➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: L 8 U 44/19 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern
Übersicht
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Verletzter Arbeiter scheitert mit Anspruch auf Verletztengeld
- ✔ Der Fall vor dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein
- Sturz auf den Kopf führt zunächst zu folgenlos ausgeheilter Schädelprellung
- Anhaltende Beschwerden wie Schwindel, Übelkeit und Konzentrationsstörungen
- Berufsgenossenschaft lehnt Anerkennung eines Zusammenhangs mit dem Arbeitsunfall ab
- Gericht sieht keinen Zusammenhang zwischen anhaltendem Beschwerdebild und Unfallereignis
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- Was sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verletztengeld nach einem Arbeitsunfall?
- Welche Rolle spielt der Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen Unfall und Gesundheitsschaden für den Anspruch auf Verletztengeld?
- Welche Möglichkeiten haben Betroffene, gegen eine Ablehnung der Anerkennung von Unfallfolgen und Verletztengeld vorzugehen?
- Welche Anforderungen werden an medizinische Gutachten gestellt, um eine unfallbedingte Verursachung von Gesundheitsschäden zu belegen?
- Wer trägt die Kosten einer Gutachtenerstellung und des Rechtsstreits um Verletztengeldzahlungen?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom Landessozialgericht Schleswig-Holstein
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Der Fall betrifft einen Arbeitsunfall, bei dem der Kläger am 19. Mai 2013 eine Kopfverletzung erlitt.
- Der Kläger verlangte Verletztengeld für den Zeitraum bis zum 26. Juni 2016.
- Schwierigkeiten lagen in der medizinischen Beurteilung der langfristigen Beschwerden des Klägers, wie Schwindel und Kopfschmerzen.
- Das Gericht entschied, dass die geltend gemachten Beschwerden des Klägers nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien.
- Grund für die Entscheidung: Mehrere medizinische Gutachten ergaben keinen objektiven Zusammenhang zwischen den Beschwerden und dem Unfall.
- Die Gehirnerschütterung und andere Verletzungen des Klägers seien nach den Gutachten folgenlos ausgeheilt.
- Das Gericht bestätigte den Bescheid der Beklagten, die Verletztengeld nur bis zum 20. Februar 2014 gewährte.
- Auswirkungen: Der Kläger hat keinen weiteren Anspruch auf Verletztengeld oder andere Leistungen aus dem Arbeitsunfall nach dem 20. Februar 2014.
- Die Entscheidung zeigt die Bedeutung umfassender und objektiver medizinischer Gutachten in solchen Fällen.
- Der Kläger kann keine weiteren Rechtsmittel einlegen, da die Revision nicht zugelassen wurde.
Verletzter Arbeiter scheitert mit Anspruch auf Verletztengeld
Wenn ein Arbeitnehmer bei einem Arbeitsunfall verletzt wird, kann er unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Verletztengeld haben. Dieses dient dazu, den finanziellen Ausgleich für den entstandenen Verdienstausfall während der Genesung zu leisten. Die rechtlichen Grundlagen hierfür sind im Sozialgesetzbuch VII geregelt.
Um Verletztengeld zu erhalten, muss zunächst ein Arbeitsunfall im versicherungsrechtlichen Sinne vorliegen. Dies bedeutet, dass die Verletzung während der beruflichen Tätigkeit oder auf dem Weg zur Arbeit eingetreten sein muss. Zudem müssen die Verletzungen so schwerwiegend sein, dass eine Arbeitsunfähigkeit eintritt. Das Verletztengeld wird dann rückwirkend ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit gezahlt.
Die Höhe des Verletztengeldes orientiert sich am durchschnittlichen Arbeitsentgelt des Verletzten. Im Folgenden soll anhand eines konkreten Gerichtsfalls erläutert werden, wie die Voraussetzungen für den Anspruch auf Verletztengeld im Detail zu prüfen sind.
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✔ Der Fall vor dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein
Sturz auf den Kopf führt zunächst zu folgenlos ausgeheilter Schädelprellung
Im vorliegenden Fall erlitt ein Arbeiter im Mai 2013 einen Arbeitsunfall, als ihm beim Versuch, unter einem LKW ein Seil zu befestigen, eine Stange ins Gesicht schlug. Dabei prallte er mit dem Kopf auf den Boden. Unmittelbar nach dem Unfall wurde eine Schädelprellung bzw. Gehirnerschütterung diagnostiziert, die jedoch folgenlos ausheilte. Zusätzlich zog sich der Mann eine oberflächliche Rissquetschwunde an der Unterlippe sowie eine Kronenfraktur an einem Zahn zu.
Anhaltende Beschwerden wie Schwindel, Übelkeit und Konzentrationsstörungen
In der Folge klagte der Arbeiter jedoch über anhaltende Beschwerden wie Schwindel, Übelkeit und Konzentrationsstörungen. Er führte diese auf eine unfallbedingte Verklemmung eines Halsnervs zurück, ausgelöst durch Verspannungen der Halsmuskulatur. Mehrere Arbeitsversuche scheiterten aufgrund der Beschwerden. Der Betroffene war bis Juni 2016 arbeitsunfähig und forderte für diesen Zeitraum die Zahlung von Verletztengeld sowie die Anerkennung der Beschwerden als Unfallfolge.
Berufsgenossenschaft lehnt Anerkennung eines Zusammenhangs mit dem Arbeitsunfall ab
Die zuständige Berufsgenossenschaft erkannte zwar die unmittelbaren Folgen des Unfalls wie die Schädelprellung an, lehnte jedoch die Anerkennung der langfristigen Beschwerden als Unfallfolge ab. Sie gewährte Verletztengeld lediglich bis Februar 2014. Gegen diese Entscheidung klagte der Arbeiter.
