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Versicherte mit schwerwiegender Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis

Chronische Schmerzen und keine Aussicht auf Linderung durch herkömmliche Therapien: Sozialgericht Detmold spricht Patientin Anspruch auf Cannabis-Medikament zu und verpflichtet Krankenkasse zur Kostenübernahme. Die Richter erkennen die schwere Beeinträchtigung der Lebensqualität der Klägerin an und folgen den Aussagen der behandelnden Ärzte zur positiven Wirkung des Cannabis-basierten Medikaments. Ein Sieg für die Patientin, die nun auf eine wirksame Schmerztherapie hoffen kann.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Gericht hob den Bescheid der Krankenkasse auf und entschied zugunsten der Klägerin.
  • Die Klägerin leidet an verschiedenen schwerwiegenden Erkrankungen, darunter chronische Schmerzen und Epilepsie.
  • Die Klägerin erhielt positive Ergebnisse durch die Behandlung mit Sativex Spray, nachdem andere Schmerzmittel versagt hatten.
  • Der verordnende Arzt bestätigte, dass andere anerkannte Therapien keinen ausreichenden Erfolg brachten.
  • Das Gericht befand, dass Sativex Spray eine notwendige Therapie ist, da es zu einer signifikanten Schmerzreduktion und Verbesserung der Lebensqualität führte.
  • Die Krankenkasse wurde verpflichtet, die Kosten für das Medikament rückwirkend und zukünftig zu übernehmen.
  • Die Entscheidung basierte darauf, dass Sativex Spray im Einzelfall als medizinisch notwendig und wirksam eingestuft wurde.
  • Versicherte mit schwerwiegenden Erkrankungen haben Anspruch auf Cannabis-basierte Medikamente, wenn andere Therapien versagen.
  • Die positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs durch Sativex wurde nachgewiesen und von den Ärzten bestätigt.
  • Die Kosten für die Selbstbeschaffung des Medikaments werden von der Krankenkasse erstattet, wenn die Notwendigkeit medizinisch belegt ist.

Medizinisches Cannabis: Neues Gerichtsurteil zu Anspruchsberechtigung

Cannabis ist in Deutschland nach wie vor ein umstrittenes Thema. Seit der Legalisierung von medizinischem Cannabis im Jahr 2017 ist die Diskussion jedoch wieder in den Fokus gerückt. Mittlerweile haben sich viele Gerichte mit dem Thema auseinandergesetzt und viele neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wer Anspruch auf eine Versorgung mit Cannabis auf Rezept hat und welche rechtlichen Rahmenbedingungen dafür gelten.

Im Zentrum der Debatte steht dabei die Frage, unter welchen Bedingungen eine medizinische Notwendigkeit für den Konsum von Cannabis besteht. Die Rechtsprechung zeigt, dass es in bestimmten Situationen, wie etwa bei chronischen Schmerzen oder multiplen Sklerose, durchaus möglich ist, eine Versorgung mit Cannabis zu erhalten. Ein aktuelles Gerichtsurteil wirft nun ein neues Licht auf die Frage, ob Versicherte mit schwerwiegender Erkrankung automatisch einen Anspruch auf Cannabis haben. Dieses Urteil wird im Folgenden näher beleuchtet.

Cannabis als Medizin: Ihr Recht auf Schmerzlinderung

Leiden Sie unter chronischen Schmerzen und herkömmliche Therapien bleiben erfolglos? Das Urteil des Sozialgerichts Detmold zeigt: Ein Anspruch auf Cannabis-Medikamente ist möglich. Wir kennen die rechtlichen Hürden und haben Erfahrung im Umgang mit Krankenkassen. Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Falls. Ihr Wohlbefinden ist unsere Priorität.

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Der Fall vor Gericht


Gericht gewährt Patientin Anspruch auf Cannabis-Medikament

Cannabis-basierte Medikamente
(Symbolfoto: SD_FlowerPower – Shutterstock.com) Patientin mit schwerwiegender Erkrankung erhält Anspruch auf Cannabis-Medikation, nachdem andere Therapien erfolglos blieben und eine positive Wirkung nachgewiesen wurde.

Das Sozialgericht Detmold hat einer Patientin mit chronischen Schmerzen Recht gegeben und ihr einen Anspruch auf Versorgung mit dem Cannabis-basierten Medikament Sativex Spray zugesprochen. Die Krankenkasse muss der Klägerin außerdem die Kosten für die bisherige Selbstbeschaffung des Medikaments in Höhe von über 3.000 Euro erstatten.

Chronische Schmerzen als schwerwiegende Erkrankung anerkannt

Die 1964 geborene Klägerin leidet seit Jahren unter einer chronischen Schmerzstörung und einer schmerzhaften Neuropathie des linken Kniegelenks. Daneben bestehen mittelgradige Depressionen und eine Epilepsie. Das Gericht stufte diese Erkrankungen in ihrer Gesamtheit als schwerwiegende Erkrankung im Sinne des Gesetzes ein. Entscheidend war, dass die Lebensqualität der Patientin aufgrund der Erkrankungen dauerhaft und nachhaltig beeinträchtigt ist.

Erfolglose Standardtherapien als Voraussetzung erfüllt

Eine weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Cannabis-Medikamente ist, dass keine anderen Therapiemöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen oder diese im Einzelfall nicht zur Anwendung kommen können. Die behandelnden Ärzte der Klägerin hatten dies in ihren Stellungnahmen dargelegt. Sie berichteten von zahlreichen erfolglosen Therapieversuchen mit verschiedenen Schmerzmitteln, die entweder wirkungslos blieben oder starke Nebenwirkungen verursachten.

Das Gericht sah es als ausreichend an, dass die Ärzte die bisherigen Therapieversuche, deren Wirkungslosigkeit und Nebenwirkungen beschrieben hatten. Eine detaillierte Gegenüberstellung und Abwägung aller möglichen Therapien sei nicht erforderlich.

Positive Wirkung von Cannabis bei der Patientin nachgewiesen

Für einen Anspruch auf Cannabis-Medikamente muss außerdem eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder die Symptome bestehen. Diese Voraussetzung sah das Gericht als erfüllt an. Die behandelnden Ärzte hatten von einer deutlichen Verbesserung der Schmerzsymptomatik und des Allgemeinzustands der Patientin unter der Therapie mit Sativex berichtet. Auch die Klägerin selbst schilderte nachvollziehbar die positiven Auswirkungen der Behandlung.

Krankenkasse muss Kosten übernehmen und erstatten

Das Gericht verpflichtete die Krankenkasse, die Patientin künftig mit dem Cannabis-Medikament Sativex zu versorgen. Zusätzlich muss die Kasse der Klägerin die Kosten für die bisherige Selbstbeschaffung des Medikaments in Höhe von 3.164,50 Euro erstatten. Dies gilt für den Zeitraum ab der Ablehnung des Antrags durch die Krankenkasse im Oktober 2019 bis zum Urteil im November 2021.

Mit diesem Urteil stärkt das Sozialgericht die Rechte von Patienten, die auf eine Behandlung mit Cannabis-Medikamenten angewiesen sind. Es zeigt, dass die gesetzlichen Vorgaben für einen Anspruch in der Praxis erfüllbar sind, wenn Ärzte und Patienten die notwendigen Nachweise erbringen können.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil konkretisiert die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Cannabis-Medikamente nach § 31 Abs. 6 SGB V. Es stellt klar, dass chronische Schmerzen als schwerwiegende Erkrankung gelten können und dass für den Nachweis erfolgloser Standardtherapien keine detaillierte Gegenüberstellung aller Therapieoptionen erforderlich ist. Die Entscheidung stärkt die Rechte von Patienten, indem sie die gesetzlichen Vorgaben praxisnah auslegt und die Hürden für einen Leistungsanspruch nicht zu hoch ansetzt.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden und herkömmliche Therapien bei Ihnen nicht ausreichend wirken oder starke Nebenwirkungen verursachen, könnte eine Behandlung mit Cannabis-Medikamenten wie Sativex für Sie in Frage kommen. Das Urteil erleichtert den Zugang zu solchen Therapien: Ihre Krankenkasse muss die Kosten übernehmen, wenn Ihr Arzt begründet, warum andere Behandlungen für Sie nicht geeignet sind und eine positive Wirkung von Cannabis zu erwarten ist. Wichtig ist, dass Ihr Arzt Ihre bisherigen Therapieversuche und deren Wirkungen bzw. Nebenwirkungen ausführlich dokumentiert. Sie müssen nicht erst jahrelang schwere Nebenwirkungen ertragen, bevor Cannabis als Option in Betracht gezogen wird. Sollte Ihre Krankenkasse die Kostenübernahme zunächst ablehnen, lohnt sich unter Umständen der Weg zum Sozialgericht.


