Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Verletztenrente und Berufskrankheit: Ein Fall zeigt rechtliche Hürden auf
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche medizinischen Voraussetzungen müssen für eine Verletztenrente bei Berufskrankheiten erfüllt sein?
- Ab welchem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit besteht ein Anspruch auf Verletztenrente?
- Welche Rechtsmittel stehen nach Ablehnung eines Rentenantrags zur Verfügung?
- Was bedeutet die Anerkennung einer Berufskrankheit für den Rentenanspruch?
- Welche Rolle spielen ärztliche Gutachten bei der Entscheidung über die Verletztenrente?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Weitere Beiträge zum Thema
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Hamburg
- Datum: 28.09.2022
- Aktenzeichen: L 2 U 5/22
- Verfahrensart: Berufungsverfahren zur Gewährung einer Verletztenrente aufgrund anerkannter Berufskrankheit
- Rechtsbereiche: Sozialrecht, Berufskrankheitenrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Kläger ist eine Einzelperson, geboren 1958, die als Elektromechaniker, Schlosser und Dachdecker tätig war und später in Deutschland in der Fertigung von Bremsbelägen arbeitete. Der Kläger beantragt die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen einer Berufskrankheit (BK 4103 – Asbestose). Er argumentiert, dass seine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund der anerkannten Berufskrankheit nicht korrekt bewertet wurde.
- Beklagte: Die Beklagte ist die zuständige Behörde/Körperschaft, die den Antrag auf die Verletztenrente abgelehnt hat. Sie argumentiert, dass die vorliegenden Befunde und Gutachten keine rentenrelevante MdE begründen.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger hatte 2018 gesundheitliche Probleme, die zur Annahme einer Berufskrankheit durch Asbestexposition führten. Die Erkrankung wurde als Berufskrankheit anerkannt, allerdings wurde ihm keine Verletztenrente bewilligt, da keine erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit festgestellt werden konnte. Der Kläger widersprach dieser Entscheidung und erhob Klage, die jedoch abgewiesen wurde. Er legte dagegen Berufung ein.
- Kern des Rechtsstreits: Der Kern des Rechtsstreits war, ob die von der Berufskrankheit hervorgerufenen gesundheitlichen Einschränkungen eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers bewirken und ob die vorliegenden Gutachten für eine solche Feststellung methodisch korrekt erstellt wurden.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Es bleibt bei der Entscheidung, dass keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund der Berufskrankheit besteht.
- Begründung: Das Gericht sah keine Beanstandung in den fachlichen und methodischen Aspekten der vorliegenden Gutachten, die keine rentenfähige Beeinträchtigung der Lungenfunktion feststellten. Die bestehenden gesundheitlichen Probleme seien unabhängig von der Asbestexposition und verursachen keine relevante MdE.
- Folgen: Der Kläger erhält keine Verletztenrente aufgrund der Berufskrankheit. Die Kosten des Verfahrens sind vom Kläger zu tragen. Eine Revision des Urteils wird nicht zugelassen, was bedeutet, dass das Urteil endgültig ist.
Verletztenrente und Berufskrankheit: Ein Fall zeigt rechtliche Hürden auf
Die Verletztenrente spielt eine zentrale Rolle im Sozialrecht, insbesondere wenn es um die finanziellen Folgen von Berufskrankheiten geht. Wenn Arbeitnehmer aufgrund ihrer Tätigkeit gesundheitliche Schäden erleiden, haben sie unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Hierbei ist entscheidend, ob die betreffende Erkrankung als anerkannte Berufskrankheit gilt, da dies den Zugang zu Rehabilitationsleistungen und Rentenansprüchen maßgeblich beeinflusst. Neben der Verletztenrente können auch Schadensersatzansprüche gegen die Berufsgenossenschaft entstehen.
Um das Thema weiter zu vertiefen, wird im Folgenden ein konkreter Fall vorgestellt, der die Herausforderungen und rechtlichen Aspekte der Verletztenrentengewährung aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Gutachter verneint Rentenanspruch trotz asbestbedingter Pleuraveränderungen
Ein ehemaliger Elektromechaniker und Dachdecker aus P. scheiterte vor dem Landessozialgericht Hamburg mit seiner Klage auf Gewährung einer Verletztenrente wegen einer anerkannten asbestbedingten Berufskrankheit. Obwohl die Berufsgenossenschaft zuvor Asbestinhalationsfolgen an der Pleura als Berufskrankheit nach Nr. 4103 anerkannt hatte, sah das Gericht die für einen Rentenanspruch erforderliche Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent als nicht gegeben an.
