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Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 2 U 33/20 – Urteil vom 22.09.2021

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Kläger ist 1966 geboren und als Kraftfahrer beschäftigt. Am 20. September 2007 erlitt er auf dem Heimweg von der Arbeit einen Motorradunfall und zog sich hierbei eine Unterschenkelfraktur rechts zu. Mit Bescheiden vom 11. September 2008 und vom 16. Dezember 2008 erhielt der Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung für den Zeitraum vom 10. Juli 2008 bis 30. September 2008 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v.H.). Ein Anspruch auf Rente nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraumes bestehe nicht. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte die Beklagte eine endgradige Bewegungseinschränkung im rechten oberen und unteren Sprunggelenk, eine geringe Muskelminderung am rechten Bein, einliegende Metallteile und geringe Schwellung im ehemaligen Bruchbereich des rechten Unterschenkels an. Unfallunabhängig bestehe ein beidseitiger Knick-Senk-Fuß.

Im März 2016 erfolgte, nachdem bei dem Kläger Beschwerden am betroffenen Bein aufgetreten waren, eine vollständige Materialentfernung im B. Klinikum H.. Im neurologischen Befundbericht vom 17. Juni 2016 teilte der Facharzt für Neurologie Dr. G. zusammengefasst mit, dass es zu einer Schädigung des körperfernen oberflächlichen Astes des Peroneusnerven (Ramus superficialis des Nervus peroneus) rechts gekommen sei, wobei von einer iatrogenen Schädigung durch die Operation auszugehen sei. Die Prognose für eine Besserung der Missempfindungen sei auch auf der Grundlage der Mitteilungen des Patienten günstig. Ein neurochirurgischer Befundbericht des Dr. K. ergab im November 2016 eine uneingeschränkte Motorik am rechten Fuß, eine Angabe sensibler Defizite an den Zehen 3 und 4 rechts sowie ein druckempfindliches Areal  ventral des lateralen Hautschnitts.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Neurologe Prof. Dr. T. unter dem 21. November 2017 ein Gutachten und kam zu dem Ergebnis, die Verletzung des Nervus peroneus Ramus superficialis rechts begründe eine MdE um 15 v.H.. Es habe sich eine subkutane Verhärtung am rechten Unterschenkel gefunden, die verdächtig auf ein Neurinom hindeute, welches zu einschießenden neuropathischen Schmerzen im rechten Fußrücken bis in die Zehen 2 bis 4 führe.

Mit Bescheid vom 3. Januar 2018 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Unfallereignisses vom 20. September 2007 ab und bezog sich auf das Gutachten des Prof. Dr. T..

Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls
(Symbolfoto: riopatuca/Shutterstock.com)

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger das Vorliegen eines Schmerzsyndroms geltend. Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres Gutachten ein, welches am 29. Juli 2018 von Dr.  G1 und Dr. P. erstellt wurde. Diese kamen zu einer MdE von unter 10 v.H. auf neurologischem Fachgebiet. Unfallfolge sei eine in guter Stellung knöchern fest verheilte distale Unterschenkelfraktur rechts, eine reizfreie Narbenbildung rechter distaler Unterschenkel in geringer Ausprägung, eine Minderung des Kalksalzgehaltes im Bereich der distalen Tibia und Fibula sowie eine umschriebene geringe Umfangsvermehrung am distalen Unterschenkel rechts.

Unter dem 5. Oktober 2018 fertigte des Weiteren Dr. G. ein neurologisches Fachgutachten und kam zu dem Ergebnis, die MdE sei auf neurologischem Gebiet mit 10 v.H. einzuschätzen. Die im Gutachten von Prof. Dr. T. festgestellte MdE von 15 v.H. halte er nicht für begründet. Professor T. sei von einer kompletten Schädigung des gesamten oberflächlichen Astes des Wadenbeinnervs ausgegangen. Dies sei allerdings unzutreffend, weil Lähmungserscheinungen im Versorgungsgebiet des oberflächlichen Astes des Wadenbeinnervs nachweislich nicht vorlägen und auch durch Prof. Dr. T. im Gutachten nicht beschrieben worden seien. Die Schädigung betreffe lediglich einen sensiblen Endast des oberflächlichen Astes des Wadenbeinnervs. An sich werde eine solche Sensibilitätsstörung mit einer MdE von unter 10 v.H. bewertet, nur unter Berücksichtigung der dauerhaften Missempfindungen infolge der Nervenschädigung erscheine eine MdE um 10 v.H. gerechtfertigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2018 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers zurück. Eine rentenberechtigende MdE liege nicht vor, sodass ein Rentenanspruch nicht bestehe.