FAQ – Häufige Fragen

Cannabis-basierte Medikamente: Ein Thema, das viele Fragen aufwirft. Wir haben die wichtigsten Antworten für Sie zusammengestellt. In unserer FAQ-Rubrik finden Sie fundierte Informationen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und juristischem Fachwissen basieren.


Welche Krankheiten berechtigen zu einem Anspruch auf Cannabis-Medikamente?

Das deutsche Gesetz definiert keine abschließende Liste von Krankheiten, die einen Anspruch auf Cannabis-Medikamente begründen. Stattdessen müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit Patienten Cannabis auf Rezept erhalten können.

Eine grundlegende Bedingung ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung. Darunter fallen Krankheiten, die dauerhaft und erheblich die Lebensqualität beeinträchtigen. Häufig handelt es sich um chronische Leiden oder Erkrankungen im fortgeschrittenen Stadium.

Zu den Krankheitsbildern, bei denen Cannabis-Medikamente zum Einsatz kommen können, zählen chronische Schmerzzustände, insbesondere neuropathische Schmerzen. Auch bei Spastik aufgrund von Multipler Sklerose zeigen sich positive Effekte. Patienten mit starker Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen, etwa im Rahmen einer Krebserkrankung oder HIV-Infektion, können ebenfalls von Cannabis profitieren.

Im neurologischen Bereich kommen Cannabis-Präparate bei hyperkinetischen Bewegungsstörungen in Betracht. Auch bei bestimmten Formen der Epilepsie zeigen sich Behandlungserfolge. Psychiatrische Indikationen umfassen unter anderem Depressionen, Angststörungen und posttraumatische Belastungsstörungen. Bei Schlafstörungen und dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) liegen ebenfalls Erfahrungswerte vor.

Aus dem Bereich der Dermatologie können Patienten mit Neurodermitis, Psoriasis oder Akne inversa für eine Cannabis-Therapie in Frage kommen. In der Augenheilkunde wird Cannabis zur Behandlung des Glaukoms eingesetzt. Internistische Anwendungsgebiete umfassen entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sowie rheumatische Erkrankungen.

Entscheidend ist jedoch nicht allein die Diagnose. Vielmehr muss der behandelnde Arzt im Einzelfall beurteilen, ob eine Cannabis-Therapie sinnvoll erscheint. Dabei spielt eine wesentliche Rolle, ob herkömmliche Behandlungsmethoden ausgeschöpft sind oder nicht vertragen werden. Zudem muss eine begründete Aussicht auf Linderung der Beschwerden oder positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs durch Cannabis bestehen.

Die Krankenkassen prüfen jeden Antrag auf Kostenübernahme individuell. Sie berücksichtigen dabei die ärztliche Einschätzung und die spezifische Situation des Patienten. Eine pauschale Ablehnung allein aufgrund der Diagnose ist nicht zulässig. Vielmehr muss eine sorgfältige Abwägung im Einzelfall erfolgen.

Patienten sollten beachten, dass die Verordnung von medizinischem Cannabis stets eine Einzelfallentscheidung des behandelnden Arztes darstellt. Eine offene Kommunikation über Beschwerden, bisherige Therapieversuche und Erwartungen an die Behandlung ist daher wichtig. Nur so kann der Arzt beurteilen, ob Cannabis eine geeignete Therapieoption darstellt.

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Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Krankenkasse die Kosten für Cannabis-Medikamente übernimmt?

Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Kosten für Cannabis-Medikamente nur unter bestimmten Voraussetzungen. Entscheidend ist zunächst das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung. Als schwerwiegend gilt eine Krankheit, wenn sie lebensbedrohlich ist oder die Lebensqualität auf Dauer erheblich beeinträchtigt.

Standardtherapien müssen ausgeschöpft oder ungeeignet sein. Der behandelnde Arzt muss nachweisen, dass alle verfügbaren Standardtherapien bereits angewendet wurden und nicht ausreichend wirksam waren. Alternativ kann er begründen, warum diese im konkreten Fall nicht anwendbar sind, etwa aufgrund von Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen.

Die ärztliche Begründung spielt eine zentrale Rolle. Der Arzt muss detailliert darlegen, warum eine Cannabis-Therapie im individuellen Fall medizinisch notwendig und erfolgversprechend erscheint. Dafür ist eine fundierte Einschätzung erforderlich, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

Vor Therapiebeginn muss ein Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse gestellt werden. Dieser Antrag umfasst neben den ärztlichen Begründungen auch Angaben zur geplanten Behandlung, etwa zur Cannabissorte, Darreichungsform und Dosierung. Die Krankenkasse prüft den Antrag und zieht in der Regel den Medizinischen Dienst zur Beurteilung hinzu.

Bei der Entscheidung über die Kostenübernahme berücksichtigt die Krankenkasse verschiedene Faktoren. Dazu gehören die Schwere der Erkrankung, die bisherigen Therapieversuche und deren Ergebnisse sowie die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von Cannabis bei der vorliegenden Indikation. Auch mögliche Risiken und Nebenwirkungen werden in die Bewertung einbezogen.

Eine Ausnahme vom Genehmigungsverfahren besteht für Patienten in spezialisierter ambulanter Palliativversorgung. In diesen Fällen können Cannabis-Medikamente ohne vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse verordnet werden. Dies soll eine schnelle und unbürokratische Versorgung schwerstkranker Patienten sicherstellen.

Die Krankenkasse darf die Kostenübernahme nur in begründeten Einzelfällen ablehnen. Eine Ablehnung muss stichhaltig begründet werden. Im Falle einer Ablehnung haben Versicherte die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen und den Rechtsweg zu beschreiten.

Bei einer Bewilligung übernimmt die Krankenkasse die Kosten für das Cannabis-Medikament abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung. Diese beträgt wie bei anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten zehn Prozent des Abgabepreises, mindestens 5 Euro und höchstens 10 Euro je Verordnung.

Die Verordnung von Cannabis-Medikamenten unterliegt besonderen Dokumentationspflichten. Der behandelnde Arzt muss den Therapieverlauf sorgfältig dokumentieren und die Wirksamkeit sowie mögliche Nebenwirkungen erfassen. Diese Daten dienen der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation der Cannabis-Therapie.

Eine erneute Genehmigung durch die Krankenkasse ist nur erforderlich, wenn sich die Therapie grundlegend ändert, beispielsweise beim Wechsel von Cannabisblüten auf ein Fertigarzneimittel. Ansonsten gilt die einmal erteilte Genehmigung für die Dauer der Behandlung.

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Wie kann man nachweisen, dass herkömmliche Therapien nicht erfolgreich waren?

Der Nachweis, dass herkömmliche Therapien nicht erfolgreich waren, ist ein zentraler Aspekt für den Anspruch auf Cannabis-Medikamente bei schwerwiegenden Erkrankungen. Patienten müssen hierfür eine umfassende Dokumentation ihrer bisherigen Behandlungsversuche vorlegen.

Ärztliche Dokumentation spielt eine Schlüsselrolle. Behandelnde Ärzte sollten detailliert festhalten, welche konventionellen Therapiemethoden angewandt wurden und aus welchen Gründen diese nicht zum gewünschten Erfolg führten. Dies umfasst sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Behandlungsansätze wie Physiotherapie oder Ergotherapie.

Chronologische Aufzeichnungen sind entscheidend. Ein lückenloser Verlauf der Krankengeschichte mit Angaben zu Dosierungen, Behandlungszeiträumen und beobachteten Wirkungen bzw. Nebenwirkungen stärkt die Glaubwürdigkeit des Nachweises. Patienten sollten ihre Ärzte um entsprechend detaillierte Berichte und Arztbriefe bitten.

