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Weitergewährung von Krankengeld – Voraussetzungen

SG Hamburg – Az.: S 46 KR 1897/17 – Gerichtsbescheid vom 23.08.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft der Klägerin sowie um die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 31.01.2017 bis zum 14.04.2017.

Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige und lebt in P … In Folge einer abhängigen Beschäftigung war sie bei der Beklagten pflichtversichert. Sie erlitt am 26.09.2017 einen Arbeitsunfall und Bezog infolge dessen Verletztengeld bis zum 30.01.2017. Ihr Arbeitsverhältnis endete am 9.01.2017. Die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung attestierte ihr wegen des Arbeitsunfalls eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 30.01.2017 und ging am 18.01.2017 bei der Beklagten ein. Als Diagnosen sind darauf S66.3LG (Verletzung der Streckmuskeln und -sehnen sonstiger Finger in Höhe des Handgelenkes und der Hand) und S61.9G (eine offene Diagnoseziffer) vermerkt. Ab dem 31.01.2017 wurde sie wegen eines Brustkrebsleidens weiterbehandelt.

Die nächste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung datiert auf den 6.02.2017 (Eingang 9.02.) und reicht vom 7.02.2017 bis zum 14.02.2017. Die Diagnose lautet C50.4 (Bösartige Neubildung der Brustdrüse [Mamma] Oberer äußerer Quadrant der Brustdrüse). Weiter wurde die Klägerin mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 14.02.2017 (Eingang 15.02.) bis einschließlich 14.03.2017 (diesmal mit der Diagnose C50.2 (Bösartige Neubildung der Brustdrüse [Mamma] Oberer innerer Quadrant der Brustdrüse) arbeitsunfähig geschrieben und noch einmal am 14.03.2017 (Eingang 16.03.) bis einschließlich 14.04.2017 wegen derselben Diagnose.

Mit Bescheid vom 16.02.2017 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld ab, da nach ihrer Auffassung zum Zeitpunkt des Beginns der Arbeitsunfähigkeit kein Versicherungsverhältnis auf Grund einer Pflichtversicherung vorlag. Dieses habe mit Ende des Verletztengeldbezuges geendet.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 2.03.2017. Sie führte aus, dass am 31.01.2017 ein neuer Krankengeldanspruch entstand und daher das Versicherungsverhältnis fortbestanden habe. Ein Fall einer lückenhaften Feststellung der Arbeitsunfähigkeit habe jedenfalls nicht vorgelegen. Beim Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses wegen durchgehenden Verletzten- bzw. Krankengeldbezuges komme es im Übrigen nicht darauf an, dass die Arbeitsunfähigkeit durch dieselbe Erkrankung verursacht werde. Im Übrigen habe die Beklagte ausweislich ihres eigenen Schreibens vom 18.01.2017 bereits von der Krebserkrankung gewusst. Schließlich habe die Versicherte sich auch in stationärer Behandlung befunden, sodass der Beginn des Krankengeldbezuges ohnehin zurückwirke.

Die Beklagte bat daraufhin den behandelnden Arzt der Klägerin um eine Stellungnahme, ab wann die Beschwerden auf Grund des Mammakarzinoms erstmalig aufgetreten und behandelt worden seien und ab wann sie deswegen arbeitsunfähig geworden sei. Auf das Schreiben des behandelnden Arztes vom 20.03.2017 (Bl. 31 d. Verw.A.) wird insoweit Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 18.07.2017 setzte die Beklagte nach mehrmaligen Versuchen die weitere Versicherung mit der Klägerin zu klären, Beiträge zum Höchstbetrag fest. Da die Klägerin die Beiträge für eine freiwillige Versicherung weiterhin nicht zahlte, stellte sie mit Bescheid vom 23.08.2017 das Ruhen des Leistungsanspruches ab dem 30.08.2017 fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie begründete den Widerspruch damit, dass zum Zeitpunkt der erneuten Arbeitsunfähigkeit am 31.01.2017 kein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld bestanden habe. Dieses hätte grundsätzlich am 9.01.2017 wegen des Endes der Beschäftigung geendet und habe dann nur wegen des Bezuges von Verletztengeld fortbestanden, da in dieser Zeit auch grundsätzlich ein Anspruch auf Krankengeld bestanden habe, der aber wegen des Bezuges von Verletztengeld geruht habe. Damit auch die weitere Arbeitsunfähigkeit ab dem 31.01.2017 das Mitgliedschaftsverhältnis und damit den Krankengeldanspruch verlängert hätte, wäre es aber notwendig gewesen, dass die Klägerin wegen derselben Erkrankung arbeitsunfähig geschrieben worden wäre. Dies sei hier nicht der Fall, da ab dem 31.01.2017 eine andere Diagnose die Arbeitsunfähigkeit begründet habe.

