Ein Anlagenmechaniker mit Meistertitel beantragte Rente wegen Berufsunfähigkeit, da er aufgrund von Bandscheibenschäden nicht mehr arbeiten konnte. Die Rentenversicherung lehnte ab: Für seine Verweisungstätigkeit zählte nur die zuletzt ausgeübte Beschäftigung, nicht die höhere Meisterqualifikation.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Gilt mein Berufsschutz, wenn ich freiwillig eine schlechtere Position angenommen habe?
- Welche meiner Tätigkeiten bestimmt meinen Berufsschutz bei der gesetzlichen Rentenversicherung?
- Wann ist eine Verweisungstätigkeit wie Gerätezusammensetzer rechtlich zumutbar?
- Was tun, wenn die DRV meine Arbeitsunfähigkeit wegen meiner Wegefähigkeit ablehnt?
- Wie kann ich meinen hohen Berufsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung behalten?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: L 3 R 195/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
- Datum: 14.03.2024
- Aktenzeichen: L 3 R 195/22
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Sozialrecht, Rentenversicherung
- Das Problem: Ein Kläger wollte eine Rente wegen teilweiser Berufsunfähigkeit. Er war zuletzt als Anlagenmechaniker tätig, sah sich aber durch seine Erkrankungen stark eingeschränkt.
- Die Rechtsfrage: War der Kläger so stark erkrankt, dass ihm keine andere, zumutbare Tätigkeit mehr zugewiesen werden durfte?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht sah den Kläger nicht als berufsunfähig an. Er kann noch leichte Tätigkeiten, wie die eines Gerätezusammensetzers, sechs Stunden täglich ausüben.
- Die Bedeutung: Die Entscheidung bestätigt, dass bei der Berufsunfähigkeit der zuletzt dauerhaft ausgeübte Job zählt. Eine frühere, höhere Qualifikation (Meister) schützt nicht vor der Verweisung auf einfachere Tätigkeiten.
Der Fall vor Gericht
Schützt der Meistertitel vor Verweisung auf einfache Arbeit?
Ein Meisterbrief ist mehr als ein Stück Papier. Er ist das Versprechen von Anerkennung, Verantwortung und einem gewissen Status. Ein Anlagenmechaniker aus Sachsen-Anhalt hielt genau diesen Trumpf in den Händen, als sein Körper nach Jahren auf der Baustelle nicht mehr mitspielte. Er beantragte eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit – sicher in dem Glauben, sein Meistertitel schütze ihn davor, auf einfache Tätigkeiten verwiesen zu werden. Doch die Deutsche Rentenversicherung sah einen entscheidenden Haken in seiner beruflichen Laufbahn. Dieser Haken sollte seinen Schutz aushebeln.

Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt musste klären, ob der Mann trotzdem Anspruch auf die Rente hatte. Die Entscheidung hing an einer zentralen Frage: Welcher Beruf zählt für die Rente? Der höchste erlernte oder der letzte ausgeübte? Die Antwort des Gerichts war für den Kläger ernüchternd. Für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit nach § 240 des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) zählt ausschließlich die letzte auf Dauer ausgeübte, versicherungspflichtige Tätigkeit. Der Mann hatte zwar vor langer Zeit einen Meister im Maschinenbau gemacht und auch als Meister gearbeitet. Seit 1990 war er aber durchgehend als Anlagenmechaniker angestellt – ein Facharbeiterberuf.
Der Wechsel von der Meister- zur Facharbeiterposition war nicht aus gesundheitlichen Gründen erfolgt. Das war der Knackpunkt. Das Gericht stellte fest: Der Kläger hatte sich freiwillig von seiner höher qualifizierten Tätigkeit gelöst. Sein beruflicher Schutzstatus richtete sich damit nach dem, was er fast drei Jahrzehnte lang getan hatte: die Arbeit eines Anlagenmechanikers. Seine Meisterqualifikation spielte für die Rentenversicherung keine Rolle mehr. Sie war ein Kapitel seiner Vergangenheit, nicht seiner rentenrechtlichen Gegenwart.
Warum lehnte die Rentenversicherung den Anspruch überhaupt ab?
