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Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalls – Bestimmung der Höhe

20 Jahre nach dem Unfall, 20 Jahre Kampf um Gerechtigkeit. Nun hat ein Gericht entschieden: Ein schwerer Sturz auf einer Baustelle hat gravierende Folgen für die Erwerbsfähigkeit – und muss mit einer höheren Rente entschädigt werden.

Zum vorliegenden Urteil Az.: L 14 U 172/18 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
  • Datum: 16.12.2021
  • Aktenzeichen: L 14 U 172/18
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Eine Person (geb. 1968, vormals u.a. Fleischer, Koch, Groß- und Außenhandelskaufmann), die nach einem Unfall die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und eine höhere Verletztenrente forderte.
  • Beklagte: Die Behörde, die für die gesetzliche Unfallversicherung zuständig ist und die Forderungen des Klägers ursprünglich abgelehnt hatte.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger stürzte am 7. November 2000 bei Aufräumarbeiten auf der Baustelle seiner Schwester von einer Leiter. Er erlitt dabei eine Gehirnerschütterung, eine Brustkorbprellung mit Rippenbrüchen und einen Schlüsselbeinbruch rechts. Er war nach dem Sturz kurzzeitig bewusstlos und konnte sich an den genauen Unfallhergang nicht erinnern. Seit Januar 2008 bezieht der Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
  • Kern des Rechtsstreits: Es wurde darüber gestritten, ob eine weitere gesundheitliche Beeinträchtigung als Folge des Unfalls anerkannt werden muss und ob dem Kläger deshalb eine höhere Verletztenrente zusteht.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Landessozialgericht hob das vorherige Urteil des Sozialgerichts Osnabrück auf und änderte den ursprünglichen Bescheid der Beklagten. Die Berufung des Klägers war teilweise erfolgreich.
  • Folgen: Die Beklagte muss dem Kläger ab dem 8. Oktober 2020 eine Verletztenrente zahlen, die auf einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 Prozent basiert. Die Beklagte muss die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren übernehmen. Eine weitere Überprüfung des Urteils durch das Bundessozialgericht (Revision) wurde nicht zugelassen.

Der Fall vor Gericht


Langjähriger Rechtsstreit um Verletztenrente nach Arbeitsunfall entschieden

Arbeitsunfall: Bauarbeiter droht Sturz von Gerüst wegen loser Bohle. Verletztenrente, Unfallrente.
Verletztenrente nach Arbeitsunfall mit MdE | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in einem Urteil vom 16. Dezember 2021 (Az.: L 14 U 172/18) über die Höhe einer Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall entschieden. Ein Mann, der im Jahr 2000 bei Arbeiten auf einer privaten Baustelle schwer stürzte, erhält nun eine höhere Rente aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 Prozent. Das Gericht hob damit eine frühere Entscheidung des Sozialgerichts Osnabrück auf.

Der Kläger und sein beruflicher Werdegang

Der 1968 geborene Kläger ist gelernter Fleischer und Koch. Nach einer Umschulung war er bis 1999 als Groß- und Außenhandelskaufmann tätig. Zum Zeitpunkt des Unfalls im Jahr 2000 war er arbeitslos, nachdem er kurzzeitig in einer Großbäckerei gearbeitet hatte. Wichtig für den Kontext ist, dass der Kläger bereits seit Januar 2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus anderen Gründen bezieht.

Der Unfallhergang und die unmittelbaren Folgen

Am 7. November 2000 stürzte der Kläger bei Aufräumarbeiten auf der Baustelle seiner Schwester von einer Leiter. Aufgrund einer kurzzeitigen Bewusstlosigkeit und einer damit verbundenen Gedächtnislücke (retrograde Amnesie) konnte er sich nicht exakt an den Hergang erinnern. Im Krankenhaus wurden eine Gehirnerschütterung, eine Brustkorbprellung mit Rippenbrüchen sowie eine schwere Schulterprellung rechts mit einem Bruch des Schlüsselbeins (Claviculafraktur) festgestellt.

Medizinische Erstversorgung und Verlauf

Die Schlüsselbeinfraktur wurde konservativ mit einem Rucksackverband behandelt. Nachuntersuchungen zeigten zunächst eine gute Knochenstellung. Eine Ultraschalluntersuchung ergab keinen Hinweis auf eine Verletzung der Rotatorenmanschette an der Schulter. Der Kläger litt jedoch unter erheblichen Schmerzen in der rechten Schulter und erhielt eine Schmerztherapie. Ende November 2000 wurde er aus der stationären Behandlung entlassen.

Frühere Verfahren und die Auseinandersetzung um Leistungen

Die zuständige Berufsgenossenschaft (die Beklagte) zahlte dem Kläger zunächst Verletztengeld bis April 2002. Ein Rechtsstreit um die Weiterzahlung dieser Leistung blieb für den Kläger erfolglos; sowohl das Sozialgericht Osnabrück als auch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen wiesen seine Klage bzw. Berufung in den Jahren 2010 und 2012 ab (Az. L 14/3 U 119/10).

