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Voraussetzungen der Fortzahlung des Krankengeldes

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: L 16 KR 409/14 – Urteil vom 14.12.2017

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.05.2014 geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger ein weiterer Anspruch auf Krankengeld zusteht.

Der 1974 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ging vom 01.10.2012 bis zum 31.03.2013 einer unbefristeten Beschäftigung bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen als Verwaltungsangestellter nach (Tätigkeit überwiegend am PC).

Er erkrankte ab dem 26.11.2012 arbeitsunfähig. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung gewährte ihm die Beklagte ab dem 28.01.2013 Krankengeld in Höhe eines kalendertäglichen Bruttokrankengeldes von 40,70 EUR (Nettokrankengeld: 35,69 EUR). In der Zeit vom 22.07.2013 bis 19.08.2013 befand sich der Kläger in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme unter Bezug von Übergangsgeld. Am 19.08.2013 wurde er als arbeitsunfähig aus der stationären Rehabilitationsklinik entlassen. Im Anschluss daran suchte er am 20.08.2013 die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie N auf, die bei ihm bis zum 02.09.2013 (Montag) Arbeitsunfähigkeit attestierte. Am 03.09.2013 konsultierte der Kläger diese Ärztin erneut, die bis zum 17.09.2013 weiterhin Arbeitsunfähigkeit feststellte.

Mit Bescheid vom 04.09.2013 lehnte die Beklagte die Fortzahlung des Krankengeldes ab dem 03.09.2013 ab. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers sei am 31.03.2013 beendet worden. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 03.09.2013 sei nicht lückenlos, sodass die Fortwirkung eines Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld nach § 192 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht in Betracht komme, weswegen weder Krankengeld gewährt werden könne noch Versicherungsschutz bestünde. Auf diese Rechtsfolgen sei der Kläger mit Schreiben vom 31.01.2013 auch hingewiesen worden.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 05.09.2013 Widerspruch ein. Er sei rückblickend immer seinen Pflichten gegenüber der Krankenkasse nachgekommen. Seine Ärztin hätte den Auszahlschein versehentlich auf 13 statt auf 14 Tage datiert, welches er in seiner Routine nicht berücksichtigt habe. Dies sei von beiden Seiten ein Fehler und Versehen. Der Kläger reichte zum Nachweis einen von der Ärztin korrigierten Auszahlungsschein ein, auf dem der 02.09.2013 auf den 03.09.2013 mit dem Vermerk eines Versehens korrigiert worden war.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Ergänzend wies sie darauf hin, dass auch ein nachgehender Anspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V aufgrund einer Familienversicherung nicht gegeben sei.

Dagegen hat der Kläger am 15.11.2013 Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben. Er habe lückenlos ärztlich attestiert seine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen. Im Hinblick auf die zuvor geübte Praxis der 14-tägigen Verlängerung der Krankschreibung und der regelmäßigen Terminierung bei seiner behandelnden Ärztin sei offensichtlich, dass die Krankschreibung auch weiterhin um 14 Tage verlängert werden sollte. Es handele sich bei der Eintragung des 02.09.2013 statt des 03.09.2013 daher ausschließlich um einen Schreibfehler und damit um einen Erklärungsirrtum. Dieser Schreibfehler sei nachträglich korrigiert worden. Dementsprechend sei er auch noch für den 03.09.2013 krankgeschrieben gewesen. Bis zum 22.04.2014 lägen lückenlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Arbeitslosengeld I oder II habe er nicht bezogen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 04.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2013 festzustellen, dass er über den 02.09.2013 hinaus einen Anspruch auf Krankengeld in gesetzlicher Höhe hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen … Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der Ärztin N. Auf den Inhalt deren Schreibens vom 26.02.2014 wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 20.05.2014 hat das Sozialgericht die Beklagte verpflichtet, an den Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 04.09.2013 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 22.10.2013 Krankengeld über den 03.09.2013 zu erbringen. Dem Kläger stehe auch über dem 02.09.2013 hinaus Anspruch auf Krankengeld zu. Er sei mit Ablauf des 31.03.2013 zwar nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Auch eine Familienversicherung über seine Ehefrau begründe keinen Krankengeldanspruch. Jedoch wirke der Versicherungsschutz des Klägers gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V über den 02.09.2013 hinaus fort, weil bei ihm bis zu diesem Tag ohne Unterbrechung ärztlich Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden sei und er deswegen einen Anspruch auf Krankengeld habe. Unstreitig sei, dass bei dem Kläger vom 26.11.2012 bis 02.09.2013 lückenlos Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt und bescheinigt worden sei. Diese lückenlose Arbeitsunfähigkeit wirke auch über den 02.09.2013 fort. Zwar sei eine Folgebescheinigung erst am 03.09.2013 ausgestellt worden, was – da das Beschäftigungsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden habe – nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich keinen weiteren Krankengeldanspruch auslöse, wenn – wie vorliegend – die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 02.09.2013 geendet habe. Grundsätzlich hätte der Kläger spätestens am 02.09.2013 eine neue Bescheinigung einholen müssen. Der Kläger habe aber faktisch bis zum 03.09.2013 Arbeitsunfähigkeit durch seine Ärztin feststellen lassen. Nach dem Wortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V reiche insoweit eine formlose Feststellung aus, welche hier am 20.08.2013 in einem „formlosen Verfahren“ bis zum 03.09.2013 konstatiert worden sei.