Am 7.09.2017 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Dresden. Zur Begründung verwies sie auf ihr bisheriges Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass die Klägerin über den 30.01.2017 hinaus versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten ist.

2. hilfsweise festzustellen dass die Klägerin über den 30.01.2017 hinaus Mitglied der Beklagten ist.

3. den Bescheid vom 16.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 31.01.2017 bis einschließlich 14.04.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verweist hierzu auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Mit Beschluss vom 2.10.2017 hat das Sozialgericht Dresden die Klage auf Grund örtlicher Unzuständigkeit an das Sozialgericht Hamburg verwiesen. Mit Beschluss vom 13.11.2017 hat die zuständige Kammer den Antrag der Klägerin im einstweiligen Rechtsschutz auf vorläufige Zahlung von Krankengeld und Feststellung des Fortbestehens ihrer Pflichtmitgliedschaft abgelehnt.

Mit Verfügung vom 23.03.2017 hat die Kammer die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheides angehört.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

I. Die Klage ist als Feststellungs- und kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 und § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

Die Kammer hatte den Antrag der Klägerin auszulegen. Während die Kammer das Rechtsschutzziel der Klägerin aufgrund des damaligen Vorbringens der Klägerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch als auf die Feststellung einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft begrenz verstanden hatte (vgl. Beschluss der Kammer vom 13.11.2017 zum Verfahren S 46 KR 1831/17 ER), kann eine derartige Begrenzung des Antrages im Rahmen des Klagverfahrens nicht mehr angenommen werden, denn die Klägerin hat auf den Hinweis des Gerichts vom 17.04.2018 hin mit Schreiben vom 3.05.2018 ausdrücklich erklärt, eine Eingrenzung des Rechtsschutzziels nicht vornehmen zu wollen. Entsprechend § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Dabei hat das Gericht nach dem wahren Rechtschutzziel unter Zugrundelegung des gesamten Vorbringens zu fragen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 123, Rn. 3). Daher muss die Kammer bei der Auslegung des Antrages davon ausgehen, dass die Klägerin jedenfalls hilfsweise auch beantragt, dass überhaupt eine Mitgliedschaft bei der Beklagten festgestellt wird. Demgemäß ist das Rechtsschutzziel der Klägerin auf Erhebung einer Feststellungsklage und einer hilfsweisen Feststellungsklage sowie darüber hinaus auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Krankengeld gerichtet. Eine derartige objektive Klagehäufung – auch als Eventualklage – ist gem. § 56 SGG zulässig, da sich die Klagen gegen dieselbe Beklagte richten und sie in einem Zusammenhang stehen. Dies ist vorliegend der Fall.

Das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse folgt – auch soweit es sich um in der Vergangenheit liegende Zeiträume handelt – aus der Notwendigkeit des Bestehens eines Mitgliedschaftsverhältnisses für den von der Klägerin geltend gemachten Krankengeldanspruch und dem grundsätzlichen Interesse am Bestand des Mitgliedschaftsverhältnisses im Falle von Krankheit. Ausreichend ist jedes anzuerkennende Interesse wirtschaftlicher oder ideeller Art (vgl. Keller, a.a.O., § 55 Rn. 15a), soweit es um vergangene Zeiträume geht, ist jedenfalls in Bezug auf den vom Mitgliedschaftsverhältnis abhängigen Krankengeldanspruch auch ein Rehabilitationsinteresse anzunehmen (vgl. dazu ebenfalls Keller, a.a.O., Rn. 15b). Das Sozialgericht Hamburg ist gem. 57 Abs. 3 SGG zuständig, da die Klägerin ihren Sitz im Ausland und die Beklagte ihren Sitz in Hamburg hat.

Die Kammer kann über die Rechtssache durch Gerichtsbescheid ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder sachlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 105 Abs. 1 S 1 SGG). Das Gericht hat die Beteiligten gem. § 105 Abs. 1 S. 2 SGG angehört.

II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist weder pflichtversichertes, noch freiwilliges Mitglied der Beklagten (dazu 1. und 2.) noch hat sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Krankengeld ab dem 31.01.2017.

1. Die Klägerin ist ab dem 31.01.2017 nicht mehr pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten.

a) Ihre Mitgliedschaft aufgrund einer Beschäftigung endete am 30.01.2017.