Thorakoskopie deckt asbestbedingte Pleuraveränderungen auf
Der 1958 geborene Kläger war bis 1992 unter anderem in der Fertigung von Bremsbelägen tätig. Im April 2018 wurden bei einer Thorakoskopie Pleuraplaques festgestellt – umschriebene zellarme Verdickungen der Pleura, die zu etwa 70 Prozent asbestassoziiert sind. Der beratende Pneumologe Dr. D. bestätigte daraufhin den BK-Tatbestand pleuraler Asbestinhalationsfolgen, während er die parallel aufgetretene pneumogene Sepsis mit Pleuraempyem als BK-unabhängig einstufte.
Facharzt stellt normale Lungenfunktion fest
Ein vom Unfallversicherungsträger beauftragter Facharzt für Innere Medizin, Dr. F., stellte in seinem Gutachten vom November 2018 zwar einen deutlichen Zwerchfellhochstand links mit Ausrundung und Verziehung des linken Pleurasinus sowie Pleuraverdickungen fest. Die Lungenfunktion, Diffusionskapazität und Blutgasanalyse waren jedoch unauffällig. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit verneinte der Gutachter daher. Bei einer Nachuntersuchung im August 2021 bestätigte Dr. F. seine frühere Einschätzung. Die Röntgen- und CT-Befunde zeigten keine Veränderung zum Vorbefund.
Gericht bestätigt Ablehnung des Rentenanspruchs
Das Landessozialgericht folgte in seiner Entscheidung der fachärztlichen Einschätzung. Nach den maßgeblichen Erfahrungswerten ergebe sich bei einem klinischen Normalbefund und einer normalen Lungenfunktion keine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Erst bei einer im Grenzbereich eingeschränkten Lungenfunktion wäre eine MdE von 10 Prozent anzunehmen, die jedoch noch keinen Rentenanspruch begründen würde. Die vom Kläger vorgebrachten Zweifel an der Qualität der Lungenfunktionsprüfung wies das Gericht zurück, da Dr. F. alle notwendigen Untersuchungen einschließlich Bodyplethysmographie und Blutgasanalyse durchgeführt hatte.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die zentrale Erkenntnis des Urteils ist, dass die bloße Anerkennung einer asbestbedingten Berufskrankheit nicht automatisch einen Rentenanspruch begründet. Entscheidend ist vielmehr der Grad der funktionellen Beeinträchtigung, der durch medizinische Gutachten nachgewiesen werden muss. Bei normaler Lungenfunktion besteht trotz nachweisbarer asbestbedingter Veränderungen kein Anspruch auf eine Verletztenrente, da die erforderliche Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent nicht erreicht wird.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn bei Ihnen eine asbestbedingte Berufskrankheit festgestellt wurde, bedeutet dies zunächst nur deren Anerkennung, nicht aber automatisch einen Rentenanspruch. Für eine Rente müssen Sie nachweisen, dass Ihre Lungenfunktion deutlich eingeschränkt ist – normale Messwerte reichen dafür nicht aus. Die Berufsgenossenschaft wird dazu umfangreiche Untersuchungen durch Fachärzte veranlassen, die unter anderem Ihre Lungenfunktion, Diffusionskapazität und Blutgaswerte prüfen. Ein Gutachten muss dabei wissenschaftlichen Standards entsprechen und alle relevanten Messwerte enthalten.
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Die rechtliche Bewertung von Asbesterkrankungen und deren Auswirkungen auf Rentenansprüche erfordert eine sorgfältige Prüfung aller medizinischen Unterlagen. Unsere Kanzlei hat langjährige Erfahrung in der Durchsetzung berechtigter Ansprüche bei Berufskrankheiten und begleitet Sie von der Analyse Ihrer medizinischen Gutachten bis zur Verhandlung mit der Berufsgenossenschaft. In einem persönlichen Gespräch können wir Ihre individuelle Situation beurteilen und die nächsten Schritte planen. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche medizinischen Voraussetzungen müssen für eine Verletztenrente bei Berufskrankheiten erfüllt sein?
Für den Anspruch auf eine Verletztenrente bei Berufskrankheiten müssen zwei zentrale medizinische Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sein:
Minderung der Erwerbsfähigkeit
Die Erwerbsfähigkeit muss um mindestens 20 Prozent gemindert sein. Diese Minderung wird anhand der Beeinträchtigung im allgemeinen Arbeitsmarkt bemessen, nicht nur bezogen auf den bisherigen Beruf.