Die Ärztin des Klägers habe unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Kläger bis zum 03.09.2013 habe krankschreiben wollen. Es sei auch unstreitig, dass dieser durchgehend, also auch über den 02.09.2013 hinaus, arbeitsunfähig gewesen sei. Zu der entsprechenden ärztlichen Dokumentation, die nicht entscheidend sei, sei es nur deshalb nicht gekommen, weil die Anweisungen der Ärztin von dem Büropersonal nicht korrekt umgesetzt worden seien. Es handele sich um einen Erklärungsirrtum, welcher in entsprechender Anwendung des § 119 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unerheblich sei. Die Arbeitsunfähigkeit sei somit von der Ärztin bis zum 03.09.2013 festgestellt worden. Die Folgebescheinigung vom 03.09.2013 begründe damit eine lückenlose Dokumentation.

Gegen das ihr am 30.06.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.07.2014 Berufung eingelegt. Der Rechtsauffassung des Sozialgerichts könne sie sich nicht anschließen. Die schriftliche Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlichen Dauer sei Gegenstand der nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V erlassenen Richtlinien und auch Gegenstand der entsprechenden Verträge im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung. Das Ausstellen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei darüber hinaus gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 9 SGB V Bestandteil der kassenärztlichen Versorgung. Bereits im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.08.1976 (5 AZR 422/75) sei ausgeführt, dass eine ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sei. Mit seiner Rechtsauffassung stelle das Sozialgericht die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Nahtlosigkeit in Frage. Es habe sich nicht damit auseinandergesetzt, wie eine Arbeitsunfähigkeit überhaupt nachgewiesen werden sollte. Es dürfte nicht praktikabel sei, dass Bestehen von Arbeitsunfähigkeit aufgrund mündlicher Angaben des Arztes anzunehmen. Einzig belastbarer Weg zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit sei die schriftliche Bestätigung des Arztes.

Soweit hier ein Fehler der behandelnden Ärztin vorliege, könne dies nicht der Krankenkasse angelastet werden. In diesem Zusammenhang werde insbesondere auf das Urteil des BSG vom 04.03.2014 (B 1 KR 17/13 R) hingewiesen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.05.2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Entscheidung stehe im Einklang mit den Vorschriften der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie, welche zwischen der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und deren Bescheinigung unterscheide. So sei in § 4 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie geregelt, dass eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nur aufgrund ärztlicher Untersuchung erfolgen könne. Weitere Voraussetzungen, etwa die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, seien in diesem Paragraphen nicht normiert. Daraus ergebe sich, dass die Feststellung eben ausschließlich der tatsächlich durch den behandelnden Arzt durchgeführte Akt der ärztlichen Untersuchung mit anschließender Würdigung und dem Ergebnis der Arbeitsunfähigkeit sei. Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit und deren Voraussetzungen seien in eigenen Abschnitten sowie eigenen Paragraphen geregelt und somit gerade keine Voraussetzung für die wirksame Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Zudem enthalte die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie keinerlei Verbot einer nachträglichen Korrektur der ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Soweit die tatsächliche Feststellung und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auseinander fielen, käme es auf die tatsächliche Feststellung des behandelnden Arztes an. Dieser Ansicht stehe auch nicht die Entscheidung des BSG vom 11.05.2017 (B 3 KR 22/15 R) entgegen. Es könne keinen Unterschied machen, ob ein Arzt fehlerhaft die Arbeitsunfähigkeit vollständig verneint oder ob der Arzt versehentlich und fehlerhaft die festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht korrekt in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung manifestiert habe. Es dürfe dem Versicherten nicht ernsthaft zugemutet werden und ihm obliegen, sämtliche Schriftstücke eines Arztes zu hinterfragen.

Der Senat hat von der Ärztin N die Patientenakte des Klägers angefordert und diese als Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2017 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur weiteren Zahlung von Krankengeld verurteilt. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dem Kläger steht ein Anspruch auf Krankengeld über den 02.09.2013 hinaus nicht zu.

