Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Wahltarifkündigung und Prämienrückzahlung: Ein Urteil des SG Gießen im Fokus
- Der Hintergrund: Wahltarife und Satzungsregelungen der Krankenkasse
- Der Streitpunkt: Prämienrückzahlung nach Tarifkündigung
- Die Entscheidung des Sozialgerichts Gießen
- Die Begründung des Gerichts: Keine Rechtsgrundlage für Erstattungsanspruch
- Bedeutung des Urteils für Versicherte im Wahltarif
- Rechtliche Rahmenbedingungen und Kündigungsrecht der Krankenkasse
- Fazit: Transparenz und Information sind entscheidend
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Unter welchen Voraussetzungen können Prämien aus einem Wahltarif zurückgefordert werden?
- Welche Rechte haben Versicherte bei einer Wahltarifkündigung durch die Krankenkasse?
- Was müssen Versicherte vor Abschluss eines Wahltarifs beachten?
- Welche Rechtsmittel stehen Versicherten bei Streitigkeiten zur Verfügung?
- Welche Rolle spielt die Krankenkassensatzung bei Wahltarifen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: SG Gießen
- Datum: 14.11.2023
- Aktenzeichen: S 7 KR 754/21
- Verfahrensart: Klage auf Rückerstattung von Prämien im Rahmen eines Wahltarifs
- Rechtsbereiche: Sozialrecht, Versicherungsvertragsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Eine 1947 geborene Versicherte, die die Rückerstattung von Prämien in Höhe von 1.669,20 € fordert, weil sie den Wahltarif „Kostenerstattung bei Zahnersatz“ gewählt hatte.
- Krankenkasse: AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen, die den Wahltarif gemäß satzungsgemäßer Regelungen anbietet und die Rückerstattung der Prämien ablehnt.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin verlangt die Rückerstattung von Prämien in Höhe von 1.669,20 € im Zusammenhang mit einem Wahltarif, der von der Krankenkasse seit 2005 angeboten wird. Der Tarif, den die Versicherte per schriftlicher Erklärung wählte und der erst nach drei Jahren kündbar ist, wurde zum 31.12.2019 gekündigt.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die Klägerin trotz der satzungsgemäßen Bedingungen der Krankenkasse einen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Prämien hat.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen; die Parteien haben einander keine Kosten zu erstatten.
- Folgen: Die Klägerin erhält keine Rückerstattung der Prämien, und beide Parteien tragen ihre eigenen Kosten. Das Urteil bestätigt die vertraglich geregelte Handhabung des Wahltarifs.
Der Fall vor Gericht
Wahltarifkündigung und Prämienrückzahlung: Ein Urteil des SG Gießen im Fokus

Das Sozialgericht Gießen (SG Gießen) hat am 14. November 2023 ein Urteil (Az.: S 7 KR 754/21) gefällt, das sich mit der Frage der Rückerstattung von Prämien nach der Kündigung eines Wahltarifs durch eine Krankenkasse befasst. Im Kern ging es um den Erstattungsanspruch einer Versicherten, die von der beklagten Krankenkasse eine Prämienrückzahlung für einen gekündigten Wahltarif forderte. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die komplexen Wechselwirkungen zwischen Versicherungsbedingungen, Tarifwechsel und den Rechten von Versicherten, insbesondere im Kontext von Wahltarifen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der Hintergrund: Wahltarife und Satzungsregelungen der Krankenkasse
Die Klägerin, geboren im Jahr 1947, war bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich krankenversichert. Die Krankenkasse bot ihren Versicherten seit 2005 Wahltarife zur Kostenerstattung an, gestützt auf § 53 Abs. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) und ihre eigene Satzung. § 53 Abs. 4 SGB V eröffnet den Krankenkassen die Möglichkeit, in ihrer Satzung Tarife für Kostenerstattung vorzusehen und hierfür spezielle Prämienzahlungen zu erheben.
Konkret ging es um den Wahltarif „Kostenerstattung bei Zahnersatz“, der in § 17c der Satzung der „AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen“ geregelt war. Dieser Paragraph ermöglichte es Mitgliedern, durch eine schriftliche Erklärung einen solchen Tarif zu wählen, der ab dem folgenden Kalendermonat wirksam wurde. Die Kündigung dieses Tarifs durch das Mitglied war frühestens nach drei Jahren schriftlich möglich (§ 17c Abs. 2 der Satzung).
