Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Arbeitsunfall: Komplexe rechtliche Fragen zur Verletztenrente
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Welche Voraussetzungen müssen für den Erhalt einer Verletztenrente erfüllt sein?
- Wie wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festgestellt und bewertet?
- Welche Rolle spielen medizinische Gutachten bei der Anerkennung von Unfallfolgen?
- Welche Schritte sind notwendig, um eine Verletztenrente zu beantragen?
- Welche Möglichkeiten gibt es, wenn der Antrag auf Verletztenrente abgelehnt wird?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Kläger begehrte die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente.
- Der Kläger erlitt während seiner Arbeit eine schwere Schnittwunde am rechten Handgelenk.
- Mehrere medizinische Eingriffe und Behandlungen folgten, darunter Sehnentransplantationen.
- Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Rente ab, da keine ausreichende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vorläge.
- Verschiedene Gutachter bewerteten die MdE unterschiedlich, mit Einschätzungen zwischen 10 und 20 Prozent.
- Das Sozialgericht wies die Klage des Klägers ab und stellte keine weiteren Unfallfolgen fest.
- Der Kläger legte Berufung ein und argumentierte, dass alle Einschränkungen auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien.
- Das Landessozialgericht änderte die Entscheidung teilweise und erkannte die Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk als Folge des Unfalls an.
- Die Berufung des Klägers wurde in anderen Punkten zurückgewiesen.
- Die Entscheidung des Gerichts hat Einfluss auf die Anerkennung von Unfallfolgen und die Bewertung der Erwerbsminderung, was für Betroffene relevant ist, die ähnliche Ansprüche geltend machen möchten.
Arbeitsunfall: Komplexe rechtliche Fragen zur Verletztenrente
Die Verletztenrente ist eine Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung, die Arbeitnehmern zusteht, die aufgrund eines Arbeitsunfalls dauerhaft gesundheitliche Schäden erlitten haben. Sie soll den Verdienstausfall kompensieren, der durch die Arbeitsunfähigkeit entsteht. Um eine Verletztenrente zu erhalten, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Zunächst muss ein Arbeitsunfall vorliegen. Das bedeutet, dass das Ereignis im Zusammenhang mit der Arbeit stattgefunden hat und zu einem Gesundheitsschaden geführt hat. Hierfür ist es unerheblich, ob der Unfall am Arbeitsplatz oder auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause stattgefunden hat. Liegt ein Arbeitsunfall vor, wird die Höhe der Verletztenrente vom Grad der gesundheitlichen Beeinträchtigung abhängig. Dieser Grad wird durch einen ärztlichen Gutachter festgelegt. Die Höhe der Verletztenrente orientiert sich am letzten Bruttoverdienst des Verletzten vor dem Unfall.
Im Folgenden wollen wir uns einem konkreten Fall ansehen, der zeigt, welche komplexen rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Verletztenrente relevant sind.
Ihr Arbeitsunfall hat zu dauerhaften Verletzungen geführt? Wir helfen Ihnen.
Sie haben einen Arbeitsunfall erlitten und sind mit den rechtlichen Folgen konfrontiert? Wir verstehen die Herausforderungen, die Sie durchmachen. Unsere Kanzlei verfügt über umfassende Erfahrung in der Vertretung von Mandanten in ähnlichen Fällen. Lassen Sie uns gemeinsam Ihre Ansprüche prüfen und eine individuelle Lösung finden. Kontaktieren Sie uns noch heute für eine unverbindliche Ersteinschätzung. Ihre Rechte sind uns wichtig.
Der Fall vor Gericht
Bewegungseinschränkung des Handgelenks als Unfallfolge bestätigt
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in einem Urteil vom 21.10.2021 die Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk eines Arbeitnehmers teilweise als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt. Der Kläger hatte sich bei einem Unfall am 26.01.2006 eine tiefe Schnittwunde am rechten Handgelenk zugezogen, die zu einer Durchtrennung der Strecksehnen des Mittel- und Ringfingers führte.
Komplexe Funktionsstörung nach Sehnentransplantation
Nach einer Sehnentransplantation entwickelte der Kläger eine komplexe dynamische Funktionsstörung der rechten Hand. Das Gericht stellte fest, dass es zu narbigen Verwachsungen und Verkürzungen der Sehnen und Muskulatur gekommen war. Daraus resultierte ein komplexes funktionelles Defizit mit eingeschränkter Streckung der Grundgelenke der Langfinger, insbesondere bei Streckung des Handgelenks.
Differenzierte Beurteilung der Unfallfolgen
Das Gericht folgte in seiner Entscheidung den Ausführungen des Sachverständigen V., der die Funktionsstörungen detailliert beschrieben hatte. Es erkannte an, dass die Bewegungseinschränkungen des Handgelenks überwiegend Folge der unfallbedingten Sehnenschädigung sind. Allerdings wurden degenerative Veränderungen im Daumensattelgelenk und im Bereich des Diskus articularis als unfallunabhängig eingestuft.
Keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit
Trotz der festgestellten unfallbedingten Funktionseinschränkungen sah das Gericht keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 Prozent als gegeben an. Bei der Beurteilung zog es Vergleichstabellen heran und berücksichtigte, dass die Einschränkungen des Klägers nicht so gravierend wie ein völliger Ausfall der Fingerstreckung oder der Verlust von Mittel- und Ringfinger sind.
Bedeutung für Arbeitnehmer nach Arbeitsunfällen
Das Urteil verdeutlicht die komplexe medizinische und rechtliche Beurteilung von Unfallfolgen in der gesetzlichen Unfallversicherung. Für Arbeitnehmer mit dauerhaften Gesundheitsschäden nach Arbeitsunfällen zeigt es, wie wichtig eine differenzierte Betrachtung der Funktionseinschränkungen ist. Auch wenn unfallbedingte Schädigungen anerkannt werden, führt dies nicht automatisch zu einem Rentenanspruch. Entscheidend ist das Ausmaß der Beeinträchtigung im Erwerbsleben, das anhand von Vergleichsfällen und Erfahrungswerten eingeschätzt wird.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht die Notwendigkeit einer differenzierten Beurteilung von Unfallfolgen in der gesetzlichen Unfallversicherung. Obwohl das Gericht die Bewegungseinschränkung im Handgelenk als Unfallfolge anerkannte, reichte dies nicht für eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit aus. Entscheidend ist das tatsächliche Ausmaß der Beeinträchtigung im Erwerbsleben, das anhand objektiver Kriterien und Vergleichsfälle bewertet wird. Dies unterstreicht die hohe Schwelle für Rentenansprüche nach Arbeitsunfällen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil verdeutlicht, wie komplex die Beurteilung von Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente sein können. Für Sie als Arbeitnehmer mit dauerhaften Gesundheitsschäden nach einem Arbeitsunfall ist es wichtig zu verstehen, dass nicht jede unfallbedingte Einschränkung automatisch zu einem Rentenanspruch führt. Entscheidend ist der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), der mindestens 20% betragen muss. Dabei werden Ihre Funktionseinschränkungen differenziert betrachtet und mit Vergleichsfällen abgewogen. Auch wenn bestimmte Folgen als unfallbedingt anerkannt werden, bedeutet dies nicht zwangsläufig eine rentenberechtigende MdE. Es ist ratsam, sich frühzeitig fachkundig beraten zu lassen und alle relevanten medizinischen Unterlagen sorgfältig zu dokumentieren, um Ihre Ansprüche bestmöglich geltend machen zu können.