Unverträglichkeiten müssen belegt werden. Falls bestimmte Therapien aufgrund von Unverträglichkeiten abgebrochen werden mussten, sind medizinische Befunde oder Laborergebnisse, die diese Unverträglichkeiten bestätigen, von großer Bedeutung. Allergietests oder dokumentierte Nebenwirkungen können hier als Nachweis dienen.

Eigeninitiative der Patienten ist gefragt. Es empfiehlt sich, ein persönliches Schmerztagebuch oder Symptomprotokoll zu führen. Darin können Patienten den Verlauf ihrer Beschwerden und die Wirksamkeit verschiedener Therapieansätze festhalten. Diese Aufzeichnungen ergänzen die ärztliche Dokumentation und unterstreichen die Notwendigkeit alternativer Behandlungsmethoden.

Fachärztliche Gutachten verstärken die Argumentation. Stellungnahmen von Spezialisten, die die Erfolglosigkeit herkömmlicher Therapien bestätigen, haben besonderes Gewicht. Patienten sollten sich um entsprechende Überweisungen und Konsultationen bemühen.

Krankenkassenunterlagen können hilfreich sein. Abrechnungsdaten der Krankenkasse über bisherige Behandlungen und verordnete Medikamente können als zusätzlicher Beleg dienen. Patienten haben das Recht, diese Informationen bei ihrer Krankenkasse anzufordern.

Die Schwere der Erkrankung muss verdeutlicht werden. Neben dem Nachweis erfolgloser Therapieversuche ist es wichtig, die Schwere der Erkrankung zu dokumentieren. Hierzu können Befunde, Bildgebungen oder Funktionseinschränkungen im Alltag herangezogen werden.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit kann den Nachweis stärken. Wenn mehrere Fachrichtungen die Erfolglosigkeit konventioneller Therapien bestätigen, erhöht dies die Überzeugungskraft des Antrags. Patienten sollten daher alle beteiligten Ärzte um entsprechende Stellungnahmen bitten.

Zeitliche Aspekte sind zu berücksichtigen. Es sollte dargelegt werden, dass die herkömmlichen Therapien über einen angemessenen Zeitraum und in ausreichender Intensität durchgeführt wurden. Kurzfristige Behandlungsversuche reichen in der Regel nicht aus, um die Erfolglosigkeit zu belegen.

Transparenz gegenüber der Krankenkasse ist wichtig. Alle relevanten Unterlagen sollten der Krankenkasse vollständig und strukturiert vorgelegt werden. Ein Anschreiben, das die wichtigsten Punkte zusammenfasst, kann die Bearbeitung erleichtern.

Regelmäßige Überprüfungen sind notwendig. Auch nach Genehmigung einer Cannabis-Therapie muss deren Wirksamkeit kontinuierlich dokumentiert werden. Dies dient als Grundlage für mögliche Folgeverordnungen.

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Wie beantragt man die Kostenübernahme für Cannabis-Medikamente bei der Krankenkasse?

Der Antrag auf Kostenübernahme für Cannabis-Medikamente bei der Krankenkasse erfordert ein strukturiertes Vorgehen. Zunächst benötigen Patienten eine ärztliche Verordnung für medizinisches Cannabis. Diese kann von jedem approbierten Arzt ausgestellt werden, unabhängig von seiner Fachrichtung. Die Verordnung allein reicht jedoch nicht aus, um eine Kostenübernahme zu erwirken.

Vor Beginn der Therapie müssen Versicherte einen Antrag auf Genehmigung bei ihrer Krankenkasse einreichen. Dieser Antrag muss vom behandelnden Arzt unterstützt und ausführlich begründet werden. Die ärztliche Begründung ist ein zentrales Element für die Bewilligung der Kostenübernahme. Sie sollte detailliert darlegen, warum eine Behandlung mit Cannabis-Medikamenten medizinisch notwendig ist.

Im Antrag muss nachgewiesen werden, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt. Als schwerwiegend gilt eine Erkrankung, wenn sie lebensbedrohlich ist oder die Lebensqualität auf Dauer erheblich beeinträchtigt. Zudem muss dargelegt werden, dass alle verfügbaren Standardtherapien bereits ausgeschöpft wurden oder aus medizinischen Gründen nicht anwendbar sind.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Darlegung einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome durch die Cannabis-Therapie. Hierfür sind keine umfangreichen Studien erforderlich, jedoch sollte ein gewisses Maß an wissenschaftlichen Daten zur Untermauerung angeführt werden.

Nach Eingang des Antrags hat die Krankenkasse drei Wochen Zeit, um über die Kostenübernahme zu entscheiden. Bei Einschaltung des Medizinischen Dienstes verlängert sich diese Frist auf fünf Wochen. Erfolgt innerhalb dieser Frist keine Rückmeldung, gilt der Antrag als genehmigt.

Bei einer Ablehnung des Antrags haben Versicherte die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Zugang des Ablehnungsbescheids schriftlich bei der Krankenkasse eingereicht werden. Eine erneute ärztliche Stellungnahme, die auf die Ablehnungsgründe eingeht und diese entkräftet, kann die Erfolgsaussichten des Widerspruchs erhöhen.

Sollte auch der Widerspruch abgelehnt werden, bleibt als nächster Schritt der Klageweg vor dem Sozialgericht. Eine Klage muss innerhalb eines Monats nach Zugang des Widerspruchsbescheids eingereicht werden. Es empfiehlt sich, für diesen Schritt anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, da die rechtliche Auseinandersetzung komplex sein kann.

Bei der Antragstellung ist zu beachten, dass die Krankenkasse die Kosten nur für die Zukunft übernehmen kann. Eine rückwirkende Kostenerstattung für bereits selbst beschaffte Cannabis-Medikamente ist in der Regel nicht möglich. Daher ist es ratsam, den Antrag frühzeitig zu stellen und die Genehmigung abzuwarten, bevor mit der Therapie begonnen wird.

Für Patienten, die im Rahmen einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) behandelt werden, gelten erleichterte Bedingungen. In diesen Fällen ist keine vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse erforderlich, was einen schnelleren Zugang zur Therapie ermöglicht.

Der gesamte Prozess der Antragstellung und gegebenenfalls des Widerspruchsverfahrens kann zeitaufwendig und belastend sein. Patienten sollten sich daher nicht scheuen, Unterstützung durch Patientenorganisationen oder spezialisierte Rechtsanwälte in Anspruch zu nehmen. Diese können wertvolle Hilfe bei der Formulierung des Antrags und der Durchsetzung des Anspruchs leisten.

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Welche Kosten für die Selbstbeschaffung von Cannabis-Medikamenten können erstattet werden?

Die Kostenerstattung für selbst beschaffte Cannabis-Medikamente ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Gesetzlich Versicherte haben grundsätzlich Anspruch auf die Versorgung mit Cannabis, wenn eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt. Als schwerwiegend gilt eine Erkrankung, wenn sie lebensbedrohlich ist oder die Lebensqualität auf Dauer erheblich beeinträchtigt.

Für eine Kostenübernahme muss zunächst ein Naturalleistungsanspruch bestanden haben. Dies bedeutet, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Cannabistherapie erfüllt sein müssen. Hierzu gehört, dass keine andere allgemein anerkannte Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung steht oder diese im Einzelfall nach ärztlicher Einschätzung nicht anwendbar ist.

Wichtig ist, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs oder schwerwiegender Symptome durch die Cannabistherapie bestehen muss. Diese Einschätzung muss der behandelnde Arzt treffen und begründen.

Die Krankenkasse muss die Kostenübernahme in der Regel vor Therapiebeginn genehmigen. Wurde der Antrag auf Kostenübernahme von der Krankenkasse abgelehnt, können Versicherte unter bestimmten Umständen trotzdem Anspruch auf Erstattung der selbst beschafften Medikamente haben. Dies gilt insbesondere, wenn die Ablehnung durch die Krankenkasse rechtswidrig war und alle Voraussetzungen für eine Kostenübernahme eigentlich vorlagen.