Die gesundheitlichen Probleme des Mannes waren unstrittig. Eine operierte Lendenwirbelsäule, Arthrose im Knie, Herzprobleme und starkes Übergewicht machten ihm zu schaffen. Alle medizinischen Gutachter waren sich einig: Seine bisherige Arbeit als Anlagenmechaniker auf Baustellen konnte er keine sechs Stunden am Tag mehr verrichten. Das allein begründet aber noch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Das Gesetz sieht vor, dass die Rentenversicherung prüfen muss, ob es andere, leichtere Tätigkeiten gibt, die der Versicherte gesundheitlich noch schafft. Man spricht hier von einer zumutbaren Verweisungstätigkeit.
Die Rentenversicherung benannte konkrete Alternativen: die Arbeit als Prüfer oder Justierer in der Metallindustrie oder die Tätigkeit als Gerätezusammensetzer. Die sozialmedizinischen Gutachten bestätigten, dass der Mann leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben konnte. Die von der Rentenversicherung vorgeschlagenen Jobs passten genau in dieses Profil. Es sind typische Tätigkeiten in temperierten Werkshallen, oft an einem Arbeitstisch, ohne schweres Heben und ohne Akkorddruck.
Die Logik der Rentenversicherung war klar: Der Mann ist nicht komplett arbeitsunfähig. Er ist nur für seinen alten, schweren Beruf berufsunfähig. Weil es aber zumutbare Alternativen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, besteht keine Notwendigkeit für eine Rente. Seine verbliebene Arbeitskraft kann und muss er anderweitig einsetzen.
War die vorgeschlagene Arbeit als Gerätezusammensetzer denn zumutbar?
Der Anlagenmechaniker wehrte sich gegen diese Einordnung. Er argumentierte nicht nur mit seinem Meistertitel, sondern auch mit seinen konkreten Schmerzen. Langes Sitzen oder Stehen sei ihm unmöglich. Nächtliche Krämpfe und Herzrhythmusstörungen würden ihn belasten. Er sah sich außerstande, einer geregelten Sechs-Stunden-Tätigkeit nachzugehen. Das Gericht ließ diese Einwände nicht gelten. Es stützte seine Entscheidung auf eine Kette von medizinischen Gutachten, insbesondere auf ein vom Gericht selbst in Auftrag gegebenes Gutachten.
Dieses Gutachten zeichnete ein differenziertes Bild. Es bestätigte die Einschränkungen des Klägers – empfahl aber eben leichte Tätigkeiten unter bestimmten Bedingungen: keine Zwangshaltungen, keine schweren Lasten, keine Kälte oder Nässe, keine Nachtschicht. Die Tätigkeit eines Gerätezusammensetzers erfüllt diese Bedingungen. Das Gericht führte detailliert aus, wie ein solcher Arbeitsplatz typischerweise aussieht: Arbeit an hüfthohen Tischen mit Sitzhockern, die einen Haltungswechsel erlauben, und gelegentliches Gehen zum Materiallager.
Ein weiterer Punkt war die sogenannte Wegefähigkeit. Der Kläger musste in der Lage sein, einen Arbeitsplatz zu erreichen. Er gab an, keine 500 Meter am Stück mehr schmerzfrei gehen zu können. Ein im Rahmen der Begutachtung durchgeführter Gehtest widerlegte das. Er schaffte 554 Meter in knapp zehn Minuten mit nur einer kurzen Pause. Da er zudem über Führerschein und Auto verfügte, sah das Gericht keine unüberwindbaren Hürden, einen geeigneten Arbeitsplatz zu erreichen. Die Verweisung auf die Tätigkeit als Gerätezusammensetzer war aus medizinischer Sicht zumutbar.
Wie bewertete das Gericht die angebliche Verschlechterung seines Zustands?
Im Laufe des jahrelangen Verfahrens brachte der Kläger immer wieder neue medizinische Befunde ein. Er wollte damit belegen, dass sich sein Gesundheitszustand seit den ersten Gutachten verschlechtert habe. Neue MRT-Bilder der Wirbelsäule und eine Untersuchung der Blutgefäße sollten das untermauern. Das Landessozialgericht prüfte diese Unterlagen sorgfältig – fand darin aber keine Bestätigung für eine relevante Verschlechterung.
Die Richter verglichen die neuen Befunde mit den alten Aufnahmen, auf denen die früheren Gutachten basierten. Sie stellten fest, dass die neuen Bilder keine dramatisch neuen oder schwerwiegenden Befunde zeigten, die die bisherige Leistungsbeurteilung über den Haufen geworfen hätten. Eine Untersuchung der Beingefäße hatte sogar zu einer leichten Besserung der Gehstrecke geführt. Die Einwände des Klägers blieben für das Gericht nicht ausreichend untermauert.
