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Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente

Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 19 R 117/22 – Urteil vom 17.10.2022

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.02.2022 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten der Antrag des Klägers auf Überprüfung des Bescheids vom 25.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2018 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X -, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers vom 13.02.2018 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VI – abgelehnt hatte. Der Überprüfungsantrag vom 26.09.2020 wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 25.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2021 abgelehnt.

Der 1964 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben von 1979 bis 1982 eine Berufsausbildung zum Kfz-Mechaniker absolviert und war zuletzt als selbständiger Musiklehrer und Musikproduzent an 5 Tagen pro Woche für je 2 Stunden täglich tätig. Er steht seit Anfang 2016 im Bezug von Arbeitslosengeld II.

Am 13.02.2018 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen Rückenschmerzen, Nasenatmungsbehinderung, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Asthma, Hautekzem sowie Hämorrhoiden. Er könne vor allem aufgrund der Rückenschmerzen nicht mehr so lange unterrichten wie früher, weil er schon nach ca. 1 Stunde Probleme beim Sitzen oder Stehen bekomme. Durch ständiges Naselaufen und Halsschmerzen sei er natürlich als Musiklehrer auch beeinträchtigt. Die Kopfschmerzen seien 2 – 3mal pro Monat sehr stark, er habe deswegen auch schon Termine absagen müssen, auch wenn das Hautekzem im Gesicht auftrete oder die Hämorrhoiden schmerzten. An seinen Arbeitsbedingungen könne er nichts ändern, weil er nur begrenzt Platz habe und feste Termine habe. Beigefügt war ein Lebenslauf des Klägers sowie diverse ärztliche Unterlagen von Dr. S (Neurochirurg – Schmerzmedizin), Dr. O (Neurologie und Psychiatrie), von der Praxisklinik E-Stadt, Dr. S1, vom Universitätsklinikum Erlangen, Dr. S2 (Pneumologie), vom Augenarzt H sowie vom Kardiologen Dr. A.

Am 02.03.2018 wurde der Kläger für das Jobcenter der Stadt Erlangen von Dr. R begutachtet, der zu einem 3 – unter 6stündigen Leistungsvermögen des Klägers, voraussichtlich auf Dauer, gelangt war. Der Schwerpunkt der Erkrankungen des Klägers liege auf orthopädischem Fachgebiet. Es liege jedoch keine Entbindung von der Schweigepflicht vor, so dass nur allgemein berichtet werden könne. In der Selbsteinschätzung gehe der Kläger davon aus, auch leichte Tätigkeiten wie Musiknachmittage im Altenheim nicht durchführen zu können. Der Kläger sei in der Lage, mindestens 15 Wochenstunden umfassende Tätigkeiten zu verrichten. Zuzumuten seien ihm Arbeiten in wechselnder Körperhaltung bis zu 20 Stunden wöchentlich, nicht länger als 6 Stunden am Stück. Auszuschließen seien Arbeiten in Zwangshaltung, Heben und Tragen von Lasten von mehr als 5 kg sowie Arbeiten unter ungünstigen äußeren Bedingungen. Der Kläger habe sich während des Gesprächs wenig kooperativ gezeigt.

Die Beklagte holte ein orthopädisch/sozialmedizinisches Gutachten von Dr. W ein, die den Kläger am 16.07.2018 untersuchte und zu dem Ergebnis gelangte, dass der Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Einschränkungen mindestens 6 Stunden und mehr täglich verrichten könne. Die Wegefähigkeit des Klägers sei gegeben. Das Ausmaß der geklagten Beschwerden lasse sich anhand der zur Verfügung stehenden und erhobenen Befunde nicht vollständig begründen, vermutlich stehe die vordiagnostizierte chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren im Vordergrund, die bislang nicht im Rahmen einer ganztägig ambulanten oder stationären multimodalen Schmerztherapie behandelt worden sei. Derzeit erfolge lediglich Schmerzmedikation mit Ibuprofen bei Kopf- und Halsschmerzen. Eine medizinische Rehamaßnahme sei nicht indiziert.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag des Klägers vom 13.02.2018 mit Bescheid vom 25.07.2018 ab. Trotz der festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen sei das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch nicht auf unter 6 Stunden täglich eingeschränkt. Den hiergegen am 06.08.2018 eingelegten Widerspruch lehnte die Beklagte nach Einholung einer prüfärztlichen Stellungnahme von Medizinaldirektor Dr. B vom 17.10.2018 mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2018 ab. Die Behandlungsoptionen bezüglich des Schmerzsyndroms seien noch nicht ausgeschöpft.