Der separate Kampf um die Verletztenrente

Erst im März 2012 beantragte der Kläger formal die Gewährung einer Verletztenrente. Die Beklagte lehnte dies zunächst ab. Sie argumentierte, der verheilte Schlüsselbeinbruch habe keine dauerhafte Funktionseinschränkung hinterlassen, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 Prozent rechtfertigen würde. Dieser Schwellenwert ist gesetzlich für einen Rentenanspruch vorgesehen. Auch der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Das Verfahren vor dem Sozialgericht und die neue Bewertung

Der Kläger zog daraufhin erneut vor das Sozialgericht Osnabrück (Az. S 8 U 199/12). Im Laufe dieses Verfahrens wurde ein entscheidendes fachchirurgisches Gutachten von Dr. L. eingeholt. Dieses Gutachten führte offenbar zu einer Neubewertung der Situation, denn die Beklagte unterbreitete daraufhin im Oktober 2014 ein Vergleichsangebot, dessen genauer Inhalt im vorliegenden Urteilstextausschnitt nicht mehr ersichtlich ist. Es deutet jedoch auf eine erste Anerkennung von Unfallfolgen hin.

Der Kern des Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht

Das nun entschiedene Berufungsverfahren (L 14 U 172/18) befasste sich mit der Entscheidung des Sozialgerichts Osnabrück vom 7. Juni 2018. Der Kläger war offenbar mit der dort festgestellten Höhe der Unfallfolgen bzw. der MdE nicht einverstanden und forderte die Anerkennung weiterer Unfallfolgen sowie eine höhere Verletztenrente. Im Zentrum stand die Frage, wie schwerwiegend die dauerhaften Beeinträchtigungen, insbesondere an der rechten Schulter, tatsächlich sind.

Die Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen

Das Landessozialgericht gab der Berufung des Klägers nun teilweise statt. Es hob das Urteil des Sozialgerichts auf und änderte die Bescheide der Beklagten ab. Entscheidend ist: Das Gericht verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab dem 8. Oktober 2020 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 Prozent zu gewähren.

Begründung der MdE-Höhe (Implikationen)

Obwohl die detaillierte Begründung des Gerichts im vorliegenden Auszug fehlt, lässt die Entscheidung auf eine Neubewertung der medizinischen Beweislage schließen. Das Gericht muss zu der Überzeugung gelangt sein, dass die Langzeitfolgen des Unfalls, insbesondere die Funktionseinschränkungen der rechten Schulter und möglicherweise chronische Schmerzen, die Erwerbsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erheblich stärker mindern als zuvor angenommen. Die MdE von 50 Prozent spiegelt eine gravierende Beeinträchtigung wider.

Zeitliche Abgrenzung und Kosten

Die Rente wird erst ab Oktober 2020 gewährt, was darauf hindeutet, dass entweder eine Verschlimmerung erst zu diesem Zeitpunkt anerkannt wurde oder frühere Ansprüche aus anderen Gründen (möglicherweise Verjährung oder fehlender Nachweis für den früheren Zeitraum) abgewiesen wurden („Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen“). Die Kosten des Berufungsverfahrens werden geteilt, was üblich ist, wenn eine Partei nur teilweise obsiegt. Eine Revision zum Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen, die Entscheidung ist somit auf dieser Instanzebene rechtskräftig.

Bedeutung des Urteils für Betroffene

Dieses Urteil verdeutlicht mehrere wichtige Aspekte für Versicherte, die einen Arbeitsunfall erlitten haben:

  1. Langwierigkeit von Verfahren: Der Fall zeigt eindrücklich, dass Auseinandersetzungen um die Anerkennung von Unfallfolgen und die Höhe der Verletztenrente extrem langwierig sein können – hier über zwei Jahrzehnte seit dem Unfall.
  2. Bedeutung medizinischer Gutachten: Medizinische Sachverständigengutachten sind oft Dreh- und Angelpunkt solcher Verfahren. Ihre Qualität und Aussagekraft können den Ausgang maßgeblich beeinflussen.
  3. Hartnäckigkeit kann sich lohnen: Auch wenn die Berufsgenossenschaft oder die erste Gerichtsinstanz Ansprüche ablehnt oder nur teilweise anerkennt, kann eine Überprüfung in der nächsten Instanz zu einem anderen, günstigeren Ergebnis führen.
  4. MdE-Bewertung ist komplex: Die Festsetzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist keine rein medizinische, sondern eine juristische Bewertung. Sie bezieht sich auf die Auswirkungen der Gesundheitsschäden auf die Fähigkeit, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein, nicht nur im zuletzt ausgeübten Beruf.
  5. Anerkennung von Spätfolgen: Das Urteil unterstreicht, dass auch Jahre nach einem Unfall noch Rentenansprüche entstehen oder sich erhöhen können, wenn sich Spätfolgen manifestieren oder neu bewertet werden.
  6. Dokumentation ist entscheidend: Die frühzeitige und kontinuierliche Dokumentation von Beschwerden (wie hier die Schulterschmerzen trotz unauffälliger Erstbefunde) kann im späteren Verlauf wichtig für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs sein.