Gericht sieht keinen Zusammenhang zwischen anhaltendem Beschwerdebild und Unfallereignis
Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht wiesen die Klage nun rechtskräftig ab. Die Richter stellten fest, dass sich nach Auswertung der medizinischen Befunde und Gutachten kein Zusammenhang zwischen den langfristigen Beschwerden und dem Arbeitsunfall herstellen lässt. Es fehle an objektivierbaren Anhaltspunkten sowohl für das Vorliegen der geltend gemachten Symptome als auch für deren ursächliche Verknüpfung mit dem Unfallereignis.
So ließen die klinischen Untersuchungen unfallnah keine Muskelverspannungen im Halsbereich erkennen. Auch bildgebende Verfahren und neurologische Tests ergaben keinen Hinweis auf eine unfallbedingte Schädigung. Die erst fast ein Jahr später von einem Arzt festgestellte Verklemmung eines Halsnervs reiche nicht aus, um einen wesentlichen Ursachenzusammenhang mit dem lange zurückliegenden Unfall zu belegen, so das Gericht.
Das Beschwerdebild mit Schwindel bei bestimmten Bewegungen passe zudem nicht zu einer unfallbedingten Schädigung. Es spreche im Gegenteil gegen einen solchen Zusammenhang. Auch eine rein zeitliche Abfolge von Unfall und später auftretenden Symptomen genüge nicht für die Annahme einer rechtlich wesentlichen Verursachung durch das Unfallereignis.
Damit bestätigte das Landessozialgericht die Entscheidung der Berufsgenossenschaft, Verletztengeld nur bis Februar 2014 zu gewähren und die geltend gemachten Beschwerden nicht als Unfallfolge anzuerkennen. Der Arbeiter ging letztlich leer aus.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil verdeutlicht, dass für die Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Unfallfolge stets ein nachweisbarer Kausalzusammenhang erforderlich ist. Bloße zeitliche Koinzidenz oder subjektive Überzeugung des Betroffenen reichen nicht aus. Vielmehr bedarf es objektivierbarer medizinischer Anhaltspunkte, die eine hinreichend wahrscheinliche Verknüpfung zwischen Unfallereignis und geltend gemachten Beschwerden belegen. Gelingt dieser Nachweis nicht, muss die Unfallversicherung die Beschwerden nicht als Unfallfolge anerkennen.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Das Thema: Anspruch auf Verletztengeld wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.
- Was sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verletztengeld nach einem Arbeitsunfall?
- Welche Rolle spielt der Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen Unfall und Gesundheitsschaden für den Anspruch auf Verletztengeld?
- Welche Möglichkeiten haben Betroffene, gegen eine Ablehnung der Anerkennung von Unfallfolgen und Verletztengeld vorzugehen?
- Welche Anforderungen werden an medizinische Gutachten gestellt, um eine unfallbedingte Verursachung von Gesundheitsschäden zu belegen?
- Wer trägt die Kosten einer Gutachtenerstellung und des Rechtsstreits um Verletztengeldzahlungen?
Was sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verletztengeld nach einem Arbeitsunfall?
Um nach einem Arbeitsunfall Anspruch auf Verletztengeld zu haben, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein.
Zunächst muss es sich tatsächlich um einen Arbeitsunfall handeln. Dazu zählt auch ein Unfall auf dem direkten Arbeitsweg, der sogenannte Wegeunfall.
Des Weiteren muss durch den Arbeitsunfall eine Gesundheitsschädigung verursacht worden sein, die zu einer ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit führt. Dabei ist es wichtig, dass die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar auf den Unfall zurückzuführen ist.
Außerdem muss der Betroffene in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert sein. Dies ist bei Arbeitnehmern in der Regel der Fall.
Eine weitere Anspruchsvoraussetzung ist, dass der Versicherte unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder bestimmte Lohnersatzleistungen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld oder Elterngeld bezogen hat.
Das Verletztengeld wird ab dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gezahlt, jedoch aufgrund der vorrangigen Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber in der Regel erst ab der 7. Woche. Es endet mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit, spätestens jedoch nach 78 Wochen.
Kein Anspruch auf Verletztengeld besteht, wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht wurde. In diesem Fall kann gegebenenfalls Krankengeld beansprucht werden.
Auch bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherten selbst oder bei Verursachung durch ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen kann der Anspruch auf Verletztengeld ausgeschlossen sein.
Welche Rolle spielt der Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen Unfall und Gesundheitsschaden für den Anspruch auf Verletztengeld?
Der Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Gesundheitsschaden ist eine zentrale Voraussetzung für den Anspruch auf Verletztengeld. Es genügt nicht, wenn die gesundheitlichen Beschwerden lediglich in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehen.
Vielmehr muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die geltend gemachten Gesundheitsschäden tatsächlich durch den Unfall verursacht wurden. Hierfür sind objektive medizinische Anhaltspunkte erforderlich, die einen Ursachenzusammenhang belegen. Dazu zählen insbesondere ärztliche Befunde, die Art und Schwere der Verletzungen dokumentieren und in Bezug zum Unfallgeschehen setzen.
Die Beweislast für den Kausalzusammenhang liegt grundsätzlich beim Geschädigten. Er muss substantiiert darlegen und nachweisen, dass seine Gesundheitsschäden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unfallbedingt sind. Gelingt ihm dies nicht, besteht die Gefahr, dass sein Anspruch auf Verletztengeld abgelehnt wird.
