ausbleiben könne. Eine relevante Prognose zu Gunsten der Arbeitsfähigkeit lasse sich damit nicht begründen. Letztlich sprächen aber auch die Einschätzungen der behandelnden Ärzte gegen eine absehbare Arbeitsfähigkeit. Denn die Ärzte, die die Arbeits- und Belastungserprobung über einen sehr langen Zeitraum begleitet hätten, hätten eine Belastbarkeit von über fünf Stunden nicht bescheinigen können. Vielmehr habe die Belastung von fünf Stunden sogar wieder auf vier Stunden abgesenkt und zuletzt für eine längere Zeit eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden müssen. Es seien zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung auch keine Teilhabeleistungen zu erbringen gewesen. Solche Teilhabeleistungen müssten zum Entscheidungszeitpunkt hinreichend konkret sein und nach überwiegender Auffassung in der Literatur einen Übergangsgeldanspruch im Sinne des § 49 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) begründen. Nicht alle Teilhabeleistungen lösten diesen Übergangsgeldanspruch aus. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung und auf nicht konkret absehbare Zeit rehabilitationsunfähig für solche Leistungen, die einen Übergangsgeldanspruch im Sinne des § 49 SGB VII auslösten, gewesen. Denn er sei über fünf Stunden täglich nicht belastbar gewesen. Konkrete Teilhabeleistungen hätten, unabhängig von der Frage nach der Leistung von Übergangsgeld, nicht im Raum gestanden. In der Verwaltungsentscheidung sei die Prognoseentscheidung auch ausreichend begründet worden. Die Beklagte habe die Grundlagen ihrer Entscheidung hinreichend ausgedrückt. Sie habe auf die Angaben des Klägers selbst, die behandelnden Ärzte und den von ihr hinzugezogenen Gutachter verwiesen. Bei der Eindeutigkeit der Sachlage und den umfangreichen Ausführungen des Klägers selbst seien ausführlichere Ausführungen von ihr nicht notwendigerweise zu erbringen, da dies lediglich einen Formalismus dargestellt hätte. Weitere Ermittlungen nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien wegen Verzögerung des Rechtsstreits und des Vorliegens grober Nachlässigkeit abzulehnen.
Gegen das ihm am 06.11.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.12.2015 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.10.2015 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 01.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Der Kläger halte sich selbst aufgrund der noch festzustellenden Unfallfolgen nicht mehr für arbeitsfähig und rehabilitationsfähig, wie seinen Schreiben zu entnehmen sei.
Die Beklagte hat ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. L1 vom 31.08.2016, erstellt im Verfahren betreffend die Gewährung einer Verletztenrente, übersandt sowie einen Bescheid vom 27.09.2016, mit welchen sie die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls abgelehnt hat. Unfallbedingte Funktionseinschränkungen könnten nach dem Ergebnis der Begutachtung des Dr. L1 nicht festgestellt werden.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat ein Gutachten von der Neurologin und Psychiaterin Dr. L2 aus T1 eingeholt. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 14.03.2017, erstellt nach neurologisch-psychiatrischer Untersuchung des Klägers am 11.03.2017, ausgeführt, der Kläger leide Unfallbedingt an einem GBS, einem chronischen Fatique-Syndrom und chronifiziertem Schmerz. Eine unfallbedingt richtunggebende Verschlimmerung habe sich bei dem Krankheitsbild Migränekopfschmerz ergeben. Eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers in seinem Beruf als Diplom-Ingenieur bestehe seit dem Zeitpunkt des Unfalls vom 04.03.2010. Aufgrund der bereits von den Voruntersuchern (Prof. H) erfassten kognitiven Einbußen sei der Kläger den hohen Anforderungen einer Tätigkeit als Dipl.-Ing nicht mehr gewachsen. Bei fortlaufender Arbeitsunfähigkeit wegen der Unfallfolgen sei die Prognose im Hinblick auf den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit in seinem bisherigen Beruf als Dipl.-Ing mit hoher Verantwortung und Kreativität, Präzision, ggf. auch mit Auslandsaufenthalten, am 01.10.2013 ungewiss.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Ihre Inhalte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 01.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2014 nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Beklagte hat die Verletztengeldzahlung zu Recht mit Ablauf des 10.10.2013 eingestellt. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Verletztengeld bestand nach diesem Zeitpunkt nicht.
Verletztengeld wird insbesondere erbracht, wenn ein Versicherter infolge eines Versicherungsfalles arbeitsunfähig ist, unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitseinkommen hatte (§ 45 Abs. 1 SGB VII) und kein Beendigungstatbestand iS des § 46 Abs. 3 SGB VII vorliegt. Außerdem besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf sog. Übergangs-Verletztengeld, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind (§ 45 Abs. 2 SGB VII).
Die Anspruchsvoraussetzungen lagen nach dem 10.10.2013 nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zu diesem Komplex zunächst auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten der Dr. L2 ergibt sich nichts anderes.