Die Schlüsselerkenntnisse

Bei langwierigen Unfallfolgen können auch später auftretende oder erst später diagnostizierte Gesundheitsstörungen, wie psychische Erkrankungen, als Unfallfolgen anerkannt werden. Das Urteil zeigt, dass eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Anteilen als Unfallfolge anerkennungsfähig ist und zu einer erhöhten Minderung der Erwerbsfähigkeit führen kann. Für Betroffene ist es wichtig zu wissen, dass sie auch nach anfänglicher Ablehnung durch den Versicherungsträger im Rechtsweg eine höhere Verletztenrente durchsetzen können, wenn weitere Gesundheitsschäden nachgewiesen werden.

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Unterstützung bei Arbeitsunfällen und Verletztenrente

Wenn Sie nach einem Arbeitsunfall mit langwierigen Folgen zu kämpfen haben, wissen Sie, wie wichtig eine faire Anerkennung Ihrer Ansprüche ist. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und die daraus resultierende Verletztenrente sind oft Gegenstand komplexer Auseinandersetzungen mit den zuständigen Berufsgenossenschaften.

Unser erfahrenes Team unterstützt Sie dabei, Ihre Rechte durchzusetzen und eine angemessene MdE-Bewertung zu erhalten. Wir beraten Sie umfassend und vertreten Ihre Interessen gegenüber den Behörden und in gerichtlichen Verfahren. Mit unserer Expertise sorgen wir dafür, dass Ihre Interessen sachkundig vertreten werden.

Ersteinschätzung anfragen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist eine Verletztenrente und wer hat Anspruch darauf?

Die Verletztenrente ist eine finanzielle Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland. Sie soll helfen, die Nachteile auszugleichen, die Ihnen durch dauerhafte Gesundheitsschäden nach einem Arbeitsunfall, einem Wegeunfall (Unfall auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeit) oder einer anerkannten Berufskrankheit entstehen.

Wer hat Anspruch auf eine Verletztenrente?

Einen Anspruch auf Verletztenrente haben Sie grundsätzlich, wenn Sie über die gesetzliche Unfallversicherung versichert sind (dies trifft z.B. auf die meisten Arbeitnehmer, Auszubildende, aber auch auf bestimmte Selbstständige, Schüler und Studierende zu) und einen solchen Versicherungsfall erlitten haben. Die entscheidende Voraussetzung für den Anspruch ist, dass Ihre Erwerbsfähigkeit durch die Folgen des Unfalls oder der Berufskrankheit gemindert ist.

Diese Minderung der Erwerbsfähigkeit (kurz: MdE) muss:

  • über die 26. Woche nach dem Unfall oder der Erkrankung hinaus bestehen.
  • einen bestimmten Schweregrad erreichen: Die MdE muss mindestens 20 Prozent betragen.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) beschreibt in Prozent, wie stark Ihre Fähigkeit eingeschränkt ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen – verglichen mit einer gesunden Person gleichen Alters und Ausbildung. Die Höhe der MdE wird durch medizinische Gutachter im Auftrag des zuständigen Unfallversicherungsträgers (z.B. Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse) festgestellt. Wenn Sie aufgrund mehrerer Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten eine MdE haben, werden diese für den Rentenanspruch zusammengerechnet.

Wie wird die Höhe der Verletztenrente berechnet?

Die Höhe Ihrer Verletztenrente hängt hauptsächlich von zwei Faktoren ab:

  1. Dem festgestellten Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Prozent.
  2. Ihrem Jahresarbeitsverdienst (JAV). Das ist vereinfacht gesagt Ihr Bruttoeinkommen aus Arbeit oder selbstständiger Tätigkeit in den zwölf Kalendermonaten vor dem Versicherungsfall.

Bei einer vollständigen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE 100 Prozent) erhalten Sie eine Vollrente. Diese beträgt zwei Drittel Ihres Jahresarbeitsverdienstes. Liegt die MdE unter 100 Prozent (z.B. bei 30 Prozent), erhalten Sie eine Teilrente, die anteilig berechnet wird.

Vereinfachte Berechnungslogik: Jährliche Verletztenrente = Jahresarbeitsverdienst × 2/3 × MdE in Prozent

Die Verletztenrente wird in der Regel erst dann gezahlt, wenn andere Leistungen wie die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber oder das Verletztengeld der Unfallversicherung ausgelaufen sind und weiterhin eine MdE von mindestens 20 Prozent besteht. Die gesetzlichen Regelungen hierzu finden sich im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).


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Was bedeutet „Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)“ und wie wird sie festgestellt?

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist ein Begriff aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie beschreibt, wie stark Ihre allgemeine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit dauerhaft eingeschränkt ist. Die MdE wird in Prozent ausgedrückt und ist entscheidend dafür, ob und in welcher Höhe Sie eine Verletztenrente erhalten können. Eine Rente wird in der Regel erst ab einer MdE von mindestens 20 Prozent gezahlt.

Die MdE bewertet dabei nicht den Verlust Ihres konkreten Arbeitsplatzes oder Einkommens, sondern die Einschränkung Ihrer Möglichkeiten auf dem gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt. Es geht darum, wie sehr die Unfall- oder Krankheitsfolgen Ihre Fähigkeit beeinträchtigen, irgendeiner Erwerbstätigkeit nachzugehen, die Ihren Kräften und Fähigkeiten entspricht.