In der Praxis empfiehlt es sich daher, möglichst frühzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und den Unfall sowie die erlittenen Verletzungen sorgfältig zu dokumentieren. Auch die Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen kann sinnvoll sein, um den Ursachenzusammenhang zu begutachten und nachzuweisen.
Bestehen trotz aller Bemühungen Zweifel am Kausalzusammenhang, kann dies zu einer Beweiserleichterung zugunsten des Geschädigten führen. Die Anforderungen an den Nachweis sind dann geringer, wenn die Umstände des Einzelfalls den Schluss nahelegen, dass die Gesundheitsschäden mit hoher Wahrscheinlichkeit unfallbedingt sind. Eine solche Fallkonstellation kann beispielsweise vorliegen, wenn die aufgetretenen Verletzungen typisch für das konkrete Unfallgeschehen sind.
Welche Möglichkeiten haben Betroffene, gegen eine Ablehnung der Anerkennung von Unfallfolgen und Verletztengeld vorzugehen?
Wenn die Berufsgenossenschaft die Anerkennung von Unfallfolgen und die Gewährung von Verletztengeld ablehnt, haben Betroffene verschiedene rechtliche Möglichkeiten, um dagegen vorzugehen.
Als erster Schritt ist ein Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid einzulegen. Dieser muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung schriftlich bei der Berufsgenossenschaft eingereicht werden. Im Ausland beträgt die Frist drei Monate. Das Widerspruchsverfahren ist für den Betroffenen kostenfrei. Die Berufsgenossenschaft überprüft aufgrund des Widerspruchs die Entscheidung erneut.
Wird der Widerspruch zurückgewiesen, besteht die Möglichkeit innerhalb eines Monats Klage beim zuständigen Sozialgericht zu erheben. Auch hier gilt bei Auslandssachverhalten eine Frist von drei Monaten. Das sozialgerichtliche Verfahren ist in der ersten Instanz gerichtskostenfrei für Versicherte und Leistungsempfänger. Lediglich bei mutwilliger Rechtsverfolgung können dem Kläger Kosten auferlegt werden.
Allerdings fallen Kosten für eine eventuell gewünschte anwaltliche Vertretung an. Diese muss der Kläger zunächst selbst tragen. Bei Bedürftigkeit kann Prozesskostenhilfe beantragt werden. Im Erfolgsfall einer Klage muss die Berufsgenossenschaft die Kosten der Rechtsvertretung erstatten.
Gegen ein negatives Urteil des Sozialgerichts ist Berufung zum Landessozialgericht möglich. Die Frist beträgt einen Monat ab Zustellung des Urteils. Auch das Berufungsverfahren ist gerichtskostenfrei.
Die letzte Instanz bildet das Bundessozialgericht. Eine Revision ist nur zulässig, wenn sie vom Landessozialgericht zugelassen wurde oder eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde erhoben wird. Hier besteht Anwaltszwang.
Die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs- und Klageverfahrens hängen stets vom Einzelfall ab. Entscheidend sind insbesondere die medizinischen Zusammenhänge zwischen Unfallereignis und geltend gemachten Gesundheitsschäden. Hier sind oft Gutachten erforderlich. Aufgrund der Komplexität der Materie empfiehlt sich die Hinzuziehung eines im Unfallversicherungsrecht erfahrenen Rechtsanwalts, um Prozessrisiken realistisch einschätzen zu können.
Welche Anforderungen werden an medizinische Gutachten gestellt, um eine unfallbedingte Verursachung von Gesundheitsschäden zu belegen?
Um eine unfallbedingte Verursachung von Gesundheitsschäden zu belegen, müssen medizinische Gutachten hohe Anforderungen erfüllen. Entscheidend ist vor allem die Unabhängigkeit, Fachkompetenz und Sorgfalt des Gutachters.
Der Gutachter muss über einschlägige medizinische Expertise verfügen und mit den rechtlichen Grundlagen der gesetzlichen Unfallversicherung vertraut sein. Seine Begutachtung hat unparteiisch und objektiv zu erfolgen. Bloße Gefälligkeitsgutachten im Auftrag einer Partei reichen in der Regel nicht aus.
Vielmehr bedarf es einer umfassenden Analyse aller relevanten medizinischen Befunde und Unterlagen. Der Gutachter muss den Gesundheitszustand des Versicherten eingehend untersuchen. Anhand nachvollziehbarer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse und ärztlichen Erfahrungswissens ist zu bewerten, ob die geltend gemachten Gesundheitsschäden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unfallbedingt sind.
Unverzichtbar ist zudem eine zeitnahe ärztliche Befunderhebung und lückenlose Dokumentation nach dem Unfallereignis. Nur so lässt sich im Nachhinein ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und später auftretenden Beschwerden zuverlässig beurteilen. Fehlt es daran, wird der Nachweis der Unfallkausalität erheblich erschwert.
Das Gutachten muss schließlich in sich schlüssig und auch für medizinische Laien nachvollziehbar sein. Der Unfallversicherungsträger darf es nicht ungeprüft seiner Entscheidung zugrunde legen. Er muss es im Rahmen der Beweiswürdigung sorgfältig auswerten und auf Vollständigkeit und Plausibilität überprüfen.
Nur wenn diese strengen Qualitätsanforderungen erfüllt sind, kann ein medizinisches Gutachten eine tragfähige Grundlage für die Gewährung von Leistungen wie Verletztengeld bilden. Andernfalls droht die Ablehnung berechtigter Ansprüche mangels Nachweises der unfallbedingten Verursachung.