Der Streitpunkt: Prämienrückzahlung nach Tarifkündigung
Die Krankenkasse kündigte den Wahltarif der Klägerin zum 31.12.2019. Daraufhin forderte die Klägerin die Rückerstattung von Prämien in Höhe von 1.669,20 €. Die Krankenkasse lehnte dies ab, woraufhin die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhob. Kern des Streits war also, ob die Klägerin nach der Kündigung des Wahltarifs einen Anspruch auf Rückerstattung der von ihr gezahlten Prämien hatte.
Die Entscheidung des Sozialgerichts Gießen
Das Sozialgericht Gießen wies die Klage ab. Die Richter sahen keinen Anspruch auf Rückerstattung der Prämien.
Die Begründung des Gerichts: Keine Rechtsgrundlage für Erstattungsanspruch
Das Gericht argumentierte, dass es keine Rechtsgrundlage für einen solchen Erstattungsanspruch gebe. Weder aus dem Gesetz noch aus der Satzung der Krankenkasse lasse sich ein Anspruch auf Prämienrückzahlung ableiten, wenn die Krankenkasse selbst den Wahltarif kündigt. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin die Leistungen aus dem Wahltarif über die gesamte Laufzeit in Anspruch nehmen konnte. Durch die Kündigung seitens der Krankenkasse sei ihr kein Nachteil entstanden, da sie bis zum Kündigungszeitpunkt die Möglichkeit hatte, die tariflichen Leistungen zu nutzen.
Bedeutung des Urteils für Versicherte im Wahltarif
Dieses Urteil hat erhebliche Bedeutung für Versicherte, die einen Wahltarif bei ihrer Krankenkasse abgeschlossen haben. Es zeigt deutlich, dass im Falle einer Kündigung des Tarifs durch die Krankenkasse kein automatischer Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Prämien besteht. Versicherte sollten sich daher vor Abschluss eines Wahltarifs genau über die Versicherungsbedingungen und Erstattungsmodalitäten informieren.
Rechtliche Rahmenbedingungen und Kündigungsrecht der Krankenkasse
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der rechtlichen Rahmenbedingungen und insbesondere der Satzung der Krankenkasse für die Ausgestaltung von Wahltarifen. Die Krankenkasse hat grundsätzlich das Recht, Wahltarife zu kündigen, muss sich dabei aber an die in ihrer Satzung festgelegten Bestimmungen halten.
Fazit: Transparenz und Information sind entscheidend
Das Urteil des Sozialgerichts Gießen verdeutlicht die Notwendigkeit von Transparenz und umfassender Information im Zusammenhang mit Wahltarifen der gesetzlichen Krankenversicherung. Versicherte sollten sich vor Abschluss eines solchen Tarifs genau über die Bedingungen, Leistungen und möglichen Konsequenzen einer Kündigung informieren, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Es ist ratsam, die Vertragsbedingungen sorgfältig zu prüfen und im Zweifelsfall rechtlichen Rat einzuholen, um die eigenen Rechte und Pflichten zu verstehen.
Die Schlüsselerkenntnisse
„Das Urteil bestätigt, dass gesetzliche Krankenkassen keine Rückerstattung von Prämien aus beendeten Wahltarifen leisten müssen, auch wenn diese später als rechtswidrig eingestuft wurden. Die Satzungsänderung der Krankenkasse zur Beendigung des Wahltarifs zum 31.12.2019 war rechtmäßig, da das BSG-Urteil feststellte, dass solche Zusatzleistungen den gesetzlichen Rahmen überschreiten. Die gezahlten Prämien gelten als rechtmäßig erhobene Gegenleistung für den angebotenen Versicherungsschutz während der Vertragslaufzeit.“
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie einen Wahltarif für Zahnersatz bei Ihrer gesetzlichen Krankenkasse abgeschlossen hatten, der Ende 2019 gekündigt wurde, haben Sie keinen Anspruch auf Rückerstattung Ihrer gezahlten Prämien. Die Beiträge waren während der Vertragslaufzeit rechtmäßig und Sie hatten in dieser Zeit auch Versicherungsschutz – unabhängig davon, ob Sie Leistungen in Anspruch genommen haben oder nicht. Als Alternative können Sie nun eine private Zahnzusatzversicherung abschließen, müssen dabei aber beachten, dass erworbene Vorteile wie höhere Erstattungssätze nach längerer Vertragslaufzeit neu aufgebaut werden müssen.