Hiergegen erhob der Kläger am 28.11.2018 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG), die unter dem Az. S 12 R 892/18 geführt wurde. Nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte von Dr. A1, Dr. S1, Dr. K, Dr. S sowie von Dr. A2 holte das SG ein Terminsgutachten vom Facharzt für Orthopädie Dr. S3 ein, der am 28.08.2019 zu einem mindestens 6stündigen Leistungsvermögen des Klägers sowohl für seine Tätigkeit als Musiklehrer als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt gelangte. Beim Kläger sei eine chronische Schmerzstörung gegeben. Von echten Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet könne aber nicht gesprochen werden. Der Kläger nutze nicht alle gegebenen Therapiemöglichkeiten aus, fühle sich aber durch die Verwendung eines Tensgerätes am besten behandelt. Aus fachorthopädischer Sicht bestehe eine wesentliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit nicht. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.

Im nachfolgenden Erörterungstermin vom 28.08.2019 erklärte der Kläger, dass er eine Entscheidung durch Urteil wolle, woraufhin der Erörterungstermin vertagt und Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.10.2019 bestimmt wurde. Nach dem Hinweis der Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2019, dass aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen und eingeholten Gutachten keine Aussicht auf Erfolg der Klage bestehe, zumal auch die behandelnden Ärzte in ihren Befundberichten angäben, dass der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten 6 Stunden und mehr täglich ausüben könne, nahm der Kläger die Klage zurück. Im Protokoll ist ausdrücklich als Zitat festgehalten:

„Ich nehme die Klage zurück“

– vorgelesen und genehmigt –

Auf das Schreiben des Klägers vom 17.10.2019, dass er nun doch eine Entscheidung des Gerichts wolle, weil er in der Nacht wieder Schmerzen gehabt habe, hat das SG das Verfahren fortgeführt. Mit Schreiben vom 08.11.2019 wies der Kläger darauf hin, dass seine gesundheitlichen Einschränkungen und auch seine Schmerzen schon viel früher begonnen hätten. Er erwarte deswegen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend mindestens seit 2009.

Das SG hat sodann mit Gerichtsbescheid vom 17.12.2019 festgestellt, dass der Rechtsstreit durch die Erklärung der Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2019 wirksam beendet worden sei.

Die hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung, die unter dem Aktenzeichen L 19 R 629/19 geführt wurde, wurde mit Urteil des Senats vom 10.08.2020 als unzulässig verworfen, weil keine formgerechte Berufungseinlegung erfolgt war. Ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument – wie nach § 65a Abs 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG – erforderlich – war nicht übersandt worden.

Die hiergegen vom Kläger zum Bundessozialgericht – BSG – erhobene Nichtzulassungsbeschwerde, die unter dem Aktenzeichen B 5 R 212/20 B geführt wurde, wurde mit Beschluss des BSG vom 22.09.2020 als unzulässig verworfen.