FAQ – Häufige Fragen
Verletztenrente bei Arbeitsunfall – ein Thema, das viele Beschäftigte beschäftigt. Wie hoch ist die Rente bei einer Arbeitsunfähigkeit? Welche Ansprüche habe ich? Diese und viele weitere Fragen rund um die Verletztenrente bei Arbeitsunfall werden in unseren FAQs verständlich und übersichtlich beantwortet.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Welche Voraussetzungen müssen für den Erhalt einer Verletztenrente erfüllt sein?
- Wie wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festgestellt und bewertet?
- Welche Rolle spielen medizinische Gutachten bei der Anerkennung von Unfallfolgen?
- Welche Schritte sind notwendig, um eine Verletztenrente zu beantragen?
- Welche Möglichkeiten gibt es, wenn der Antrag auf Verletztenrente abgelehnt wird?
Welche Voraussetzungen müssen für den Erhalt einer Verletztenrente erfüllt sein?
Für den Erhalt einer Verletztenrente müssen mehrere rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss ein anerkannter Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegen. Dies bedeutet, dass der Unfall oder die Erkrankung in direktem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen muss. Die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse prüft diesen Zusammenhang sorgfältig.
Ein weiteres entscheidendes Kriterium ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Diese muss mindestens 20 Prozent betragen und über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus andauern. Bei landwirtschaftlichen Unternehmern liegt die Grenze bei 30 Prozent. Die MdE wird durch medizinische Gutachten festgestellt und bezieht sich auf die Auswirkungen der Unfallfolgen auf die Erwerbsfähigkeit im gesamten Erwerbsleben.
Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen müssen unfallbedingt sein. Es reicht nicht aus, dass nach einem Arbeitsunfall gesundheitliche Probleme auftreten. Vielmehr muss ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Gesundheitsstörungen nachgewiesen werden. Dies erfolgt in der Regel durch ärztliche Gutachten und die Auswertung der medizinischen Behandlungsunterlagen.
Wichtig ist auch der zeitliche Aspekt: Die Verletztenrente wird frühestens ab der 27. Woche nach dem Unfall gezahlt. In den ersten 26 Wochen erhalten Betroffene in der Regel Verletztengeld als Lohnersatzleistung.
Die Höhe der Verletztenrente richtet sich nach dem Jahresarbeitsverdienst des Versicherten vor dem Unfall und dem Grad der MdE. Bei einer vollständigen MdE von 100 Prozent beträgt die Rente zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei geringerer MdE wird die Rente entsprechend anteilig berechnet.
Für Schwerverletzte, also Personen mit einer MdE von mindestens 50 Prozent, kann unter bestimmten Voraussetzungen eine zusätzliche Schwerverletztenzulage in Höhe von 10 Prozent der Verletztenrente gewährt werden.
Es ist zu beachten, dass die Verletztenrente nicht automatisch dauerhaft gewährt wird. Die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind. Bei einer Verbesserung des Gesundheitszustandes kann die Rente angepasst oder eingestellt werden.
Der Antrag auf Verletztenrente muss nicht gesondert gestellt werden. Die Prüfung erfolgt in der Regel von Amts wegen durch den zuständigen Unfallversicherungsträger im Rahmen der Unfallsachbearbeitung. Dennoch ist es ratsam, aktiv mit der Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse zu kommunizieren und alle relevanten medizinischen Unterlagen zeitnah einzureichen.
Wie wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festgestellt und bewertet?
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist ein zentrales Konzept in der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie beschreibt, wie stark die Fähigkeit einer Person, ihre Arbeitskraft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verwerten, durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit beeinträchtigt wurde.
Die Feststellung der MdE erfolgt in einem mehrstufigen Prozess. Zunächst wird ein ärztliches Gutachten erstellt, das die unfallbedingten Gesundheitsschäden und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit detailliert dokumentiert. Der Gutachter untersucht den Versicherten eingehend und wertet alle vorliegenden medizinischen Unterlagen aus. Dabei geht es nicht um die Diagnose an sich, sondern um die daraus resultierenden funktionellen Einbußen.
Bei der Bewertung der MdE orientieren sich die Gutachter an Erfahrungswerten, die sich über die Zeit herausgebildet haben. Diese sind in speziellen Tabellen und Richtlinien zusammengefasst, wie etwa den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“. Sie dienen als Orientierungshilfe, um eine einheitliche Beurteilung ähnlicher Gesundheitsschäden zu gewährleisten.
Die MdE wird in Prozent ausgedrückt, wobei 100% einer vollständigen Erwerbsunfähigkeit entsprechen. Wichtig ist, dass nicht die konkrete berufliche Tätigkeit des Versicherten maßgeblich ist, sondern seine Leistungsfähigkeit auf dem gesamten Arbeitsmarkt. Ein Pianist mit einer Fingerverletzung kann also durchaus eine niedrigere MdE haben als jemand mit einer vergleichbaren Verletzung in einem anderen Beruf.
Bei der Bewertung werden auch Hilfsmittel und Prothesen berücksichtigt. Die MdE wird nach der bestmöglichen Versorgung mit Hilfsmitteln festgestellt. Dies kann dazu führen, dass die tatsächliche Beeinträchtigung im Alltag höher ist als die festgestellte MdE.
Wenn mehrere Körperteile oder Organe geschädigt wurden, wird nicht einfach die Summe der Einzelwerte gebildet. Stattdessen erfolgt eine Gesamtbetrachtung der Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit. Die Gesamt-MdE liegt in der Regel unter dem Additionswert der Einzelschäden.
Der Unfallversicherungsträger prüft das ärztliche Gutachten und legt auf dieser Grundlage die MdE fest. Ab einer MdE von 20% besteht grundsätzlich ein Anspruch auf eine Rente. Die Höhe der Rente richtet sich nach dem Grad der MdE und dem Jahresarbeitsverdienst vor dem Unfall.
Es ist zu beachten, dass die MdE-Bewertung regelmäßig überprüft und angepasst werden kann. Bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustands – sei es eine Verbesserung oder Verschlechterung – kann eine Neufeststellung der MdE erfolgen.
Die MdE-Feststellung ist ein komplexer Prozess, der medizinisches Fachwissen mit rechtlichen Vorgaben verbindet. Ziel ist es, die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit möglichst objektiv und gerecht zu bewerten, um eine angemessene Entschädigung für die Unfallfolgen zu gewährleisten.
Welche Rolle spielen medizinische Gutachten bei der Anerkennung von Unfallfolgen?
Medizinische Gutachten spielen eine zentrale Rolle bei der Anerkennung von Unfallfolgen. Sie dienen als wesentliche Grundlage für die Entscheidung über Leistungen nach Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und bei Berufskrankheiten. Die Unfallversicherungsträger benötigen diese Gutachten als wichtige Beweismittel bei der Sachverhaltsaufklärung.
Die Erstellung eines medizinischen Gutachtens erfolgt durch unparteiische, unabhängige und fachlich geeignete Gutachterinnen und Gutachter. Diese müssen über die erforderliche räumliche und personelle Ausstattung verfügen, um notwendige Untersuchungen durchführen zu können. Es ist von großer Bedeutung, dass die Gutachter mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und den rechtlichen Grundlagen der gesetzlichen Unfallversicherung vertraut sind.
Die Aufgabe der Sachverständigen besteht darin, medizinische Befunde zu erheben und diese unter Berücksichtigung aller zugänglich gemachten Informationen auf der Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse und ärztlichen Erfahrungswissens zu bewerten. Dies ermöglicht dem Unfallversicherungsträger eine Entscheidung in rechtlich erheblichen Fragen. Die Tätigkeit als Gutachter beinhaltet somit eine hohe Verantwortung und hat eine besondere soziale Bedeutung.