Benötigen Sie Hilfe?
Herausforderungen bei Wahltarifkündigungen verstehen
Im komplexen Geflecht gesetzlicher Bestimmungen und individuellen Vertragsklauseln können Wahltarifkündigungen mit Rückzahlungsforderungen zahlreiche Unklarheiten mit sich bringen. Solche Sachverhalte erfordern oft eine präzise Betrachtung der versicherungsspezifischen Regelungen und eine differenzierte Abwägung von Ansprüchen sowie vertraglichen Modalitäten. Eine transparente rechtliche Analyse eröffnet dabei den Blick für die eigenen Möglichkeiten und Risiken.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, den Sachverhalt eingehend zu prüfen und Ihre rechtlichen Optionen sachgerecht abzuwägen. Wir legen besonderen Wert darauf, Ihre individuelle Situation verständlich darzustellen und erläutern Ihnen, welche Maßnahmen zur Klärung beitragen können. Setzen Sie auf eine fundierte Beratung, um in anspruchsvollen Fällen die bestmögliche Lösung zu finden.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Unter welchen Voraussetzungen können Prämien aus einem Wahltarif zurückgefordert werden?
Grundsätzliche Voraussetzungen für die Prämienrückerstattung
Bei einem Wahltarif mit Beitragsrückerstattung erhalten Sie eine Prämie, wenn Sie und Ihre mitversicherten Familienangehörigen über 18 Jahre während eines gesamten Kalenderjahres keine Leistungen der Krankenkasse in Anspruch genommen haben. Vorsorgeuntersuchungen und Leistungen für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bleiben dabei unberücksichtigt.
Höhe der Rückerstattung
Die maximale Rückerstattung ist auf einen Monatsbeitrag begrenzt und darf nicht mehr als 600 Euro pro Jahr betragen. Bei manchen Krankenkassen wird auch der Arbeitgeberanteil mit ausgezahlt, wodurch Sie bis zu 20 Prozent Ihres Jahresbeitrags als Prämie erhalten können.
Ausschluss der Rückerstattung
Eine Prämienrückerstattung ist ausgeschlossen, wenn:
- Ihre Beiträge vollständig von Dritten getragen werden (zum Beispiel bei Arbeitslosigkeit)
- Sie mit mehr als zwei Monatsprämien im Rückstand sind
- Ein Beitragsrückstand in der Krankenversicherung besteht
- Der Leistungsanspruch gesetzlich ruht
Beendigung und Kündigung
Die Teilnahme am Wahltarif bindet Sie für mindestens ein Jahr an die Krankenkasse. Eine Kündigung ist mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf der einjährigen Mindestbindungsfrist möglich. Ohne Kündigung verlängert sich die Teilnahme automatisch um ein weiteres Jahr.
Ein Sonderkündigungsrecht besteht, wenn Ihre Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erstmals erhebt oder einen bestehenden Zusatzbeitrag erhöht. Dies gilt jedoch nicht für Wahltarife mit Krankengeld.
Welche Rechte haben Versicherte bei einer Wahltarifkündigung durch die Krankenkasse?
Wenn Ihre Krankenkasse einen Wahltarif kündigt, stehen Ihnen verschiedene Rechte zu. Die Krankenkasse muss die Kündigung des Wahltarifs rechtzeitig ankündigen und Sie über die Konsequenzen informieren.
Beendigung des Versicherungsschutzes
Der zusätzliche Versicherungsschutz aus dem Wahltarif endet mit dem Wirksamwerden der Kündigung. Dies gilt auch bei laufenden Behandlungen.