Wer trägt die Kosten einer Gutachtenerstellung und des Rechtsstreits um Verletztengeldzahlungen?
Wer die Kosten für medizinische Gutachten und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Verletztengeldzahlungen nach einem Arbeitsunfall trägt, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Grundsätzlich hat die Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wenn ein Arbeitsunfall angezeigt wird. Das bedeutet, sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen. Hält sie ein medizinisches Gutachten für erforderlich, um zu klären, ob die Verletzungen auf den Unfall zurückzuführen sind und wie hoch die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist, muss sie dieses auf eigene Kosten beauftragen. Die Kosten dafür können nicht auf den Versicherten abgewälzt werden.
Kommt es zum Rechtsstreit vor den Sozialgerichten, weil der Versicherte mit der Entscheidung der Berufsgenossenschaft nicht einverstanden ist, gilt dort weitgehend das Prinzip der Gerichtskostenfreiheit. Der Kläger muss also in der Regel keine Gerichtsgebühren zahlen, auch wenn er den Prozess verliert. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei mutwilliger Prozessführung, können ihm Kosten auferlegt werden.
Auch eigene Anwaltskosten muss der Kläger nur dann selbst tragen, wenn er den Rechtsstreit verliert und das Gericht sie nicht ausnahmsweise der Berufsgenossenschaft auferlegt. Bedürftige Kläger haben jedoch die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Wird diese bewilligt, übernimmt der Staat die Anwaltskosten.
Um Prozesskostenhilfe für ein sozialgerichtliches Verfahren zu erhalten, muss man in der Regel zunächst einen Antrag auf Beratungshilfe beim Amtsgericht stellen. Mit dem dabei ausgestellten Beratungsschein kann man sich dann einen Anwalt suchen, der die weitere Antragstellung übernimmt. Die Voraussetzungen für Beratungs- und Prozesskostenhilfe sind ein geringes Einkommen und Vermögen sowie hinreichende Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung.
Für Betroffene in schwieriger finanzieller Lage ist es daher wichtig zu wissen, dass die Kosten medizinischer Gutachten im Verwaltungsverfahren grundsätzlich von der Berufsgenossenschaft getragen werden müssen. Im sozialgerichtlichen Prozess besteht weitgehende Gerichtskostenfreiheit und für die eigenen Anwaltskosten kann bei Bedürftigkeit Prozesskostenhilfe beantragt werden. So soll sichergestellt werden, dass auch Versicherte mit geringem Einkommen ihre Ansprüche auf Verletztengeldzahlungen durchsetzen können.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 8 SGB VII: Regelt, was als Arbeitsunfall gilt. Ein Unfall wird als Arbeitsunfall anerkannt, wenn er in direktem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht. Dies ist für die Anerkennung des Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall entscheidend.
- § 45 SGB VII: Bestimmt die Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztengeld. Das Verletztengeld wird gezahlt, wenn ein Versicherter infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig ist. Hier ging es darum, ob der Kläger nach dem 20. Februar 2014 noch Anspruch auf Verletztengeld hat.
- § 54 SGG: Regelt die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage. Der Kläger nutzte diese Klageform, um die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Zahlung von weiterem Verletztengeld zu erreichen.
- § 55 SGG: Ergänzt § 54 SGG und beschreibt die Anforderungen an Feststellungs- und Leistungsklagen. Dies ist relevant für die rechtliche Vorgehensweise des Klägers.
- Gutachten und medizinische Befunde: Wichtige Beweismittel zur Feststellung der Unfallfolgen. Mehrere Gutachten im Fall des Klägers bestätigten, dass keine weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen unfallbedingt waren.
- Neurotraumatologische Untersuchungen: Dienten zur Bewertung der langfristigen neurologischen Folgen des Unfalls. Die Ergebnisse halfen zu klären, ob die Schwindel- und Konzentrationsbeschwerden des Klägers unfallbedingt waren.
- Berufsgenossenschaft: Zuständig für die Anerkennung von Arbeitsunfällen und die Gewährung von Verletztengeld. Sie entschied, dass der Kläger nur bis zum 20. Februar 2014 Verletztengeld erhält.
- Sozialgericht und Landessozialgericht: Instanzen, die die Entscheidungen der Berufsgenossenschaft und die Ansprüche des Klägers rechtlich überprüften und letztlich bestätigten, dass keine weiteren Unfallfolgen vorlagen.
⇓ Das vorliegende Urteil vom Landessozialgericht Schleswig-Holstein
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht – Az.: L 8 U 44/19 – Urteil vom 20.02.2023
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Folgen des Arbeitsunfalls des Klägers vom 19. Mai 2013 und die Gewährung von Verletztengeld über den 20. Februar 2014 hinaus bis einschließlich 26. Juni 2016.
Der Kläger erlitt am 19. Mai 2013 einen Arbeitsunfall. Ihm schlug in seiner Tätigkeit als Angestellter der L Hafenbetrieb-Umschlag-Logistik GmbH am 19. Mai 2013 gegen 12.00 Uhr eine Stange ins Gesicht. Er hat dabei unter einem Lkw gelegen und versucht, ein Seil um den Unterfahrschutz zu legen, als dieser sich gelöst und auf ihn gefallen ist. Er ist dann mit dem Kopf auf den Boden geprallt.