Bei der Erstellung eines Gutachtens müssen die Gutachter verschiedene Kriterien berücksichtigen. Dazu gehört insbesondere die Prüfung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Körperschaden. Ebenso wichtig ist die Beurteilung der Verletzungsfolgen, die nach der Rehabilitation dauerhaft verblieben sind. Die Gutachter müssen eine klare Abgrenzung zu Gesundheitsschäden vornehmen, die bereits vor dem Unfall bestanden haben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Der Grad der MdE ist von besonderer Bedeutung, da ab einem Wert von 20% eine laufende Versichertenrente von der gesetzlichen Unfallversicherung gezahlt wird. Die Gutachter sollen den Ist-Zustand bewerten und den Grad der MdE einschätzen, wobei die endgültige Entscheidung über die Bemessung der MdE beim Unfallversicherungsträger liegt.
Die Ergebnisse der medizinischen Gutachten haben einen erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Unfallversicherungsträger. Allerdings darf kein Gutachten ungeprüft übernommen werden. Der Unfallversicherungsträger muss jedes Gutachten im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend auswerten und auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit überprüfen. Bei Zweifeln an der Schlüssigkeit können weitere Maßnahmen ergriffen werden, wie beispielsweise Rückfragen beim Gutachter oder die Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nach Aktenlage.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Versicherten an der Auswahl der Gutachter beteiligt werden. Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages sollen den Versicherten mehrere geeignete Gutachter zur Auswahl benannt werden. Darüber hinaus können Versicherte auch selbst einen geeigneten Gutachter vorschlagen, der nur aus wichtigen Gründen abgelehnt werden kann.
Die Qualität der medizinischen Gutachten ist von entscheidender Bedeutung für den gesamten Prozess der Anerkennung von Unfallfolgen. Aus diesem Grund bieten die Spitzenverbände, Landesverbände und einzelnen Unfallversicherungsträger Gutachterschulungen, Fortbildungsveranstaltungen und Qualitätszirkel an. Diese Maßnahmen dienen dazu, die Expertise der Gutachter kontinuierlich zu verbessern und die Qualität der Begutachtung sicherzustellen.
Welche Schritte sind notwendig, um eine Verletztenrente zu beantragen?
Um eine Verletztenrente zu beantragen, sind mehrere Schritte erforderlich. Der Prozess beginnt mit der Meldung des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit beim zuständigen Unfallversicherungsträger, in der Regel die Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse. Diese Meldung sollte unverzüglich nach dem Vorfall erfolgen.
Nach der Meldung leitet der Unfallversicherungsträger ein Feststellungsverfahren ein. In diesem Rahmen wird ein ärztliches Gutachten zur Ermittlung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) angeordnet. Die MdE muss mindestens 20 Prozent betragen und länger als 26 Wochen andauern, damit ein Anspruch auf Verletztenrente besteht.
Parallel dazu sollten Betroffene alle relevanten medizinischen Unterlagen sammeln, die den Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall oder der Berufskrankheit und der gesundheitlichen Beeinträchtigung belegen. Dazu gehören Arztberichte, Befunde und Behandlungsdokumentationen.
Der nächste Schritt ist die Einreichung des Rentenantrags. Dieser wird in der Regel vom Unfallversicherungsträger zur Verfügung gestellt und muss vollständig ausgefüllt werden. Dabei sind genaue Angaben zum Unfallhergang, zur beruflichen Tätigkeit und zum Gesundheitszustand vor und nach dem Unfall wichtig.
Zusätzlich zum Antrag müssen Nachweise über den Jahresarbeitsverdienst der letzten zwölf Monate vor dem Versicherungsfall eingereicht werden. Diese Informationen sind für die Berechnung der Rentenhöhe erforderlich, da die Verletztenrente zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes bei vollständiger MdE beträgt.
Bei der Antragstellung ist es ratsam, alle verfügbaren Unterlagen beizufügen, die den Anspruch untermauern können. Dazu zählen neben den medizinischen Dokumenten auch Zeugenaussagen zum Unfallhergang oder Bescheinigungen des Arbeitgebers.
Nach Eingang des Antrags und aller Unterlagen prüft der Unfallversicherungsträger den Fall. Dabei kann es zu weiteren medizinischen Untersuchungen oder der Anforderung ergänzender Informationen kommen. Es ist wichtig, in dieser Phase kooperativ zu sein und alle Anfragen zügig zu beantworten.
Die Entscheidung über den Rentenantrag wird dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt. Bei einer Bewilligung enthält der Bescheid Informationen zur Höhe der Rente und zum Beginn der Zahlungen. Im Falle einer Ablehnung besteht die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Die Frist hierfür beträgt in der Regel einen Monat nach Zugang des Bescheids.
Es ist zu beachten, dass der gesamte Prozess einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Von der Antragstellung bis zur Entscheidung können mehrere Monate vergehen, abhängig von der Komplexität des Falls und der Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen.
Welche Möglichkeiten gibt es, wenn der Antrag auf Verletztenrente abgelehnt wird?
Bei Ablehnung eines Antrags auf Verletztenrente stehen dem Betroffenen mehrere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um gegen diese Entscheidung vorzugehen.
Der erste Schritt ist in der Regel das Einlegen eines Widerspruchs. Hierfür gilt eine Frist von einem Monat nach Zugang des Ablehnungsbescheids. Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen und sollte die Versicherungsnummer, den Namen und die Anschrift des Versicherungsträgers sowie das Datum des Bescheids enthalten. Eine ausführliche Begründung des Widerspruchs ist ratsam, um die eigene Position darzulegen.
Nach Eingang des Widerspruchs prüft die Berufsgenossenschaft den Fall erneut. Dabei wird der Sachverhalt nochmals untersucht und es können weitere medizinische Gutachten eingeholt werden. Kommt die Berufsgenossenschaft zu dem Schluss, dass der Widerspruch begründet ist, wird ein sogenannter Abhilfebescheid erlassen und die ursprüngliche Entscheidung korrigiert.
Hält die Berufsgenossenschaft jedoch an ihrer Ablehnung fest, geht der Fall an die Zentrale Widerspruchsstelle. Dort prüft ein Ausschuss, bestehend aus Vertretern der Rentenversicherung, der Versicherten und der Arbeitgeber, den Widerspruch erneut. Dieser Ausschuss kann die Entscheidung der Verwaltung mit Stimmenmehrheit aufheben oder bei strittigen Fällen weitere Untersuchungen anordnen.
Bleibt auch nach diesem Verfahren die Ablehnung bestehen, steht dem Betroffenen der Klageweg offen. Die Klage muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids beim zuständigen Sozialgericht eingereicht werden. Es ist wichtig zu wissen, dass für den Kläger in sozialgerichtlichen Verfahren keine Gerichtskosten anfallen, unabhängig vom Ausgang des Prozesses.
Vor dem Sozialgericht besteht kein Anwaltszwang, das heißt, der Kläger kann sich selbst vertreten. Aufgrund der Komplexität der Materie kann es jedoch sinnvoll sein, einen auf Sozialrecht spezialisierten Anwalt hinzuzuziehen. Die Kosten für den Anwalt werden vom Unfallversicherungsträger nur dann erstattet, wenn der Kläger den Prozess gewinnt.