Am 26.09.2020 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides der Beklagten vom 25.07.2018 nach § 44 SGB X. Die vorangegangenen Untersuchungen könnten unmöglich richtig gewesen sein, weil sie nicht wissen könnten, wie sich die festgestellten Krankheiten auf sein Arbeitsleben auswirkten. Zumal neue Befunde vorlägen wie ein MRT vom Knie und die weitere Ausbreitung der Rosacea und die Augen. Auch liege seine Herzfrequenz meistens über 80, sogar über 100, was akutes Infarktrisiko bedeute. Außerdem sei alles mit dem Hautekzem verbunden mit Hautverfärbungen, was alleine schon einen GdB von mindestens 50 ausmache.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25.02.2021 ab. Eine nochmalige ärztliche Überprüfung (Prüfärztin Dr. S4 vom 22.12.2020 und vom 09.02.2021) unter Beachtung der von der Beklagten beigezogenen haut- und lungenfachärztlichen Befunde habe ergeben, dass im Bescheid vom 25.07.2018 das Recht nicht unrichtig angewandt und auch nicht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sei nicht nachgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 11.03.2021 unmittelbar Klage zum SG, die unter dem Aktenzeichen S 24 R 207/21 erfasst wurde. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, dass er „im höchstgradig diskriminierenden Verfahren S 12 R 892/18 und den genauso diskriminierenden Bescheid vom 25.07.2018 durch verbotene Vorladungen und Androhungen von Geldstrafen bei nicht erscheinen, durchgeführten Zirkelentscheidungen (Gericht bezahle und unterhalte im Gerichtsgebäude ‚Gutachter‘, die dann eine Entscheidung im Sinne der Rentenversicherung also dem Gericht erbrächten = Zirkelentscheidung), erhebliche Gesundheitliche Verschlechterungen erlitten“ habe, welche er zusätzlich entschädigt haben wolle. Diese seien im Urteil mit zu erbringen oder durch entsprechendes Aktenzeichen als Entschädigungsklage zu führen. Zirkelentscheidungen seien durch alle völkerrechtlichen Verpflichtungen der BRD verboten, so auch durch die UN-Konvention, außerdem dürfe ein Kläger oder Versicherungsnehmer nicht zu einem Gerichtstermin gezwungen werden, so wie es in seinem Verfahren S 12 R 892/18 der Fall gewesen sei. Allein deswegen sei seiner Klage stattzugeben, weil nie über seinen Gesundheitszustand verhandelt worden sei und weil er ein Recht auf uneingeschränkten Zugang zur Justiz habe ohne „terroristische Zwangsanweisungen mit Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- €“. Es sei völlig klar, dass „alles, was in diesem Termin durch terroristische Androhung und durch Einschüchterung mit Waffengewalt bei den Eingangskontrollen besprochen und beschlossen worden sei, absolut unwirksam“ sei. Ein solches Vorgehen sei nur in Unterdrückungsstaaten wie Uganda oder Saudi-Arabien denkbar, aus diesem Grund sei die BRD für ihn kein demokratisches Land mehr, sondern ein Einschüchterungs- und Unterdrückerstaat. In Bezug auf die Geschichte dieses Landes stelle dies eine besonders schwere Kollektivschuld dar. Deswegen verlange er auch eine Entschädigung von 5.000,- € für jede Diskriminierung, die in den Vorverfahren und in diesem Verfahren gemacht worden seien und gemacht würden. Er fordere die Entlassung der Richterin und Richter, die für den Termin und die Ladung verantwortlich seien. Auf Seite 4 des Klageschreibens forderte der Kläger auf der Grundlage der UN-Konvention Entschädigung in Höhe von 200.000,- € für die diskriminierenden Verfahren gegen die Rentenversicherung und das Gericht, weil bei der ersten Antragstellung bereits klar gewesen sei, welche Krankheiten er habe und seit dieser Zeit sei er im Stress, dadurch hätten sich seine Krankheiten stark verschlechtert, es sei die Rosacea dazugekommen, dann das Knieleiden, dann noch die Augenentzündung. Alles Krankheiten, wofür die Deutsche Rentenversicherung voll verantwortlich sei und auch das Gericht. Auf die weiteren Ausführungen im Schreiben des Klägers, eingegangen beim SG am 11.03.2021, wird verwiesen.

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 14.04.2021 auf das fehlende Widerspruchsverfahren hingewiesen hatte, hat das SG nach entsprechender Information des Klägers (mit Schreiben vom 23.04.2021) trotz Widerspruch des Klägers hiergegen (Schreiben vom 29.04.2021) das Verfahren zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2021 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 14.06.2021 trennte das SG das Verfahren S 24 R 207/21 insoweit ab, soweit es die mit Schriftsatz vom 11.03.2021 des Klägers geltend gemachten Entschädigungen bzw. Schadensersatzansprüche betreffe. Das abgetrennte Verfahren wurde unter dem Az. S 24 SF 144/21 R erfasst und dann an das Landgericht Nürnberg/Fürth verwiesen (Az. dort 4 O 4658/21).

Mit Schreiben vom 05.06.2021 erhob der Kläger „Klage laut Widerspruchsbescheid vom 26.05.2021 gegen den Widerspruchsbescheid“ der Beklagten. Obwohl der Kläger auf diesem Schreiben das Aktenzeichen des laufenden Klageverfahrens angegeben hatte, wurde das Schreiben vom 05.06.2021 als neue Klage mit dem Az. S 24 R 485/21 erfasst. Zur Begründung führte der Kläger sinngemäß aus, dass ihm aufgrund seiner Erkrankungen mindestens seit 2009 Erwerbsminderungsrente zuzuerkennen sei, da alle relevanten Krankheiten bereits da bestanden hätten und auch alle Nebenerkrankungen, die sich mittlerweile stark ausgeweitet hätten. Er leide unter (Zitat von Seite 3 des Schreibens des Klägers)

1. Chronisches Schmerzsyndrom, somatoforme Schmerzstörung, Somatisierungsstörung GdB 50

2. Psoriasis Arthritis, Seborrhoisches Ekzem, Follikulitis Kopfekzem ist der Auslöse für alles und hängt damit zusammen. Habe mein ganzes Leben lang ist aber als Akne behandelt worden GdB 80

3. Lungenfunktionseinschränkung, Bronchialasthma ich hatte schwere Asthmaanfälle GdB 50

4. Arthrose bestätigt durch MRT und Dr. K1 seit 15 Jahren, der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen GdB 60

5. Schilddrüsenvergrößerung GdB 10

6. Funktionsbehinderung des Schultergelenkes GdB 60, jetzt beide Arme seit 2011

7. Atembehinderung durch Infektion der Nase durch die OP 1995 beidseits aber vor allem links, mit pelzigem Gefühl der linken Nasenhälfte! Das alleine hat schon GdB 50