Prof. Dr. J teilte mit D-Arztbericht vom 21. Mai 2013 mit, der Kläger sei am 19. Mai 2013 um 12:57 Uhr in der Unfallklinik des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus L1, eingetroffen. Festgestellt wurde eine oberflächliche Rissquetschwunde der Unterlippe links, keine fokal neurologischen Ausfälle, pDMS intakt. Es wurde ein CT des Gesichtsschädels angefertigt. Dieses ergab kein Nachweis einer intercraniellen Blutung, von demarkierten Kontusionen oder Frakturen von Hirn- oder Gesichtsschädel, keinen Nachweis einer Fraktur oder Gefügestörung der oberen Halswirbelsäule. Als Erstdiagnose wird eine Kronenfraktur Dens 22 mit fisuraler Pulpa Beteiligung und eine oberflächliche Rissquetschwunde der Unterlippe links mit Einschluss von Zahnsplittern angegeben.
Eine Kernspintomografie am 23. Mai 2013 ergab einen unauffälligen Befund. Unter dem 6. Juni 2013 berichtete die Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus L1 (Professor M), klinisch neurologisch zeige sich in allen Einzelheiten ein regelrechter Normbefund. In dem cMRT sei kein Hinweis auf strukturelle Hirnläsionen gegeben. Er gehe von einem leichten postkommotionellen Syndrom aus. Im Zwischenbericht vom 7. Juni 2013 führte Dr. V sodann aus, es bestünde vom Unfall unabhängige eine gesundheitliche Beeinträchtigung in Form eines Durchgangssyndroms.
Bei der Verlaufsuntersuchung durch Dr. F am 7. Juni 2013 war ein Blickrichtungsnystagmus nicht mehr nachweisbar. Er diagnostizierte ein blandes, hirnorganisch assoziiertes Durchgangssyndrom nach SHT I mit Labyrinthkontusion und Oberkieferzahnfraktur. Die Beschwerden seien rückläufig, Arbeitsfähigkeit sei ab Ende Juni anzunehmen.
Der Kläger klagte in der Folge weiter über Schwindel und Kopfschmerzen. Arbeitsversuche im Juli, August und September 2013 scheiterten. Dr. F teilte unter dem 10. September 2013 mit, eine Unterscheidung, ob das vorgefundene Krankheitsbild durch den Arbeitsunfall verursacht sei, könne er nicht treffen. Er bat um gutachterliche Stellungnahme.
Am 15. Oktober 2013 erfolgte im Unfallkrankenhaus H eine Heilverfahrenskontrolle. Dokumentiert ist hier die Schilderung des Klägers, an persistierendem Schwindel zu leiden und paravertebrale HWS Beschwerden zu haben. Er verspüre bei Rotationsbewegungen rezidivierend Schwindelanfälle sowie Übelkeit. Die Untersuchung ergab sodann, dass im umschriebenen Areal kein Muskelhartspann im direkten Seitenvergleich zu erkennen war. Die HWS Beweglichkeit war in EX/FLEX frei, Rotation und Seitneigung bds. endgradig schmerzhaft seitengleich eingeschränkt. Eine erneute MRT Untersuchung und Vorstellung in der Poliklinik für Neurologie wurde veranlasst. Der Kläger wurde als arbeitsfähig eingestuft. Am 5. November 2013 erfolgte eine erneute Untersuchung mit den Ergebnissen des neurologischen Konsils. Die Beweglichkeit der HWS sei in den aktiven unbewussten Bewegungen eingeschränkt, in der klinischen Untersuchung jedoch frei mit allenfalls endgradiger Bewegungslimitierung. Es bestehe kein lokaler Druckschmerz, kein myogener Hartspann, Muskulatur sei weich. Das MRT von HWS und Gehirn war unauffällig.
Bei dem Kläger wurde sodann in der Zeit vom 26. bis zum 28. November 2013 wurde im Neurotraumatologischen Zentrum des berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses H ein „Brain-Check“ durchgeführt. Dr. G und Herr H1 kamen zu dem Ergebnis, dass Hinweise auf unfallbedingte psychoreaktive Folgen insbesondere Angststörung, Depression, Anpassungsstörung oder erhöhte Reizbarkeit bzw. Irritabilität sich nicht finden ließen. In der Aufmerksamkeitsaktivierung und selektiven Aufmerksamkeit ergaben sich unauffällige Leistungen, die Fähigkeit zur Aufmerksamkeitsteilung/parallelen Informationsverarbeitung stellte sich als vermindert dar. Im Gedächtnisbereich wurde eine Beeinträchtigung des verbalen Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisses erfasst, das möglicherweise in Zusammenhang mit Aufmerksamkeitsschwankungen stehe. Alle anderen Gedächtnisleistungen (verbale Lern-und Merkfähigkeit, Merkfähigkeit für visuelle Informationen) stellte sich unbeeinträchtigt dar, das Figuralgedächtnis zeigte sich insgesamt als schwach. Kognitive Leistungen (Visuo-konstruktive Leistungen und Exekutivfunktionen) zeigten sich unbeeinträchtigt. Eine weitere Kernspintomografie am 26. November 2013 war unauffällig, eine Schädigung des Gleichgewichtsorgans nicht festzustellen. Dies spreche für eine auch organische Komponente der Schwindelbeschwerden.
Unter dem 19. Dezember 2013 führen die Ärzte des Neurotraumatologischen Zentrums in einem neurologischen Befundbericht aus, in Bezug auf die leichten neuropsychologischen Einbussen sei auch eine Summation von leichteren Schädel-Hirn-Traumen als Ursache vorstellbar.
Im Februar beginnt auf Veranlassung des Berufsgenossenschaftlichen Krankenhauses eine Justierung nach Methodik der amerikanischen Chiropraktik.