Sollte das Urteil des Sozialgerichts nicht zufriedenstellend sein, besteht die Möglichkeit, in Berufung zu gehen. Die nächste Instanz ist dann das Landessozialgericht. In besonders schwerwiegenden Fällen kann der Rechtsstreit sogar bis zum Bundessozialgericht gehen, der höchsten Instanz in Angelegenheiten der Sozialversicherung.
Es ist zu beachten, dass bei jedem Schritt des Verfahrens die Erfolgsaussichten sorgfältig abgewogen werden sollten. Statistiken zeigen, dass etwa jede vierte Klage vor den Sozialgerichten zumindest teilweise erfolgreich ist. Dies unterstreicht, dass es sich durchaus lohnen kann, gegen eine Ablehnung vorzugehen.
Während des gesamten Prozesses ist es wichtig, alle Fristen genau einzuhalten und die eigene Position so gut wie möglich zu dokumentieren. Dazu gehört das Sammeln aller relevanten medizinischen Unterlagen, Gutachten und sonstiger Beweise, die den Anspruch auf eine Verletztenrente untermauern können.
In komplexen Fällen oder bei Unsicherheiten bezüglich des Verfahrens kann es hilfreich sein, sich an Sozialverbände oder Gewerkschaften zu wenden. Diese Organisationen bieten oft kostenlose Beratung und Unterstützung bei der Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE): Die MdE ist ein zentraler Begriff in der gesetzlichen Unfallversicherung und gibt an, in welchem Maße die Erwerbsfähigkeit einer Person durch einen Unfall gemindert ist. Sie wird in Prozent angegeben und beeinflusst die Höhe der Verletztenrente. Eine MdE von mindestens 20% ist erforderlich, um Anspruch auf eine Rente zu haben. Im vorliegenden Fall wurde die MdE des Klägers auf unter 20% geschätzt, wodurch kein Anspruch auf eine Verletztenrente bestand.
- Arbeitsunfall: Ein Arbeitsunfall ist ein zeitlich begrenztes, plötzliches Ereignis, das von außen auf den Körper einwirkt und zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Der Unfall muss im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Dies kann sowohl am Arbeitsplatz als auch auf dem Weg zur oder von der Arbeit geschehen. Im vorliegenden Fall wurde die Schnittverletzung am Handgelenk als Arbeitsunfall anerkannt.
- Verletztenrente: Die Verletztenrente ist eine Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung, die bei dauerhaften Gesundheitsschäden nach einem Arbeitsunfall gezahlt wird. Sie dient dazu, den Verdienstausfall zu kompensieren. Die Höhe der Rente hängt vom Grad der MdE und dem letzten Bruttoverdienst ab. Um eine Verletztenrente zu erhalten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, darunter eine MdE von mindestens 20%.
- Gutachten: Ein Gutachten ist eine schriftliche Ausarbeitung eines Experten, oft eines Arztes, der die gesundheitlichen Folgen eines Unfalls bewertet. In der gesetzlichen Unfallversicherung ist das Gutachten entscheidend für die Feststellung der MdE und somit für den Anspruch auf Leistungen wie die Verletztenrente. Das Gericht stützt seine Entscheidungen häufig auf solche Gutachten.
- Sehnentransplantation: Eine Sehnentransplantation ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem beschädigte Sehnen durch andere Sehnen ersetzt werden, um die Funktion der Hand wiederherzustellen. Diese Operation kann notwendig sein, wenn Sehnen durchtrennt wurden, wie im vorliegenden Fall. Nach der Operation können Komplikationen wie narbige Verwachsungen und Sehnenverkürzungen auftreten, die zu Bewegungseinschränkungen führen.
- Degenerative Veränderungen: Degenerative Veränderungen sind alters- oder belastungsbedingte Abnutzungserscheinungen im Körper, die nicht durch einen Unfall verursacht wurden. Im Zusammenhang mit der gesetzlichen Unfallversicherung ist es wichtig zu unterscheiden, welche Beschwerden unfallbedingt sind und welche auf degenerative Veränderungen zurückzuführen sind. Im vorliegenden Fall wurden bestimmte Einschränkungen als unfallunabhängig eingestuft.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 56 Abs. 1 SGB VII (Gesetzliche Unfallversicherung – MdE): Die MdE ist der wichtigste Faktor bei der Bestimmung des Rentenanspruchs nach einem Arbeitsunfall. Sie gibt an, inwieweit die Erwerbsfähigkeit einer Person durch den Unfall gemindert ist. Im vorliegenden Fall wurde die MdE vom Gericht auf unter 20% geschätzt, was dazu führte, dass kein Anspruch auf eine Verletztenrente bestand.
- § 8 Abs. 1 SGB VII (Gesetzliche Unfallversicherung – Arbeitsunfall): Dieser Paragraph definiert den Begriff des Arbeitsunfalls. Er legt fest, dass ein Arbeitsunfall ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis sein muss, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt und sich in Verbindung mit der versicherten Tätigkeit ereignet. Im vorliegenden Fall wurde die Schnittwunde am Handgelenk als Arbeitsunfall anerkannt.
- § 27 Abs. 1 SGB VII (Gesetzliche Unfallversicherung – Leistungen): Dieser Paragraph regelt die verschiedenen Leistungen, die ein Versicherter nach einem Arbeitsunfall beanspruchen kann. Dazu gehören unter anderem Heilbehandlung, Verletztengeld und Verletztenrente. Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob der Kläger Anspruch auf eine Verletztenrente hat.
- § 55 Abs. 1 SGB VII (Gesetzliche Unfallversicherung – Gesundheitsschaden): Dieser Paragraph definiert den Begriff des Gesundheitsschadens, der eine wesentliche Voraussetzung für den Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist. Ein Gesundheitsschaden ist eine Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit, die durch einen Arbeitsunfall verursacht wurde. Im vorliegenden Fall wurden die Bewegungseinschränkungen im Handgelenk als Gesundheitsschaden anerkannt.
- § 3 Abs. 1 SGB VII (Gesetzliche Unfallversicherung – Versicherte Personen): Dieser Paragraph legt fest, welche Personen in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert sind. In der Regel sind dies alle Arbeitnehmer, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Im vorliegenden Fall war der Kläger als Arbeitnehmer versichert und hatte daher Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Das vorliegende Urteil
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Az.: L 14 U 146/17 – Urteil vom 21.10.2021
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 24. April 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2015 geändert.
Über die im Bescheid vom 18. Dezember 2014 festgestellten Folgen des Versicherungsfalles hinaus, wird auch die Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk soweit sie auf der Verdickung im Bereich des Retinaculum sowie auf der tenogenen Kontraktur und der vermehrten Spannung der Strecksehnen beruht, als Folge des Versicherungsfalles festgestellt.
Darüber hinaus wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen. Darüber hinaus sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung weiterer Unfallfolgen sowie die Gewährung einer Verletztenrente.
Der Kläger erlitt während seiner Tätigkeit als Zuschneider für die Firma H., am 26. Januar 2006 eine ca. 7 cm lange, über das rechte Handgelenk dorsal quer verlaufende tiefe Schnittwunde. Zum Unfallzeitpunkt holte der Kläger mit einer Sauganlage ein Blatt Glas, mit der rechten Hand hielt er das Blatt und mit der linken Hand bediente er die Steuerung des Krans. Es kam zu einem Ruck des Blattes am Sauger, wodurch der Kläger mit der rechten Hand gegen eine andere Ladung fiel (Unfallanzeige der H. vom 31. Januar 2006). Der Durchgangsarzt Dr. I. beschrieb, dass die Streckung der Finger III und IV nicht möglich war. Die Sensibilität war intakt. Er stellte die Erstdiagnose Strecksehnenverletzung der Finger III und IV rechts. Es erfolgte eine sofortige ambulante Operation.