Bei der Selbstbeschaffung ist es wichtig, dass die Versorgung mit Cannabis ordnungsgemäß ärztlich verordnet wurde. Aus der Verordnung müssen das notwendige Medikament, die Dosierung und eventuelle Einnahmevorgaben hervorgehen. In einem vom Sozialgericht Trier entschiedenen Fall wurde die förmliche Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zum Erwerb von Cannabisblüten als ausreichender Ersatz für eine ärztliche Verordnung anerkannt.

Erstattet werden können die tatsächlich entstandenen Kosten für die selbst beschafften Cannabis-Medikamente. Patienten sollten daher unbedingt alle Belege und Rechnungen für die gekauften Medikamente aufbewahren. Die Erstattung umfasst in der Regel nur die Kosten für die Medikamente selbst, nicht aber eventuelle zusätzliche Aufwendungen wie Fahrtkosten.

Es ist zu beachten, dass die Krankenkassen bei der Prüfung von Erstattungsanträgen für selbst beschaffte Cannabis-Medikamente strenge Maßstäbe anlegen. Sie prüfen genau, ob alle Voraussetzungen für eine Kostenübernahme erfüllt sind. Hierbei wird oft der Medizinische Dienst zur Beurteilung hinzugezogen.

Patienten, die eine Erstattung für selbst beschaffte Cannabis-Medikamente anstreben, sollten möglichst frühzeitig einen Antrag auf Kostenübernahme bei ihrer Krankenkasse stellen. Wird dieser abgelehnt, ist es ratsam, Widerspruch einzulegen und gegebenenfalls rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Die Erfolgsaussichten hängen stark vom Einzelfall ab und davon, ob alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Cannabistherapie erfüllt sind.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Schwerwiegende Erkrankung: Eine schwerwiegende Erkrankung ist eine Krankheit, die das Leben eines Patienten erheblich beeinträchtigt und deren Behandlung dringend notwendig ist. Dies umfasst sowohl körperliche als auch psychische Leiden, die eine intensive und oft langwierige Therapie erfordern. Im vorliegenden Fall wurde die Kombination aus chronischen Schmerzen, Depressionen und Epilepsie der Klägerin als schwerwiegende Erkrankung anerkannt.
  • Standardtherapien: Standardtherapien sind medizinische Behandlungen, die allgemein anerkannt und weit verbreitet sind. Sie entsprechen dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und werden üblicherweise zur Behandlung einer bestimmten Krankheit eingesetzt. Im vorliegenden Fall wurden alle herkömmlichen Schmerztherapien ausgeschöpft, bevor die Behandlung mit dem Cannabis-basierten Medikament in Betracht gezogen wurde.
  • Medizinische Notwendigkeit: Dieser Begriff bezieht sich auf die Notwendigkeit einer bestimmten medizinischen Behandlung, um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhindern oder Beschwerden zu lindern. Eine medizinische Notwendigkeit muss ärztlich begründet und durch den aktuellen Gesundheitszustand des Patienten gerechtfertigt sein. Im vorliegenden Fall wurde die Notwendigkeit der Behandlung mit Sativex durch die behandelnden Ärzte bestätigt.
  • Kostenübernahme: Die Kostenübernahme bedeutet, dass die Krankenkasse die Kosten für eine medizinische Behandlung oder ein Medikament trägt. Dies setzt voraus, dass die Behandlung medizinisch notwendig ist und keine kostengünstigeren Alternativen zur Verfügung stehen. Im vorliegenden Fall entschied das Gericht, dass die Krankenkasse die Kosten für das Sativex Spray übernehmen muss.
  • Begründete Einschätzung des Arztes: Eine begründete Einschätzung des Arztes ist eine fachliche Bewertung durch einen behandelnden Arzt, die nachvollziehbar und gut dokumentiert ist. Diese Einschätzung muss darlegen, warum eine bestimmte Behandlung erforderlich ist und welche anderen Therapieoptionen bereits erfolglos waren. Im vorliegenden Fall lieferten die Ärzte ausführliche Berichte, die die Notwendigkeit von Sativex belegten.
  • Erstattung der Selbstbeschaffungskosten: Erstattung der Selbstbeschaffungskosten bedeutet, dass die Krankenkasse die Kosten für Medikamente oder Behandlungen zurückzahlt, die der Patient zunächst selbst bezahlt hat. Voraussetzung hierfür ist, dass die Kosten medizinisch notwendig und die Krankenkasse ursprünglich zur Übernahme verpflichtet war. Im vorliegenden Fall muss die Krankenkasse der Klägerin die Kosten für das Sativex Spray erstatten, die sie selbst getragen hatte.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 31 Abs. 6 SGB V (Cannabis als Medizin): Dieser Paragraph regelt die Versorgung von Versicherten mit Cannabisarzneimitteln. Er besagt, dass die Kostenübernahme durch die Krankenkasse nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, insbesondere bei schwerwiegenden Erkrankungen, wenn andere Therapien ausgeschöpft sind und eine positive Wirkung des Cannabis erwartet werden kann. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Klägerin diese Voraussetzungen erfüllt, um Sativex Spray auf Kosten der Krankenkasse zu erhalten.
  • § 2 Abs. 1a SGB V (Wirtschaftlichkeitsgebot): Dieser Paragraph verpflichtet die Krankenkassen, eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung zu gewährleisten. Dabei dürfen die Leistungen nicht das Maß des Notwendigen überschreiten. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Versorgung mit Sativex Spray im Verhältnis zu den Kosten angemessen und notwendig ist, insbesondere im Vergleich zu anderen Therapieoptionen.
  • § 13 Abs. 3 SGB V (Behandlungsmethoden): Dieser Paragraph legt fest, dass Versicherte Anspruch auf Leistungen haben, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und notwendig sind, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Behandlung mit Sativex Spray dem medizinischen Standard entspricht und ob sie notwendig ist, um die Schmerzen der Klägerin zu lindern, da andere Therapien erfolglos waren.
  • § 275 Abs. 1 SGB V (Offenbarungspflicht): Dieser Paragraph verpflichtet Versicherte, der Krankenkasse alle notwendigen Auskünfte zu erteilen, um den Anspruch auf Leistungen zu prüfen. Im vorliegenden Fall war die Klägerin verpflichtet, ihre Krankengeschichte und die erfolglosen Therapieversuche offenzulegen, damit die Krankenkasse entscheiden konnte, ob die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme von Sativex Spray erfüllt sind.
  • § 13 SGB V (Ärztliche Behandlung): Dieser Paragraph regelt den Anspruch der Versicherten auf ärztliche Behandlung. Dazu gehören auch die Verordnung von Arzneimitteln, wenn diese zur Behandlung einer Krankheit notwendig sind. Im vorliegenden Fall war die Verordnung des Sativex Sprays durch den Arzt entscheidend für den Anspruch der Klägerin auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Es wurde geprüft, ob die Verordnung medizinisch begründet und notwendig war.

Das vorliegende Urteil

SG Detmold – Az.: S 33 KR 1473/20 – Urteil vom 16.11.2021

Lesen Sie hier das Urteil…

Der Bescheid der Beklagten vom 02.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2020 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Selbstbeschaffung des Arzneimittels Sativex Spray mit dem Wirkstoff Dronabinol die seit dem 05.10.2019 bis zum 16.11.2021 entstandenen Kosten in Höhe von 3.164,50 EUR zu erstatten, sowie die Klägerin zukünftig entsprechend vertragsärztlicher Verordnung mit dem Arzneimittel Sativex Spray mit dem Wirkstoff Dronabinol zu versorgen.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit dem Fertigarzneimittel Sativex® Spray. Dabei handelt es sich um ein Mundhöhlenspray mit dem Wirkstoff Dronabinol, einem Extrakt aus der Hanfpflanze. Die Klägerin begehrt Kostenerstattung für die Vergangenheit sowie die Versorgung mit dem Arzneimittel für die Zukunft.

Die 1964 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Klägerin leidet unter anderem an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einer schmerzhaften Neuropathie des linken Kniegelenkes, mittelgradigen depressiven Episoden und Epilepsie. Sie ist seit längerer Zeit regelmäßig in schmerztherapeutischer ambulanter sowie stationärer Behandlung. Unter anderem fand im März 2018 eine stationäre Schmerztherapie im I Klinikum in I sowie im Januar 2020 im I Klinikum in X statt. Von Oktober 2018 bis November 2018 befand sich die Klägerin für eine stationäre Rehabilitation in der Kurparkklinik in C M. Seit April 2021 ist die Klägerin in psychotherapeutischer Behandlung.