Die Kette der ärztlichen Einschätzungen war konsistent geblieben. Vom Entlassungsbericht der Reha-Klinik über die Gutachten der Rentenversicherung bis hin zum entscheidenden Gerichtsgutachten kamen alle Experten zum selben Ergebnis: Der Mann kann leichte Tätigkeiten vollschichtig ausüben. Weil ihm mit der Arbeit als Gerätezusammensetzer eine sozial und gesundheitlich zumutbare Verweisungstätigkeit offenstand, war er nicht berufsunfähig im Sinne des Gesetzes. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen.
Die Urteilslogik
Die Rentenversicherung beurteilt den Schutzstatus eines Versicherten strikt nach dem beruflichen Schwerpunkt, den dieser über Jahre hinweg freiwillig gesetzt hat.
- Verlust des Berufsschutzes durch freiwilligen Wechsel: Der berufliche Schutzstatus richtet sich für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit stets nach der letzten auf Dauer ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeit. Höhere Qualifikationen wie ein Meistertitel schützen den Versicherten nicht vor der Verweisung auf einfachere Arbeit, wenn er die höherwertige Tätigkeit freiwillig und langfristig aufgegeben hat.
- Zumutbarkeit der Verweisungstätigkeit: Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit entfällt, wenn der Versicherte leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann. Die Verweisung auf angebotene, leichte Industriearbeiten wie die des Gerätezusammensetzers ist sozial zumutbar, sofern die Arbeitsbedingungen keine Zwangshaltungen oder ungünstigen Umwelteinflüsse erfordern.
- Beweisanforderungen bei Leistungseinschränkungen: Will ein Kläger die Feststellungen medizinischer Sachverständigengutachten erschüttern, muss er seine subjektiven Schmerzangaben oder behaupteten Einschränkungen der Wegefähigkeit durch objektive und konsistente neue Befunde belegen. Die Gerichte prüfen die Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, anhand konkreter Tests und der individuellen Mobilitätsmittel.
Die gesetzliche Absicherung greift nur dann, wenn der Versicherte nachweislich keine einzige der zumutbaren, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verfügbaren Tätigkeiten vollschichtig ausüben kann.
Benötigen Sie Hilfe?
Wurde Ihre Rente wegen Berufsunfähigkeit aufgrund einer Verweisungstätigkeit abgelehnt? Holen Sie sich eine unverbindliche Ersteinschätzung zu Ihrem Bescheid.
Experten Kommentar
Die Frage, die oft vergessen wird, lautet: Was zählt wirklich, wenn man zwar den Meisterbrief in der Tasche hat, aber jahrelang freiwillig nur den Facharbeiterjob ausgeübt hat? Das Landessozialgericht zieht hier eine klare rote Linie: Entscheidend für den Berufsschutz bei der Rente ist die letzte auf Dauer ausgeübte Tätigkeit, nicht die höchste jemals erworbene Qualifikation. Wer sich einmal freiwillig von seiner höher dotierten Position gelöst hat, verliert diesen Status im Falle einer Berufsunfähigkeit unwiderruflich. Dieses Urteil ist eine konsequente Erinnerung daran, dass die Rentenversicherung die berufliche Gegenwart bewertet und stolze, aber ruhende Titel konsequent ignoriert.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Gilt mein Berufsschutz, wenn ich freiwillig eine schlechtere Position angenommen habe?
Nein, Sie verlieren den ursprünglichen, höheren Berufsschutz, wenn Sie freiwillig und über einen längeren Zeitraum hinweg eine niedrigere Position annehmen. Die gesetzliche Rentenversicherung (DRV) stuft Sie dann nur noch nach der Tätigkeit ein, die Sie zuletzt dauerhaft ausgeübt haben. Ihr höchster beruflicher Abschluss wie der Meistertitel spielt in dieser Berechnung keine Rolle mehr. Das kann zu Enttäuschung führen, wenn Sie fest von Ihrem einmal erworbenen Status ausgehen.
Die Rentenversicherung beurteilt Ihren Schutzstatus nach der tatsächlichen beruflichen Praxis, nicht nach Qualifikationen, die Sie nicht mehr nutzen. Erfolgte der Positionswechsel in die weniger qualifizierte Tätigkeit nicht aus zwingenden gesundheitlichen Gründen, wertet die DRV dies als freiwilligen Statusverlust. Dadurch akzeptieren Sie ein niedrigeres Anforderungsniveau, was die Hürde für eine zumutbare Verweisungstätigkeit erheblich senkt.