Nachdem die Heilung stagnierte, war zunächst vorgesehen, eine Tenolyse (Lösung von Verwachsungen zur Wiederherstellung ihrer Gleitfunktion) bei einer angenommenen Adhäsion des Streckapparates im ehemaligen Wundbereich vorzunehmen. Intraoperativ zeigte sich jedoch eine Rerupturierung, sodass am 14. Juni 2006 eine Sehnenstransplantation vorgenommen wurde (Arztbrief Dr. J. vom 22. Juni 2006). Ab 1. November 2006 bestand wieder Arbeitsfähigkeit (Durchgangsarztbericht Dr. K. vom 31. Oktober 2006). Mit Schreiben vom 13. Dezember 2006 teilte die zunächst zuständige Berufsgenossenschaft (Großhandels-und Lagerei-Berufsgenossenschaft-GroLaBG) dem Kläger mit, dass er ab dem 1. November 2006 wieder arbeitsfähig sei. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit liege laut Mitteilung des Arztes bislang nicht vor. Eine Begutachtung werde nicht veranlasst.
Der Kläger stellte sich erneut am 31. Mai 2007 bei dem Arzt Dr. K. vor und erhielt Krankengymnastik. Eine weitere Vorstellung erfolgte dort am 17. Juni 2010 wegen zunehmender Beschwerden. Nach Übernahme des Versicherungsfalles durch die VBG holte diese zunächst einen handchirurgischen Bericht von Dr. J. ein; ein MRT vom 7. Oktober 2010 wurde veranlasst. Dr. K. verordnete ausweislich des Durchgangsarztberichtes vom 24. Februar 2011 erneut Krankengymnastik und die Beklagte holte eine fachchirurgische Stellungnahme der Dres. L., M. (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik N., Klinik für Handchirurgie) vom 24. März 2011 ein. Diagnostiziert wurden eine Schnittverletzung des rechten Handrückens mit Durchtrennung der Strecksehnen D3 und D4, nachfolgend Sehnenstransplantation (Arbeitsunfall vom 26. Januar 2006), sowie ein Reizerguss mit lokaler Synovitis des distalen Radioulnargelenkes sowie Verdacht auf eine degenerative Läsion des Diskus Triangularis (unfallunabhängige Veränderung). Die degenerativen Veränderungen mit Reizerguss seien wahrscheinlich auch überwiegend als Ursache der etwas eingeschränkten Handgelenksbeweglichkeit zu sehen.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2014 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine neue Begutachtung und stellte einen „Verschlimmerungsantrag“. Die Schmerzen an der rechten Hand würden immer schlimmer. Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten der Dres.
O., P., Q., R. -Kliniken, Klinik für Unfall-, Hand-und Wiederherstellungschirurgie vom 29. Oktober 2014 ein. Die Klagen und Befunde stünden in Übereinstimmung. Die MdE betrage vom 12. August 2014 bis 12. August 2015 und längstens bis zur Beendigung des 3. Jahres nach dem Unfall ebenfalls 10 vom Hundert.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente für den Versicherungsfall vom 26. Januar 2006 ab, da eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht vorliege. Als Folgen des Versicherungsfalles wurden anerkannt: Inkompletter Faustschluss der rechten Hand, Bewegungseinschränkung der Langfinger rechts, insbesondere bei der Streckung des Mittel-, Ring- und Kleinfingers sowie Schwellneigung der Langfinger der rechten Hand nach mittels Sehnentransplantat operativ zweifach versorgter Schnittverletzung mit Durchtrennung der Strecksehnen des Mittel- und Ringfingers der rechten Hand. Nicht anerkannt, weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung, wurden: Bewegungseinschränkung und Belastungsbeschwerden im rechten Handgelenk und des rechten Daumens bei MRT- diagnostisch bzw. radiologisch bereits in 2011 nachgewiesenen degenerativen Veränderungen im Bereich der Speichengelenkfläche des Diskus triangularis am rechten Handgelenk sowie im Bereich des Daumensattelgelenkes und der Handwurzel rechts (STT-Gelenk). Den Widerspruch mit Schriftsatz vom 22. Januar 2015 wies die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2015 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 17. April 2015 Klage vor dem Sozialgericht Osnabrück erhoben. Der Kläger hat ausgeführt, dass eine erhebliche Verschlechterung eingetreten sei. Die Erwerbsfähigkeit sei erheblich eingeschränkt. Alle Einschränkungen der rechten Hand seien auf den Unfall zurückzuführen. Es bestehe auch eine Nervenschädigung der rechten Hand. Darüber hinaus leide er auch in psychologischer Hinsicht unter den Folgen des Arbeitsunfalls und der damit verbundenen Einschränkungen. Seine Greiffunktion der rechten Hand sei aufgrund des Unfalls eingeschränkt. Die eingeschränkte Gleitfähigkeit der Sehnen sei auf die Transplantation zurückzuführen. Da eine MdE von 20 vorliege, habe er einen Anspruch auf die Gewährung einer Rente.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass ein Nervenschaden nicht belegt sei und auch Anhaltspunkte für eine unfallbedingte psychische Schädigung nicht bestünden. Sie hat die beratungsärztliche handchirurgische Stellungnahme des Dr. S. vom 27. Dezember 2016 zur Gerichtsakte gereicht. Dieser hat ausgeführt, dass eine MdE von 20 nicht zu rechtfertigen sei. Als Vergleich sei der vollständige Verlust des Mittel- und Ringfingers im Grundgelenk heranzuziehen, der mit einer MdE von 20 bewertet werde. Die funktionellen Einschränkungen beim Versicherten seien nicht so hoch, da bei einem Verlust sowohl der Grobgriff als auch der Feingriff deutlich mehr eingeschränkt sei, als bei dem Kläger. Eine MdE von 10 halte er für angemessen.
Das Gericht hat von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden Dr. T. vom 28. Oktober 2015 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 3. Februar 2016 und auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 SGG des Chirurgen Dr. U. vom 1. Dezember 2016 eingeholt.
Dr. T. hat das Verschleißleiden mit Bewegungseinschränkung und Belastungsbeschwerden im rechten Handgelenk und des rechten Daumens bei degenerativen Veränderungen im Bereich der Speichengelenksfläche des Diskus triangularis am rechten Handgelenk, im Bereich des Daumensattelgelenkes und der Handwurzel (STT-Gelenk) mit anteiliger Bewegungs- und Belastungseinschränkung sowie anteiliger Schwellneigung als unfallunabhängige Gesundheitsstörungen eingestuft. Die MdE für die von der Beklagten festgestellten unfallabhängigen Gesundheitsstörungen sei temporär und auf Dauer mit 10 v. H. zu bewerten. Der Kläger sei bessergestellt als bei einem Unterarmbruch mit Einschränkung der Beweglichkeit um 40° und auch bessergestellt als im Rahmen einer Versteifung. Daumen und Zeigefinger als die wichtigsten Finger seien nicht betroffen. Unter Berücksichtigung der Funktionseinschränkung und auch der feinmotorischen Störungen in Verbindung mit Belastungsminderung und Kraftlosigkeit lasse sich eine MdE von 10 v. H. rechtfertigen. Eine tiefgreifende Funktionsstörung und eine Störung der komplexen Handbewegung seien nicht gegeben. Das geringe Streckdefizit bei Faustschluss rechtfertige keine höhere MdE Einschätzung.