Beschäftigte sind gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) grundsätzlich in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Die Klägerin war bis zum 9.01.2017 in Deutschland abhängig beschäftigt. Dennoch blieb das Mitgliedschaftsverhältnis aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bis einschließlich 30.01.2017 bestehen. Zwar endet das Mitgliedschaftsverhältnis versicherungspflichtig Beschäftigter grundsätzlich mit dem Ablauf des Tages, an dem auch das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet (§ 190 Abs. 2) SGB V, es bleibt aber – neben anderen Tatbeständen – erhalten, solange von einem Rehabilitationsträger während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld gezahlt wird (§ 192 Abs. 1 Nr. 3 SGB V). So liegt der Fall hier, denn die Klägerin erhielt bis zum 30.01.2017 Verletztengeld auf Grund eines Arbeitsunfalles.

Über den 30.01.2017 hinaus blieb das Mitgliedschaftsverhältnis auf Grund Beschäftigung jedoch nicht bestehen. Einzig in Frage kommender Verlängerungstatbestand wäre das Bestehen eines Anspruches auf oder der Bezug von Krankengeld (vgl. § 192 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 SGB V). Dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, denn die Klägerin hatte über den 30.01.2017 hinaus keinen Anspruch auf Krankengeld.

Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden (§ 44 Abs. 1 SGB V). Der Anspruch auf Krankengeld entsteht 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) von ihrem Beginn an, 2. im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.

Grundsätzlich hatte die Klägerin einen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit nach dem Arbeitsunfall bis zum 30.01.2017, denn sie war in dieser Zeit ausweislich der zur Akte gelangten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ihres behandelnden Arztes arbeitsunfähig wegen einer Verletzung der Streckmuskeln und -sehnen sonstiger Finger in Höhe des Handgelenkes und der Hand. Entsprechend der soeben dargestellten Grundsätze endete dieser Krankengeldanspruch mit dem 30.01.2017, denn bis zu diesem Datum war die Arbeitsunfähigkeit auf Grund der o.g. Diagnose bescheinigt (vgl. Bl. 14 d. Verw.A.). Entsprechend endete zu diesem Zeitpunkt auch das Mitgliedschaftsverhältnis auf Grund der abhängigen Beschäftigung.

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 6.02.2017, die eine Arbeitsunfähigkeit vom 7.02. bis 14.02.2017 (Bl. 15 d. Verw.A.) feststellt, bzw. der stationäre Aufenthalt der Klägerin vom 31.01.2017 bis 6.02.2017 waren nicht geeignet, den Krankengeldanspruch der Klägerin weiter zu verlängern, denn sie erging bzw. der Aufenthalt fand auf Grund einer geänderten Diagnose statt. Daher konnte auch das Mitgliedschaftsverhältnis nicht weiter verlängert werden. § 46 SGB V erfordert seinem Wortlaut nach gerade für das Bestehenbleiben des Krankengeldanspruches, dass es sich um eine Arbeitsunfähigkeit und stationären Aufenthalt wegen derselben Erkrankung handelt (§ 46 S. 2 Hs. 1. SGB V). Dies ist hier nicht der Fall, denn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung datiert nicht auf den 31.01.2017 (der ein Dienstag war) und mit der Diagnose Bösartige Neubildung der Brustdrüse [Mamma] Oberer äußerer Quadrant der Brustdrüse beruht die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr auf derselben Erkrankung wie in dem Zeitraum davor.

Soweit die Klägerin hiergegen einwendet, im Rahmen der Verlängerung des Mitgliedschaftsverhältnisses nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V komme es nicht darauf an, dass die Arbeitsunfähigkeit auf derselben Erkrankung beruhe, verfängt dieses Argument nicht, denn § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V rekurriert seinem Wortlaut nach unzweifelhaft auf den Krankengeldanspruch bzw. auf den tatsächlichen Bezug von Krankengeld. Letzterer lag hier ohnehin nicht vor, sodass es für den vorliegenden Fall nur darauf ankommen kann, ob mit der Bezugnahme auf den Krankengeldanspruch auch dessen sämtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Es ist jedoch überhaupt nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber in § 192 Abs. 2 Nr. 1 SGB V andere Maßstäbe angewandt wissen wollte als die für den Krankengeldanspruch selbst. Nur so kann es erklärt werden, dass der Gesetzgeber überhaupt vom Anspruch als solchen spricht. Wollte man dies anders beurteilen, so müsste § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auf die durchgehende Arbeitsunfähigkeit abstellen. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger besteht zunächst fort bei Bestehen eines Anspruchs auf Krankengeld oder bei Bezug von Krankengeld. Da das Gesetz einerseits zwischen „Anspruch“ und „Bezug“ differenziert, andererseits aber beides genügen lässt, kommt es nicht darauf an, ob Krankengeld im konkreten Fall zu Recht gewährt wird oder nicht (Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 192 SGB V, Rn. 15). Schon diese sprachliche Differenzierung zwischen Anspruch und Bezug zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber sämtliche Voraussetzungen des Krankengeldanspruches auch zur Voraussetzung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erheben wollte und nur ausnahmsweise diejenigen Fälle mit aufnehmen wollte, in denen Versicherte – warum auch immer – Krankengeld schon oder noch beziehen, obwohl die Tatbestandsvoraussetzungen dafür nicht vorliegen. Dies deckt sich auch mit der historischen Entwicklung der Vorschrift. Während früher in § 311 S. 1 Nr. 2 RVO vom Anspruch auf KrG die Rede war, lässt das G heute in § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V daneben auch den Bezug genügen (KassKomm/Peters SGB V § 192 Rn. 13, beck-online). Der Gesetzgeber hat also den Anwendungsbereich der Vorschrift in der Vergangenheit bewusst um einen Fall außerhalb des eigentlichen Krankengeldanspruchs erweitert. Es kann angesichts dessen nicht davon ausgegangen werden, dass er eine weitergehende Erweiterung vornehmen wollte. Ganz im Gegenteil: Dies bestätigt vielmehr, dass mit dem Anspruch in § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen des Krankengeldanspruchs und damit auch die des § 46 SGB V gemeint sind.

