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Voraussetzungen der Zuerkennung der Merkzeichen „G“ und „B“ im Schwerbehindertenrecht

SG Aachen – Az.: S 12 SB 639/18 – Urteil vom 28.07.2020

Der Bescheid vom 27.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2018 wird insoweit aufgehoben, als durch ihn die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Zuerkennung der Merkzeichen G, B und H aufgehoben wurden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu 6/7.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 70 auf 60 sowie der Entzug der Merkzeichen G, B und H streitig.

Mit Bescheid vom 16.02.2006 stellte das Versorgungsamt Aachen bei dem am 00.00-1999 geborenen Kläger aufgrund einer allgemeinen Entwicklungsstörung einen GdB von 70 sowie das vorliegende gesundheitliche Voraussetzungen für die Merkzeichen G und B fest. Nach Stellung eines Änderungsantrags stellte der Beklagte sodann am 14.05.2008 unter teilweise Aufhebung dieses Bescheides beim Kläger einen GdB von 80 sowie zusätzlich das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H fest. Mit Bescheid vom 17.04.2014 hob der Beklagte den Bescheid vom 14.05.2018 teilweise auf und stellte beim Kläger nunmehr einen GdB von 60 fest und entzog die bislang zuerkannten Merkzeichen G und B. Im Rahmen des hiergegen durchgeführten Verfahrens vor dem Sozialgericht Aachen (S 3 SB 984/14) schlossen die Beteiligten, nach Einholung eines kinder- und jugendpsychiatrischen Gutachtens des Dr. N. einen Vergleich dahingehend, dass der GdB mit 70 – bei weiterer Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichem Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G und B – festzustellen sei. Unter dem 03.09.2015 erließ der Beklagte einen entsprechenden Ausführungsbescheid. Im Juli 2017 leitete der Beklagte ein Nachprüfungsverfahren ein und holte in diesem Zusammenhang Befundberichte des den Kläger seinerzeit behandelnden Kinder und Jugendpsychiaters N. ein. Diese wertete der ärztliche Dienst des Beklagten aus. Am 28.12.2017 hörte der Beklagte den Kläger im Hinblick auf eine geplante Absenkung des GdB sowie den Entzug der Merkzeichen G, B und H an. Der Kläger, vertreten durch seine Mutter, nahm hierzu Stellung.

Mit Bescheid vom 27.02.2018 hob der Beklagte den Bescheid vom 03.09.2015 auf und stellte beim Kläger einen GdB von 60 fest. Darüber hinaus stellte fest, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, B und H beim Kläger nicht mehr vor-liegen. Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 15.03.2018 Widerspruch ein, den er unter Bezugnahme auf entsprechende Stellungnahmen des W.-I. sowie des Herrn N. näher begründete. Die Bezirksregierung Münster kam zu der Einschätzung, der angefochtene Bescheid habe bezüglich des Merkzeichens H keine wirksame Regelung treffen können, da dieses nicht mit Bescheid vom 03.09.2015 sondern mit Bescheid vom 14.05.2018 wirksam festgestellt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2018 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Am 27.07.2018 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Hausarztes H., der Augenärztin Dr. C. sowie der behandelnden Kinder und Jugendpsychiaterin Dr. Dr. N. und hat darüber hinaus ein neurologisch psychiatrisches Gutachten von Frau Dr. T. eingeholt, welches diese – nach entsprechender Untersuchung des Klägers – gegenüber dem Gericht erstattet hat. Zu diesem Gutachten hat der Kläger, vertreten durch seine Mutter erneut Stellung genommen. Diese Stellungnahme ist sodann der Gutachterin zugeleitet worden, die auch unter Berücksichtigung der Darstellungen bei ihren Feststellungen und Bewertungen geblieben ist.

Am 21.07.2020 hat sodann ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Im Rahmen dieses Termins hat der Kläger und die ihm vertretene Mutter die Gelegenheit wahrgenommen, die beim Kläger bestehenden Defizite auch persönlich gegenüber dem Gericht zu konkretisieren.