8. Hämorrhoiden, Analekzem GdB 50, muss ständig behandelt werden

9. Bluthochdruck 9,5 mit hoher Herzfrequenz oft über 100, deswegen Herzinfarktgefährdet, GdB 50

10. Rosacea, starke Hautveränderung im Gesicht, mindestens GdB 50

11. Knieleiden, Knorpelabrieb am linken Knie, durch MRT bestätigt, deswegen Gehbehinderung, GdB 50

12. Augenentzündung, Blepharitis, Konjunktivitis, mindestens GdB 50

Beigefügt waren verschiedene ärztliche Atteste und Behandlungsunterlagen von Dr. A1, vom Reha Point GP, vom reha-zentrum erlangen, von der Orthopädie Chirurgie E-Stadt, vom Internisten Dr. S2, von der HNO-Praxis Dr. K2, vom Universitätsklinikum Erlangen, HNO-Klinik, vom Hautarzt Dr. D, von der Augenpraxisklinik am Waldkrankenhaus Erlangen sowie vom MVZ Erlangen.

Mit Schreiben vom 13.07.2021 wies das SG den Kläger darauf hin, dass die Klage S 24 R 485/21 voraussichtlich ohne Erfolg bleiben werde, da die Klage aufgrund doppelter Rechtshängigkeit unzulässig sei. Die Klage richte sich gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26.05.2021, der aber Gegenstand des ausgesetzten Verfahrens S 24 R 207/21 sei. Es werde angeregt, die Klage S 24 R 485/21 zurückzunehmen. Mit Schreiben vom 22.07.2021 wies der Kläger daraufhin, dass er mit Schreiben vom 22.06.2021 auf gerichtliche Anfrage bereits mitgeteilt gehabt hätte, dass er mit einer Zusammenlegung der beiden Verfahren einverstanden sei; es hätte keine 2 Aktenzeichen geben dürfen. Er sei aber nur dann einverstanden, wenn die Entschädigungsklage weitergeführt werde und zwar kostenlos im Sozialgericht. Er gehe jetzt davon aus, dass S 24 R 207/21 für die Erwerbsminderungsrente stehe und S 24 SF 144/21 R für die Entschädigungsklage wegen Missachtung seiner Gesundheitsbefunde seit 13.02.2018.

Mit Beschluss vom 29.07.2021 hat das SG sodann die Verfahren S 24 R 207/21 und S 24 R 485/21 nach § 113 Abs. 1 SGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 24 R 207/21 fortgeführt. Das Verfahren S 24 R 485/21 wurde aktenordnungsgemäß beendet.

Mit Beweisanordnung vom 04.08.2021 beauftragte das SG den Sachverständigen Dr. S5 mit der Erstellung eines internistischen Gutachtens nach ambulanter Untersuchung des Klägers. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 19.08.2021 wegen Rechtsbeugung, Nötigung und Verletzung des Ärztegeheimnisses und der Privatsphäre. Das SG hätte seine gesamte Gesundheitshistorie an eine wildfremde Person übermittelt, er werde Anzeige bei der Staatsanwaltschaft stellen, wenn die Beweisanordnung nicht zurückgenommen und Rente nicht bewilligt werde, so wie er sie gestellt habe.

Das SG hat sodann mit Beschluss vom 24.08.2021 die Beweisanordnung vom 04.08.2021 dahingehend abgeändert, dass das Gutachten von Dr. S5 nunmehr nach Aktenlage zu erstellen sei.

Mit Schreiben vom 02.09.2021 legte der Kläger sowohl gegen die Beweisanordnung vom 04.08.2021 als auch gegen den Änderungsbeschluss vom 24.08.2021 Beschwerde ein, die vom SG an das Bayer. Landessozialgericht (LSG) weitergeleitet und hier unter den Az. L 19 R 503/21 B und L 19 R 509/21 B geführt wurden.