Dauerhafte Beeinträchtigung
Die gesundheitliche Beeinträchtigung muss über die 26. Woche nach Feststellung der Berufskrankheit hinaus bestehen. Bei mehreren Berufskrankheiten werden die einzelnen Minderungsprozente zusammengerechnet, um die 20-Prozent-Grenze zu erreichen.
Ursachenzusammenhang
Die Gesundheitsschäden müssen durch besondere Einwirkungen bei der beruflichen Tätigkeit verursacht worden sein. Dabei kommen verschiedene Faktoren in Betracht:
- Chemische Einwirkungen
- Physikalische Belastungen wie Druck oder Vibrationen
- Dauerhafte körperliche Belastungen
- Einwirkungen von Lärm oder Staub
Medizinische Feststellung
Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen müssen durch medizinische Gutachten nachgewiesen werden. Die Unfallversicherungsträger prüfen dabei drei wesentliche Aspekte:
- Das Vorliegen einer in der Berufskrankheiten-Verordnung aufgeführten Erkrankung
- Die nachweisliche Exposition gegenüber schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz
- Den ursächlichen Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Erkrankung
Ab welchem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit besteht ein Anspruch auf Verletztenrente?
Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht, wenn Ihre Erwerbsfähigkeit durch einen Arbeitsunfall, Wegeunfall oder eine Berufskrankheit um mindestens 20 Prozent gemindert ist und diese Minderung länger als 26 Wochen nach dem Versicherungsfall andauert.
Besonderheiten bei mehreren Versicherungsfällen
Wenn Sie durch mehrere Versicherungsfälle in Ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt sind, werden die einzelnen Prozentsätze zusammengerechnet. Dabei muss jeder einzelne Versicherungsfall zu einer Minderung von mindestens 10 Prozent führen. Erreichen die Prozentsätze zusammen mindestens 20 Prozent, erhalten Sie für jeden Versicherungsfall eine separate Rente.
Bewertung der Erwerbsminderung
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wird anhand Ihrer verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Arbeitsmarkt bestimmt. Dabei werden zwei wichtige Aspekte berücksichtigt:
- Ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nach dem Versicherungsfall
- Der mögliche Verlust besonderer beruflicher Kenntnisse und Erfahrungen, die Sie durch den Versicherungsfall nicht mehr nutzen können
Rentenhöhe
Die Höhe Ihrer Rente richtet sich nach dem Grad der Erwerbsminderung. Bei einer vollständigen Erwerbsminderung (100 Prozent) erhalten Sie eine Vollrente in Höhe von zwei Dritteln Ihres Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer teilweisen Erwerbsminderung wird die Rente entsprechend dem Prozentsatz der Minderung berechnet.
Welche Rechtsmittel stehen nach Ablehnung eines Rentenantrags zur Verfügung?
Nach der Ablehnung eines Rentenantrags durch die Berufsgenossenschaft steht Ihnen ein mehrstufiger Rechtsweg zur Verfügung.
Widerspruchsverfahren
Gegen die Ablehnung können Sie innerhalb von einem Monat nach Zugang des Bescheids Widerspruch einlegen. Der Widerspruch muss schriftlich oder zur Niederschrift bei der Berufsgenossenschaft erfolgen. Eine sofortige Begründung ist nicht zwingend erforderlich, sollte aber angekündigt werden.
Die Erfolgsaussichten im Widerspruchsverfahren sind durchaus beachtlich – mehr als 20 Prozent der Widersprüche werden positiv beschieden.
Klageverfahren
Wird der Widerspruch zurückgewiesen, können Sie innerhalb eines Monats nach Erhalt des Widerspruchsbescheids Klage beim zuständigen Sozialgericht erheben. Die Erfolgsquote liegt hier bei über einem Drittel. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt etwa 1,5 Jahre.
Berufungsverfahren
Gegen ein ablehnendes Urteil des Sozialgerichts ist die Berufung zum Landessozialgericht möglich. Die Berufungsfrist beträgt ebenfalls einen Monat nach Zustellung des Urteils. Berufungsverfahren dauern durchschnittlich ein Jahr und enden in etwa 20 Prozent der Fälle erfolgreich.
Besonderheiten bei der Begutachtung
Während die Berufsgenossenschaft im Antrags- und Widerspruchsverfahren ihre eigenen Gutachter heranzieht, bestellt das Sozialgericht in der Regel einen neutralen Sachverständigen. Dies erhöht häufig die Chancen auf eine positive Entscheidung. Oft bewilligt die Berufsgenossenschaft die Rente noch vor dem Urteil, wenn der gerichtliche Gutachter zu Ihren Gunsten entscheidet.
Was bedeutet die Anerkennung einer Berufskrankheit für den Rentenanspruch?