Für die Prüfung der Berufsunfähigkeit zählt die sogenannte „letzte auf Dauer ausgeübte, versicherungspflichtige Tätigkeit“ gemäß § 240 SGB VI. Hatten Sie beispielsweise vor 30 Jahren den Meister gemacht, arbeiteten aber seitdem ununterbrochen als einfacher Facharbeiter, richtet sich Ihr Schutzstatus nach dem Facharbeiterberuf. Die Meisterqualifikation ist dann irrelevant, weil sie ein Kapitel Ihrer Vergangenheit darstellt, nicht Ihrer rentenrechtlichen Gegenwart.
Erstellen Sie eine präzise chronologische Liste Ihrer versicherungspflichtigen Tätigkeiten der letzten 15 Jahre und markieren Sie, wann und aus welchem Grund der Wechsel von der höchsten zur niedrigeren Qualifikation erfolgte.
Welche meiner Tätigkeiten bestimmt meinen Berufsschutz bei der gesetzlichen Rentenversicherung?
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) legt für Ihren rentenrechtlichen Berufsschutz einen klaren Maßstab an. Entscheidend ist ausschließlich die „letzte auf Dauer ausgeübte, versicherungspflichtige Tätigkeit“ vor dem Eintritt Ihrer Gesundheitsprobleme. Ihr höchster erlernter Beruf oder akademischer Titel spielt keine Rolle, wenn Sie diese Position freiwillig verlassen haben.
Der Gesetzgeber definiert in § 240 SGB VI präzise, welche Tätigkeit als Referenzmaßstab dient. Dies soll verhindern, dass Versicherte jahrzehntelang eine niedriger qualifizierte Position ausüben und dann erwarten, ihr längst aufgegebener hoher Status müsse sie schützen. Nur die Tätigkeit zählt, welche Sie über einen längeren Zeitraum ausgeführt haben und die Ihren aktuellen sozialen Status bestimmt. Gerichte ignorieren eine höhere Ausbildung wie den Meisterbrief, wenn der Versicherte diesen Status freiwillig aufgegeben hat.
Konkret bedeutet das: Wurden Sie zwar als Maschinenbau-Meister ausgebildet, haben aber die letzten 30 Jahre als Anlagenmechaniker gearbeitet, ist der Meistertitel für die Prüfung irrelevant. Ihr Schutz richtet sich nach der fachlichen Anforderung und dem sozialen Status des Anlagenmechanikers. Die Rentenversicherung kann Sie in diesem Fall auf jede zumutbare Verweisungstätigkeit verweisen, die dem Niveau dieser letzten dauerhaften Tätigkeit entspricht.
Rufen Sie Ihre Rentenversicherung an und fragen Sie nach, welcher Beruf in Ihren Unterlagen aktuell als leitende Referenz-Tätigkeit für eine eventuelle Berufsunfähigkeitsprüfung hinterlegt ist.
Wann ist eine Verweisungstätigkeit wie Gerätezusammensetzer rechtlich zumutbar?
Eine Verweisungstätigkeit gilt als zumutbar, wenn sie das exakt ärztlich festgestellte Restleistungsvermögen des Versicherten erfüllt und die Arbeit vollschichtig, also mindestens sechs Stunden täglich, möglich ist. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) kann auf jeden Job verweisen, der den Anforderungen an Haltung, Belastung und Umgebung entspricht. Die vorgeschlagene Arbeit muss keine Akkordarbeit sein oder unzulässige Belastungen erfordern.
Die Zumutbarkeit wird durch die strikte Einhaltung aller medizinischen Auflagen definiert, die im Gutachten festgeschrieben sind. Die Tätigkeit muss beispielsweise in einer temperierten Umgebung ohne Kälte oder Nässe stattfinden. Entscheidend ist, dass keine Zwangshaltungen notwendig sind, wie langes starres Sitzen oder Stehen. Der Arbeitsplatz muss einen leichten Haltungswechsel erlauben, zum Beispiel durch die Nutzung von Sitzhockern oder höhenverstellbaren Tischen, damit lange statische Belastungen vermieden werden.