Wie wird die MdE festgestellt?

Die Feststellung der MdE ist ein medizinisch basiertes Verfahren:

  1. Ärztliche Berichte: Zunächst werden die Berichte Ihrer behandelnden Ärzte (z.B. Durchgangsarzt, Fachärzte, Krankenhausärzte) herangezogen. Diese dokumentieren die Verletzungen oder die Erkrankung und deren Verlauf.
  2. Medizinische Gutachten: Sehr oft beauftragt die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse einen oder mehrere unabhängige medizinische Gutachter. Diese Ärzte untersuchen Sie speziell im Hinblick auf die Dauerfolgen des Unfalls oder der Krankheit. Sie bewerten auf Basis ihrer Untersuchung und medizinischer Erfahrungswerte, wie stark Ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.
  3. Bewertung der Dauerfolgen: Entscheidend für die MdE sind die voraussichtlich dauerhaft verbleibenden Beeinträchtigungen. Vorübergehende Beschwerden während der Heilungsphase spielen für die endgültige MdE-Feststellung keine Rolle.
  4. MdE-Tabellen als Orientierung: Gutachter und Unfallversicherungsträger orientieren sich oft an sogenannten MdE-Tabellen. Diese enthalten Richtwerte für bestimmte Funktionsbeeinträchtigungen. Die Bewertung erfolgt aber immer individuell unter Berücksichtigung aller Umstände Ihres Einzelfalls.
  5. Feststellungsbescheid: Auf Grundlage der ärztlichen Berichte und insbesondere der Gutachten legt die Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse die Höhe der MdE in einem Bescheid fest.

Was bedeutet die MdE für die beruflichen Möglichkeiten?

Die MdE ist ein abstraktes Maß für die Beeinträchtigung Ihrer Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie sagt nicht direkt etwas darüber aus, ob Sie Ihren bisherigen Beruf noch ausüben können.

Stellen Sie sich vor, jemand erleidet durch einen Arbeitsunfall eine dauerhafte Versteifung des Handgelenks. Auch wenn diese Person vielleicht noch leichte Bürotätigkeiten ausüben könnte, ist ihre Fähigkeit, grundsätzlich körperlich oder handwerklich zu arbeiten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingeschränkt. Diese allgemeine, langfristige Einschränkung wird durch die MdE in Prozent bewertet. Es geht also um die dauerhaften Auswirkungen des Versicherungsfalls auf Ihre grundsätzlichen beruflichen Einsatzmöglichkeiten.


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Wie berechnet sich die Höhe der Verletztenrente?

Die Höhe Ihrer Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit wird durch zwei zentrale Faktoren bestimmt: Ihren Jahresarbeitsverdienst (JAV) vor dem Ereignis und den Grad der Minderung Ihrer Erwerbsfähigkeit (MdE), der durch die Unfallfolgen entstanden ist.

Ihr Verdienst vor dem Unfall (Jahresarbeitsverdienst – JAV)

Der Jahresarbeitsverdienst (JAV) ist Ihr Brutto-Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Arbeitsunfall passiert ist oder die Berufskrankheit eingetreten ist. Dazu zählen nicht nur Ihr Lohn oder Gehalt, sondern auch regelmäßige zusätzliche Zahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld.

  • Grundlage: Der JAV spiegelt Ihre wirtschaftliche Situation vor dem Versicherungsfall wider.
  • Gesetzliche Grenzen: Es gibt gesetzlich festgelegte Mindest- und Höchstbeträge für den JAV, die bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden. Für junge Menschen oder Auszubildende gelten oft besondere Regelungen, um Nachteile auszugleichen.

Die Einschränkung durch den Unfall (Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE)

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) beschreibt, wie stark Ihre Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (nicht nur in Ihrem bisherigen Beruf) durch die gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit eingeschränkt sind.

  • Feststellung: Die Höhe der MdE wird in Prozent (%) angegeben und von der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse auf Basis ärztlicher Gutachten festgestellt.
  • Rentenanspruch: Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht in der Regel erst ab einer MdE von mindestens 20 %. Bei mehreren Arbeitsunfällen können auch geringere MdE-Werte zusammen zu einem Rentenanspruch führen.

So wird die Rente berechnet

Die Verletztenrente soll einen Teil des durch den Unfall entstandenen wirtschaftlichen Schadens ausgleichen. Die Berechnung erfolgt in zwei Schritten:

  1. Ermittlung der Vollrente: Zuerst wird die sogenannte Vollrente berechnet. Sie beträgt zwei Drittel (2/3) des Jahresarbeitsverdienstes (JAV).
    • Formel: Vollrente (jährlich) = 2/3 × Jahresarbeitsverdienst (JAV)
  2. Berechnung der Teilrente: Ihre tatsächliche Verletztenrente (Teilrente) entspricht dem Prozentsatz der Vollrente, der Ihrem festgestellten Grad der MdE entspricht.
    • Formel: Ihre Verletztenrente (jährlich) = Vollrente × Prozentsatz der MdE

Beispiel:

  • Ihr JAV betrug 36.000 €.
  • Ihre MdE wurde auf 30 % festgestellt.
  • Vollrente: 2/3 × 36.000 € = 24.000 € pro Jahr.
  • Ihre Verletztenrente: 24.000 € × 30 % = 7.200 € pro Jahr (das entspricht 600 € pro Monat).