Die Anerkennung einer Berufskrankheit und der Anspruch auf eine Rente sind zwei getrennte Vorgänge. Eine anerkannte Berufskrankheit führt nicht automatisch zu einem Rentenanspruch.
Voraussetzungen für eine Rente
Ein Rentenanspruch entsteht erst dann, wenn die Erwerbsfähigkeit durch die Berufskrankheit dauerhaft um mindestens 20 Prozent gemindert ist. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit muss dabei länger als 26 Wochen bestehen.
Höhe der Rentenzahlung
Bei einer vollständigen Erwerbsunfähigkeit beträgt die Verletztenrente etwa zwei Drittel des letzten Gehalts. Die konkrete Rentenhöhe richtet sich nach dem Grad der Erwerbsminderung und dem vor der Erkrankung erzielten Arbeitsentgelt.
Alternative Leistungen
Auch ohne Rentenanspruch haben Sie bei einer anerkannten Berufskrankheit Anspruch auf umfassende Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Dazu gehören:
- Medizinische Rehabilitation
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
- Betriebs- und Haushaltshilfen
- Kostenübernahme für therapeutische Maßnahmen
- Pflegeleistungen
Abfindungsmöglichkeiten
Bei einer dauerhaften Erwerbsminderung können Sie auch eine Abfindung beantragen. Bei einer Minderung unter 40 Prozent ist eine vollständige Abfindung möglich. Bei höheren Werten kann die Rente bis zur Hälfte abgefunden werden, wobei die andere Hälfte weiter monatlich ausgezahlt wird.
Welche Rolle spielen ärztliche Gutachten bei der Entscheidung über die Verletztenrente?
Das medizinische Gutachten bildet eine zentrale Entscheidungsgrundlage für die Gewährung von Verletztenrenten nach Arbeitsunfällen oder bei Berufskrankheiten.
Aufgaben der Gutachter
Die ärztlichen Gutachter müssen als unabhängige Fachärzte drei wesentliche Aspekte klären:
- ob der Körperschaden auf den Unfall zurückzuführen ist
- ob die Krankheit durch die Berufstätigkeit verursacht wurde
- wie hoch die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei einem dauerhaften Gesundheitsschaden ist
Anforderungen an die Begutachtung
Die Gutachter müssen unparteiisch und weisungsfrei arbeiten. Sie benötigen eine entsprechende fachliche Qualifikation sowie die erforderliche räumliche und personelle Ausstattung für die notwendigen Untersuchungen.
Auswahl der Gutachter
Bei der Auswahl der Gutachter haben Sie als Versicherter ein Mitspracherecht. Die Berufsgenossenschaft schlägt Ihnen drei Gutachter vor, aus denen Sie wählen können. Sie können auch selbst einen geeigneten Gutachter vorschlagen.
Bedeutung für die Entscheidung
Die Unfallversicherungsträger sind verpflichtet, jedes Gutachten sorgfältig zu prüfen. Sie müssen die Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Gutachten im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend auswerten. Bei der Begutachtung steht besonders die Funktionsbegutachtung im Vordergrund, da die durch die schädigende Einwirkung verursachte Funktionseinbuße als Minderung der Erwerbsfähigkeit zu bewerten ist.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Berufskrankheit
Eine anerkannte gesundheitliche Schädigung, die durch berufliche Tätigkeiten verursacht wurde. Sie muss in der offiziellen Berufskrankheiten-Liste der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung aufgeführt sein. Gesetzlich geregelt ist dies in § 9 SGB VII. Die Anerkennung erfolgt durch den zuständigen Unfallversicherungsträger. Beispiel: Asbestose bei Dachdeckern durch Kontakt mit asbesthaltigen Materialien. Im Unterschied zum Arbeitsunfall entwickelt sich eine Berufskrankheit meist über einen längeren Zeitraum.
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
Ein Maß für die körperlichen und geistigen Einschränkungen durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit. Sie wird in Prozent angegeben und ist ausschlaggebend für die Höhe von Verletztenrenten. Geregelt in § 56 SGB VII. Eine MdE von mindestens 20% ist Voraussetzung für einen Rentenanspruch. Die Beurteilung erfolgt durch medizinische Gutachter anhand standardisierter Kriterien. Beispiel: Eine 30%ige MdE bedeutet, dass der Versicherte nur noch 70% seiner ursprünglichen Erwerbsfähigkeit hat.