Hiergegen wendete sich der Kläger mit der am 8. Januar 2019 erhobenen Klage. Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Chirurgen und Fußchirurgen Z. eingeholt, der den Kläger am 16. März 2020 untersucht hat. Dort schilderte der Kläger seine Beschwerden wie folgt:

„Wenn ich irgendwo gegen stoße oder zum Beispiel ein Schlauch gegen mein Bein an einer bestimmten Stelle prallt, dann kribbelt der Fuß so stark, dass ich ihn für einige Zeit nicht aufsetzen kann. Ich bin schon aufgrund der Beschwerden gestürzt. Ich kann normal gehen und habe in der Bewegung keine Probleme. Einzig ich kann mich nicht hinknien. Es kommt beim Hinknien zu einem vermehrten Kribbeln in den Zehen. Stiefel kann ich nicht mehr tragen. Socken kann ich nur ganz weit unten tragen, die Socken kann ich nicht normal hochziehen. Es reicht schon das Abtrocknen mit einem Handtuch an der empfindlichen Stelle, dann kribbelt es vermehrt. Selbst beim Schwimmen nervt das Wasser nach einiger Zeit.“

Der Gutachter ist zu dem Ergebnis gekommen, beim Kläger liege ein knöchern ausgeheilter körperferner Unterschenkelbruch rechts mit einer Schädigung des sensiblen Endastes des oberflächlichen Astes des Wadenbeinnervs vor. Eine Funktionsbeeinträchtigung auf chirurgischem Fachgebiet habe nicht festgestellt werden können. Die Untersuchung des Klägers habe seitengleiche Bewegungsausmaße an allen Gelenken der unteren Extremitäten ergeben. Eine Muskelminderung am rechten Bein habe nicht festgestellt werden können. Eine Minderbeschwielung am rechten Fuß liege nicht vor. Die MdE sei auf chirurgischem Fachgebiet mit unter 10 v.H. einzuschätzen. Insgesamt sei eine MdE von 10 v.H. anzunehmen. Die Einschätzung von Prof. Dr. T. sei insoweit unzutreffend. Klinische Hinweise auf das Vorliegen eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms hätten sich nicht finden lassen.

Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2020 hat der Kläger mitgeteilt, er habe am 30. Juni 2020 eine Verstauchung/Zerrung des oberen Sprunggelenkes erlitten und einen Befundbericht des Krankenhauses Groß-Sand vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 2. September 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, auch nach der Materialentfernung im März 2016, bei der der Peroneusnerv rechts teilweise geschädigt worden sei, werde keine MdE in rentenberechtigendem Grade durch diese mittelbare Unfallfolge begründet. Keiner der im Verfahren gehörten Sachverständigen habe beim Kläger eine rentenberechtigende MdE aufgrund von Unfallfolgen feststellen können. Das Gericht gehe davon aus, dass die medizinischen Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Z. und die im Widerspruchsverfahren tätig gewordenen Gutachter Dr. G1, Dr.  P. und Dr. G. zutreffend seien, die eine MdE von 10 v.H. wegen der Unfallfolgen vorgeschlagen hätten. Auch nach den Ausführungen des Prof. Dr. T. bestehe indes kein Rentenanspruch, wobei aber dessen Feststellung einer MdE von 15 v.H. auch nicht zutreffend sei, denn der Kläger habe keine vollständige Nervenschädigung des Peroneusnervs erlitten. Ein eigenständiges Schmerzsyndrom oder ein Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) sei medizinisch nicht begründbar. Das Ereignis am 30. Juni 2020 sei ebenfalls nicht geeignet, einen Anspruch auf eine Rente zu begründen. Der Kläger habe eine Verstauchung/Zerrung erlitten, die offensichtlich nicht rentenrelevant sei.

Der Kläger hat gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 8. September 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 1. Oktober 2020 Berufung eingelegt, mit welcher er geltend macht, es gebe zahlreiche Hinweise zum Vorliegen eines Schmerzsyndroms. Es sei auch unzutreffend, dass das Ereignis vom 30. Juni 2020 nicht rentenberechtigend sei.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 2. September 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Eine Anforderung des Vorgangs zum Unfall am 30. Juni 2020 hat ergeben, dass der Kläger an diesem Tag mit dem lateralen Unterschenkel an einen festen Gegenstand gestoßen sei. Daraufhin seien Gefühlsstörungen des Beines, ein Gleichgewichtsverlust und ein Sturz über eine am Boden liegende Palette gefolgt. Diagnostiziert wurde ein Supinationstrauma (Überdehnung des außenseitigen Halteapparates des Sprunggelenkes, „Zerrung“). B.-liche Behandlung erfolgte bis 13. Juli 2020, Arbeitsunfähigkeit bestand bis 16. Juli 2020. Behandelt worden war der Kläger im Krankenhaus Groß-Sand, wo er sich im November 2020 erneut vorstellte und beklagte, die seit der Materialentfernung im Jahr 2016 bestehenden Kribbelparästhesien im Narbenbereich am lateralen Unterschenkel sowie am 3. und 4. Zeh rechts hätten zugenommen.

Durch Beschluss vom 3. Februar 2021 hat der Senat die Berufung der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 22. September 2021 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts, über die die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern an Stelle des Senats entscheiden konnte (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht und mit der zutreffenden Begründung, auf die nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage gemäß § 153 Abs. 2 SGG unter Absehen einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass keiner der medizinischen Sachverständigen zum Vorliegen einer rentenberechtigenden MdE gekommen ist, auch nicht der Gutachter Prof. Dr. T., der als einziger Sachverständiger vom Vorliegen eines Schmerzsyndroms im Sinne eines Neurinoms ausging. Bei dem Supinationstraume (Ereignis vom 13. Juli 2020) handelt es sich um ein Behandlungsleiden, welches innerhalb weniger Tage ausgeheilt war und keine verbleibenden Gesundheitsschäden verursacht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.

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