Seit Juni 2019 wird die Klägerin aufgrund von durch die Hausärzte Dr. I und Dr. H ausgestellten Privatrezepten mit dem streitgegenständlichen Sativex Spray behandelt. Die für das Arzneimittel anfallenden Kosten trägt die Klägerin selbst. Von Juni 2019 bis zum 16.11.2021 sind Kosten in Höhe von 3.871,58 EUR entstanden.

Mit Schreiben vom 28.07.2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Therapie mit Sativex Spray. Zur Begründung führte sie aus, dass sie schon viele verschiedene Schmerzmedikamente genommen und verschiedene Ärzte und Schmerzkliniken aufgesucht habe, bisher aber noch nichts geholfen habe. Aufgrund eines durch ihren Arzt ausgestellten Privatrezepts habe sie Sativex ausprobiert und könne nur sehr positiv über die Anwendung berichten.

Mit Schreiben vom 01.08.2019 bat die Beklagte den verordnenden Hausarzt der Klägerin, Dr. I, um nähere Informationen zum Krankheits- und Behandlungsverlauf der Klägerin und um Übersendung des dem Schreiben beigefügten Arztfragebogens zu Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Mit Schreiben vom 10.09.2019 übersandte Dr. I den ausgefüllten Arztfragebogen. In diesem führte er u.a. aus, dass das Behandlungsziel die Schmerzreduktion und die Reduktion von Nebenwirkungen der bisher verwendeten Schmerzmedikation wie schwere Obstipation, Insomnie, Konzentrationsstörungen, Reduktion der massivsten Allodynie im Bereich des linken Knies und Unterschenkels und Tagesmüdigkeit sei. Es folgten sodann genauere Angaben zur derzeitigen Medikation der Klägerin. Danach befragt, welche Behandlung bisher für das Therapieziel mit welchem Erfolg durchgeführt worden ist, verwies Dr. I auf die vorher genannte Medikation sowie darauf, dass nach einer Qutenza-Pflasterbehandlung eine leichte, aber unzureichende Besserung des Schmerzniveaus verzeichnet werden konnte und andere Medikamente ebenfalls ohne ausreichende Wirkung gewesen seien. Auf die Frage, welche weiteren allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechende alternativen Behandlungsoptionen für das Behandlungsziel noch zur Verfügung stünden und warum diese nicht zum Einsatz kommen können, führte Dr. I aus, dass bei der Klägerin alles Erdenkliche ambulant und stationär probiert worden sei. Erst der Behandlungsversuch mit Sativex Spray habe einen Durchbruch gebracht. Unter Anwendung des Sativex Spray sei eine deutliche Schmerzreduktion („VAS aktuell 2-3“) und ein Verlust der extremen Tagesmüdigkeit durch verbessertes Schlafverhalten zu verzeichnen, außerdem habe sich die depressive Grundstimmung gebessert. Die allgemein anerkannten Behandlungsoptionen hätten entweder völlig unzureichende Wirkung oder massive nicht tolerable Nebenwirkungen. Dem Befundbericht war außerdem ein Literaturverzeichnis mit 27 Quellen beigefügt. Verwiesen wurde unter anderem auf Aufsätze, die sich mit der Anwendung von Cannabinoiden bei Epilepsie (Nr. 25) und psychischen Störungen (u.a. Nr. 19, 21), neurologischen Schmerzen (Nr. 17,18) und chronisch en Schmerzen (Nr. 14, 16) und dem grundsätzlichen Therapiepotential von Cannabis bzw. Sativex auseinandersetzen (Nr. 1, 2, 3).

Am 11.09.2019 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung des Falles. In ihrem Gutachten vom 30.09.2019 kam die Gutachterin Dr. med. C-N zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht erfüllt seien. Es seien noch weitere vertragsärztliche Therapien vorhanden, beispielsweise eine ambulante Psychotherapie sowie weitere Physiotherapie und regelmäßige orthopädische Behandlung. Anhand der der Gutachterin vorliegenden Informationen sei nicht nachvollziehbar, dass allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen nicht zur Verfügung stehen bzw. nicht zur Anwendung kommen könnten, um die individuellen Therapieziele zu erreichen.

Mit Bescheid vom 02.10.2019 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf die Feststellung des MDK die Kostenübernahme für eine Behandlung mit Sativex Spray ab. Es fehle auch an einer Risiko-Nutzen-Abwägung des behandelnden Arztes.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 11.10.2019 Widerspruch ein, der mit Schreiben vom 31.10.2019 näher begründet wurde. Die Klägerin berichtete erneut von den positiven Behandlungserfolgen mit Sativex. Sie stünde außerdem seit acht Monaten auf der Warteliste für eine Psychotherapie. Sportliche Therapien seien bisher aufgrund anhaltender Schmerzen nicht möglich gewesen, mit Physiotherapie solle aber bald wieder begonnen werden. Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung stehe zur Schmerzlinderung nicht zur Verfügung; die Schmerzsymptomatik sei erfolglos behandelt worden. Die Klägerin verwies dabei ausführlich auf bisher durchgeführte schmerztherapeutische Behandlungen mit Angaben zu Ort und Zeit und erfolgter Medikation.

Mit Schreiben vom 30.01.2020 an die Beklagte führte Frau Dr. L vom I Klinikum X aus, dass sich die Klägerin derzeit in vierter multimodaler Schmerztherapie befände. Während des stationären Aufenthaltes sei die Medikation mit Sativex weiter erprobt worden. Hierunter habe sich eine Schmerzreduktion von einer NRS 9-10 auf NRS 6-7 gezeigt. Eine Weiterführung der Medikation werde befürwortet, da es durch die Medikation zu einer deutlichen Schmerzreduktion gekommen sei und unter Fortsetzung der Medikation eine weitere Reduktion der neuropathischen Schmerzen zu erwarten sei. Dem Schreiben war außerdem ein durch Dr. L ausgefüllter Arztfragebogen zu Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 SGB V beigefügt. In diesem führte die Ärztin aus, dass die Nebenwirkungen von z.B. Buprenorphin nicht zu verantworten seien. Novamin, Ibuprofen, Valoron seien ohne Wirkung gewesen, stärkere Opioide wie z.B. Buprenorphin seien nicht vertragen worden.

Am 07.02.2020 beauftragte die Beklagte erneut den MDK. In seinem Gutachten vom 18.02.2020 kam der Gutachter Dr. med. X zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach wie vor nicht erfüllt seien. Der Gutachter verwies weiterhin auf eine psychiatrische Mitbehandlung oder ambulante Psychotherapie. In diesem Rahmen sollten auch Kontraindikationen für den Einsatz von Cannabinoiden ausgeschlossen werden. Neben einer medikamentösen Schmerztherapie sollten auch nicht-medikamentöse Behandlungsansätze, z.B. in Form der Intensivierung des Bewegungstrainings, verfolgt werden.

Unter Bezugnahme auf die beiden Gutachten des MDK wurde der Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2020, zugestellt am 12.05.2020, zurückgewiesen.

Die Klägerin hat am 05.06.2020 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 SGB V vorliegen würden. Sie leide unter einer schwerwiegenden Erkrankung. Die ihr zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten seien ohne Erfolg ausgeschöpft worden. Erst unter Anwendung von Sativex habe sich eine Linderung der Schmerzen eingestellt. Sie habe mehr Lebensqualität erhalten und könne sich auch mehr und besser bewegen. Sie gehe mittlerweile alle zwei bis drei Wochen zur Psychotherapie, fahre seit 2018 täglich mit dem Fahrradergometer und gehe täglich spazieren. Während der Anwendung von Sativex hätten sich keine negativen Auswirkungen auf ihre psychische Beeinträchtigung ergeben. Eine Risiko-Nutzen-Abwägung verlaufe zu ihren Gunsten, da die Vorteile einer Anwendung von Sativex den möglichen Risiken überwiegen würden.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2020 zu verurteilen, der Klägerin für die Selbstbeschaffung des Arzneimittels Sativex Spray mit dem Wirkstoff Dronabinol die seit dem 05.10.2019 bis zum 16.11.2021 entstandenen Kosten in Höhe von 3.164,50 EUR zu erstatten, sowie die Klägerin zukünftig entsprechend vertragsärztlicher Verordnung mit dem Arzneimittel Sativex Spray mit dem Wirkstoff Dronabinol zu versorgen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass bei der Klägerin eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen würde und auch eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome zu erwarten sei. Es stünden jedoch noch weitere allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen zur Verfügung. Die begründete Einschätzung des Vertragsarztes würde den rechtlichen Anforderungen, die insbesondere das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in seiner Rechtsprechung entwickelt habe, nicht genügen. Insbesondere fehle es an einer ausdrücklichen Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der Klägerin.