Der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, beantragt den Bescheid vom 27.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er sieht sich durch die Feststellungen der Gutachterin in der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung bestärkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte, die Verfahrensakte des Sozialgerichts Aachen S 3 SB 984/14 sowie die Gerichtsakte, deren wesentliche Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als reine Anfechtungsklage zulässig (vgl. Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 12.02.1997 – 9 RVs 12/95 = juris) und als solche auch überwiegend begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) insoweit beschwert, als bei ihm weiterhin das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G (dazu unten 2.), B (dazu unten 3) und H (dazu unten 4.) festzustellen sind. Soweit der Kläger darüber hinaus auch weiterhin die Feststellung eines GdB von 70 begehrt, war die Klage abzuweisen. Insoweit ist er nicht in seinen Rechten verletzt, da die Herabsetzung des GdB rechtmäßig ist (dazu unten 1).

Zutreffende Rechtsgrundlage für den hier angefochtenen Bescheid ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Bei den Feststellungsbescheiden nach § 69 Abs. 1 und 2 SGB IX handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauer-wirkung (BSG Urteil vom 12.11.1996 – 9 RVs 5/95 = juris; BSG Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 6/12 R = juris Rn. 30; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 05.01.2011- L 6 (7) SB 135/06 = juris Rn. 20 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 19.09.2000 – B 9 SB 3/00 R = juris). Eine Aufhebung ist dabei nur „insoweit“ zulässig, als eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.01.2011, a.a.O.; BSG Urteil vom 19.09.2000, a.a.O.). Eine wesentliche Änderung ist anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 ergibt. Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen allein ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB stellen keine wesentliche Änderung dar (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 05.01.2011, a.a.O. unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 24.06.1998 – B 9 SB 18/97 R = juris). Handelt es sich bei den anerkannten Behinderungen um solche, bei de-nen der GdB wegen der Art der Erkrankung höher festgesetzt wurde, als es die tatsächlich nachweisbaren Funktionseinschränkungen erfordern, liegt eine Änderung der Verhält-nisse im Sinne von § 48 SGB X auch dann vor, wenn für die den Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde liegenden Erkrankungen die sogenannte Heilungsbewährung abgelaufen ist (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 05.01.2011, a.a.O.) .

Ob eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten ist, muss im Rahmen einer gegen einen Herabsetzungsbescheid gerichteten Anfechtungsklage durch einen Vergleich der Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des letzten bindend gewordenen Bescheides mit denjenigen zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung der Beklagten ermittelt werden. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Fortschreibung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der verschiedenen aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen (so zutreffend LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 05.01.2011- L 6 (7) SB 135/06 = juris Rn. 21 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 19.09.2000, – B 9 SB 3/00 R – = juris; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 18.06.2002, – L 6 SB 142/00 = juris).

1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es zur Überzeugung der Kammer fest, dass im Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich zu den gesundheitlichen Verhält-nissen, die dem Bescheid vom 03.09.2015 zugrunde gelegen haben, durchaus eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist, die die Herab-setzung des GdB von 70 auf 60 rechtfertigt.

Gemäß § 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX (bzw. § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX a.F.) werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX (bzw. § 69 Abs. 3 SGB IX a.F.). der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

Die Bemessung eines Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tat-richterliche Aufgabe (Bundessozialgericht – BSG – Beschluss vom 01.06.2017 – B 9 SB 20/17 B = juris; BSG Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).

Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Urteil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).

Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 16 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 – Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die bis zum Erlass einer Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX (näher: Goebel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 153 SGB IX, Rn. 5) gemäß 241 Abs. 6 SGB IX (159 Abs. 7 SGB IX a.F.) weiterhin auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt (vgl. hierzu ausführlich SG Aachen Urteil vom 16.10.2018 – S 18 SB 317/17 = juris Rn. 32 unter Hin-weis auf BT-Drucksache 18/3190, S. 5), sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Be-hinderung rechnerische Methoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen.

Voraussetzungen der Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" im Schwerbehindertenrecht
(Symbolfoto: Von Edler von Rabenstein /Shutterstock.com)

Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizinischen Grunds-ätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).

Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsätzen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 – B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14; Bayerisches LSG Urteil vom 18.06.2013 – L 15 BL 6/10 = juris Rn. 67 ff.; Bayerisches LSG Urteil vom 05.02.2013 – L 15 SB 23/10= juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 – B 9 VG 3/99 R = juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 – 9/9a RV 1/92 = juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines An-spruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.

Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass bei dem Kläger im Vergleich zur hier maßgeblichen letzten Feststellung eine wesentliche Änderung im Sinne einer – leichten – Besserung eingetreten ist, die es nunmehr rechtfertigt, den GdB statt mit 70 mit 60 zu bewerten.

Beim Kläger lag zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt eine atypische Autismus-Spektrum-Störung sowie ein Gilles-de-la-Tourette-Syndrom vor. Das Vorliegen dieser komplexen Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten und vorgelegten Befund- und Arztberichte und des eingeholten Gutachtens fest. Das von Frau Dr. T. erstattete Gutachten beruht auf umfangreichen Untersuchungen einer erfahrenen gerichtlichen Sachverständigen, die unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit der in den Gutachten erhobenen medizinischen Befunde und ge-stellten Diagnosen zu zweifeln. Die Beteiligten haben nach Auffassung der Kammer auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststellungen erhoben. Lediglich die Frage der Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen sowie der hieraus folgende GdB blieb im Wesentlichen umstritten. Diese Feststellung ist freilich keine medizinisch sondern eine durch die Kammer vorzunehmende rechtliche Bewertung. Soweit der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung sein Beschwerdebild noch weiter aufgefächert hat, und explizit auf eine Zwangsstörungen (Waschzwang an den Kniekehlen) und eine Dyspraxie hingewiesen hat, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung durch die Kammer. Dass beim Kläger ein ausgesprochen komplexes Krankheitsbild vorliegt, ist für die Kammer durch die vorliegenden Gutachten (auch aus dem Verfahren S 3 SB 984/14) und die Arztberichte der den Kläger (derzeit und früher) behandelnden Kinderpsychiatern hin-reichend nachgewiesen. Es werden insbesondere in dem Gutachten – aber auch erneut im Rahmen der mündlichen Verhandlung – die beim Kläger insoweit bestehenden Einschränkungen eindrücklich geschildert. Es ergibt sich für die Kammer aus diesen medizinischen Stellungnahmen aber durchaus auch, dass es in einzelnen Aspekten zu einer Besserung gekommen ist. Zum einen gilt dies im Hinblick auf die nunmehr nicht bestehende Enuresis nocturna, zum anderen aber auch durch die therapeutische Besserung der beim Kläger bestehenden Tic-Störungen durch die Einnahme von Risperidon. Frau Dr. Dr. N. beschreibt in ihrem Befundbericht insbesondere eine Besserung der Konzentration, der Depressionssymptomatik sowie des impulsiven Verhaltens des Klägers. Auch der ihn früher behandelnde Kinderpsychiater N. attestierte dem Kläger eine „weiter zunehmende Selbstständigkeit“. Eine entsprechend positive Entwicklung lässt sich auch dem Bericht des W.-I. entnehmen, welches im Verwaltungsverfahren bereits vorgelegt wurde.

Bei dem Krankheitsbild des Klägers handelt es sich um eine tief greifende Entwicklungsstörung im Sinne von Teil B Ziffer 3.5.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Trotz der beschriebenen leichten Besserungen bestehen nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der eingeholten medizinischen Erkenntnisse beim Kläger weiterhin mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten, sodass weiterhin der Bewertungsspielraum von 50-70 beim Kläger eröffnet ist. Vor dem Hintergrund der beschriebenen positiven Entwicklung erscheint es nach Auffassung der Kammer, in Übereinstimmung mit der Gutachterin Dr. T. sowie dem ärztlichen Dienst des Beklagten, nicht mehr gerechtfertigt, diesen Bewertungsspielraum ganz nach oben auszuschöpfen. Er ist vielmehr nunmehr zu-treffend mit einem GdB von 60 zu bewerten.

Die sich aus den medizinischen Ermittlungen ergebene leichte Besserung rechtfertigt demgegenüber nicht die Entziehung der Merkzeichen G und B.

2. Soweit der Beklagte, die Gutachterin Dr. T. – und zunächst auch der Kammervorsitzende in seinem richterlichen Hinweis vom 14.05.2020 – davon ausgegangen sind, es lägen auf-grund der oben beschriebenen wesentlichen Änderungen im Gesundheitszustand auch die rechtlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht mehr vor, so erachtet die Kammer diese Rechtsauffassung nunmehr nicht für zutreffend. Sie fußt nämlich, zumindest teilweise auch, auf einer unzutreffenden Einordnung des beim Kläger bestehenden Krankheitsbildes als „geistige Behinderung“ im Sinne von Teil D Ziffer 1 lit. f) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.