Der Kläger war ab dem 03.09.2013 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte u.a. Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 32/13 R, Rn. 15 juris m.w. N.). Nach § 46 Satz 1 SGB V in der hier vom 01.08.2009 bis zum 22.07.2015 maßgeblichen Fassung (a.F.) entsteht der Anspruch auf Krankengeld abweichend von dem hier nicht vorliegenden Fall der Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, § 24, § 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, hier die durch die Beschäftigtenversicherung begründete Mitgliedschaft, besteht nach Verlust des Beschäftigungsverhältnisses unter den Voraussetzungen des § 192 SGB V fort. Sie bleibt nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V u.a. erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld besteht (vgl. BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 Rn. 16; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr. 6 Rn. 15). § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krankengeld-Anspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld vorliegt. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es aus, dass Versicherte am letzten Tage des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld – hier der durch den Krankengeld-Anspruch bis 02.09.2013 aufrechterhaltenen Mitgliedschaft – alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Ablauf dieses Tages – und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages – einen Krankengeld-Anspruch entstehen zu lassen (vgl. BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 5, Rn. 12).

Der Krankengeldanspruch des Klägers aus dem Jahre 2013 ist nicht unter Anwendung von § 46 Abs. 1 Satz 2 SGB V in der erst ab dem 23.07.2015 gültigen Fassung zu beurteilen. Danach bleibt der Anspruch auf Krankengeld nunmehr bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage. Eine rückwirkende Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus (BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 22/15 R Rn. 16, juris).

Demzufolge musste spätestens am 02.09.2013 die weitere ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erfolgen, um den Anspruch des Klägers auf Krankengeld aufrechtzuerhalten. Zur Vermeidung einer Unterbrechung von Krankengeld-Ansprüchen (und zum Erhalt eines durchgehenden umfassenden Krankenversicherungsschutzes Pflichtversicherter) oblag es dem Versicherten nach § 46 Satz 1 SGB V a.F., für eine Folge-Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung spätestens am letzten Tag der zuvor bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Sorge zu tragen (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil vom 11.05.2017, a.a.O. Rn. 20). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers endete mit dem 02.09.2013.

Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers durch die Zeugin N sollte zwar bis zum 03.09.2013 im Rahmen der Untersuchung am 20.08.2013 erfolgen, woran der Senat aufgrund der Bekundungen der Zeugin keinen Zweifel hat, dieser Zeitpunkt ist aber nicht schriftlich fixiert worden. Die interne Überzeugungsbildung der Ärztin ist jedoch für die Feststellung der Dauer der Arbeitsunfähigkeit ohne eine entsprechende nach außen erfolgte Dokumentation zur Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs nicht ausreichend. Insoweit ist entgegen der Auffassung des Klägers weder ein tatsächlicher Akt noch eine mündliche Feststellung ausreichend. Die ärztliche „Feststellung“ der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 46 SGB V ist kein bloßer rein praxisinterner Vorgang, der lediglich in den den Patienten betreffenden ärztlichen Behandlungsunterlagen (formlos) festgehalten werden muss. Erforderlich ist dafür vielmehr ein Akt mit Außenwirkung, der über eine lediglich irgendwie geäußerte innere Überzeugungsbildung des Arztes hinausgeht und in Form eines entsprechenden Schriftstücks („Bescheinigung“) nach außen hin – vor allem gegenüber der als leistungspflichtig in Anspruch genommenen Krankenkasse – beweissicher zu dokumentieren ist (BSG, Urteil vom 11.05.2017, a.a.O. Rn. 18). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt eine zeitgerecht verkörperte Erklärung hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nur bis zum 02.09.2013 vor. Erst unter dem 03.09.2013 erfolgte eine neue formelle Feststellung der Arbeitsunfähigkeit.

Die Zeugin hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gegenüber dem Kläger nicht bekundet, eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 03.09.2013 zu treffen. Sie hat vielmehr ausgesagt, ihre Mitarbeiterin in Gegenwart des Klägers gebeten zu haben, eine 14-tägige Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen. Im Hinblick darauf, dass nach der Rehabilitationsmaßnahme für den 20.08.2013 noch keine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vorgelegen hatte, ist bei einer 14-tägigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Endzeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit mit dem 02.09.2013 jedoch von der Mitarbeiterin der Zeugin zutreffend berechnet worden. Zwar hatte die Zeugin N nach ihren Bekundungen damit eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bis zu demselben Wochentag in zwei Wochen gemeint, das insoweit entstandene Missverständnis zwischen der Ärztin und ihrer Mitarbeiterin begründet aber kein Fehlverhalten der Zeugin, was einen Ausnahmefall begründen könnte, der die rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu Gunsten des Versicherten erlaubte.

