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Voraussetzungen der Entschädigung von Unfallfolgen bei Rotatorenmanschettenruptur

Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 2 U 464/09 – Urteil vom 09.02.2011

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. September 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente.

Der 1949 geborene Kläger stürzte laut Unfallanzeige am 11. November 2002 aus ca. 1,5 m Höhe von einem Gerüst und verletzte sich die linke Schulter.

Voraussetzungen der Entschädigung von Unfallfolgen bei Rotatorenmanschettenruptur
(Symbolfoto: Von April stock/Shutterstock.com)

Der Durchgangsarzt, der Chirurg Dr. R., berichtete am 12. November 2002, der Kläger gebe an, er sei über ein Gerüst geklettert und auf die linke Schulter und den Rücken gefallen. Äußere Hautverletzungen oder Schwellungen waren nicht festzustellen, dagegen bestand deutliche Schmerzhaftigkeit am linken Schultergelenk. Dr. R. diagnostizierte eine Prellung der Schulter mit Schmerzen bei passiver Bewegung und wies auf eine Oberarmnagelung vor ca. 20 Jahren hin. Am 20. November 2002 gab der Kläger noch erhebliche Schmerzen am Schultergelenk, besonders bei Abduktion, an. Festzustellen war eine deutliche Kraftminderung, so dass die Verdachtsdiagnose einer Rotatorenmanschettenläsion erfolgte. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 19. November 2002 zeigte eine aktivierte Arthrose im Acromio-Claviculargelenk, eine alte Osteochondrose der Humeruskopfepiphyse, Degneration der Supraspinatussehne mit florider Peritendinitis, einem ausgeprägten entzündlichen Reizzustand um den proximalen Humerus sowie eine Chondromalazie Stadium II bis III am humero-scapularen Gelenk. Die Inspektion des Gelenkraumes im Rahmen einer Operation am 21. Februar 2003 ergab keinen Anhalt für eine Verletzung. Dr. R. erklärte am 3. März 2003, die partielle Ruptur der Rotatorenmanschette sei nicht auf das Trauma, sondern auf degenerative Ursachen zurückzuführen.

Die Beklagte zog die Unterlagen der IKK Bayern bei, aus denen sich u.a. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vom 15. Juni bis 15. September 2000 wegen Schmerzen sowie Entzündung des linken Schultergelenkes ergaben.

Während der Rehabilitationsmaßnahme vom 18. März bis 8. April 2003 gab der Kläger Schmerzen im Kreuz-Lendenbereich als Unfallfolgen an. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten eine Spondylolisthesis sowie hypertrophe Spondylarthrosen der Lendenwirbelsäule.

Dr. R. berichtete am 23. Juni 2003, die Bewegungsfähigkeit der Schulter sei frei. Arbeitsfähigkeit sei wieder gegeben.

Im Gutachten vom 3. Juli 2006 führte der Chirurg Dr. von M. aus, als Folge der Nagelung von 1971 habe ein Vorschaden bestanden, außerdem seien sowohl im MRT wie auch auf den Röntgenaufnahmen deutliche degenerative Veränderungen am Schultergelenk nachweisbar. Daher sei davon auszugehen, dass der Unfall lediglich zu einer Schulterprellung geführt habe. Die langdauernden Schulterbeschwerden seien durch die vorbestehenden degenerativen Veränderungen verursacht. Auch die Beschwerden im Bereich des Rückens und die jetzt erwähnten Beschwerden in den Kniegelenken seien nicht durch Unfallfolgen, sondern durch degenerative Veränderungen verursacht. Er wies auf ein MRT der Lendenwirbelsäule vom 28. Dezember 2002 hin. Eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei nicht gegeben.

Am 10. Oktober 2003 führte der Privatdozent Dr. G. eine Arthroskopie am rechten Kniegelenk durch wegen Innenmeniskusläsion, Synovialitis und lateraler Patellaluxation.

Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 27. September 2006 den Unfall als Arbeitsunfall an. Der Körperschaden an der linken Schulter sowie die Beschwerden an beiden Kniegelenken und an der Wirbelsäule seien nicht Folge dieses Unfalles. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2006 zurück.