Mit Beschluss vom 21.10.2021 des Senats wurde die Beschwerde gegen die Beweisanordnung vom 04.08.2021 als unzulässig verworfen, da nach § 177 Abs. 2 SGG prozessleitende Verfügungen wie eine Beweisanordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden können. Hiergegen legte der Kläger erneut Beschwerde ein, die vom LSG an das BSG weitergeleitet und vom BSG mit Beschluss vom 05.01.2022 als unzulässig verworfen wurde (Az. B 5 R 2/22 S). Am 10.01.2022 hatte der Kläger zudem beim LSG einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt, der mit Beschluss vom 24.08.2022 als unzulässig verworfen wurde. Die wiederum hiergegen vom Kläger mit Schreiben vom 06.09.2022 eingelegte Beschwerde wurde vom Senat an das BSG weitergeleitet.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des SG über die Abänderung der Beweisanordnung vom 24.08.2021 wurde mit Beschluss des Senats vom 21.10.2021 als unzulässig verworfen, weil auch die Abänderung einer Beweisanordnung als prozessleitende Verfügung nicht anfechtbar sei (§ 177 Abs. 2 SGG). Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom BSG mit Beschluss vom 06.01.2022 als unzulässig verworfen (B 5 R 1/22 S). Vorsorglich wurde darin vom BSG darauf hingewiesen, dass vergleichbare Eingaben in diesem Verfahren künftig nicht mehr beschieden würden. Mache ein Beteiligter wiederholt mit im Kern gleichen Begründungen Eingaben, bedürfe es keiner weiteren Bescheidung. Auch insoweit hat der Kläger mit Schreiben vom 10.01.2022 Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Senats vom 24.08.2022 als unzulässig verworfen (L 19 R 503/21 B). Die weitere Beschwerde des Klägers vom 06.09.2022 wurde ebenfalls an das BSG weitergeleitet.

Im Hauptsacheverfahren S 24 R 207/21 hat Dr. S5 am 06.11.2021 sein sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage übersandt, der zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

1. Chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren;

2. Chronisches LWS- und HWS-Syndrom ohne höhergradige funktionale Defizite und ohne motorische oder sensible Ausfallserscheinungen;

3. Impingementsyndrom der linken Schulter;

4. Asthma bronchiale;

5. Nasenatmungsbehinderung;

6. Arterielle Hypertonie, medikamentös therapiert;

7. Seborrhoisches Ekzem.

Zentrale Gesundheitsstörung des Klägers sei seine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, die insbesondere durch degenerative Wirbelsäulen- und Gelenkveränderungen (vor allem linkes Schultergelenk) unterhalten werde. Den orthopädischen Gesundheitsstörungen könne durch entsprechende qualitative Leistungsausschlüsse und Begrenzung der generellen Arbeitsschwere hinreichend Rechnung getragen werden. Von Seiten der chronischen Schmerzstörung liege ein Behandlungsfall vor. Der Kläger weise zwar regelmäßige krankengymnastische Übungstermine nach. Ganz offensichtlich nicht durchgeführt sei bisher jedoch eine zu fordernde multimodale Schmerztherapie. Insbesondere psychotherapeutische Begleitung bzw. der Einsatz schmerzdistanzierender Psychopharmaka sei ganz offensichtlich bis dato nicht erfolgt. Die Therapieoptionen seien somit nicht ausgeschöpft. Eine rentenrechtliche Konsequenz könne entsprechend nicht gezogen werden. Dem Kläger seien nach wie vor leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder, möglichst frei zu wählender Körperposition (überwiegend sitzend) täglich 6 Stunden und mehr möglich. Auszuschließen seien Nacht-, Schicht- und Akkordarbeit, übermäßiger Zeitdruck, besondere nervliche Anspannungen, wirbelsäulen- bzw. gelenkbelastende Zwangshaltungen, witterungsausgesetzte Tätigkeiten, Exposition gegenüber inhalativen Reizstoffen, Umgang mit hautreizenden Substanzen sowie ständige Feuchtarbeiten. Auch die Tätigkeit als Musiklehrer/Musikproduzent wäre mit diesem Leistungsprofil vollständig zu vereinbaren und mit einem täglichen Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr zu belegen.

Auf die Anfrage des SG, ob angesichts des Gutachtens von Dr. S5 die Klage zurückgenommen werde, hat der Kläger mit Schreiben vom 25.11.2021 erneut Diskriminierung geltend gemacht. Ihm sei noch nicht wie beantragt Akteneinsicht gewährt worden. Das Gutachten sei illegal und ohne sein Einverständnis angefertigt worden.

Mit Schreiben vom 11.01.2022 hat das SG die Beteiligten darauf hingewiesen, dass aufgrund des Ergebnisses des Gutachtens von Dr. S5 eine Erfolgsaussicht für die Klage nicht bestehe. Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG sodann mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2022 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2021 als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, so dass er die Rücknahme des Bescheids der Beklagten vom 25.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2018 gemäß § 44 SGB X nicht beanspruchen könne. Die Beklagte habe bei Erlass des Bescheids das Recht richtig angewandt und sei auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen habe.

Hiergegen hat der Kläger am 28.02.2022 Beschwerde beim SG eingelegt, die am 03.03.2022 an das Bayer. LSG weitergeleitet wurde. Geltend gemacht wurden vom Kläger Diskriminierung, Beweisunterschlagung und fehlerhafte Gutachten. Er verlange eine Neuentscheidung in einer anderen Kammer am SG.