Das Gericht hat Befundberichte eingeholt von dem verordnenden Hausarzt und Schmerzmediziner Dr. I (27.04.2021), dem verordnenden Hausarzt Dr. H (14.04.2021), dem Psychologen Küpers (05.04.2021) und der Anästhesiologin und Schmerztherapeutin Dr. O (06.05.2021). Auf den Inhalt der angeforderten Befundberichte wird Bezug genommen.

Dr. I hat in seinem Befundbericht vom 27.04.2021 ausgeführt, dass durch die Behandlung mit Sativex ein positiver Erfolg habe verzeichnet werden können. Die Depressionen hätten sich gebessert, der Nachtschlaf sei deutlich gebessert, das chronische Schmerzsyndrom sei anhaltend positiv gebessert. Die Epilepsie der Klägerin sei in keiner Weise von der Therapie beeinträchtigt. Es seien etliche Schmerzmedikationen in der Vergangenheit benutzt worden, die genauer bezeichnet wurden. All diese Maßnahmen hätten entweder gravierende Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Inappetenz und Schlaflosigkeit hervorgerufen oder eine nicht ausreichende schmerzlindernde Wirkung gehabt. Danach befragt, ob für den Gebrauch von Sativex Spray im Falle der Klägerin eine Kontraindikation bestehe, hat Dr. I mitgeteilt, dass keine Kontraindikation von Sativex Spray bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Klage ist auch begründet.

Die Anfechtungsklage ist begründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 02.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2020 rechtswidrig und die Klägerin daher beschwert ist, § 54 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGG. Die Leistungsklage ist begründet, da die Klägerin einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Leistung hat. Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Sativex Spray aus §§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 31 Abs. 6 SGB V sowie auf Übernahme der bereits entstandenen Kosten in Höhe von 3.164,50 EUR aus §§ 13 Abs. 3 S. 1, 31 Abs. 6 SGB V.

Versicherte haben gem. § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Gem. § 31 Abs. 6 SGB V haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn 1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung a) nicht zur Verfügung steht oder b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann und 2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Bei der Klägerin liegt eine schwerwiegende Erkrankung vor. Der Begriff der schwerwiegenden Erkrankung wird weder in § 31 SGB V noch in der Gesetzesbegründung definiert. Jedenfalls sind zunächst diejenigen Erkrankungen umfasst, die dem Grunde nach einen Anspruch aus § 2 Abs. 1a SGB V begründen können, d.h. lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche bzw. wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungen (Nolte in Kassler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 115. EL Juli 2021, SGB V, § 31 Rn. 75d).

Darüber hinaus ist eine Erkrankung jedoch bereits dann schwerwiegend im Sinne von § 31 Abs. 6 SGB V, wenn es sich um eine Erkrankung handelt, die sich durch ihre Schwere und Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt und aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörungen die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt wird (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss v. 30.01.2019 – L 11 KR 442/18 B ER -, juris). Denn § 2 Abs. 1a SGB V und § 31 Abs. 6 SGB V unterscheiden sich schon vom Wortlaut, sodass der Begriff der schwerwiegenden Erkrankung aus § 2 Abs. 1a SGB V nicht ausschließlich herangezogen werden kann. Darüber hinaus erscheint es sachgereicht, den Begriff der schwerwiegenden Erkrankung ähnlich zu verstehen wie den Krankheitsbegriff beim sogenannten Off-Label-Use gem. § 35c Abs. 2 S. 1 SGB V, da es in den beiden Fällen um die Verwendung von Arzneimitteln als Alternative zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten geht, wobei ausreichende wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf den Wirksamkeitsnachweis noch nicht zur Verfügung stehen (LSG NRW, Beschluss v. 30.01.2019 – L 11 KR 442/18 B ER -; LSG Thüringen, Beschluss v. 10.11.2017 – L 6 KR 1092/17 B ER; zum Begriff der schwerwiegenden Erkrankung beim sog. Off-Label-Use Bundessozialgericht (BSG), Urteil v. 13.12.2016 – B 1 KR 1/16 R -; jeweils juris).

Die Klägerin leidet unter anderem seit Jahren an einer chronischen Schmerzstörung und einer schmerzhaften Neuropathie des linken Kniegelenkes. Die umfangreichen Schilderungen der Klägerin im Verwaltungsverfahren sowie in der mündlichen Verhandlung verdeutlichen, dass ihre Lebensqualität aufgrund ihrer Erkrankungen auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt wird. Belegt wird dies auch durch die eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie der sich daraus ergebenden bisherigen, zahlreichen und zumeist erfolglosen Behandlungsmethoden. Darüber hinaus ist zwischen den Beteiligten aber auch unstreitig, dass die Klägerin an einer schwerwiegenden Erkrankung im Sinne von § 31 Abs. 6 SGB V leidet.

Auf die Frage, ob gem. § 31 Abs. 6 Nr. 1 a) SGB V weitere allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen noch zur Verfügung stehen, kommt es vorliegend nicht an, da gem. § 31 Abs. 6 Nr. 1 b) SGB V eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann.

Das Gesetz selbst regelt nicht abschließend die Anforderungen an den Inhalt dieser begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes. Als Mindestinhalt kann dem Gesetz entnommen werden, dass der behandelnde Vertragsarzt sich zum Krankheitszustand des Patienten und den Nebenwirkungen der weiteren, allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen bzw. Therapiemöglichkeiten äußern muss. Die Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes, warum weitere, allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen nicht zur Anwendung kommen können, muss begründet sein, die zu erwartenden Nebenwirkungen der dem medizinischen Standard entsprechende Leistung abwägen und dabei auch den individuellen Krankheitszustand des Patienten berücksichtigen. Wie ausführlich diese begründete Einschätzung sein muss, sowie weitere Anforderungen gibt der Gesetzeswortlaut und auch der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zu § 31 Abs. 6 SGB V (vgl. BT-Drucks. 18/8965, S. 24) nicht vor.

§ 31 Abs. 6 S. 1 SGB V wurde mit dem Ziel in das SGB V eingefügt, Versicherten mit schwerwiegenden Erkrankungen einfacher Zugang zu einer Therapie mit Cannabisarzneimitteln zu ermöglichen (§ 31 Abs. 6 SGB V eingefügt durch das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 06.03.2017, BGBl. I 403). Schwerwiegend Erkrankten soll zur Linderung ihrer Leiden der Zugang zu Cannabisarzneimitteln betäubungsmittelrechtlich ermöglicht werden, wenn eine ärztliche Therapie mit sämtlichen für die Behandlung der vorliegenden Erkrankung oder Symptomatik zugelassenen bzw. verfügbaren und verkehrsfähigen anderen Arzneimitteln keine weiteren Erfolge gezeigt hat (BT-Drucks. 18/8965, S. 22). Den betroffenen Versicherten soll im Rahmen der ärztlichen Behandlung eine Möglichkeit eröffnet werden, nach Versagen empfohlener Therapieverfahren einen individuellen Therapieversuch zu unternehmen (BT-Drucks. 18/8965, S. 24). Der Versicherte soll gerade nicht langjährig schwere Nebenwirkungen ertragen müssen, bevor die Therapiealternative eines Cannabisarzneimittels genehmigt werden kann (BT-Drucks. 18/8965, S. 24). Eine Ärztin oder ein Arzt soll Cannabisarzneimittel als Therapiealternative dann anwenden können, wenn sie oder er die durch Studien belegten schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten auch unter Berücksichtigung von Nebenwirkungen im Ausmaß einer behandlungsbedürftigen Krankheit, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eintreten werden, ausgeschöpft hat (BT-Drucks. 18/8965, S. 24). Mit der Einfügung des Buchstaben b) im Gesetzgebungsverfahren sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass auch dann von fehlenden Behandlungsalternativen auszugehen ist, wenn im konkreten Fall zwar abstrakt noch andere dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen in Erwägung gezogen werden können, der behandelnde Vertragsarzt im konkreten Fall aber zu der begründeten Einschätzung kommt, dass diese anderen Maßnahmen unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten nicht zur Anwendung kommen können (BT-Drucks. 18/10902, S. 19; BT-Drucks. 18/8965, S. 24).