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren zog das Sozialgericht München Berichte der behandelnden Ärzte bei. Der Internist Dr. S. stellte im Hinblick auf die vom Kläger angegebenen Schmerzen im Bereich der beiden Ellenbogen, der Schulter und der Sprunggelenke beiderseits am 12. Juli 2000 die Diagnose einer chronischen Polyarthritis. Der Neurologe Dr. K. diagnostizierte am 7. Juli 2000 ein Carpaltunnelsyndrom rechts, am 9. August 2006 ein Carpaltunnelsyndrom beidseits. Am 5. September 2000 berichtete der Rheumatologe Prof. Dr. S., der Kläger gebe starke Schmerzen und Schwellungen im Bereich des linken Ellenbogens sowie im Bereich beider Schultern, beider Handgelenke und der Finger an. Er äußerte die Verdachtsdiagnose Arthritis urica.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. G. führte im Gutachten vom 27. Dezember 2007 aus, der Kläger gebe an, er habe sich beim Absteigen vom Gerüst mit der rechten Hand eingehalten. Als er gestürzt sei, habe er noch versucht, sich mit der rechten Hand zu halten, sei aber trotzdem gefallen und mit dem Rücken aufgekommen. Ob er auch mit den Knien aufgeschlagen sei, könne er nicht mehr sagen. Seit dem Unfall könne er den linken Arm nicht mehr selbstständig heben. Dr. G. erklärte, die Wirbelsäulenveränderungen seien chronisch-degenerativ verursacht; eine richtungweisende Verschlechterung durch den Sturz sei nicht eingetreten. Die Prellung des linken Schultergelenks habe eine Impingement-Symptomatik ausgelöst, bei vorbestehender Verschleißerkrankung im Schultereckgelenk ohne Kontinuitätsdurchtrennung der Rotatorenmanschette. Die Prellung beider Kniegelenke habe keine anhaltende Gesundheitsschädigung verursacht. Eine MdE sei durch den Unfall nicht verursacht worden. Im Hinblick auf die Einwendungen des Klägers erklärte Dr. G. in der ergänzenden Stellungnahme von 22. Mai 2008, eine exzentrische Belastung der Schultermuskulatur sei aus dem beschriebenen Unfallereignis nicht ersichtlich. Unfallfolgen seien durch das Kern-spintomogramm vom 19. November 2002 ausgeschlossen. Es hätten sich degenerative Veränderungen gezeigt, dagegen keine frischen traumatischen Schäden. Auch die Untersuchungen der Wirbelsäule zeigten ausschließlich Verschleißerscheinungen. Eine richtungweisende Verschlechterung lasse sich nicht objektivieren. Festzustellen seien ausschließlich erhebliche vorbestehende Verschleißprozesse an der Schulter, im Bereich der Wirbelsäule sowie auch an den Hüft- und Kniegelenken.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 gab der Bevollmächtigte des Klägers an, der Kläger habe sicherlich versucht, sich zur Vermeidung des Sturzes festzuhalten. Er habe sich mit der linken Hand festgehalten.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr. A. führte im Gutachten vom 21. November 2008 aus, da der Kläger angebe, er habe sich mit dem linken Arm festgehalten, sei ein geeigneter Unfallhergang für eine Schädigung der Rotatorenmanschette gegeben. Die Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, der Hüftgelenke, Kniegelenke und Füße seien unfallunabhängig. Die MdE sei mit 30 v.H. einzuschätzen.

Mit Urteil vom 23. September 2009 wies das Sozialgericht München die Klage ab. Durch den Unfall sei es lediglich zu einer Prellung des Schultergelenks und einer vorübergehenden Verschlimmerung einer vorbestehenden Lumbalgie gekommen. Eine richtungweisende Verschlimmerung sei nicht nachweisbar. Auch die Prellung beider Kniegelenke habe zu keiner anhaltenden Gesundheitsschädigung geführt. Dr. A. habe die in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsätze nicht hinreichend beachtet.