Sonderkündigungsrecht
Bei einer Kündigung des Wahltarifs durch die Krankenkasse haben Sie ein Sonderkündigungsrecht für Ihre gesamte Mitgliedschaft. Dies ermöglicht einen Wechsel zu einer anderen Krankenkasse, auch wenn die reguläre Bindungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
Kündigungsfristen
Für einen Krankenkassenwechsel gilt die reguläre Kündigungsfrist:
- Die Kündigung wird zum Ende des übernächsten Kalendermonats wirksam
- Wenn Sie beispielsweise im Januar kündigen, endet Ihre Mitgliedschaft zum 31. März
Besonderheiten bei Krankengeld-Wahltarifen
Für Versicherte mit einem Krankengeld-Wahltarif gelten besondere Regelungen:
- Die dreijährige Bindungsfrist muss eingehalten werden
- Es besteht kein Sonderkündigungsrecht, selbst wenn die Krankenkasse Zusatzbeiträge erhöht
Die Kündigung wird nur wirksam, wenn Sie innerhalb der Kündigungsfrist eine neue Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse nachweisen. Die neue Krankenkasse übernimmt für Sie die Abwicklung der Kündigung bei Ihrer bisherigen Krankenkasse.
Was müssen Versicherte vor Abschluss eines Wahltarifs beachten?
Bindungsfristen und Kündigungsmöglichkeiten
Bei Wahltarifen müssen Sie die gesetzlich vorgeschriebenen Bindungsfristen beachten. Je nach Tarif binden Sie sich für ein bis drei Jahre an Ihre Krankenkasse. Während dieser Zeit können Sie weder den Wahltarif noch die Krankenkasse wechseln. Selbst bei einer Erhöhung des Zusatzbeitrags besteht in der Regel kein Sonderkündigungsrecht.
Finanzielle Aspekte
Die finanziellen Vorteile sind begrenzt. Bei Tarifen mit Beitragsrückerstattung darf die Prämie maximal 20 Prozent des Jahresbeitrags oder höchstens 600 Euro betragen. Beachten Sie, dass bei einem Wechsel der Krankenkasse während des laufenden Jahres die Ansprüche auf Beitragsrückerstattung verloren gehen.
Versorgungsaspekte
Wahltarife können Ihr Versorgungsverhalten beeinflussen. Bei Beitragsrückerstattungstarifen besteht die Gefahr, dass Sie notwendige Arztbesuche aufschieben, um die Prämie nicht zu verlieren. Vorsorgeuntersuchungen sind davon ausgenommen und können ohne Verlust der Prämie in Anspruch genommen werden.
Kalkulationsrisiken
Die Kalkulation der Wahltarife birgt Risiken. Anders als in der privaten Krankenversicherung werden keine Alterungsrückstellungen gebildet. Das bedeutet, die Beiträge können mit zunehmendem Alter steigen. Zudem haben Sie keine Garantie für eine lebenslange Gewährung der Zusatzleistungen, da Wahltarife theoretisch jederzeit durch die Aufsicht oder die Krankenkasse aufgekündigt werden können.
Welche Rechtsmittel stehen Versicherten bei Streitigkeiten zur Verfügung?
Widerspruchsverfahren als erster Schritt
Bei einem ablehnenden Bescheid der Krankenkasse können Sie innerhalb eines Monats nach Erhalt schriftlich Widerspruch einlegen. Die Krankenkasse muss dann innerhalb von drei Monaten über Ihren Widerspruch entscheiden. Fehlt im Ablehnungsbescheid ein Hinweis zum Widerspruchsrecht, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr.
Fristen und Ansprüche bei Leistungsanträgen
Die Krankenkasse muss über Ihren Antrag auf Leistungen innerhalb von drei Wochen entscheiden. Wird ein Gutachten des Medizinischen Dienstes benötigt, verlängert sich diese Frist auf fünf Wochen. Wird diese Frist ohne wichtigen Grund überschritten, gilt der Antrag automatisch als genehmigt und Sie können sich die Leistung selbst beschaffen.
Untätigkeitsklage bei Verzögerungen
Wenn die Krankenkasse nicht innerhalb von sechs Monaten über Ihren Leistungsantrag entscheidet, können Sie eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht einreichen. Bei Widersprüchen ist eine Untätigkeitsklage bereits nach drei Monaten möglich.