Gemäß dem seit dem 01.01.2018 geltenden § 228 Abs. 1 SGB IX wird ein schwerbehinderter Mensch, der infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos ist, im öffentlichen Personenverkehr unentgeltlich befördert, wenn dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 152 Abs. 1 und 4 SGB IX).

In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zu-rückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB IX.

Diese gesetzliche Regelung wird konkretisiert durch D Ziffer 1 der Anlage zu § 2 der auf-grund § 30 Abs. 16 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 – Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die bis zum Erlass einer Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX (nä-her: Goebel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 153 SGB IX, Rn. 5) gemäß 159 Abs. 7 SGB IX a.F. (§ 241 Abs. 5 SGB IX n. F.) weiterhin auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt (vgl. hierzu ausführlich SG Aachen Urteil vom 16.10.2018 – S 18 SB 317/17 = juris Rn. 32 unter Hinweis auf BT-Drucksache 18/3190, S. 5; vgl. dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 11.01.2019 – L 21 SB 224/16 = ju-ris Rn. 42).

Teil D Ziffer 1 lit b) Satz 2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze stellt hierbei zunächst klar, dass bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles ankommt, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – d. h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird. Eine weitere Konkretisierung der Norm gibt freilich Teil D Ziffer 1 lit d) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Danach sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschluss-krankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt an-zusehen.

Schließlich kann auch bei Störungen der Orientierungsfähigkeit das Merkeichen festzustellen sein, wenn diese zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen. Hier stellen die Versorgungsmedizinischen Grundsätze aber normativ klar, dass dies dann der Fall ist, wenn Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 vorliegen. Bei Seh-behinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, kommt das Merkzeichen dann in Betracht, wenn eine Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) besteht, vgl. Teil D Ziffer 1 lit f) Satz 1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.

Frau Dr. T. hat aber in ihrem Gutachten zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der beim Kläger bestehenden komplexen Störung um eine solche handelt, die nach der ICD 10 (F 84.-) und auch im Sinne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze als „tief greifende Entwicklungsstörung“ (vgl. Teil B Ziffer 3.5.1 VMG) zu erfassen ist. Es handelt sich mithin um eine zu den psychischen und Verhaltensstörungen (ICD 10 Kapitel V) (vgl. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27.11.2018 – 1 BvR 957/18 = juris Rn. 4; Landes-sozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.11.2019 – L 8 SO 240/18 = juris Rn. 22, m.w.N.) zählenden Erkrankung. Auch aus diesem Grund sind die Maßstäbe des Teil D Ziff. 1 lit, f) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht ohne weiteres einschlägig (so schon die erkennende Kammer in SG Aachen, Urteil vom 25.08.2015 – S 12 SB 527/14 = juris Rn. 36, 40, juris; dezidiert hierzu SG Aachen Urteil vom 18.02.2020 – S 18 SB 181/18 = juris Rn. 32; a. A. offenbar Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 06. Juni 2017 – L 9 SB 253/13 ZVW –, Rn. 73, juris).