Diese Beschwerde wurde zunächst unter dem Az. L 19 R 117/22 B erfasst. Da sich der Kläger jedoch innerhalb der noch offenen Rechtsmittelfrist vollumfänglich gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 16.02.2022 gewandt hatte, hat der Senat die Beschwerde als Berufung gewertet und das Verfahren unter dem Az. L 19 R 117/22 fortgeführt. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, dass die Entscheidung des SG seine Beweise trotz mehrerer Beweisanträge und seine Atteste nicht beachtet habe. Er habe das SG aufgefordert, ihm eine Bestätigung seiner Beweise zu erbringen, dies sei missachtet worden. § 109 SGG schreibe vor, dass Beweise beachtet werden müssten. Deswegen verlange er eine Neuentscheidung in einer anderen Kammer am SG. Das eingeholte Gutachten sei falsch, der Gutachter habe ihn nicht gesehen, weshalb das Gutachten nicht zu verwerten sei. Mit weiterem Schreiben vom 08.08.2022 hat der Kläger nochmals ärztliche Unterlagen vorgelegt und vorgetragen, dass im neuen Attest von Dr. A1 neue Diagnosen gestellt worden seien. Vor allem die Osteochondrose und die chronische Bronchitis seien bislang in keinem Gutachten aufgeführt. Auch habe das Jobcenter ihm bisher keine Arbeitsstelle vermitteln können, welches seinen gesundheitlichen Anforderungen entsprechen würde. Die Rosacea werde immer heftiger. Er verlange ein neues Gutachten.

Mit Schreiben vom 26.08.2022 hat der Senat den Kläger auf den Streitgegenstand des Verfahrens – nämlich den Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung des Bescheids vom 25.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2018 – hingewiesen. Es käme deshalb nicht darauf an, wie der aktuelle Gesundheitszustand des Klägers sei, sondern darauf, ob die Entscheidung der Beklagten im Jahr 2018 rechtlich oder tatsächlich zu beanstanden wäre. Der aktuelle Gesundheitszustand könnte gegebenenfalls im Rahmen eines neuen Rentenantrags berücksichtigt werden. Der Kläger hat mit Schreiben vom 05.09.2022 mitgeteilt, dass seiner Meinung nach Streitgegenstand des Verfahrens „sein Antrag vom 22.03.2021 und sonst gar nichts“ sei. Dieser Antrag sei 18 Seiten lang und bestimme die UN-Konvention als Streitgegenstand. Daran sei der Senat gebunden. Mit weiterem Schreiben vom 14.09.2022 hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen nochmals wiederholt und klargestellt, dass er rückwirkend mindestens ab 2009 volle Erwerbsminderungsrente haben wolle. Durch die Verwehrung der Rente sei ihm eine Menge Ärger entstanden, die kompensiert werden müsse.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.02.2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2021 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2018 zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrags vom 13.02.2018 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 2009, hilfsweise zu einem späteren Zeitpunkt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.02.2022 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die Akten des SG mit den Az. S 12 R 892/18 und S 24 R 485/21, die Akten des Bayer. LSG mit den Az. L 19 R 503/21 B und L 19 R 509/21 B sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom 24.02.2022 hat der Kläger ausdrücklich „Beschwerde“ gegen den „Beschluss des SG vom 16.02.2022“ eingelegt. Gemäß § 172 Abs. 1 SGG ist der Rechtsbehelf der Beschwerde nur gegen Entscheidungen der Sozialgerichte oder deren Vorsitzende statthaft, mit Ausnahme der Urteile dieser Gerichte. Der Gerichtsbescheid steht in seiner Rechtswirkung einem Urteil gleich (§ 105 Abs. 3 SGG). Gegen Urteile der Sozialgerichte – und damit auch gegen Gerichtsbescheide – findet nach § 143 SGG die Berufung statt. Da diese Beschwerde innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist gegen den Gerichtsbescheid erhoben wurde, hat der Senat zu Gunsten des Klägers die (an sich unzulässige) Beschwerde in eine (zulässige) Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 16.02.2022 umgedeutet.

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2022 entschieden, dass die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2021 unbegründet ist. Der Bescheid der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Streitgegenstand des Verfahrens ist vorliegend der Antrag des Klägers nach § 44 SGB X vom 26.09.2020 auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 25.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2018, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers vom 13.02.2018 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hatte.

Gemäß § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Prüfungsmaßstab im Rahmen eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X ist nicht die Frage, ob der Kläger aktuell die notwendigen medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 SGB VI für die Zuerkennung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt, sondern die Frage, ob die Beklagte im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 25.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2018, mit dem der Rentenantrag des Klägers vom 13.02.2018 abgelehnt worden war, das Recht unrichtig angewandt hatte oder ob sie bei ihrer Entscheidung von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich (gegebenenfalls zwischenzeitlich) als unrichtig erwiesen hat. Beurteilungszeitpunkt ist dabei nicht der Stand der Erkenntnisse der Beklagten bei Erlass dieses Bescheids, sondern der Kenntnisstand im Zeitpunkt seiner Überprüfung durch die Beklagte. Erforderlich ist hierzu nach ständiger Rechtsprechung eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer – eventuell geläuterten – Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsaktes geltenden Sach- und Rechtslage (Schütze, in: Schütze, Kommentar zum SGB X, 9. Aufl., 2020, § 44 SGB X, Rdnr 11 m.w.N.).