Passt sich die Rente im Laufe der Zeit an?

Ja, die Verletztenrente ist keine feste Größe, sondern kann sich ändern:

  • Jährliche Anpassung: Ähnlich wie die Altersrenten wird auch die Verletztenrente jährlich angepasst, um die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung zu berücksichtigen. Die Anpassung erfolgt jeweils zum 1. Juli eines Jahres.
  • Änderung der MdE: Wenn sich Ihr Gesundheitszustand aufgrund der Unfallfolgen wesentlich verbessert oder verschlechtert, kann die MdE neu bewertet werden. Dies kann zu einer Erhöhung oder auch zu einer Minderung Ihrer Rente führen. Eine solche Überprüfung kann von Ihnen oder von der Berufsgenossenschaft/Unfallkasse angestoßen werden.

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Welche Schritte sind erforderlich, um eine Verletztenrente zu beantragen?

Nach einem Arbeitsunfall oder bei einer Berufskrankheit prüft die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse (der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung), ob die Voraussetzungen für eine Verletztenrente erfüllt sind. Der Weg dorthin umfasst mehrere Schritte:

Die Meldung des Arbeitsunfalls

Damit die Berufsgenossenschaft überhaupt von dem Vorfall erfährt, muss der Arbeitsunfall gemeldet werden.

  • Wenn Sie nach einem Arbeitsunfall mehr als drei Tage arbeitsunfähig sind, ist Ihr Arbeitgeber verpflichtet, den Unfall an die Berufsgenossenschaft zu melden.
  • Auch der erstbehandelnde Arzt, insbesondere ein sogenannter Durchgangsarzt (D-Arzt), meldet den Unfall der Berufsgenossenschaft, wenn eine Arbeitsunfähigkeit oder eine längere Behandlung notwendig wird.

Medizinische Behandlung und Rolle der Berufsgenossenschaft

Nach einem Arbeitsunfall sollten Sie möglichst einen Durchgangsarzt (D-Arzt) aufsuchen. Das sind Ärzte (meist Chirurgen oder Orthopäden) mit spezieller Zulassung für die Behandlung von Arbeitsunfällen.

  • Der D-Arzt entscheidet über die weitere Behandlung und steuert das sogenannte Heilverfahren.
  • Die Berufsgenossenschaft übernimmt die Kosten für die notwendige medizinische Behandlung, Rehabilitation und zahlt gegebenenfalls Verletztengeld während der Arbeitsunfähigkeit (ähnlich dem Krankengeld, aber oft höher). Sie ist Ihr zentraler Ansprechpartner während des gesamten Verfahrens.

Begutachtung und Feststellung der MdE

Bleiben nach Abschluss der medizinischen Behandlung gesundheitliche Beeinträchtigungen zurück, prüft die Berufsgenossenschaft, ob ein Anspruch auf Verletztenrente besteht.

  • Dafür wird oft eine medizinische Begutachtung angeordnet. Ein von der Berufsgenossenschaft beauftragter Gutachter untersucht Sie und beurteilt, welche gesundheitlichen Einschränkungen durch den Arbeitsunfall verursacht wurden.
  • Entscheidend für eine Rente ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Die MdE beschreibt in einem Prozentsatz, wie stark Ihre Fähigkeit, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein, durch die Unfallfolgen eingeschränkt ist. Es geht hierbei nicht um den konkreten Beruf, sondern um die allgemeine Erwerbsfähigkeit.
  • Die Berufsgenossenschaft legt die Höhe der MdE auf Basis der ärztlichen Unterlagen und des Gutachtens fest. Eine Verletztenrente wird in der Regel erst gezahlt, wenn die MdE mindestens 20 Prozent beträgt und diese Minderung über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus andauert.

Der Weg zur Rentenzahlung und wichtige Unterlagen

  • Ein formeller Rentenantrag ist oft nicht erforderlich, da die Berufsgenossenschaft das Verfahren meist von Amts wegen einleitet, sobald erkennbar ist, dass die Voraussetzungen für eine Rente (insbesondere MdE ≥ 20 % über die 26. Woche hinaus) vorliegen könnten. Sie informiert Sie dann über die Einleitung des Rentenverfahrens.
  • Stellt die Berufsgenossenschaft eine rentenberechtigende MdE fest, erlässt sie einen Rentenbescheid. Darin steht die Höhe der MdE, die Höhe der Rente und ab wann sie gezahlt wird. Die Rente beginnt in der Regel nach dem Ende der Zahlung von Verletztengeld.
  • Ganz wichtig ist die lückenlose Dokumentation: Bewahren Sie alle Unterlagen sorgfältig auf. Dazu gehören:
    • Arztberichte und Befunde
    • Entlassungsberichte aus Krankenhäusern oder Reha-Kliniken
    • Alle Schreiben der Berufsgenossenschaft
    • Eventuell angefertigte Gutachten
    • Eigene Notizen zum Unfallhergang und zum Verlauf Ihrer Beschwerden

Diese Unterlagen sind entscheidend, um den Zusammenhang zwischen dem Unfall und Ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachvollziehen und belegen zu können.