Dr. U. hat ausgeführt, dass er mit Herrn L. übereinstimme, der beschriebene Schaden des Diskus sei sicher als degenerativ und unfallunabhängig zu werten. Die Einschränkungen im rechten Handgelenk führe er allerdings auf die eingeschränkte Gleitfähigkeit der Sehnen/Transplantat-Narbe zurück. Er stimme überein mit der Einschätzung der MdE mit 20 v. H. bis zum Tag vor der Begutachtung. Die MdE verbleibe aber auch weiterhin in dieser Höhe. Eine deutliche Arthrose im Sattelgelenk und STT Gelenk sehe er allerdings nur auf den Röntgenbildern der linken Hand.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. April 2017 abgewiesen und ausgeführt, dass keine weiteren Unfallfolgen hinzugetreten seien, dies habe Dr. T. nachvollziehbar dargelegt. Weiterhin ergäben sich auch keine Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischen Gebiet. Darüber hinaus seien nicht alle an der rechten Hand des Klägers bestehenden Gesundheitsstörungen als unfallbedingt einzuordnen. Wegen der Unfallfolgen habe der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente. Denn die Unfallfolgen seien nicht mit einem rentenberechtigenden Grad, also mindestens 20 vom Hundert zu bemessen. Dieser Einschätzung habe sich auch der auf Antrag des Klägers gehörte Dr. U. angeschlossen.
Gegen den dem Kläger am 8. Mai 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 8. Juni 2017 Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft seinen Vortrag und stellt dar, dass die funktionellen Einschränkungen an der rechten Hand höher als mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten seien. Entgegen den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts habe Dr. U. eine MdE von 20 v.H. gerade nicht abgelehnt, sondern bestätigt. Das Gericht habe damit das Gutachtenergebnis des Dr. U. gar nicht zur Kenntnis genommen. Er ist zudem der Auffassung, dass Herr V. seine Fragen nicht hinreichend beantwortet habe.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 24. April 2017 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2015 abzuändern,
2. festzustellen, dass sämtliche Gesundheitsstörungen an der rechten Hand des Klägers Folge des Arbeitsunfalles vom 26. Januar 2006 sind
3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Beschwerden des Klägers im Bereich der rechten Hand nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. T. aber auch des Dr. L. degenerativer Natur und nicht kausal im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien. Die unfallbedingten Beschwerden würden eine nicht rentenberechtigenden MdE von 10 v. H. rechtfertigen. Das Gutachten des Dr. U. hingegen sei nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus hat die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. W. vom 21. Mai 2019 zur Gerichtsakte gereicht. Ein Vergleich mit der Amputation der Langfinger 3/4, die glücklicherweise nicht vorliege, ergebe, dass eine MdE von 20 v. H. nicht gegeben sei, da die rechte Hand des Klägers weniger betroffen sei als bei einer Amputation dieser Finger.
Das Gericht hat die Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie X.
A. vom 16. April 2019 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 30. Juli 2019 und des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie V. vom 6. Januar 2020 samt dessen ergänzender Stellungnahme vom 19. März 2020 eingeholt.
Der Sachverständige A. hat ausgeführt, dass sich die Handgelenksbeschwerden durch die ausgedehnte operative Behandlung und der nach diesen Eingriffen vorübergehend notwendigen Ruhigstellung von Hand und Fingern erklären würden, sodass anzunehmen sei, dass diese auch auf dem Unfall vom 26. Januar 2006 beruhen. Da die konzentrische Bewegungseinschränkung des Handgelenks relevante Funktionsstörungen begründe, sei die unfallbedingt vorliegende Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 20 v. H. ab der Untersuchung durch Dr. T. (20. Oktober 2015) einzuschätzen.
Der Sachverständige V. hat ausgeführt, dass die Handgelenksbewegung rechts eingeschränkt vorgetragen worden sei, wobei das Strecken im Handgelenk passiv nahezu frei sei. Beim passiven Beugen des Handgelenkes komme es darauf an, ob man die Finger strecke, dann sei die Bewegung nahezu frei, seien die Finger gebeugt, sei die Bewegung eingeschränkt. Dies deute auf eine gewisse tenogene Kontraktur also eine erhöhte Sehnenspannung hin. Die Hohlhandbeschwielung sei seitengleich ausgeprägt. Bei den Fingerbewegungen könne ein regelrechtes Gleitverhalten der Sehnen im Unterarmbereich und im Handgelenksbereich getastet werden, die Muskulatur sei durchaus kräftig entwickelt. Der Faustschluss der rechten Hand werde unvollständig vorgetragen mit einem Fingerkuppenhandabstand von jeweils 3 cm. Werde das Handgelenk leicht gestreckt, können alle Finger vollständig in die Hohlhand eingeschlagen werden. Bei Normalstellung liege eine Streckhemmung der Langfinger zwischen 5 und 7 cm vor. Ursache sei eine Streckhemmung der Langfinger in den Grundgelenken. Bei maximaler Streckung des Handgelenkes, die passiv bis 60° möglich sei, verbleibe ein Streckdefizit in den Grundgelenken rechts von 60°, links von 30°, d. h. bei diesem Test könne ein Seitenunterschied der Streckmöglichkeiten der Langfinger in den Grundgelenken nachgewiesen werden. Werde das Handgelenk vollständig passiv gebeugt, was unter Entlastung der Finger ebenfalls bis fast 60° möglich sei, können die Grundgelenke rechts voll gestreckt werden, links 10° überstreckt werden. Folge der Sehnentransplantation sei eine leichte Insuffizienz der Streckfähigkeit aller Strecksehnen, am stärksten ausgeprägt für den Mittelfinger und Ringfinger. Die Sehnenstransplantation habe zu einer verminderten Gleitfähigkeit der Strecksehnen geführt, d. h. trotz kräftiger Unterarmstreckmuskulatur sei die Amplitude der Sehnen rechts nicht so ausgeprägt wie links. Es liege demnach eine leichte Insuffizienz der Strecksehnen vor, hinzu komme das Phänomen einer sogenannten tenogenen Kontraktur, d. h. einer verminderten Elastizität der Strecksehnen bzw. der Unterarmstreckmuskulatur. Die Handgelenksbeweglichkeit hänge davon ab, in welcher Position man die Bewegungen messe. Beispielsweise sei der Faustschluss voll, wenn man das Handgelenk strecke. Zu berücksichtigen sei, dass die Funktionsstellung des Handgelenkes leicht gestreckt sei, in dieser Position ließen sich die Finger vollständig in die Hohlhand einschlagen. Eine gewisse Einschränkung der dynamischen Funktionen liege vor. Das Ausmaß der Funktionsstörung variiere im Verlauf etwas, es gebe jedoch keine Gründe anzunehmen, dass nach erfolgreicher Einheilung des Sehnentransplantates im Laufe der Jahre eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei. Die Bewegungseinschränkung des Handgelenkes sei einerseits durch die Verdickung im Bereich des Retinaculums zu erklären, andererseits durch die tenogene Kontraktur. Nur zu einem geringen Anteil sei die Bewegungseinschränkung des Handgelenkes auf die geringen degenerativen Veränderungen zurückzuführen.