Nach Ansicht der Rechtsprechung des LSG NRW ist für die begründete Einschätzung im Sinne von § 31 Abs. 6 S. 1 Nr. 1b) eine Beurteilung des behandelnden Arztes unter Auseinandersetzung mit den individuellen Verhältnissen des Versicherten unter Abwägung der bisherigen Therapieversuche, konkret zu erwartenden Nebenwirkungen der Standardtherapie und Nebenwirkungen der Cannabinoidtherapie erforderlich (LSG NRW, Beschluss v. 30.01.2019 – L 11 KR 442/18 B ER -; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 01.10.2018 – L 11 KR 3114/18 ER-B -, jeweils juris). Ferner muss die Einschätzung in sich schlüssig und nachvollziehbar sein; sie darf nicht im Widerspruch zum Akteninhalt stehen (LSG NRW, Beschluss v. 25.05.2019 – L 11 KR 240/18 B ER – mit Verweis auf LSG NRW, Beschluss v. 30.01.2019 – L 11 KR 442/18 B ER -, jeweils juris).

Diesen Anforderungen des Gesetzgebers und der o.g. Rechtsprechung an die begründete Einschätzung gem. § 31 Abs. 6 Nr. 1 b) SGB V genügen in der Gesamtschau die Ausführungen von Dr. I vom 10.09.2019 und Dr. L vom 30.01.2020. Aus der Stellungnahme von Dr. I vom 10.09.2019 ergeben sich der Krankheitszustand der Klägerin, das Behandlungsziel, die aktuelle Medikation, die bisherigen Behandlungen mit einem Hinweis auf Nebenwirkungen und Wirkerfolg sowie eine Stellungnahme zu der Frage, welche weiteren allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden alternativen Behandlungsmethoden grundsätzlich noch zur Verfügung stehen und warum diese nicht zum Einsatz kommen können. Dr. I weist hier darauf hin, dass bei der Klägerin bereits „alles Erdenkliche ambulant und stationär probiert worden“ sei. Die allgemein anerkannten Behandlungsoptionen hätten „entweder völlig unzureichende Wirkung oder massive nicht tolerable Nebenwirkungen“ gezeigt. Dass Dr. I sich nicht ausdrücklich zu denkbaren Nebenwirkungen der Cannabinoidtherapie geäußert hat, ist unschädlich. Denn insoweit ist ausschlaggebend, dass die Klägerin zu dem Zeitpunkt der Einschätzung des Dr. I den Behandlungsversuch mit Sativex Spray bereits begonnen hatte und Dr. I unter dieser Therapie nicht nur keine Nebenwirkungen feststellen konnte, sondern vielmehr eine deutliche Besserung des psychischen und physischen Gesundheitszustands (deutliche Schmerzreduktion, Verlust der extremen Tagesmüdigkeit, Besserung der depressiven Grundstimmung) beschrieben hat. Aus seinen Ausführungen, insbesondere zur Frage 8 und aus dem von ihm eingereichten Literaturverzeichnis mit 27 einschlägigen Literaturquellen, ergibt sich der ärztliche Abwägungsprozess des Nutzens einer Cannabinoidtherapie (trotz bestehender Nebenwirkungsrisiken) nach einer langjährigen, aber erfolglosen Standardtherapie mit ambulanten und stationären Behandlungsansätzen hinreichend.

Die Einschätzung des Herrn Dr. I wird durch die Ausführungen von Frau Dr. L in ihrer Stellungnahme vom 30.01.2020 bestätigt und konkretisiert. Diese führt u.a. aus, dass „Novamin, Ibuproven, Valoron ohne Wirkung“ gewesen sei und die Klägerin „stärkere Opioide, z.B. Buprenorphin nicht vertragen“ habe. Auch erfolgt der Hinweis auf vier stationär durchgeführte Schmerztherapien. Ferner berichtet auch sie von einer nachhaltigen Besserung des Schmerzgeschehens unter Einnahme des Sativex Sprays. Zwar äußert sich auch Frau Dr. L nicht zu denkbaren Nebenwirkungen der Cannabinoidtherapie – die Klägerin stand zu dem Zeitpunkt aber bereits seit acht Monaten unter der Medikation mit Sativex, ohne dass es offensichtlich zu Nebenwirkungen gekommen ist.

Die Ausführungen der Ärzte der Klägerin sind auch widerspruchsfrei, in sich schlüssig und nachvollziehbar und stehen auch nicht im Widerspruch zum Akteninhalt. Verglichen mit den Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren ergibt sich insgesamt ein konsistenter Vortrag zu der Wirkungslosigkeit verschiedener standardisierter Arzneimittel- und Schmerzmitteltherapien sowie der positive Effekt und Behandlungserfolg der bereits begonnen Therapie mit Sativex. Die Ausführungen der Klägerin sind ebenso zu berücksichtigen wie die sonstigen Unterlagen, die der Beklagten (mindestens) bis zum Ende des behördlichen Verfahrens vorlagen. Dazu gehören insbesondere die aktenkundigen Leistungsverzeichnisse und die auch vom MDK in seinen zwei Gutachten dokumentierten stationären Behandlungsansätze. Diese ergänzen insoweit die begründete Einschätzung von Dr. I und Dr. L und den Vortrag der Klägerin.

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass die tatsächlichen oder potentiellen Nebenwirkungen von den Ärzten zu unspezifisch bezeichnet worden seien und die Abwägung insgesamt zu knapp ausfällt und eine konkrete Abwägung mit den Nebenwirkungen fehlt, weist die Kammer darauf hin, dass an die begründete Einschätzung keine überspannten Anforderungen zu stellen sind (vgl. auch Sozialgericht (SG) Hannover, Urteil v. 20.01.2021 – S 86 KR 1317/18 -, juris). Denn diese überspannten Anforderungen ergeben sich weder aus dem Gesetz selbst, noch aus der Gesetzesbegründung. Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzesbegründung die Intention des Gesetzgebers, Versicherten mit einer schwerwiegenden Erkrankung im Rahmen einer ärztlichen Behandlung einen leichteren Zugang zu einem individuellen Therapieversuch mit Cannabis zu ermöglichen. Dabei steht die Therapieverantwortung des behandelnden Arztes im Vordergrund, der die individuelle Krankheitsgeschichte des Versicherten kennt und dem durch den Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative eingeräumt wird (vgl. auch LSG NRW, Beschluss v. 30.01.2019 – L 11 KR 442/18 B ER -, juris). Überspannte Anforderungen an die begründete Einschätzung des behandelnden Arztes zu stellen, würde der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufen, dem Versicherten leichteren Zugang zu einem Therapieversuch mit Cannabis zu ermöglichen. Im Übrigen ist der Einwand der Beklagten nicht nachvollziehbar, weil sie selbst nur einen standardisierten Arztfragebogen nach § 31 Abs. 6 SGB V übersendet hat, der z.B. tatsächliche oder potentielle Nebenwirkungen gar nicht abfragt und auch keinen Hinweis auf eine ggf. erforderliche Abwägung gibt. Der Fragebogen ist überhaupt nur äußert knapp gehalten und bietet vom Aufbau her nur die Möglichkeit stichpunktartiger Antworten. Ein konkreter Hinweis auf die gesetzlichen oder in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die begründete Einschätzung fehlt. Insofern hätte die Beklagte im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) einen differenzierteren Fragebogen einsetzen können, zumal gerichtsbekannt ist, dass solche Anträge nach § 31 Abs. 6 SGB V vielfach gestellt werden.