Der Kläger suchte sich sodann einen neuen behandelnden Neurologen, Dr. B. Diesen wünschte er auch als Gutachter für ein Zusammenhangsgutachten. Auf Nachfrage der Beklagten teilte dieser mit, dass er keine BG-Gutachten erstellt. Dem Kläger wurden sodann mit Schreiben vom 24. April 2014 drei Gutachter für die Zusammenhangsbegutachtung vorgeschlagen. Der Kläger wählte einen Gutachter aus, der später auch die Begutachtung vornimmt (siehe unten).
Der Kläger suchte zudem am 27. März 2014 die Schwindelambulanz des UKSH auf. Dort fasste man zusammen, es finde sich für die berichtete „Schwindelsymptomatik“ weder klinisch-neurologisch noch zusatzdiagnostisch ein organisches Korrelat. Die Symptomatik werde daher als somatoforme Störung gewertet. Zudem seien die Kopfschmerzen a. e. als Spannungskopfschmerzen zu klassifizieren. Man gehe bei Feststellung eines unauffälligen neurologischen Befundes und unauffälligen Zusatzbefunden von einer somatoformen Schmerzstörung aus.
Der vom Kläger ausgewählte Gutachter Dr. E erstattete nach persönlicher Untersuchung des Klägers am 24. September 2014 sein Gutachten unter dem 17. Oktober 2014. Er stellte fest, dass eine Diskrepanz zwischen dem Unfallereignis, dem objektivierbaren Befund und den geschilderten Beschwerden bestehe. Für die jetzigen Beschwerden gebe es kein objektivierbares Korrelat. Aktuell seien keine objektivierbaren krankhaften Veränderungen vorliegend.
Die Beklagte beschied den Kläger sodann mit Bescheid vom 4. Dezember 2014 zunächst dahin, dass man das Geschehen vom 19. Mai 2013 als Arbeitsunfall anerkenne, als Folgeschaden dieses Arbeitsunfalls „folgenlos ausgeheilte Schädelprellung/Gehirnerschütterung, die Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 27. Oktober 2013 bedingt“ anerkenne, einen Anspruch des Klägers auf Rente sowie einen Versorgungsanspruch des Klägers für die Zeit nach dem 27. Oktober 2013 aber ablehne.
Auf den hiergegen von dem Kläger eingelegten Widerspruch holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein von den Ärzten für Neurologie Dr. G und Dr. B1. Diese führten unter dem 6. Mai 2015 aus, für eine substantielle Hirnverletzung oder anhaltende Schädigung des Gleichgewichtsorgans ergebe sich nach den dokumentierten Befunden und der Zusatzdiagnostik insbesondere in der Kernspintomografie des Kopfes und den Funktionsuntersuchungen der Gleichgewichtsorgane kein Anhaltspunkt. Es bestünden keine Verletzungsfolgen mehr auf neurologischem Gebiet. Die Gehirnerschütterung und Erschütterung des Gleichgewichtsorgans sei folgenlos abgeklungen. Die nunmehr fast 2 Jahre anhaltenden Beschwerden des Probanden seien durch die beim Unfallereignis eingetretene Schädigung nicht mehr erklärbar. Insbesondere sei eine Zunahme der Symptome durch Belastung etwa abrupte Bewegungen nicht plausibel. Sie spreche in entscheidender Weise gegen eine unfallbedingte Verursachung. Aktuell ließen sich keine Unfallfolgen auf nervenärztlichem Fachgebiet mehr wahrscheinlich machen. Unfallunabhängig seien die geklagten Schwindelbeschwerden keinem definierten organischen Krankheitsbild zuzuordnen und als somatoforme Symptome einzuordnen. Insbesondere die wiederholte Verschlechterung im Laufe der Zeit und die anhaltende Verschlechterung durch bestimmte Bewegungen seien nicht plausibel und sprächen in entscheidender Weise gegen einen Unfallzusammenhang.
Nach Auswertung dieses Gutachtens half die Beklagten dem Widerspruch des Klägers insofern ab, als sie nunmehr einen Versorgungsanspruch des Klägers bis zum 20. Februar 2014 anerkannte. Dies setzte sie mit Teilabhilfe-Bescheid vom 19. August 2015 um. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2015 als unbegründet zurück.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22. September 2015 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Wie auch im Widerspruchsverfahren macht er geltend, dass er weiter Gesundheitsstörungen aufweise, die auf den Unfall vom 19. Mai 2013 zurückzuführen seien, und dass ihm wegen dieser einer weitergehender Versorgungsanspruch, u. a. auch ein Anspruch auf Verletztenrente, zustehe.
Das Gericht hat sodann die Klage durch Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2019 abgewiesen. Weitere Gesundheitsschäden als die bereits beschiedenen seien durch den streitgegenständlichen Unfall nicht festzustellen, ebenso wenig ein über den 20. Februar 2014 hinausgehender Versorgungsbedarf. Für die beschriebenen Gesundheitsstörungen fehle es an einem rechtlich erforderlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Zur Begründung führt das Gericht umfassend aus den vorliegenden medizinischen Gutachten aus.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, dem Kläger zugestellt am 3. Juli 2019 hat dieser am 16. Juli 2019 Berufung erhoben. Er macht geltend, dass er seit dem 26. Juni 2016 wieder arbeitsfähig sei und seitdem die Beschwerden nicht mehr auftreten. Es gehe mithin nur noch um die Leistung von Verletztengeld bis zum 26. Juni 2016. Er sei vorliegend in seinem Recht auf Auswahl des Gutachters verletzt worden. Auch sei er in seinem Recht auf Auswahl eines Gutachters verletzt worden. Es fehle an einem psychiatrischen Gutachten. Auch hätten die Ärzte den Unfallhergang und dessen Schwere möglicherweise verkannt. Vor dem Unfall sei er gesund gewesen, eine plötzliche Bewegung und Beschleunigung seitlich und geradeaus habe ihm nichts ausgemacht. Jetzt sei ihm stetig schwindlig. Durch eine muskuläre Dysbilanz sei der Hals instabil gewesen.