Pleuraplaques
Gutartige Verdickungen des Brustfells (Pleura), die typischerweise durch langjährige Asbestexposition entstehen. Sie sind ein wichtiger diagnostischer Marker für eine berufsbedingte Asbesterkrankung nach BK-Nr. 4103. Die Veränderungen können mittels Röntgen oder CT nachgewiesen werden. Pleuraplaques verursachen nicht zwangsläufig Beschwerden oder Funktionseinschränkungen, sind aber ein deutlicher Hinweis auf eine stattgefundene Asbestexposition.
Thorakoskopie
Ein minimal-invasives medizinisches Untersuchungsverfahren des Brustkorbs (Thorax). Dabei wird eine Kamera durch einen kleinen Schnitt in den Brustkorb eingeführt, um Lunge und Rippenfell direkt zu untersuchen. Geregelt in medizinischen Leitlinien. Die Methode ermöglicht die sichere Diagnose von asbestbedingten Veränderungen und die Entnahme von Gewebeproben. Bei Verdacht auf berufsbedingte Lungenerkrankungen ist sie oft entscheidend für die Beweissicherung.
Diffusionskapazität
Ein wichtiger Messwert der Lungenfunktion, der angibt, wie gut Sauerstoff aus der Lunge ins Blut übergeht. Die Messung erfolgt durch standardisierte Lungenfunktionstests. Bei Asbesterkrankungen kann die Diffusionskapazität vermindert sein. Der Wert ist wichtig für die Beurteilung des Schweregrads einer Lungenerkrankung und damit für die Feststellung einer MdE. Normale Werte sprechen gegen eine relevante Funktionseinschränkung.
Bodyplethysmographie
Ein umfassendes Lungenfunktionsmessverfahren in einer geschlossenen Kabine, das präzise Aussagen über Lungenvolumen und Atemwegswiderstände ermöglicht. Geregelt in pneumologischen Leitlinien. Die Methode gilt als Goldstandard der Lungenfunktionsprüfung und ist besonders wichtig bei der Begutachtung von Berufskrankheiten. Sie liefert verlässlichere Ergebnisse als einfache Spirometrie-Messungen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII (Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung): Diese Vorschrift regelt, dass Versicherte, die einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit erleiden, Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung haben. Dazu gehört auch die Gewährung von Renten, wenn die Erwerbsfähigkeit durch einen anerkannte Berufskrankheit beeinträchtigt ist. Im vorliegenden Fall war der Kläger auf der Suche nach einer Verletztenrente aufgrund der Anerkennung seiner Erkrankung als Berufskrankheit, was die Relevanz des SGB VII unterstreicht.
- Berufskrankheitenverordnung (BKV), Anlage zur BKV, Nr. 4103: Diese Verordnung listet bestimmte Erkrankungen auf, die als Berufskrankheiten gelten, und legt die Voraussetzungen für die Anerkennung fest. Die Erkrankungen durch Asbeststaub, konkret die Asbestose oder pleurale Veränderungen, fallen unter diesen Paragraphen. Im konkreten Fall wurde die Berufskrankheit des Klägers anerkannt; jedoch war dies nicht ausreichend für die Gewährung einer Rente, da die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht nachgewiesen werden konnte.
- § 43 SGB VII (Rentenanspruch): Dieser Paragraph beschreibt die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit. Es wird konkret darauf hingewiesen, dass zur Gewährung einer Rente eine erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festgestellt werden muss. Der Bezug auf diesen Paragraphen ist entscheidend für den Fall, da im Urteil festgestellt wurde, dass der Kläger keine MdE aufgrund seiner Erkrankung hat, was zur Ablehnung seines Rentenanspruchs führte.
- § 60 SGB I (Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil): Diese Vorschrift behandelt die Mitwirkungspflichten der Betroffenen sowie die Folgen von unzureichender Mitwirkung bei der Feststellung von Ansprüchen. Der Kläger musste relevante medizinische Unterlagen und Gutachten vorlegen, um seinen Anspruch zu begründen. Das Gericht berücksichtigte die vorhandenen Gutachten, die jedoch keinen Anspruch begründeten, was die Wichtigkeit dieser Vorschrift im Verfahren verdeutlicht.
- Ärzteentscheidungen (Gutachten): Die ärztlichen Gutachten von Dr. D. und Dr. F. sind entscheidend für die Bewertung des Gesundheitszustandes des Klägers. Das Gutachten stellte fest, dass keine rentenberechtigende Erwerbsfähigkeitsminderung vorlag, was die Entscheidung des Landessozialgerichts maßgeblich beeinflusste. Diese medizinischen Gutachten sind zentral, um die Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB VII und der BKV zu überprüfen und zu validieren.
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Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 2 U 5/22 – Urteil vom 28.09.2022
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