Konkrete Vorgaben für das weite Feld der psychischen Störungen enthält Teil D Ziff. 1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht (SG Aachen Urteil vom 18.02.2020 – S 18 SB 181/18 = juris Rn. 32). Die Regelbeispiele in Teil D Ziff. 1 lit f) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sind zwar ein Maßstab für nicht ausdrücklich geregelte Behinderungen mit Auswirkungen auf die Orientierungsfähigkeit bei Prüfung der Voraussetzungen für das Merkzeichen G. Ihr Zugewinn an Präzision gegenüber den „allgemein“ beschriebenen Voraussetzungen für das Merkzeichen G in Teil D Ziffer 1 lit. b der Versorgungsmedizinischen Grundsätze wird in diesem Zusammenhang allerdings schon dadurch relativiert, dass die entsprechenden Voraussetzungen – anders als bei den sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Gesundheitsstörungen (vergleiche Teil D Ziff.1 lit d) und e) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze – nicht homogen sind. So ist für Sehbehinderungen grundsätzlich ein GdB von 70 erforderlich, wohingegen ein GdB von 50 in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion ausreicht. Bei Hörbehinderungen wird gar eine – auch für das Merkzeichen G im Grundsatz nicht relevante – Unterscheidung hin-sichtlich des Alters vorgenommen. In der Regel bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres genügt hier eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, einem GdB von 70 entsprechend, während im Erwachsenenalter die Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gefordert wird. Bei den – bereits angesprochenen – geistigen Behinderungen genügt ein GdB von 100 immer, einer von 80-90 in den meisten Fällen, wobei auch unterhalb eines solchen GdB das Merkzeichen G nicht ausgeschlossen bleibt. Hierdurch wird einerseits dem Umstand Rechnung getragen, dass eine geistige Behinderung keinen vergleichbar unmittelbaren Bezug zur Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr haben wie etwa eine Funktionsstörung der unteren Gliedmaßen und sich die Bestimmung des GdB für eine geistige Behinderung auch nicht (primär) an der Orientierungsfähigkeit ausrichtet, sondern an Aspekten der Integrationsfähigkeit (vgl. Teil B Ziff. 3.4.2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze), andererseits auch Menschen mit geistiger Behinderung individuelle Stärken und Schwächen (u. a. bezogen auf die Orientierungsfähigkeit) haben können (SG Aachen Urteil vom 18.02.2020 – S 18 SB 181/18 = juris Rn. 32).

Vor diesem Hintergrund schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung auch den folgen-den weiteren Erwägungen der 18. Kammer des Sozialgerichts in seinem Urteil vom 18.02.2020 (S 18 SB 181/18 = juris Rn. 33) an.

„Außerhalb dieser ausdrücklich (d.h. in Teil D Ziffer 1, Anm. d. Verf.) geregelten Behinderungen ist zu hinterfragen, inwieweit die entsprechend zu bewertende Behinderung in ihren Auswirkungen auf die Orientierungsfähigkeit überhaupt den ausdrücklich geregelten Behinderungen vergleichbar ist, um dem umfassenden Behindertenbegriff i. S. des § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX im Lichte des verfassungsrechtlichen als auch des unmittelbar anwendbaren UN-konventionsrechtlichen Diskriminierungsverbots (Art. 3 Abs. 3 S. 2 Grundgesetz (GG); Art 5 Abs. 2 UN-Behindertenrechtskonvention (vgl. BSG, Ur-teil vom 06. März 2012 – B 1 KR 10/11 R –, BSGE 110, 194-204, SozR 4-1100 Art 3 Nr. 69, Rn. 31) gerecht zu werden. Wie das BSG mit Urteil vom 11. August 2015 (B 9 SB 1/14 R –, SozR 4-3250 § 69 Nr. 21) aufgezeigt hat, verbieten sich insofern schematische Vergleiche der in ihren Auswirkungen auf Geh- und/oder Orientierungsfähigkeit inhomogenen Gruppe psychischer Erkrankungen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 19) mit den Regelbeispielen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 20 m.w.N.) des Teils D Ziff. 1 d) – f) VMG für das Merkzeichen G und kann eine Prüfung – auch bzgl. der Voraussetzungen des Merkzeichen G – nicht ohne (ergänzenden) Rückgriff auf die allgemeinen, für alle Behinderungen gültigen Vorgaben (Teil D Ziff. 1 b) VMG) auskommen, in denen sich die Vergleichbarkeit mit Regelbeispielen spiegeln muss. Je vager der Vergleich mit den ausdrücklich normierten Fallgruppen bleiben muss, je mehr die Regelbeispiele an Richtkraft verlieren (etwa auch bei Kombinationen verschiedenster Behinderungen, die jeweils für sich kein Regelbeispiel erfüllen) desto mehr bleibt der Rechtsanwender auf die Prüfung des umspannenden, allgemein formulierten Maßstabes verwiesen.“