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Was kann ich tun, wenn mein Antrag auf Verletztenrente abgelehnt wird?

Wenn Ihr Antrag auf Verletztenrente von der Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse abgelehnt wurde, bedeutet das nicht das Ende Ihrer Möglichkeiten. Sie haben das Recht, diese Entscheidung überprüfen zu lassen. Dafür gibt es festgelegte Verfahren: den Widerspruch und gegebenenfalls die Klage vor dem Sozialgericht.

Der Widerspruch – Ihre erste Möglichkeit

Gegen den ablehnenden Bescheid können Sie Widerspruch einlegen. Das ist der erste Schritt, um die Entscheidung noch einmal durch die Behörde selbst prüfen zu lassen.

  • Die wichtige Monatsfrist: Für den Widerspruch haben Sie genau einen Monat Zeit. Diese Frist beginnt, sobald Ihnen der Bescheid bekannt gegeben wurde (meist das Datum der Zustellung). Es ist sehr wichtig, diese Frist einzuhalten. Ein verspäteter Widerspruch wird in der Regel nicht mehr berücksichtigt.
  • Form: Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen (also per Brief) oder Sie können ihn persönlich bei der Behörde zur Niederschrift erklären. Eine E-Mail genügt oft nicht, es sei denn, die Behörde bietet einen sicheren elektronischen Weg an (z.B. De-Mail oder über ein besonderes Postfach).
  • Begründung: Es ist hilfreich, den Widerspruch gut zu begründen. Erläutern Sie, warum Sie die Entscheidung für falsch halten. Sie können auf Punkte im Bescheid eingehen, die Ihrer Meinung nach nicht stimmen, oder zusätzliche Informationen oder ärztliche Unterlagen nennen, die Ihre Sicht stützen. Eine überzeugende Begründung erhöht die Chance, dass die Behörde ihre Entscheidung noch einmal überdenkt.

Die Klage vor dem Sozialgericht – Der nächste Schritt

Wird Ihr Widerspruch ebenfalls abgelehnt (dies teilt Ihnen die Behörde in einem sogenannten Widerspruchsbescheid mit), können Sie Klage beim Sozialgericht einreichen.

  • Auch hier: Die Monatsfrist: Für die Klage haben Sie wiederum einen Monat Zeit, nachdem Ihnen der Widerspruchsbescheid zugestellt wurde. Auch diese Frist müssen Sie unbedingt einhalten.
  • Das Verfahren: Das Sozialgericht prüft den gesamten Fall unabhängig und neutral. Es kann eigene Ermittlungen durchführen, zum Beispiel medizinische Gutachten von unabhängigen Sachverständigen einholen. Das Verfahren vor dem Sozialgericht ist speziell auf soziale Angelegenheiten wie die Verletztenrente ausgerichtet.
  • Gerichtskosten: Für Versicherte ist das Klageverfahren vor dem Sozialgericht grundsätzlich gerichtskostenfrei. Das bedeutet, Sie müssen keine Gebühren an das Gericht zahlen. Es können jedoch andere Kosten entstehen, beispielsweise wenn Sie eigene Gutachten beauftragen oder sich vertreten lassen möchten.

Wichtig zu beachten: Sowohl für den Widerspruch als auch für die Klage ist das Einhalten der jeweiligen Monatsfrist entscheidend. Eine sorgfältige Begründung, die Ihre Argumente klar darlegt, ist in beiden Verfahrensschritten von großer Bedeutung für die Überprüfung der Entscheidung.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) beschreibt in Prozent, wie stark die Fähigkeit einer Person, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt irgendeiner Erwerbstätigkeit nachzugehen, durch die Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit eingeschränkt ist. Es geht dabei nicht um den Verlust der Fähigkeit im konkret ausgeübten Beruf, sondern um die generellen Arbeitsmöglichkeiten. Die Höhe der MdE wird durch medizinische Gutachten vorbereitet, aber letztlich von der Berufsgenossenschaft oder einem Gericht festgelegt und ist entscheidend für die Höhe einer Verletztenrente (geregelt im Siebten Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII). Im Text wurde dem Kläger eine MdE von 50 Prozent zuerkannt, was eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt und den gesetzlichen Mindestwert von 20 Prozent für einen Rentenanspruch deutlich übersteigt.


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Verletztenrente

Die Verletztenrente ist eine finanzielle Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung (deren Träger z. B. die Berufsgenossenschaften sind). Sie wird gezahlt, wenn eine Person infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von in der Regel mindestens 20 Prozent erleidet. Die Rente soll den durch die Unfallfolgen entstandenen Einkommensverlust oder die geringeren Verdienstmöglichkeiten teilweise ausgleichen. Im vorliegenden Fall kämpfte der Kläger jahrelang um die Anerkennung einer rentenberechtigenden MdE und erhielt schließlich eine Verletztenrente basierend auf einer MdE von 50 Prozent.