Der Kläger war zum Zeitpunkt des Entzugs des Verletztengeldes arbeitsunfähig. Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 31/06 R -, SozR 4-2700 § 46 Nr 3, Rn. 12). Dies ergibt sich für den Kläger bereits aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seines behandelnden Arztes und wird im Gutachten von Dr. L2 bestätigt.
Ein Beendigungstatbestand i.S.v. § 46 Abs. 3 S. 2 SGB VII liegt vor. Das Verletztengeld endet nach § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und berufsfördernde Leistungen bzw. seit dem 1. Juli 2001 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind,
1. mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung soweit abgeschlossen ist, dass der Versicherte eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen kann,
2. mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) genannten Leistungen (zB Renten wegen voller Erwerbsminderung, Vollrente wegen Alters), es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen,
3. im Übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.
Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII sind auch nach dem Ergebnis der Begutachtung der Dr. L2 gegeben. Mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit war zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 16.01.2014) nicht zu rechnen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben waren, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht zu erbringen. Die 78. Woche ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit war bereits überschritten, die stationäre Behandlung beendet.
Mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im Sinne des § 46 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 SGB VII ist nicht zu rechnen, wenn der Versicherte infolge seiner Gesundheitsstörung aller Voraussicht nach für 78 Wochen (vgl. Urteil des BSG vom 13.09.2005, Az. B 2 U 4/04 R, Rn. 41 – zitiert nach juris; LSG BW, Urteil vom 18.01.2016, L 1 U 4104/14, Rn. 55 ff. – zitiert nach juris) seine bisherige oder eine ihm verweisbare Tätigkeit nicht mehr aufnehmen kann. Lässt sich die Arbeitsfähigkeit nicht wiederherstellen, kommt es ferner darauf an, dass der Versicherte auch mittels Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht in das Erwerbsleben eingegliedert werden kann (§ 46 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. SGB VII). Diese beiden Faktoren bedingen eine Prognose des Unfallversicherungsträgers, d.h. anhand sämtlicher Umstände ist vorausschauend zu beurteilen, ob der Versicherte weder medizinisch noch beruflich rehabilitiert werden kann. Die zukunftsorientierte Einschätzung des Unfallversicherungsträgers kann nicht vom Gericht ersetzt werden (BSG, aaO). Sie unterliegt aber insoweit einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, als zu prüfen ist, ob sich aufgrund der Sach- und Rechtslage zur Zeit des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens die Prognose als richtig darstellt und ob der festgestellte Sachverhalt den Schluss auf die hypothetische Tatsache erlaubt (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. § 128 Rn. 9f).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben kann auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren nicht festgestellt werden, dass die Prognoseentscheidung der Beklagten fehlerhaft erfolgt ist. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, erscheint die Prognose der Beklagten aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen, insbesondere des Gutachtens von Dr. H, der Rückmeldungen des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. Q sowie des Schreibens des Klägerbevollmächtigten vom 21.08.2013 vielmehr als zutreffend. Der Kläger hat fast drei Jahre an einer Wiedereingliederung teilgenommen, ohne jemals volle Arbeitsfähigkeit wieder zu erlangen, ab Mai 2013 war er vollständig arbeitsunfähig. Der Kläger hat zudem mehrfach, insbesondere im Schreiben vom 21.08.2013 deutlich gemacht, sich auf unabsehbare Zeit für arbeitsunfähig zu halten. Diese Einschätzung hat die Sachverständige Dr. L2 in ihrem Gutachten bestätigt, indem sie ausführt, die Prognose im Hinblick auf den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit in dem bisherigen Beruf als Diplom-Ingenieur mit hoher Verantwortung und Kreativität, Präzision, ggf. auch mit Auslandsaufenthalten am 1.10.2013 sei ungewiss. Diese Einschätzung ist anhand der von der Sachverständigen festgestellten bis dato nicht reversiblen Schädigung des peripheren und zentralen Nervensystems mit motorischen Ausfallerscheinungen im Rahmen der Grunderkrankung des postvakzinalen GBS sowie Ausbildung eines chronischen Schmerzsyndroms mit Dysästhesien im Versorgungsbereich sensibler Äste der peripheren Nervensystems und Entstehen eines chronischen Fatigue-Syndroms mit deutlicher Reduktion des vitalen Niveaus, Einschränkung von Belastbarkeit und Leistungsbreite sowie erheblichen kognitiven Einbußen auch nachvollziehbar.
Selbst wenn man den Ausführungen der Dr. L2 im Hinblick auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten des Dr. L1 nicht folgt, vermag dies einen Anspruch des Klägers nicht zu begründen. Soweit Dr. L1 meint, es lägen auf neurologischem Fachgebiet keine funktionell relevanten Unfallfolgen mehr vor, wäre unter Zugrundelegung dieser Feststellungen der Anspruch des Klägers wegen Wegfalls der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit entfallen (Beendigungstatbestand des § 46 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB VII). Im Übrigen verhält sich das Gutachten des Dr. L1 zu der Situation im Zeitpunkt der hier streitigen Prognoseentscheidung nicht, so dass es für eine Begründung des klägerischen Anspruchs nicht herangezogen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Anlass zur Revisionszulassung besteht nicht, da die gemäß § 160 Abs. 2 SGG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.