Er beantragt, den Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 4. Dezember 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2015 zu verurteilen, als weitere Gesundheitsstörung die Verklemmung des Halsnervs mit Übelkeit und Konzentrationsstörungen bis zum 26. Juni 2016 als Folge des Arbeitsunfalls vom 19. Mai 2013 anzuerkennen und Verletztengeld zu erbringen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen in dem Gerichtsbescheid und in ihrem Verwaltungsverfahren.
Mit Beschluss vom 19. Februar 2020 ist die Berufung der Berichterstatterin zur Entscheidung übertragen worden. Das Gericht hat sodann durch Beschluss vom 10. Mai 2021 ein Gutachten bei Dr. B2, Neurozentrum B3 eingeholt, welches dieser am 19. Oktober 2021 vorlegte.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 153 Absatz 5 SGG konnte die Entscheidung durch die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern ergehen, weil der Senat durch Beschluss vom 19. Februar 2020 die Berufung der Berichterstatterin übertragen hat.
Die nach §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und aus zutreffenden Gründen abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegenständlich ist vorliegend das Vorliegen weiterer Unfallfolgen sowie ein Anspruch auf Verletztengeld über den 20. Februar 2014 hinaus bis einschließlich 26. Juni 2016. Richtige Klageart für die Feststellung weiterer Unfallfolgen ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1, 3 SGG. Soweit der Kläger die Zahlung von weiterem Verletztengeld begehrt, handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsschäden als Unfallfolgen; auch besteht kein Anspruch auf Verletztengeld über den 20. Februar 2014 hinaus. Die Berufung ist unbegründet.
Zwar hat der Kläger am 19. Mai 2013 einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII erlitten. Die von ihm über den 20. Februar 2014 hinaus geltend gemachten Gesundheitsstörungen des eingeklemmten Halsnervs, der zu Schwindel, Übelkeit und Konzentrationsstörungen geführt habe, was nach seinem Vortrag wiederum anhaltende Arbeitsunfähigkeit bedingt habe, lassen sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf dieses Unfallereignis zurückführen.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Verletztengeld ist § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird – soweit hier von Interesse – Verletztengeld erbracht, wenn der Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig ist (unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen hatte. Verletztengeld endet (u. a.) mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit (§ 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 SGB VII), im Übrigen – wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und LTA nicht zu erbringen sind – mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung (§ 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII).
Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls liegt – nach ständiger Rechtsprechung (s. u. a. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007, B 2 U 31/06 R) – anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter auf Grund der Folgen eines Versicherungsfalls nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl. zur ständigen Rechtsprechung in der gesetzlichen Krankenversicherung nur BSG, Urteil vom 30. Mai 1967, 3 RK 15/65; BSG, Urteil vom 9. Dezember 1986, 8 RK 12/85; BSG, Urteil vom 8. Februar 2000, B 1 KR 11/99).
Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit i. d. S. erfordert daher zum einen das Vorliegen eines Gesundheitsschadens sowie eines hierfür ursächlichen Unfallereignisses und zum anderen einen Kausalzusammenhang zwischen der durch den Unfall verursachten Gesundheitsstörung und einer eingetretenen Arbeitsunfähigkeit. Dabei setzt die Kausalität nach der im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung wie allgemein im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum nachfolgenden: BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R) zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinne), z. B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Während die anspruchsbegründenden Tatsachen, u. a. die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein müssen, also bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen erforderlich ist, genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84). Das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat zur Überzeugung des Senats (§ 128 SGG) beim Kläger (jedenfalls) ab dem 20. Februar 2014 keine Arbeitsunfähigkeit wegen unfallbedingter Verletzungen auf Grund des Ereignisses vom 19. Mai 2013 (mehr) bestanden, sodass eine entsprechende (Weiter-)Gewährung von Verletztengeld infolge des Arbeitsunfalls vom 19. Mai 2013 ab diesem Zeitpunkt nicht in Betracht kommt.
Der beim Kläger von der Beklagten als Gesundheitserstschaden des Ereignisses vom 19. Mai 2013 anerkannte folgenlos ausgeheilte Schädelprellung/Gehirnerschütterung ist jedenfalls spätestens am 20. Februar 2014 vollständig abgeklungen. Es ist von den ärztlichen Gutachtern deutlich beschrieben worden, dass sich ein Zusammenhang der weiterhin geklagten Schwindel- und Kopfschmerzproblematik mit Aufmerksamkeitsdefiziten bei verspannter Halsmuskulatur zu dem Unfallereignis nicht herstellen lässt. Es fehlt an objektivierbaren Anhaltspunkten – zum einen bereits für das Bestehen dieser Symptome/Beschwerden (so wohl Dr. E, Oktober 2014) – zum anderen in jedem Fall aber für einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis.