Die Beklagte hat in dem hier zu überprüfenden Bescheid vom 25.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2018 weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich nach Erlass des Bescheids als unrichtig erwiesen hätte. Eine falsche Rechtsanwendung kommt vorliegend nicht in Betracht, da sich weder die relevante Norm des § 43 SGB VI noch die Rechtsprechung zu dieser Vorschrift seit der Antragstellung des Klägers inhaltlich wesentlich geändert haben. Eine Nichtbewilligung der Erwerbsminderungsrente des Klägers erfolgte mit der Begründung, dass das Leistungsvermögen des Klägers zeitlich nicht auf unter 6 Stunden täglich abgesunken war. Bei einem mehr als 6stündigen Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes besteht kein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. Im Klageverfahren S 12 R 892/18 wurde dieses Leistungsvermögen des Klägers bestätigt. Diese Entscheidung ist rechtskräftig geworden. Anhaltspunkte für eine unrichtige Rechtsanwendung bestehen nicht und ergeben sich auch nicht aus dem umfassenden Sachvortrag des Klägers. Soweit der Kläger auf die Vorschriften der UN-Konvention Bezug nimmt, ergeben sich hieraus ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine rechtliche Unrichtigkeit des Bescheids der Beklagten vom 25.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2018 im Rahmen des Überprüfungsverfahrens. Insbesondere können daraus individual-rechtliche Ansprüche des Klägers nicht abgeleitet werden. Auch im Hinblick auf die rentenrechtlichen Vorschriften zur Erwerbsminderungsrente nach §§ 43 ff. SGB VI und die formell-rechtliche Ausgestaltung des Rentenverfahrens ergeben sich unter Berücksichtigung der UN-Konvention keine Anhaltspunkte für eine unzutreffende Rechtsanwendung.

Für den Senat bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung vom 25.07.2018 von einem Sachverhalt ausgegangen wäre, der sich nachträglich als unrichtig bzw. unzutreffend erwiesen hätte. Die Beklagte hatte aufgrund des Rentenantrags des Klägers vom 13.02.2018 die von ihm angegebenen ärztlichen Behandler befragt und hatte ein orthopädisch/sozialmedizinisches Gutachten von Dr. W eingeholt, die den Kläger persönlich am 16.07.2018 untersucht hatte und zu einem mindestens 6stündigen Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Einschränkungen in Bezug auf die Schwere der Arbeitstätigkeit und die Arbeitshaltung gelangt war. Gleichzeitig hatte Dr. W darauf hingewiesen, dass die vom Kläger beklagten Beschwerden sich nicht vollständig begründen ließen und insbesondere die bereits vordiagnostizierte chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren im Vordergrund stehe, die bislang aber noch nicht behandelt worden sei. Der Kläger hatte bei Dr. W angegeben, dass er ständige Schmerzen in der Lendenwirbelsäule habe mit Ausstrahlung in Richtung Brustwirbelsäule, insbesondere beim Stehen und Sitzen, jedoch ohne Ausstrahlung in die Beine, kein Taubheitsgefühl. Darunter leide er seit ca. 15 Jahren. Außerdem habe er häufig Kopfschmerzen mit Halsschmerzen, letztere seien ständig vorhanden, wohl – nach eigenen Angaben des Klägers gegenüber der Sachverständigen – wegen einer 1998 durchgeführten Operation der Nasenscheidewand und entsprechend notwendiger Medikamenteneinnahme. Des Weiteren klagte der Kläger über Schmerzen im rechten Ellenbogen und in der linken Schulter. In einem Röntgenbefund von Juli 2018 war eine gute Stellung der Lendenwirbelsäule, eine beginnende Verkalkung des vorderen Längsbandes dokumentiert sowie ein Dish-Syndrom der unteren Brustwirbelsäule und der oberen Lendenwirbelsäule. In Ergänzung zu den mitgeführten Papierausdrucken wurde eine ventrale Spondylose TH 11/12, eine leichte Höhenminderung Zwischenwirbelräume lumbosacral festgehalten. Aus einem Röntgenbefund von 12/2016 ergab sich eine Steilstellung der Halswirbelsäule und Osteochondrose. Gleichzeitig gab der Kläger gegenüber der Sachverständigen an, dass er noch keine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung gehabt habe. Der Kläger war nach seinen Angaben damals als Musikproduzent und Musiklehrer (in etwa je zur Hälfte) im Umfang von 30 – 40 Wochenstunden an 6 Werktagen selbständig tätig, überwiegend sitzend, Musikproduktion am Computer zu Hause. Er beziehe Arbeitslosengeld II zur Aufstockung.