Gerichte stützen sich auf Gutachten, die bestätigen, dass Tätigkeiten wie die des Gerätezusammensetzers diese Kriterien erfüllen. Ein solcher Arbeitsplatz beinhaltet typischerweise leichte, montierende Arbeiten, die ohne Akkorddruck ausgeführt werden. Der Kläger muss nicht nur allgemeine Schmerzen anführen, sondern durch ein differenziertes medizinisches Gutachten beweisen, dass die konkreten Haltungs- und Bewegungsanforderungen der Verweisungstätigkeit das Restleistungsvermögen dauerhaft übersteigen.
Lassen Sie die Stellenbeschreibungen der vorgeschlagenen Verweisungstätigkeiten von Ihrem behandelnden Facharzt spezifisch auf Einhaltung aller Haltungs- und Bewegungsanforderungen prüfen.
Was tun, wenn die DRV meine Arbeitsunfähigkeit wegen meiner Wegefähigkeit ablehnt?
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) lehnt oft ab, wenn Sie nachweislich einen Arbeitsplatz erreichen können. Die Wegefähigkeit wird juristisch über eine feste Messlatte definiert. Sie müssen in der Lage sein, zweimal täglich 500 Meter zu Fuß zurückzulegen. Diese Strecke muss üblicherweise in weniger als 20 Minuten bewältigt werden können. Ein erfolgreicher Gehtest beim Gutachter gilt als gewichtigster objektiver Beweis.
Die DRV betrachtet die Wegefähigkeit als einen fundamentalen Baustein der Erwerbsfähigkeit. Ihr subjektives Schmerzempfinden tritt bei der Begutachtung hinter die messbaren, objektiven Befunde zurück. Schafft der Versicherte die 500 Meter beim Gehtest, widerlegt das seine Aussage, er könne die Strecke nicht bewältigen. Die gemessene Leistung wird präzise protokolliert und dient später als hartes Beweismittel im Widerspruchs- oder Klageverfahren. Unterschätzen Sie deshalb die Bedeutung dieses Tests bei der Begutachtung niemals.
Die Argumentation der fehlenden Mobilität wird zusätzlich entkräftet, wenn Sie einen Führerschein und PKW-Besitz nachweisen. Wer ein Auto fährt, dem kann die Rentenversicherung kaum fehlende Transportfähigkeit zum Arbeitsort bescheinigen. Das Gericht im Fall des Anlagenmechanikers stellte fest, dass er 554 Meter in nur zehn Minuten schaffte, was seine Behauptung der Gehbehinderung widerlegte. Der PKW-Besitz und das objektive Testergebnis beim Gehtest überstimmten seine subjektiven Schmerzangaben.
Führen Sie über eine Woche ein detailliertes Wege-Tagebuch, um die tatsächlichen Gehleistungen und Schmerzgrenzen konsistent zu dokumentieren.
Wie kann ich meinen hohen Berufsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung behalten?
Um Ihren hohen Berufsschutz zu wahren, müssen Sie einen freiwilligen Statusverlust Ihrer qualifizierten Tätigkeit unbedingt verhindern. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) orientiert sich immer an der zuletzt auf Dauer ausgeübten Position. Wechseln Sie aus freien Stücken von einer Meisterposition in einen einfachen Facharbeiterjob, geht der höhere Schutz unwiderruflich verloren. Nur durch eine strategische Dokumentation der Notwendigkeit bleibt der Schutz aktiv.
Die Regel: Ihre rentenrechtliche Stellung richtet sich nicht nach dem einst erworbenen Titel, sondern nach der tatsächlichen Tätigkeit. Wenn Sie die höher qualifizierte Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausführen können, muss dies lückenlos belegt werden. Tauschen Sie Ihren Meistertitel gegen eine niedrigere Anstellung ein, interpretiert die DRV dies als Akzeptanz des geringeren Niveaus. Solch ein Vorgehen entwertet den Schutz, da die Rentenversicherung davon ausgeht, Sie könnten die hohe Position weiterhin besetzen, wollten dies aber nur nicht.
Müssen Sie aus gesundheitlichen Gründen die Position wechseln, ist die medizinische Indikation entscheidend. Nehmen wir an: Ein Meister auf der Baustelle muss wegen Knieproblemen aufhören. Statt als einfacher Facharbeiter anzufangen, sollte er eine vergleichbare Position anstreben, etwa als Meister oder Leiter in der Werkstatt-Leitung. Dokumentieren Sie, dass nur spezifische Teile der bisherigen Arbeit (zum Beispiel schweres Heben oder Zwangshaltungen) unzumutbar wurden. Der Statuswechsel ist dann ärztlich begründet, was den rentenrechtlichen Bezug schützt.