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Sachverständigengutachten

Ein Sachverständigengutachten ist die fachliche Stellungnahme eines Experten (Sachverständigen) zu einer bestimmten Frage, die spezielles Fachwissen erfordert. In sozialrechtlichen Verfahren wie diesem, insbesondere bei Streitigkeiten um Unfallfolgen, sind dies oft medizinische Gutachten. Sie werden von Gerichten oder Behörden (wie der Berufsgenossenschaft) in Auftrag gegeben, um z. B. das Ausmaß von Gesundheitsschäden, deren Ursache (Zusammenhang mit dem Unfall) und die daraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) objektiv zu beurteilen. Im Text war ein fachchirurgisches Gutachten von Dr. L. offenbar entscheidend für die Neubewertung des Falles.


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Unfallfolgen

Als Unfallfolgen werden im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung alle Gesundheitsschäden (körperlicher oder psychischer Art) bezeichnet, die ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Es muss also ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der späteren Gesundheitsbeeinträchtigung bestehen. Nur anerkannte Unfallfolgen werden bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und somit für Leistungen wie die Verletztenrente berücksichtigt. Im konkreten Fall ging es darum, ob und in welchem Ausmaß die Schulterbeschwerden und möglicherweise weitere Beeinträchtigungen als dauerhafte Folgen des Sturzes von 2000 anzuerkennen sind.


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Berufsgenossenschaft (BG)

Die Berufsgenossenschaft (BG) ist in Deutschland ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Unternehmen und deren Beschäftigte aus bestimmten Wirtschaftszweigen (z. B. Handel, Bau, Industrie). Ihre Hauptaufgaben sind die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie die Entschädigung und Rehabilitation von Versicherten nach Eintritt eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall, Berufskrankheit). Sie finanziert sich aus Beiträgen der Unternehmen. Im beschriebenen Fall war die zuständige Berufsgenossenschaft die Beklagte, also die Behörde, gegen die der Kläger seine Ansprüche auf Verletztengeld und Verletztenrente durchsetzen musste.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 7 SGB VII (Versicherte und Versicherungsschutz): Dieser Paragraph definiert, wer in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist und unter welchen Bedingungen Versicherungsschutz besteht, insbesondere bei Arbeitsunfällen und Wegeunfällen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Es muss geprüft werden, ob der Unfall auf der Hausbaustelle der Schwester als versicherte Tätigkeit im Sinne des SGB VII gilt, um Ansprüche auf Verletztenrente zu begründen.
  • § 8 SGB VII (Arbeitsunfall): Dieser Paragraph legt fest, was ein Arbeitsunfall ist, nämlich ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer versicherten Tätigkeit erleidet. Dazu gehören auch bestimmte Tätigkeiten im privaten Bereich, wenn sie im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis stehen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die genaue Einordnung der Aufräumarbeiten auf der Hausbaustelle als „versicherte Tätigkeit“ ist entscheidend, um festzustellen, ob es sich um einen Arbeitsunfall handelt, der Leistungen der Unfallversicherung auslöst.
  • § 56 SGB VII (Verletztenrente): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen und den Umfang der Verletztenrente. Eine Verletztenrente wird gezahlt, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit um mindestens 20 Prozent gemindert ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht hat dem Kläger eine Verletztenrente zugesprochen, da es eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 Prozent festgestellt hat. Die Höhe der Rente bemisst sich nach dem Grad der MdE und dem Jahresarbeitsverdienst.
  • § 48 VwVfG (Widerruf und Rücknahme von Verwaltungsakten): Dieser Paragraph des Verwaltungsverfahrensgesetzes regelt, unter welchen Bedingungen ein rechtswidriger oder rechtmäßiger Verwaltungsakt von der Behörde zurückgenommen oder widerrufen werden kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl nicht direkt im Urteil erwähnt, ist das VwVfG relevant, da die Ablehnungsbescheide der Beklagten Verwaltungsakte darstellen. Das Widerspruchsverfahren ist ein förmliches Verwaltungsverfahren, das im VwVfG geregelt ist.
  • § 54 Abs. 2 SGG (Klagearten): Diese Vorschrift im Sozialgerichtsgesetz definiert die Anfechtungsklage, mit der die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt werden kann, sowie die Verpflichtungsklage, mit der die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes oder zur Vornahme einer anderen Leistung begehrt werden kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger hat gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten zunächst Widerspruch und dann Klage beim Sozialgericht und schließlich Berufung beim Landessozialgericht eingelegt, um seinen Anspruch auf Verletztenrente durchzusetzen. Dies sind typische Verfahrensschritte im sozialgerichtlichen Verfahren.
  • Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE): Die MdE ist ein zentraler Begriff im Sozialrecht und beschreibt den Grad der Beeinträchtigung der Fähigkeit eines Versicherten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Erwerbseinkommen zu erzielen, infolge eines Versicherungsfalls. Sie wird in Prozent angegeben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Höhe der Verletztenrente hängt maßgeblich von der festgestellten MdE ab. Das Gericht hat im vorliegenden Fall eine MdE von 50 Prozent festgestellt, was zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Verletztenrente führte.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Unfallgeschädigte mit Langzeitfolgen bei Ansprüchen gegen die Unfallversicherung

Ein Unfall, sei es bei der Arbeit oder wie hier bei privaten Hilfsarbeiten, kann auch Jahre später noch zu gesundheitlichen Problemen führen. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihre aktuellen Beschwerden eine Folge eines früheren Unfalls sind, ist es wichtig, Ihre Rechte zu kennen. Der Weg zur Anerkennung und Entschädigung kann lang sein, wie der geschilderte Fall zeigt.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.