Schließlich ändert es an dieser Beurteilung auch nichts, dass die Klägerin die Krankenkasse ausweislich deren Schreiben vom 18.01.2017 (Bl. 12 d. A.) über ihre erneute Erkrankung informiert haben musste, denn es bleibt bei der Bewertung, dass es sich um eine Arbeitsunfähigkeit bzw. um einen stationären Aufenthalt auf Grund derselben Erkrankung handeln muss (s. o.).

b) Darüber hinaus entstand ab dem 31.01.2017 auch kein Pflichtversicherungsverhältnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Gem. § 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen (dies ist bei § 5 Abs. 1 Nr. 13 gerade der Fall), für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches (gemeint ist das SGB als Ganzes) haben. Dies ist das Territorium der Bundesrepublik Deutschland, soweit nicht nach § 30 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), Zwischenstaatliches Recht vorgeht (vgl. zum Ganzen Marschner in: Kreikebohm, Sozialgesetzbuch Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, 2008, § 3 Rn. 2 m.w.N.). Die Klägerin hat ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt aber in P … Aus den maßgeblichen europäischen Vorschriften, namentlich der VO (EG) 883/2004 folgt eine Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V hier nicht, denn gem. Art. 11 Abs. 3 lit. e) der VO unterliegt jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats (Kommentar zum Sozialrecht, VO (EG) 883/2004 § 11, beck-online). Die Tatbestände lit. a) bis d) setzen hingegen eine Beschäftigung voraus, die hier nicht vorliegt (s.o.).

Im Übrigen ändert es auch nichts, dass die Beklagte die Versicherung bis 31.08.2017 faktisch nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V durchgeführt hat.

2. Die Klägerin war ab dem 31.01.2017 auch nicht freiwillig bei der Beklagten versichert. Der Versicherung können Personen beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens vierundzwanzig Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 SGB V). Gem. § 188 Abs. 1 SGB V beginnt die freiwillige Versicherung grundsätzlich mit dem Tag des Beitritts. Der Beitritt ist der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten anzuzeigen, im Falle des Absatzes 1 Nr. 1 nach Beendigung der Mitgliedschaft (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V). Eine solche Beitrittsanzeige hat die Klägerin der Beklagten ausweislich der Verwaltungsakte der Beklagten nicht zukommen lassen. Im vorliegenden Fall findet sich auch keinerlei Willenserklärung der Klägerin, die dahingehend auszulegen wäre.

Die Versicherung wurde auch nicht aus anderen Gründen als freiwillige Versicherung fortgeführt. Für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, setzt sich die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt. Der Austritt wird nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist (§ 188 Abs. 4 S. 1 SGB V). Allerdings ist auch diese Vorschrift auf den vorliegenden Fall wegen des ausländischen Wohnsitzes der Klägerin nicht anwendbar (s. dazu 1.b) (vgl. Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 188 SGB V, Rn. 24.3 f.).

3. Aus den unter Ziffer 1a) dargestellten Gründen hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen über den 30.01.2017 hinausgehenden Krankengeldanspruch. Sämtliche später bei der Beklagten eingegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen waren nicht geeignet einen erneuten Krankengeldanspruch zu begründen, da ein Mitgliedschaftsverhältnis nicht mehr bestand (s.o.).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

Die Berufung ist gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig, denn beim Streit über das Bestehen einer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ist davon auszugehen, dass der Beschwerdewert 750 EUR übersteigt, zumal hier zusätzlich ein Krankengeldanspruch bis zum Erreichen der Höchstanspruchsdauer streitig ist.

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