Nach der Rechtsprechung des BSG sind dem Versicherten Krankengeld-Ansprüche zuerkannt worden, wenn die rechtzeitige ärztliche Feststellung (oder die fristgerechte Meldung der Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die entweder auf einer Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten beruhten (BSG SozR 4-2500 § 192 Nr. 5 Rn. 23) oder dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht demjenigen des Versicherten zuzurechnen sind (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1 Rn. 18 ff.). Letzteres ist angenommen worden im Falle des verspäteten Zugangs der Arbeitsunfähigkeits-Meldung bei der Krankenkasse aufgrund von Organisationsmängeln, die diese selbst zu vertreten hat, für Fälle einer irrtümlichen Verneinung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten aufgrund ärztlicher Fehlbeurteilung sowie bei einem von der Krankenkasse rechtsfehlerhaft bewerteten Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach Aufgabe des letzten Arbeitsplatzes (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R Rn. 24 ff, juris). Schließlich ist in Erweiterung der bisherigen Rechtsprechung ein solcher Ausnahmefall auch bejaht worden, wenn der Versicherte das Seinige zur Erlangung der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit getan hat, trotz des rechtzeitig erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts aber die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gleichwohl aus Gründen unterbleibt, die dem Verantwortungsbereich des Arztes zuzuordnen sind (BSG, Urteil vom 11.05.2017, a.a.O. Rn. 23).

Entscheidendes Moment für die Anerkennung solcher Ausnahmen ist, dass der Versicherte die ihm vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit Sorge zu tragen, erfüllt, wenn er alles in seiner Macht Stehende tut, um die ärztliche Feststellung zu erhalten (BSG, Urteil vom 11.05.2017, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen eines Ausnahmefalles sind nicht gegeben. Die unterbliebene rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit liegt nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten, sondern vielmehr im Verantwortungsbereich des Klägers. Er hat nicht alles Zumutbare und in seiner Macht Stehende getan, um eine zeitgerechte weitere fristgerechte ärztliche Feststellung am 02.09.2013 (Montag) zu erlangen, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Zum erforderlichen Arzt-Patienten-Kontakt ist es am 02.09.2013 nicht gekommen. Dieses Versäumnis beruhte nicht auf einer Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit des Klägers, sondern auf einem Versehen des Klägers, welches er bereits im Widerspruchsverfahren eingeräumt hat. Danach hat er in seiner Routine nicht berücksichtigt, dass der maßgebliche Auszahlschein nicht auf den Dienstag in 14 Tagen, sondern auf den Montag der übernächsten Woche datiert worden war. Dies zu erkennen war aber für ihn ohne weiteres möglich und stellt auch keine übermäßige Anforderung an seine Mitwirkungspflicht dar.

Der Kläger war nicht von seiner Obliegenheit entbunden, den Zeitraum der festgestellten Arbeitsunfähigkeit zu überprüfen. Denn wie jeder Versicherte hat er für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit Sorge zu tragen. Im Hinblick darauf, dass mit ihm kein fester Termin zur weiteren Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vereinbart worden war, bestand für den Kläger sogar besonderer Anlass, die Dauer der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zu prüfen, um sich rechtzeitig bei der Zeugin N (oder einem anderen Arzt) zur weiteren Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vorstellen zu können. Allein der Umstand, dass in seiner Gegenwart eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit von weiteren 14 Tagen durch die behandelnde Ärztin angeordnet worden war, enthob ihn nicht seiner Obliegenheit, das Datum des Endes der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zu kontrollieren. Anders als in den genannten Fällen hat der Kläger hier bei dem Arzt- Patienten-Kontakt am 20.08.2013 seine Arbeitsunfähigkeit attestiert erhalten. Über welchen Zeitraum diese Feststellung aber erfolgte, konnte von ihm ohne weiteres aus der Bescheinigung ersehen werden. Bei dieser Sachlage gibt es keinen Grund seinen Irrtum über das bescheinigte Ende der Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse zuzurechnen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil gegenüber dem Kläger keine andere konkrete Angabe über dieses Datum durch die Ärztin oder ihre Mitarbeiterin gemacht worden war. Entsprechend hat der Kläger es selbst als seinen Irrtum bezeichnet, dass er von einem anderen als dem auf dem Auszahlschein ausgewiesenen Datum ausgegangen ist. Folglich hat er mangels Überprüfung letzteren Umstandes nicht alles in seiner Macht Stehende getan, um sich rechtzeitig das Fortbestehen seiner Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen.

Ein nachgehender Anspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V ist von der Beklagten zutreffend verneint worden. Eine Familienversicherung nach § 10 SGB V ist gegenüber § 19 Abs. 2 Satz 2 SGB V vorrangig (BSG, Urteil vom 16.12.2014, a.a.O. Rn. 31). Die nach § 10 SGB V versicherten Mitglieder haben keinen Anspruch auf Krankengeld.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

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