Darüber hinaus darf eine etwaige Ungenauigkeit in einem Arztfragebogen jedenfalls dann nicht zu einem Anspruchsausschluss führen, wenn die ersichtlich bestehende Möglichkeit des Anspruchs bei weiterer Aufklärung besteht (SG Hannover, Urteil v. 20.01.2021 – S 86 KR 1317/18 -, juris). Die Kammer ist daher hier der Auffassung, dass die begründeten Einschätzungen von Dr. I und Dr. L auch noch im gerichtlichen Verfahren konkretisiert und ergänzt werden konnten. Zwar vertritt das LSG NRW die Auffassung, die begründete Einschätzung im Sinne des § 31 Abs. 6 S. 1 Nr. 1b) SGB V könne nur bis zum Ende des Verwaltungsverfahrens vorgelegt werden und nicht durch nachgängige Ermittlungen eines Gerichts nachgeholt oder gar substituiert werden (LSG NRW, Beschlüsse v. 30.01.2019 – L 11 KR 442/18 B ER – und 25.01.2019 – L 11 KR 240/18 B ER -, jeweils juris). Dem ist jedoch nur teilweise zuzustimmen.

Soweit das LSG NRW ausführt, dass die begründete Einschätzung nicht durch nachgängige Ermittlungen, z.B. durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens, substituiert werden könne, ist dem uneingeschränkt zuzustimmen. Denn aus der Gesetzesbegründung zu § 31 Abs. 6 SGB V geht eindeutig hervor, dass es um die begründete Einschätzung des Vertragsarztes geht, der die individuelle Krankheitsgeschichte des Versicherten kennt und unter Berücksichtigung eben dieser Krankheitsgeschichte, mit bisher versuchten Standardtherapien und deren Nebenwirkungen, zu der Einschätzung kommt, dass dem Versicherten ein Therapieversuch mit Cannabis ermöglicht werden soll. Diese begründete Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes kann schon begrifflich nicht durch einen vom Gericht beauftragten Sachverständigen substituiert werden (so auch LSG NRW, Beschluss v. 30.01.2019 – L 11 KR 442/18 B ER -, juris).

Anders gelagert ist es aber, wenn die Angaben des behandelnden Vertragsarztes, die im Verwaltungsverfahren vorgelegt wurden, zu knapp, unvollständig oder ungenau sind und diese Angaben durch Befragen des Arztes im Gerichtsverfahren noch ergänzt werden können. Denn durch Einholung von ergänzenden Stellungnahmen oder Befundberichten des behandelnden Vertragsarztes, der im Verwaltungsverfahren bereits eine Stellungnahme abgegeben hat, wird nichts substituiert, sondern schlicht ergänzt. Aus Wortlaut und Sinn und Zweck des Gesetzes sind keine Gründe abzuleiten, die gegen diese Möglichkeit der Ergänzung sprechen. Es steht vielmehr im Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, wenn ein offensichtlich bestehender Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit Cannabis nach § 31 Abs. 6 SGB V nur deswegen abgelehnt wird, weil die Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes nicht ausführlich genug ist, obwohl der behandelnde Vertragsarzt ergänzend befragt und seine Einschätzung insoweit noch weiter und/oder ausführlicher begründen kann. Dafür spricht auch, dass Beurteilungszeitpunkt der hier statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist und Tatsachenfeststellungen bis dahin vom Gericht regelhaft berücksichtigt werden müssen (BSG, Urteil v. 11.09.2019 – B 6 KA 2/18 R -, juris).

Dies zugrunde gelegt durfte im vorliegenden Fall eine weitere Erläuterung bzw. Konkretisierung der begründeten Einschätzung durch Dr. I mit Befundbericht vom 27.04.2021 im Klageverfahren erfolgen, auch wenn es darauf hier nicht ankommt, weil bereits nach dem oben dargelegten Abwägungsmaßstab des LSG NRW bis zum Ende des Verwaltungsverfahrens eine begründete Einschätzung von Vertragsärzten durch die Stellungnahmen der Dres. I und L vorlag. Aus dem Befundbericht vom 27.04.2021 ergibt sich, dass die Epilepsie der Klägerin in keiner Weise von der Therapie mit Sativex beeinträchtigt sei, eine Kontraindikation bestehe nicht. Dr. I führt außerdem erneut, konkret und ausführlich zu den Behandlungserfolgen mit Sativex Spray aus. Er verweist darauf, dass etliche Schmerzmedikationen und Co-Analgetika benutzt worden seien, wie z.B. Opioide wie Palexia und Oxycodon, Antidepressiva wie Amitriptylin, lokale Behandlung mit Qutenza und multimodale Schmerztherapie mit psychotherapeutischer Unterstützung. All diese Maßnahmen hätten entweder gravierende Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Inappetenz und Schlaflosigkeit hervorgerufen oder eine nicht ausreichende schmerzlindernde Wirkung gehabt.

Die Ausführungen des Dr. I vom 27.04.2021 ergänzen insoweit widerspruchsfrei und überzeugend die bisherigen Ausführungen im Verwaltungsverfahren.

Gem. § 31 Abs. 6 Nr. 1 b) SGB V kann eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten somit nicht zur Anwendung kommen.

Es besteht auch gem. § 31 Abs. 6 Nr. 2 SGB V eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome. Eine nicht nur auf Indizien gestützte Wirksamkeit, sondern sogar eine konkrete Wirksamkeit im Falle der Klägerin ergibt sich zum einen aus den Befundberichten, in denen die Ärzte der Klägerin von einem dauerhaften Besserungserfolg sprechen. Darüber hinaus berichtet auch die Klägerin ausführlich und nachvollziehbar von einer spürbaren positiven Einwirkung durch Verwendung des streitgegenständlichen Sprays. Dr. I und Dr. L haben in ihren Arztfragebögen des Weiteren auf Literatur verwiesen, aus der zumindest eine mögliche Wirksamkeit der Cannabistherapie hervorgeht. Damit liegen auch (Wirksamkeits-)Indizien vor, die sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden können, und damit der sogenannten Mindestevidenz genügen (Hessisches LSG, Beschluss v. 20.02.2018 – L 8 KR 445/17 B ER -, juris, Rn. 16). Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Der Anspruch auf Kostenübernahme für die Vergangenheit in Höhe von 3.164,50 EUR folgt aus §§ 13 Abs. 3 S. 1, 31 Abs. 6 SGB V.

Gem. § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Variante 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (Variante 2). Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung nicht in der gebotenen Zeit oder zu Unrecht nicht zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil v. 02.11.2007 – B 1 KR 14/07 R -, juris). Die Leistung ist dabei zu Unrecht unter anderem dann abgelehnt worden, wenn ein Rechtsanspruch auf die Leistung bestand (Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V Kommentar, 7. Auflage 2020, § 13, Rn. 27).

Diese Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB V liegen für die Zeit ab dem 05.10.2019 vor. Die Beklagte hat die Leistung, d.h. die Versorgung mit dem Arzneimittel Sativex Spray, zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin hat gemäß der vorherigen Ausführungen einen Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Sativex Spray aus §§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 31 Abs. 6 SGB V.

Der Klägerin sind für die selbstbeschaffte Leistung Kosten in Höhe von 3.871,58 EUR entstanden, die jedoch nur in Höhe von 3.164,50 EUR erstattungsfähig sind. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 02.10.2019 ist der Klägerin nach der 3-Tages-Fiktion gem. § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X am 05.10.2019 zugegangen, sodass ihr die Kosten erst ab dem 05.10.2019 zu erstatten sind. Vorher angefallene Kosten für die Selbstbeschaffung der Leistung sind der Klägerin hingegen nicht zu ersetzen, da für diese Leistung der notwendige Beschaffungsweg nicht eingehalten wurde. Denn § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB V setzt schon begrifflich („abgelehnt“) voraus, dass der Versicherte vor der Inanspruchnahme der Leistung die Entscheidung der Krankenkasse einholt und dieser damit die Möglichkeit gibt, über ihre Leistungspflicht zu entscheiden (Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V Kommentar, 7. Auflage 2020, § 13, Rn. 26). Hinweise auf eine Unaufschiebbarkeit nach § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 SGB V, d.h. eine dringende medizinische Bedarfslage vor dem 05.10.2019, liegen ebenfalls nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.


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