Unter Beachtung dieser Maßstäbe erscheint es der Kammer nicht zutreffend, die weitere Zuerkennung des Merkzeichens G mit dem Argument zu verweigern, beim Kläger bestehe kein GdB von mindestens 80. Insoweit ist schon zu berücksichtigen, dass bereits bislang schon beim Kläger „lediglich“ ein GdB von 70 festgestellt worden war. Dass sich gerade in der Frage der Orientierungsfähigkeit des Klägers Besserungen ergeben hätten, ist aber nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend nachgewiesen. Die Darlegungslast trifft insoweit nach allgemeinen Grundsätzen aber den Beklagten. Die Gutachterin Dr. T. erklärt vielmehr sogar eindeutig, der Kläger sei nicht in der Lage in unbekannten Situationen rasch Fahrpläne zu realisieren und sich zügig veränderten Bedingungen anzupassen. Nun ist freilich die Frage der Realisation von Fahrplänen per se nicht der für die Frage der Beurteilung des Merkzeichens G maßgebliche Aspekt. Es ist aber auch eine Änderung im Hinblick auf die beim Kläger bestehende Fähigkeit der Bewältigung selbst einfacher Strecken (auch zu Fuß) nicht hinreichend nachgewiesen. Dr. N. hatte im Verfahren S 3 SB 984/14 überzeugend dargestellt, welche Hindernisse beim Kläger aufgrund seiner speziellen Erkrankung hier bestehen. Selbst das Bewältigen von bekannten Strecken ist dem Kläger dann nicht möglich, wenn sich schon geringe Veränderungen im Umfeld ergeben. Diese Einschränkung besteht, hiervon ist die Kammer aufgrund der durchgeführten medizinischen Ermittlungen und den Einlassungen des Klägers bzw. seiner Mutter im Rahmen der mündlichen Verhandlung, weiter. Eine Besserung der Orientierungsfähigkeit ist damit nicht hinreichend nachgewiesen. Der Entzug des Merkzeichens G kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht.

3. Gemäß § § 228 Abs. 1 SGB IX n.F. wird die Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen, der infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos ist, im öffentlichen Personenverkehr unentgeltlich befördert, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durch-führung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Fest-stellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX a.F. bzw. § 152 Abs. 1 und 4 SGB IX n.F.). Nach Teil D Ziffer 2 lit b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist eine Berechtigung für eine ständige Begleitung bei schwerbehinderten Menschen (bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen G, Gl oder H vorliegen) gegeben, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Der Tatbestand für die Zuerkennung des Merkzeichens B knüpft mithin an die „G“, „Gl“ und „H“ an. Weiter ist Voraussetzung, dass sie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind (§ 229 Abs. 2 Satz 1 SGB IX; § 146 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F.). Der Beklagte hat nicht hin-reichend dargelegt, dass diese Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Insoweit nimmt die Kammer Bezug auf die Feststellungen der Gutachterin Dr. T., die – vor dem Hintergrund der bereits oben geschilderten Orientierungsstörungen – darauf hinweist, dass der Kläger auch weiterhin regelmäßig auf Hilfe bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen ist. Auch insoweit ist keine entsprechende Besserung objektiviert.

4. Soweit die Frage der Zuerkennung des Merkzeichens H betroffen ist, ist nach den Fest-stellungen der Gutachterin Dr. T. zwar eine wesentliche Besserung nachgewiesen – vgl. dazu auch bereits oben unter 1. – allerdings war die Regelung im Bescheid vom 27.02.2018, mit der festgestellt wurde, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens H nicht mehr vorliegen, schon aus dem Grund rechtswidrig, als der Beklagte insoweit den falschen Bescheid aufgehoben hat. Mit Bescheid vom 27.05.2018 wurde nämlich ausdrücklich der Bescheid vom 03.09.2015 aufgehoben. Dieser Bescheid traf aber keinerlei Regelungen hinsichtlich des Merkzeichens H. Dieses war vielmehr weiter bestandskräftig mit Bescheid vom 14.05.2008 festgestellt. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erkannte die Bezirksregierung dies und kam zu der Einschätzung, der Kläger sei insoweit nicht beschwert, da die Regelung im Bescheid vom 27.02.2018 insoweit ins Leere ginge, weil der falsche Bescheid aufgehoben worden sei. Auch wenn dies grundsätzlich zutreffend ist, war nach Auffassung der Kammer schon aus Gründen der Rechtsklarheit und zur Vermeidung eines falschen Rechtsscheins auch (deklaratorisch) festzustellen, dass das Merkzeichen H nicht wirksam entzogen worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

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