Tipp 1: Lückenlose Dokumentation von Anfang an
Sammeln und bewahren Sie alle Unterlagen im Zusammenhang mit dem Unfall und Ihren gesundheitlichen Beschwerden sorgfältig auf. Dazu gehören der Unfallbericht, Arztbriefe, Krankschreibungen, Befunde, Gutachten und auch eigene Notizen zum Verlauf Ihrer Beschwerden. Je besser der Unfallhergang und die Entwicklung der gesundheitlichen Folgen dokumentiert sind, desto einfacher ist es später, den notwendigen Zusammenhang nachzuweisen.

Beispiel: Notieren Sie sich auch scheinbar unwichtige Arztbesuche oder Therapien, wenn sie im Zusammenhang mit den Unfallfolgen stehen könnten. Selbst wenn Sie sich wie der Kläger im Beispielfall nicht mehr exakt an den Unfall erinnern können, helfen alle anderen Belege.

⚠️ ACHTUNG: Fehlende oder lückenhafte Dokumentation erschwert den Nachweis erheblich, dass aktuelle Beschwerden tatsächlich auf den früheren Unfall zurückzuführen sind.


Tipp 2: Zusammenhang zwischen Unfall und Spätfolgen nachweisen
Die größte Hürde ist oft der Nachweis, dass Ihre heutigen gesundheitlichen Einschränkungen (z. B. Erwerbsminderung) eine direkte Folge des ursprünglichen Unfalls sind. Die Versicherung wird prüfen, ob nicht andere Ursachen (Alter, Vorerkrankungen) wahrscheinlicher sind. Hierfür sind oft medizinische Gutachten entscheidend.

⚠️ ACHTUNG: Bereiten Sie sich darauf vor, dass die Versicherung den Zusammenhang möglicherweise zunächst bestreitet. Hartnäckigkeit und gute medizinische Argumente sind hier entscheidend. Auch viele Jahre nach dem Unfall kann der Zusammenhang noch nachgewiesen werden, wie der Fall zeigt (Unfall 2000, Rentenzahlung ab 2020 basierend auf MdE 50).


Tipp 3: Bei Ablehnung nicht vorschnell aufgeben
Wenn die Unfallversicherung die Anerkennung weiterer Unfallfolgen oder eine höhere Rente ablehnt, ist das nicht das letzte Wort. Sie können gegen Bescheide Widerspruch einlegen und notfalls Klage beim Sozialgericht einreichen. Wie der Fall zeigt, kann auch ein Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen (hier: Sozialgericht und Landessozialgericht) erfolgreich sein, selbst wenn es Jahre dauert.

⚠️ ACHTUNG: Achten Sie unbedingt auf die Fristen für Widerspruch und Klage! Diese stehen im Bescheid der Versicherung. Werden Fristen versäumt, wird der Bescheid bestandskräftig und kann in der Regel nicht mehr angefochten werden.


Tipp 4: Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist entscheidend
Die Höhe einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung richtet sich nach dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Diese wird in Prozent ausgedrückt und durch ärztliche Gutachter festgestellt. Sie beschreibt, wie stark Ihre Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch die Unfallfolgen eingeschränkt ist. Im Beispielfall wurde die MdE gerichtlich auf 50 % festgesetzt.

⚠️ ACHTUNG: Eine Neubewertung der MdE kann auch lange nach dem Unfall erfolgen, wenn sich Spätfolgen zeigen oder verschlimmern. Es kann sich lohnen, eine Neubewertung zu beantragen, wenn sich Ihr Gesundheitszustand verschlechtert hat.


Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Im vorliegenden Fall war der Kläger zum Unfallzeitpunkt auf der Baustelle seiner Schwester tätig. Auch solche Tätigkeiten können unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen (z. B. als „Wie-Beschäftigter“). Die genauen Umstände der Tätigkeit sind hier entscheidend. Zudem ist zu beachten, dass auch eine bereits bezogene Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der Rentenversicherung (wie beim Kläger seit 2008) den Anspruch auf eine (höhere) Verletztenrente aus der Unfallversicherung nicht ausschließt. Beide Ansprüche können nebeneinander bestehen, werden aber ggf. miteinander verrechnet.

Checkliste: Ansprüche nach Unfall mit Spätfolgen

  • Ist der ursprüngliche Unfall der Unfallversicherung gemeldet worden?
  • Sind alle Arztbesuche, Diagnosen und Therapien seit dem Unfall dokumentiert?
  • Gibt es ärztliche Atteste oder Gutachten, die den Zusammenhang zwischen Unfall und aktuellen Beschwerden bestätigen?
  • Wurden alle Bescheide der Unfallversicherung fristgerecht geprüft und ggf. Widerspruch eingelegt?
  • Wurde geprüft, ob die festgesetzte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) noch aktuell ist?

Das vorliegende Urteil


Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Az.: L 14 U 172/18 – Urteil vom 16.12.2021


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