Mit der Berufung hat der Kläger geltend gemacht, das Sozialgericht sei den sich widersprechenden Angaben zum Unfallhergang nicht in ausreichendem Maße nachgegangen, auch habe es sich mit den Gutachten nicht ausreichend auseinandergesetzt. Er hat Atteste des Chirurgen Dr. L. vom 22. Februar und 23. Juni 2010 übersandt: Zu berücksichtigen sei die Angabe des Klägers, er sei mit der linken Schulter hängen geblieben. Das Urteil beruhe auf möglicherweise vollkommen falschen Ermittlungen zum Unfallhergang. Auch seien etwaige Unfallfolgen an der rechten Hüfte und der Lendenwirbelsäule abzuklären.

Der Kläger stellt den Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 23. September 2009 und unter Abänderung des Bescheides vom 27. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2006 zu verurteilen, festzustellen, dass die Gesundheitsschäden an der linken Schulter, der Wirbelsäule, der rechten Hüfte und an beiden Kniegelenken Folgen des Arbeitsunfalles vom 11. November 2002 sind und ihm hierfür eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 30 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen konnte. Soweit der Kläger geltend macht, der Unfallhergang sei nicht ausreichend ermittelt worden, so sind zunächst die Angaben, die der Kläger zeitnah zum Unfall gemacht hat, zu berücksichtigen. Gegenüber Dr. R. hat der Kläger am 12. November 2002 kein Festhalten beim Sturz erwähnt, ebenso wenig ist ein derartiger Hergang in der Unfallanzeige beschrieben. In der S. Klinik Bad E. (18. März bis 8. April 2003) gab der Kläger lediglich an, er sei auf den Rücken gestürzt und habe sich dabei die linke Schulter verdreht. Gegenüber Dr. von M. machte er keine Angaben zu einem „Festhalten“. Erstmals wird gegenüber Dr. G. ausdrücklich ein Festhalten mit der rechten Hand erwähnt. Ein Festhalten mit der linken Hand wird erstmals im Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 28. Juli 2008 angegeben, ebenso gegenüber Dr. A..

Damit kommen zwei Unfallmechanismen infrage, nämlich zunächst einmal ein Anpralltrauma durch den Sturz auf die Schulter. Für die Annahme eines Rotatorenmanschettenrisses ist dieser Mechanismus völlig ungeeignet. Zum einen schützt das Knochendach vor einer Verletzung der darunter verlaufenden Muskel-Sehnen-Strukturen, zum anderen schützt der Deltoideusmuskel vor einer Schädigung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten, 8. Aufl. 2010, S. 413). Geht man dagegen von einer plötzlichen Zugbelastung durch Festhalten aus, so ist zu fragen, ob sich der Kläger mit der linken oder mit der rechten Hand festgehalten hat.

Aber selbst wenn ein für eine Rotatorenmanschettenschädigung geeigneter Unfallmechanismus gegeben gewesen wäre, so bleibt zu berücksichtigen, dass zum Unfallzeitpunkt bereits eine erhebliche Vorerkrankung bestand: So war der Kläger im Jahr 2000 93 Tage wegen Beschwerden im linken Schultergelenk arbeitsunfähig erkrankt. Auch hat Dr. S. in seinem Bericht vom 12. Juli 2000 auf Schultergelenksbeschwerden, die er im Sinne einer Polyarthritis beurteilte, hingewiesen. Prof. Dr. S., dem gegenüber der Kläger Beschwerden in beiden Schultern und Ellenbogen angab, hat eine Gichterkrankung vermutet. Insbesondere ergibt sich aus dem Kernspintomogramm vom 19. November 2002 ein erheblich fortgeschrittener degenerativer Zustand der linken Schulter. Dr. R. hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich bei der Operation ausschließlich degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette zeigten. Aufgrund dieses eindeutigen intraoperativen Befundes sowie der dokumentierten Vorerkrankungsbeschwerden ist eine wesentliche Schädigung der Rotatorenmanschette aufgrund des Unfalls nicht bewiesen.

Die vom Kläger weiter geltend gemachten Beschwerden an Wirbelsäule, rechter Hüfte und beiden Kniegelenken sind von Dr. von M. und Dr. G. ebenso wie von Dr. A. als nicht unfallbedingt beurteilt worden. Anhaltspunkte dafür, dass es sich hier um Unfallfolgen handeln könnte, sind im Hinblick auf die eindeutige Beweislage nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

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