Klage vor dem Sozialgericht
Nach einem ablehnenden Widerspruchsbescheid haben Sie einen Monat Zeit, um Klage beim Sozialgericht zu erheben. Das Verfahren vor dem Sozialgericht ist für Sie kostenfrei. Bei einem Streitwert bis zu 10.000 Euro ist der Schlichterspruch für die Krankenkasse bindend.
Bei Wahltarifen gelten besondere Regelungen: Haben Sie einen Wahltarif abgeschlossen, sind Sie grundsätzlich für drei Jahre an die Krankenkasse gebunden. Ein Sonderkündigungsrecht besteht jedoch, wenn die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erstmals erhebt oder erhöht – ausgenommen sind Krankengeld-Wahltarife.
Für eine erfolgreiche Durchsetzung Ihrer Ansprüche ist es wichtig, alle relevanten medizinischen Unterlagen und ärztliche Stellungnahmen zu sammeln, die die Notwendigkeit der beantragten Leistung belegen.
Welche Rolle spielt die Krankenkassensatzung bei Wahltarifen?
Die Krankenkassensatzung bildet das rechtliche Fundament für die Gestaltung und Durchführung von Wahltarifen. Wenn Sie einen Wahltarif in Erwägung ziehen, müssen Sie beachten, dass die Satzung Ihrer Krankenkasse die konkreten Bedingungen festlegt.
Gestaltungsspielraum der Krankenkassen
Die Satzung regelt verbindlich die Details der Wahltarife, etwa die Höhe der Prämienzahlungen, die Voraussetzungen für die Teilnahme und die genauen Leistungsansprüche. Dabei haben die Krankenkassen einen gewissen Gestaltungsspielraum, müssen sich aber an die gesetzlichen Vorgaben des § 53 SGB V halten.
Pflichtinhalte der Satzung
In der Satzung müssen folgende Aspekte zwingend geregelt sein:
- Ein Sonderkündigungsrecht für besondere Härtefälle
- Die maximale Prämienhöhe von 20 Prozent der Jahresbeiträge, höchstens 600 Euro pro Jahr
- Die Mindestbindungsfristen von einem Jahr für Selbstbehalt- und Kostenerstattungstarife sowie drei Jahre für Krankengeldtarife
Bedeutung für Versicherte
Die Satzung bestimmt auch die Rechte und Pflichten der Versicherten. Wenn Sie einen Wahltarif wählen, wird die Satzung Teil Ihres Versicherungsverhältnisses. Die Krankenkasse muss dabei sicherstellen, dass jeder Wahltarif wirtschaftlich selbsttragend ist und keine Quersubventionierung aus anderen Bereichen erfolgt.
Die Krankenkasse kann die Durchführung von Wahltarifen auch auf andere Krankenkassen oder einen Landesverband übertragen, was ebenfalls in der Satzung geregelt sein muss. Für Sie als Versicherter bedeutet dies: Die Prämienzahlung erfolgt weiterhin an Ihre ursprüngliche Krankenkasse, auch wenn eine andere Kasse den Tarif durchführt.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Wahltarif
Ein Wahltarif ist ein spezielles Zusatzangebot der gesetzlichen Krankenversicherung, das Versicherte freiwillig wählen können. Diese Tarife bieten bestimmte Zusatzleistungen oder alternative Versorgungsformen gegen Zahlung einer zusätzlichen Prämie. Die rechtliche Grundlage findet sich in § 53 SGB V.
Beispiel: Ein Wahltarif für Zahnersatz, bei dem Versicherte gegen eine monatliche Zusatzprämie höhere Erstattungen für Zahnersatzleistungen erhalten können.
Kostenerstattung
Ein Prinzip in der Krankenversicherung, bei dem Versicherte zunächst die Behandlungskosten selbst bezahlen und anschließend von der Krankenkasse ganz oder teilweise erstattet bekommen. Dies unterscheidet sich vom üblichen Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Rechtsgrundlage findet sich in § 13 SGB V.
Beispiel: Ein Patient zahlt seine Zahnarztrechnung zunächst selbst und reicht sie dann bei der Krankenkasse zur Erstattung ein.