Es sind vorliegend ärztliche Untersuchungen konkret in Bezug auf die vom Kläger geschilderte Beschwerdesymptomatik (HWS Beschwerden) erfolgt. Bei den jeweiligen klinischen Untersuchungen am 15. Oktober 2013 und am 5. November 2013 konnte ein Muskelhartspann im direkten Seitenvergleich nicht festgestellt werden. Die Muskulatur wird als weich beschrieben. Auch war die HWS Beweglichkeit frei. Hingewiesen war auf eine Einschränkung in den aktiv unbewussten Bewegungen. Verspannungen als Folge des Unfallereignisses und als vom Kläger geltend gemachter Auslöser des Schwindels und der Übelkeit sind mithin nicht unfallnah dokumentiert.
Sofern der Kläger vorträgt, Dr. S, der die Chirotherapie anwendet, habe die Verspannungen dokumentiert, ist dies zwar zutreffend. Denn er hat eine Myalgie, muskuläre Dysbalance der Schulter-Nacken-Muskulatur beidseits sowie ein akutes HWS Syndrom bei Blockierung C0 bis C5 sowie der 1. Rippe beidseits und ein akutes BWS-Syndrom mit Blockierungen der oberen BWK und Kostotransversalgelenke beidseits diagnostiziert. Dies lässt indes keine Schlussfolgerung in Bezug auf den Ursachenzusammenhang mit dem Unfallereignis zu. Denn diese Diagnose erstellte Dr. S am 26. März 2015, mithin nahezu ein Jahr nach dem Unfallereignis. Ein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang mit dem Unfallereignis dahingehend, dass dieses die festgestellten Diagnosen rechtlich wesentlich verursacht hat, ist für den Senat nicht erkennbar.
Ebenfalls nicht hinreichend für die Feststellung eines rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhangs ist – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nicht, dass er vor dem Unfallereignis derartige Beschwerden nicht gehabt habe, diese aber sodann aufgetreten sind. Eine reine Chronologie des Auftretens von Beschwerden nach einem Unfallereignis reicht für eine rechtlich wesentliche Verursachung nicht aus. Für einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang fehlt es an weiteren objektivierbaren Anhaltspunkten, die über ein subjektives Empfinden hinausgehen.
Die Bildgebung (CT/MRT) zeigte – auch über die gesamte Zeit hinweg – keinen Hinweis auf die geltend gemachte Problematik, mithin auch keinen für eine ursächliche Verletzung durch das Unfallereignis. Entsprechendes gilt für die durchgeführten neurologischen Untersuchungen. Zudem legten die Ärzte plausibel dar, dass die vom Kläger beschriebenen Anlässe oder Ursachen für die Übelkeit und Schwindelphasen deutlich gegen einen Unfallzusammenhang sprechen.
Ein rechtlich tragfähiger Zusammenhang zwischen Unfallereignis und der geltend gemachten Schwindelproblematik besteht daher nicht. Er lässt sich nicht mit objektivierbaren Anhaltspunkten darzustellen. Die erfolgten fachärztlichen Untersuchungen können eine Ursache für die geschilderte Problematik nicht eindeutig ergründen. So werden als Ursache organische Komponenten genannt (G/H1, November 2013), eine Summation leichter Schädel-Hirn-Traumen (G/H1, Dezember 2013) oder auch eine somatoforme Erkrankung (Schwindelambulanz UKSH, März 2014). Anhaltspunkte für eine im rechtlichen Sinne wesentliche Ursächlichkeit des Ereignisses vom 19. Mai 2013 ist indes in keinem ärztlichen Bericht erkennbar.
Sofern der Kläger eine besondere Erregbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten geltend macht, sieht der Senat das Vorliegen dieser geltend gemachten Beschwerden als durch die Begutachtung durch die Ärzte G und H1 während des stationären Aufenthalts vom 26. bis zum 28. November 2013 im neurotraumatologischen Zentrum als wiederlegt an. In ihren auf umfassenden Testungen beruhenden Ergebnissen legen diese in nahezu allen Bereichen einen unauffälligen Befund dar. Auch werden Hinweise auf unfallbedingte psychoreaktive Folgen nicht gefunden. Das Gericht folgt diesen Ausführungen. Aufgrund dieser Feststellung – und dem sich daraus ergebenden fehlenden Anhaltspunkten für unfallbedingte psychische Erkrankungen – ist zudem ein gesondertes psychiatrisches Gutachten nicht erforderlich.
Unter Berücksichtigung des Unfallgeschehens, der dokumentierten Verletzungen, der durchgeführten Untersuchungen und Befundungen, dem Heilungsverlauf und den Ausführungen der begutachtenden Ärzte, dass die geschilderten Auslöser der weiterhin geltend gemachten Beschwerden nicht zu dem Unfallereignis und etwaigen Folgen passen, ist ein Zusammenhang zwischen den über den 20. Februar 2014 hinausgehenden Beschwerden und dem Unfallereignis nicht gegeben.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Erfolg der Berufung vorliegend auch nicht unter Hinweis auf verfahrensfehlerhafte Begutachtungen im Verwaltungsverfahren erstritten werden kann. Soweit der Kläger gern eine Begutachtung durch den von ihm neu zur Behandlung ausgewählten Neurologen Dr. B gewünscht hat, ist darauf hinzuweisen, dass dieser eine Begutachtung für die Beklagte abgelehnt hat. Der Kläger hat sodann von drei vorgeschlagenen Gutachtern einen ausgewählt, der das Zusammenhangsgutachten erstellt hat. Ein Verfahrensfehler ist hier nicht festzustellen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Absatz 2 Nr. 1 oder 2 SGG) liegen nicht vor.