Nicht Unfallfolge seien die polyarthrotischen Veränderungen der Fingergelenke, im Bereich des Daumensattelgelenkes und, am stärksten ausgeprägt im Bereich der Endgelenke, was mit einer gewissen Bewegungseinschränkung der Endgelenke einhergehe. Auch die Texturstörung im Bereich des Diskus articularis, die in der Vergangenheit zu stärkeren Beschwerden geführt habe, sei aktuell nur gering ausgeprägt und nicht unfallabhängig ebenso wie die diskreten degenerativen Veränderungen des rechten Handgelenkes, die das altersgerechte Maß nicht überschreiten. Damit sei ein Teil der Bewegungseinschränkung der Langfinger insbesondere der Endgelenke nicht Unfallfolge. Die MdE werde durchgehend, auch über den hiesigen Untersuchungszeitpunkt hinaus mit 10 vom Hundert eingeschätzt. Entscheidungserheblich sei, ob das Handgelenk in eine gute Funktionsstellung gebracht werden könne und in dieser die Greifarten möglich seien. Nach Abschluss des Heilverfahrens seien die Befunde nach hiesiger Auffassung weitgehend so, wie sie auch jetzt festgestellt werden könnten. In der ergänzenden Stellungnahme hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei dem Kläger eine komplexe dynamische Funktionsstörung der rechten Hand vorliege, nach Transplantation der Strecksehnen für Mittelfinger und Ringfinger im Unterarmbereich. Einerseits sei es zu narbigen Verwachsungen der Sehnen und der Muskulatur gekommen, andererseits auch zu einer Verkürzung der Sehnen und der Muskulatur, sodass hieraus ein komplexes funktionelles Defizit resultiere. Durch den objektiven Untersuchungsbefund lasse sich nicht ohne weiteres nachvollziehen, dass es – wie der Kläger vortrage – zu sporadischen Aussetzern der Handfunktion in dem Sinne käme, dass sich der Griff öffnen würde und dem Kläger Gegenstände aus der Hand fallen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten (Bd. 1 und 2) sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten (2 Bände) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung geworden sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig und in dem aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Anfechtungs-, Feststellungs-, und Leistungsanträge des Klägers sind zulässig. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend nicht um einen nach § 48 SGB X zu prüfenden Verschlimmerungsantrag handelt, denn eine Verletztenrente war bislang noch gar nicht bewilligt. Der Anfechtungs- und Feststellungsantrag sind lediglich teilweise begründet, der Leistungsantrag ist unbegründet.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 24. April 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2015 waren lediglich insoweit zu ändern, als auch die Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk soweit sie auf der Verdickung im Bereich des Retinaculum sowie auf der tenogenen Kontraktur und der vermehrten Spannung der Strecksehnen beruht, als Folge des Versicherungsfalles festgestellt wird. Weitere unfallbedingte Gesundheitsstörungen waren nicht festzustellen. Eine rentenberechtigende MdE und in der Folge ein Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente ist nicht gegeben.
Bei dem Ereignis vom 26. Januar 2006 handelt es sich unstreitig um einen Arbeitsunfall im Sinne des Gesetzes. Der Kläger hat während seiner Tätigkeit als Zuschneider für seinen Arbeitgeber eine über das rechte Handgelenk dorsal quer verlaufende tiefe Schnittwunde bei der Erledigung seiner Arbeit erlitten. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2015 hat die Beklagte demgemäß als Folgen des Versicherungsfalles einen inkompletten Faustschluss der rechten Hand, Bewegungseinschränkung der Langfinger rechts, insbesondere bei Streckung des Mittel-, Ring-und Kleinfingers sowie Schwellneigung der Langfinger der rechten Hand nach mittels Sehnentransplantat operativ zweifachversorgter Schnittverletzung mit Durchtrennung der Strecksehnen des Mittel- und Ringfingers der rechten Hand festgestellt. Soweit als Folge des Versicherungsfalles eine Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk nicht festgestellt wurde, erweist sich dieses nur teilweise als zutreffend. Der Sachverständige Chirurg V. hat zur Überzeugung des Senates ausgeführt, dass die Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes überwiegend Folge der Sehnenschädigung und nur zum geringen Anteil Folge der Texturstörung des Diskus articularis und der Verschleißumformung im Handgelenk ist. Weitere Gesundheitsstörungen sind als Folge des Arbeitsunfalles nicht anzuerkennen. Insoweit erweisen sich die Entscheidung des Sozialgerichts Osnabrück sowie der angefochtene Bescheid als zutreffend.
Nachgewiesene Gesundheitsstörungen sind als Folgen eines Arbeitsunfalls anzuerkennen, wenn zwischen dem Unfallereignis und ihnen entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden ein Ursachenzusammenhang im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII besteht (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, Juris). Während die geltend gemachte Unfallfolge im Sinne des sogenannten Vollbeweises feststehen, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt sein muss, gilt für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und ihr der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die Feststellung des Ursachenzusammenhangs erfolgt nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 17. Februar 2009 – B 2 U 18/07 R -, juris Rz. 12). Danach ist nur diejenige Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens „wesentlich“ beigetragen hat. Nicht jede Gesundheitsstörung, die im naturwissenschaftlichen Sinne durch das Unfallereignis beeinflusst worden ist, ist auch rechtlich dessen Folge, sondern nur diejenige, die „wesentlich“ durch das Ereignis verursacht worden ist. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, ist aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abzuleiten. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung der Ursache zum Erfolg sind z. B. die Art und das Ausmaß der Einwirkung, die konkurrierenden Ursachen, die gesamte Krankengeschichte und ergänzend der Schutzzweck der Norm. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt hingegen nicht (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, juris Rz. 16). Dabei ist die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Wesentlich verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z. B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und Auswertung der im Laufe des Verfahrens eingeholten Gutachten ist der Senat insbesondere unter Berücksichtigung der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen V. zu der Auffassung gelangt, dass bei dem Kläger eine komplexe dynamische Funktionsstörung der rechten Hand vorliegt, nach Transplantation der Strecksehnen für Mittelfinger und Ringfinger im Unterarmbereich. Einerseits ist es zu narbigen Verwachsungen der Sehnen und der Muskulatur gekommen, andererseits auch zu einer Verkürzung der Sehnen und der Muskulatur, sodass sich daraus ein komplexes funktionelles Defizit ergibt. Die Sehnen sind relativ zu kurz, sodass es zu einer sogenannten tenogenen Kontraktur der Strecksehnen beim Beugen des Handgelenkes kommt. Da der Sehnenhub relativ zu kurz ist, kommt es zu einer verminderten Streckung der Grundgelenke der Langfinger, insbesondere bei Streckung des Handgelenkes. Daraus resultieren die von dem Sachverständigen in seinem Gutachten beschriebenen Bewegungsmuster. Da der Sachverständige diese sorgfältig erhoben und überzeugend beschrieben hat, stellt der Senat diese Funktionseinschränkungen wie sie im Tatbestand beschrieben sind fest. Der Senat nimmt insoweit auf seine Darstellung im Tatbestand Bezug. Insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen V. aber auch des Sachverständigen U. sind diese Bewegungseinschränkungen des Handgelenkes zur Überzeugung des Senats mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfalles vom 26. Januar 2006.
Auch der Sachverständige U. hat ausführt, dass zwar der beschriebene Schaden des Diskus sicher als degenerativ und unfallunabhängig zu werten ist, die Einschränkungen im rechten Handgelenk aber teilweise auf die eingeschränkte Gleitfähigkeit der Sehnen/Transplantatnarbe zurückzuführen sind. Damit übereinstimmend führt der Chirurg V. aus, dass die Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes überwiegend Folge der Sehnenschädigung, nur zum geringen Anteil Folge der Texturstörung des Diskus articularis und der Verschleißumformung im Handgelenk ist.