Satzung (einer Krankenkasse)
Das grundlegende Regelwerk einer Krankenkasse, das ihre Organisation, Leistungen und Rechtsbeziehungen zu den Versicherten festlegt. Die Satzung konkretisiert die gesetzlichen Vorgaben und definiert den Handlungsrahmen der Krankenkasse. Sie basiert auf § 194 SGB V.
Beispiel: In der Satzung wird festgelegt, unter welchen Bedingungen Wahltarife gekündigt werden können und welche Fristen dabei einzuhalten sind.
Prämie (im Kontext von Wahltarifen)
Ein zusätzlicher Geldbetrag, den Versicherte für die Teilnahme an einem Wahltarif an ihre Krankenkasse zahlen müssen. Die Prämienhöhe wird in der Satzung der Krankenkasse festgelegt und basiert auf versicherungsmathematischen Berechnungen gemäß § 53 SGB V.
Beispiel: Ein Versicherter zahlt monatlich 20 Euro Prämie für einen Zahnersatz-Wahltarif zusätzlich zu seinem regulären Krankenversicherungsbeitrag.
Erstattungsanspruch
Das rechtlich durchsetzbare Recht auf Rückzahlung von Geldbeträgen. Im Kontext des Sozialrechts muss dieser Anspruch auf einer konkreten Rechtsgrundlage (Gesetz, Satzung oder Vertrag) basieren. Die allgemeinen Grundlagen finden sich im § 50 SGB I.
Beispiel: Ein Versicherter hat einen Erstattungsanspruch, wenn die Krankenkasse zu hohe Beiträge eingezogen hat.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs. 4 SGB V: Diese Norm erlaubt es Krankenkassen, in ihrer Satzung Wahltarife für Kostenerstattung anzubieten und dafür spezielle Prämienzahlungen vorzusehen. Die Krankenkasse kann die Höhe der Kostenerstattung variieren. § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V, der die Einschränkung der Kostenerstattung auf unaufschiebbare Leistungen regelt, gilt nicht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte stützte ihr Angebot des Wahltarifs „Kostenerstattung bei Zahnersatz“ auf diese Ermächtigungsgrundlage.
- § 17c der Satzung der AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen: Dieser Paragraph regelte die konkrete Ausgestaltung des Wahltarifs „Kostenerstattung bei Zahnersatz“, insbesondere die Bedingungen für Teilnahme, Kündigung, Erstattungshöhe und Prämienhöhe. Er legte die Details fest, wie der Wahltarif in der Praxis umgesetzt wurde. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Paragraph definierte die Rechte und Pflichten der Klägerin im Rahmen des Wahltarifs, einschließlich der Prämienhöhe und der möglichen Erstattungsleistungen. Die Aufhebung dieses Paragraphen beendete den Wahltarif der Klägerin.
- Bundessozialgericht Urteil vom 30.07.2019 – B 1 KR 34/18 R: Das BSG urteilte, dass § 53 Abs. 4 SGB V Krankenkassen nicht dazu ermächtigt, durch Wahltarife zusätzliche Leistungen außerhalb des GKV-Leistungskatalogs zu gewähren. Dieses Urteil betraf zwar die AOK Rheinland/Hamburg, hatte aber Auswirkungen auf ähnliche Angebote anderer Krankenkassen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Urteil des BSG war der wesentliche Grund dafür, dass die Beklagte ihren Wahltarif „Kostenerstattung bei Zahnersatz“ aufhob, da dieser möglicherweise gegen die Auslegung des § 53 Abs. 4 SGB V durch das BSG verstieß.
- § 195 SGB V: Diese Norm regelt das Verfahren zur Genehmigung von Satzungsänderungen der Krankenkassen durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Satzungsänderungen bedürfen der Genehmigung, um wirksam zu werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Aufhebung des Wahltarifs durch die Beklagte erforderte eine Satzungsänderung, die von der Aufsichtsbehörde genehmigt wurde. Diese Genehmigung ist ein formeller Akt, der die Rechtmäßigkeit der Aufhebung untermauert.
Das vorliegende Urteil
SG Gießen – Az.: S 7 KR 754/21 – Urteil vom 14.11.2023
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