Lassen Sie von Ihrem Facharzt oder Betriebsarzt ein detailliertes Gutachten erstellen, das präzise bescheinigt, welche Teile Ihrer jetzigen hochqualifizierten Tätigkeit aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr zumutbar sind.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Berufsschutz
Der Berufsschutz definiert im Sozialrecht, auf welchem Qualifikationsniveau die Deutsche Rentenversicherung (DRV) einen Versicherten absichern muss, bevor sie ihn auf andere, leichtere Tätigkeiten verweist. Das Gesetz stellt damit sicher, dass ein Versicherter nicht auf Jobs verwiesen wird, die deutlich unter seiner erlernten oder zuletzt ausgeübten Position liegen, um seinen sozialen Status zu wahren.
Beispiel: Im vorliegenden Fall verlor der Anlagenmechaniker seinen höheren Berufsschutz aus der Meisterqualifikation, weil er diesen Status freiwillig aufgegeben hatte.
Freiwilliger Statusverlust
Juristen nennen es den freiwilligen Statusverlust, wenn ein Versicherter ohne zwingende medizinische Notwendigkeit dauerhaft von einer höher qualifizierten Tätigkeit in eine niedrigere Position wechselt. Gibt der Versicherte seinen höheren Status freiwillig auf, richtet sich sein rentenrechtlicher Schutz nur noch nach der zuletzt ausgeübten, geringeren Tätigkeit – das Gesetz verhindert so, dass alte, ungenutzte Qualifikationen den Schutz künstlich hochhalten.
Beispiel: Obwohl der Kläger einen Meistertitel besaß, stellte das Landessozialgericht fest, dass der freiwillige Statusverlust ihn auf den Schutzumfang des Anlagenmechanikers reduzierte.
Restleistungsvermögen
Das Restleistungsvermögen beziffert exakt die verbleibende Arbeitskapazität eines Versicherten in Stunden pro Tag unter Berücksichtigung aller gesundheitlichen Einschränkungen. Anhand dieses medizinisch festgestellten Wertes entscheidet die Rentenversicherung, ob der Versicherte noch vollschichtig (mindestens sechs Stunden) oder nur noch teilweise auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann.
Beispiel: Die Gutachter bestätigten dem Kläger ein Restleistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Tätigkeiten, was den Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit entfallen ließ.
Verweisungstätigkeit
Eine Verweisungstätigkeit ist ein anderer Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, den die Deutsche Rentenversicherung einem Versicherten vorschlägt, um zu belegen, dass dieser trotz seiner Einschränkungen noch erwerbsfähig ist. Ist die Verweisungstätigkeit zumutbar, gesundheitlich möglich und entspricht sie dem geschützten Statusniveau, besteht kein Anspruch auf Rente, da der Betroffene seine verbliebene Arbeitskraft nutzen muss.
Beispiel: Die Arbeit als Gerätezusammensetzer diente im Fall des Anlagenmechanikers als konkrete Verweisungstätigkeit, da dieser leichte Job die medizinischen Auflagen erfüllte.
Wegefähigkeit
Die Wegefähigkeit beschreibt die Fähigkeit eines Versicherten, den Arbeitsplatz zu erreichen, wobei die sozialrechtliche Messlatte das Zurücklegen von zweimal täglich 500 Metern zu Fuß definiert. Das Gesetz legt diese Grenze fest, um objektiv zu prüfen, ob Mobilitätseinschränkungen so gravierend sind, dass sie selbst eine leichte Arbeit unzumutbar machen, weil der Versicherte den Arbeitsweg nicht bewältigen kann.
Beispiel: Da der im Rahmen der Begutachtung durchgeführte Gehtest 554 Meter in zehn Minuten ergab, widerlegte dies die subjektive Behauptung des Klägers zur eingeschränkten Wegefähigkeit.
Das vorliegende Urteil
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt – Az.: L 3 R 195/22 – Urteil vom 14.03.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

Ich bin Dr. Christian Gerd Kotz, Rechtsanwalt und Notar in Kreuztal. Als Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht vertrete ich Mandant*innen bundesweit. Besondere Leidenschaft gilt dem Sozialrecht: Dort analysiere ich aktuelle Urteile und erkläre praxisnah, wie Betroffene ihre Ansprüche durchsetzen können. Seit 2003 leite ich die Kanzlei Kotz und engagiere mich in mehreren Arbeitsgemeinschaften des Deutschen Anwaltvereins.