Den Ausführungen des Sachverständigen A. in seinem Gutachten kann der Senat nicht folgen. Der Sachverständige A. hat dieses komplexe funktionelle Defizit nicht beschrieben, sodass nach Auffassung des Senats das Gutachten des Sachverständigen A. keine Grundlage für die Beurteilung darstellen kann. Auch der lediglich pauschalen Behauptung des Sachverständigen A., dass sich die Bewegungsstörungen im rechten Handgelenk durch die operative Behandlung und die nach diesen Eingriffen vorübergehend notwendige Ruhigstellung verursacht sind, kann der Senat nicht folgen. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass eben eine bloße Möglichkeit der Verursachung nicht ausreichend ist, sondern wie oben dargestellt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss. Davon ist der Senat nicht überzeugt.
Die degenerativen Veränderungen im Bereich des Daumensattelgelenkes sind ebenso unfallunabhängig wie die Texturstörung im Bereich des Diskus articularis. Auch die übrigen diskreten degenerativen Veränderungen des rechten Handgelenkes, die das altersgerechte Maß nicht überschreiten, sind, wie der Sachverständige V. überzeugend darlegt, nicht unfallabhängig. Damit ist ein Teil der Bewegungseinschränkung der Langfinger insbesondere der Endgelenke eben nicht Unfallfolge. Bei einer Polyarthrose ist das Bewegungsausmaß, insbesondere die Beugung beeinträchtigt, so wie sich eben auch der Befund beim Kläger darstellt. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Polyarthrose der Endgelenke auf den Unfall zurückgeführt werden könnte. Eine Einschränkung der Beugefähigkeit der Endgelenke aufgrund einer Verschleißumformung hat nichts mit einer Sehnenschädigung im Unterarmbereich zu tun.
Allerdings resultiert auch unter Berücksichtigung der zusätzlich festgestellten Gesundheitsstörung kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Gewährung einer Verletztenrente gemäß § 56 SGB VII.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die Bemessung des Grades der MdE richtet sich nach dem Umfang der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens des Verletzten durch die Folgen des Arbeitsunfalls und nach dem Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung des Grades der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Betroffenen durch den Versicherungsfall beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden. Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 25/05 R -, m. w. N., Juris).
Um eine erstmalige Rente handelt es sich auch, wenn ihre Voraussetzungen nicht zum frühest möglichen Zeitpunkt nach § 72 Abs. 1 SGB VII vorliegen, sondern erst später infolge Verschlimmerung eintreten. Dies ist aber kein Verschlimmerungsfall nach § 73 Abs. 2 und 3 SGB VII i. V. m. § 48 SGB X, der nur laufende Renten betrifft. Die nach § 73 Abs. 3 SGB VII geforderte Verschlimmerung um mehr als 5 Prozentpunkte ist hier also ohne Bedeutung. Dies gilt auch, wenn die Rentenvoraussetzungen erst nach anfänglicher Rentenablehnung eintreten, zumal da Ablehnungsbescheide eine verbindliche MdE-Feststellung unter 20 v. H. als Ausgangspunkt nicht enthalten können. Es genügt folglich, dass die MdE zu diesem späteren Zeitpunkt 20 v. H. beträgt (vgl. KassKomm/Ricke, 114. EL Mai 2021, SGB VII § 56 Rn. 38).
Auch im Hinblick auf die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundlage für die Gewährung einer Rente hält der Senat insbesondere die Ausführungen des Sachverständigen Y. für überzeugend. Eine rentenberechtigende MdE von 20 vom Hundert liegt bei dem Kläger nicht vor. Wenn sich wie hier für die konkreten Funktionsstörungen des Klägers keine genauen Tabellen im Schrifttum finden, müssen Vergleichstabellen herangezogen werden.
In diesem Zusammenhang können die von Klaus-Dieter Rudolf in Schönberger/Mertens/Valentin, 8.7 dargelegten Erfahrungswerte berücksichtigt werden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist zum einen in 8.7.7.2.3 als auch in 8.7.8 dargestellt. Auch die von Andreas S. Gonschorek, Claudia Drexel-Schlund unter 5.8.4 Verletzung des peripheren Nervensystems mitgeteilten Erfahrungswerte können hier herangezogen werden. Vergleichsmaßstab im vorliegenden Fall ist beispielsweise die Lähmung der Speichennerven. Bei einer völligen Lähmung des Speichennervens im mittleren Abschnitt liegt die sogenannte Fallhand vor, die Betroffenen können Handgelenk und die Finger gar nicht strecken. Ein derartiges Defizit wird mit einer MdE von 25 vom Hundert bewertet. Bei einem Ausfall des Speichennerven mehr im körperfernen Abschnitt fällt die Streckfunktion der Langfinger aus, dass Handgelenk ist anteilmäßig beteiligt, die Fingerstreckung fällt aus.
Aufgrund Einschränkung des Sehnenhubs besteht bei dem Kläger im Seitenvergleich ein Bewegungsdefizit in den Grundgelenken von 30°. Wenn die Langfinger gelähmt sind, besteht ein Defizit von 90°. Ein Ausfall der Fingerstreckung um 1/3 ist nicht so gravierend wie der völlige Ausfall der Fingerstreckung. Die Bewegungseinschränkung des Handgelenkes resultiert aus der erhöhten Sehnenspannung, sie ist nur bei Beugung der Finger nachweisbar. Funktionell macht sich dies im Arbeitsleben nur gering bemerkbar.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass bei Verlust des Mittel- und Ringfingers der Grobgriff hochgradig eingeschränkt ist. Die Funktion der Hand ist zu 1/3 gemindert. Dies führt zu einer MdE von 20. Eine Bewegungseinschränkung der Langfinger in den Grundgelenken um 30° im Seitenvergleich ist nicht annähernd mit dem Verlust von Ringfinger und Mittelfinger zu vergleichen.
Der Grobgriff wird durch die Beugemuskulatur bestimmt. Es gibt keinen Grund, dass die Spannung der Beugemuskulatur bei einer Insuffizienz der Strecksehnen nachlässt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Muskulatur im rechten Unterarm kräftiger entwickelt ist als links. Dies belegt, dass von einer Schwäche, insbesondere der Beugemuskulatur nicht ausgegangen werden kann. Des Weiteren war die Hohlhandbeschwielung seitengleich ausgeprägt, was ebenfalls belegt, dass der Grobgriff eingesetzt wird.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Sachverständigen A.. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass der Sachverständige V. die dynamische Funktionsstörung der rechten Hand wesentlich differenzierter beschrieben hat als der Sachverständige A.. Der Senat kann sich auch nicht der Einschätzung des Sachverständigen A. bei der Beurteilung der MdE anschließen. Dieser hat eben gerade nicht die dynamische Situation im Hinblick auf die Beweglichkeit des Handgelenks berücksichtigt.
Auch aus dem Gutachten des Sachverständigen U. ergibt sich nichts anderes. Dieser hat zwar die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 20 vom Hundert beschrieben. Allerdings hat er ebenso wie der Sachverständige A. nicht die dynamische Funktionsstörung berücksichtigt und auch nicht im Einzelnen dargelegt, wie er zu der Einschätzung der MdE gelangt.
Sofern der Kläger vorträgt, dass ihm Gegenstände aus der Hand fallen würden, so ist dies nicht zu berücksichtigen, weil sich insoweit ein objektiver Untersuchungsbefund nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen V. nicht finden lässt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.