Dieses von Dr. W im Rentenverfahren festgestellte Leistungsbild wurde durch den medizinischen Sachverständigen Dr. S3 im Verfahren S 12 R 892/18 bestätigt. Hier hatte der Kläger vergleichbare Beschwerden vorgetragen gehabt, zusätzlich auf Asthmabeschwerden, Bluthochdruck und Hämorrhoiden hingewiesen. Aus den vom SG beigezogenen ärztlichen Befundberichten ergaben sich keine bislang nicht berücksichtigten wesentlichen Erkrankungen oder Funktionseinschränkungen des Klägers und auch bei der durchgeführten Untersuchung des Klägers vermochte Dr. S3 keine groben Funktionsstörungen oder peripher-neurologische Ausfallserscheinungen festzustellen. Dr. S3 kam zu dem Ergebnis, dass gegenüber dem Gutachten von Dr. W im Rentenverfahren keine neuen Leiden hinzugekommen seien und Dr. W zutreffend die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung gestellt habe, die bislang nur unzureichend behandelt worden sei. Von „echten Gesundheitsstörungen“ des Klägers „auf psychiatrischem Fachgebiet“ könne nicht gesprochen werden.

Das SG hat im Gerichtsbescheid vom 16.02.2022 auch zutreffend darauf hingewiesen, dass auch die behandelnden Ärzte des Klägers selbst in den Befundberichten bestätigt hätten, dass der Kläger noch mindestens 6 Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Einschränkungen tätig sein könne.

Letztlich moniert der Kläger an sich auch nicht, dass diese Diagnosen unzutreffend oder wesentliche gesundheitliche Einschränkungen nicht erfasst worden seien, sondern er ist mit der Bewertung des Ausmaßes der Erkrankungen auf seine Erwerbsfähigkeit nicht einverstanden. Der Kläger trägt selbst vor, welche Erkrankungen bei ihm seit Rentenantragstellung festgestellt wurden, und im Rahmen des Antrags nach § 44 SGB X hat der Kläger vorgetragen, dass die bisherigen Untersuchungen fehlerhaft sein müssten, weil zwar die richtigen Diagnosen gestellt worden seien, die Sachverständigen aber nicht wissen könnten, wie sehr er durch diese Erkrankungen in seiner Berufsausübung und in seinem Alltag eingeschränkt sei. Er hat hierzu im Verfahren neue Befunde vorgelegt und eine aktuelle Verschlimmerung seiner Leiden vortragen. Darauf kommt es vorliegend – unter Berücksichtigung des Prüfungsgegenstandes bei einem Antrag nach § 44 SGB X – jedoch nicht an. Der Senat war deshalb auch nicht gehalten, ein weiteres medizinisches Gutachten von Amts wegen einzuholen.

Soweit in dem für das Jobcenter der Stadt Erlangen erstellten Gutachten von Dr. R vom 02.02.2018 eine zeitliche Einschränkung des Klägers auf drei bis unter sechs Stunden voraussichtlich auf Dauer festgestellt worden war, kann hieraus ebenfalls nicht gefolgert werden, dass damit der Nachweis einer zeitlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung nachgewiesen gewesen wäre. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Dr. R das Gutachten für die Erwerbsfähigkeit nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erstellt hatte und der Kläger hier zuvor kein Einverständnis mit einer Beiziehung ärztlicher Unterlagen von seinen Behandlern erklärt hatte. Dr. R gab deshalb in seinem Gutachten an, dass er „deshalb nur allgemein berichten“ könne, es läge kein fachärztliches Attest vor, das von den behandelnden Ärzten eine Abschätzung der quantitativen und qualitativen Beurteilung der Leistungsminderung beinhalte. Die Einschätzung von Dr. R ist aber durch das rentenrechtliche orthopädisch/sozialmedizinische Gutachten von Dr. W im Rentenverfahren und das orthopädische Gutachten von Dr. S3 im sozialgerichtlichen Verfahren nicht bestätigt worden.

Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine rückwirkende Rentengewährung bis 2009 rechtlich nicht möglich wäre. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der Kläger bereits im Jahr 2009 erwerbsgemindert gewesen wäre, also bereits damals ein medizinischer Leistungsfall gegeben gewesen wäre, hätte eine Rentengewährung frühestens mit dem Zeitpunkt der Antragstellung, d. h. mit dem Februar 2018 erfolgen können. Auf die Vorschriften der §§ 99, 101 SGB VI wird insoweit verwiesen.

Nach alledem war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.02.2022 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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