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Wirksame Widerspruchseinlegung per E-Mail – Anforderungen

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat die Berufung gegen die Zurückweisung eines per E-Mail eingelegten Widerspruchs im Sozialrecht bestätigt. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung formeller Anforderungen bei Rechtsmitteln, insbesondere der eigenhändigen Unterschrift oder qualifizierten elektronischen Signatur. Trotz unvollständiger Rechtsbehelfsbelehrung ist die Form ausschlaggebend, um Rechtsnachteile zu vermeiden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: L 6 AS 444/21

✔ Kurz und knapp

  • Eine einfache E-Mail genügt nicht den Formerfordernissen für einen Widerspruch nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG.
  • Der Widerspruch muss schriftlich oder elektronisch gemäß § 36a Abs. 2 SGB I (qualifizierte elektronische Signatur) eingelegt werden.
  • Eine unzureichende Rechtsbehelfsbelehrung führt nicht zur Zulässigkeit des Widerspruchs per E-Mail.
  • Fehlende Aufklärung über den Formmangel vor Fristablauf durch die Behörde ist für die Wiedereinsetzung unerheblich.
  • Bestandskraft des Ausgangsbescheids tritt ein, wenn kein formwirksamer Widerspruch eingelegt wurde.
  • Anspruchsgrundlage für materiell-rechtliche Prüfung ist dann § 67 SGB I (Überprüfungsantrag).
  • Das Schriftformerfordernis gilt allgemein und nicht nur für bestimmte Personengruppen.
  • Kernerkenntnis: Für die Wirksamkeit eines Widerspruchs muss die gesetzliche Schriftform zwingend gewahrt werden.

Widerspruch im Sozialrecht: E-Mail reicht nicht aus

Eine wirksame Widerspruchseinlegung im Sozialrecht ist von zentraler Bedeutung. Oft geht es dabei um existenzsichernde Leistungen, die Menschen zustehen. Wenn Behörden diese verweigern, müssen Betroffene schnell und formgerecht reagieren, um ihre Rechte zu wahren.

In der Praxis stellt sich jedoch immer wieder die Frage, welche Voraussetzungen für einen rechtswirksamen Widerspruch erfüllt sein müssen. Insbesondere spielt die Einhaltung bestimmter Formvorschriften eine entscheidende Rolle. So ist es zum Beispiel umstritten, ob ein per E-Mail eingereichter Widerspruch den gesetzlichen Anforderungen genügt.

Diese Thematik ist komplex, aber für alle Bürger von hoher Relevanz. Im Folgenden werden wir daher ein aktuelles Gerichtsurteil genauer betrachten, das sich mit den Voraussetzungen einer wirksamen Widerspruchseinlegung per E-Mail auseinandersetzt.

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✔ Der Fall vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen


Gerichtliche Zurückweisung der Berufung: Widerspruchseinlegung per E-Mail im Sozialrecht

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage der Wirksamkeit eines per E-Mail eingelegten Widerspruchs im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Kläger, der von 2007 bis Januar 2019 Leistungen nach dem SGB II bezog, beantragte im April 2019 die Weiterbewilligung seiner Leistungen. Nachdem er die angeforderten Unterlagen nur teilweise einreichte, lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen ab dem 1. April 2019 ab. Der Ablehnungsbescheid vom 24. Juni 2019 enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, die keine Hinweise auf die Möglichkeit einer elektronischen Widerspruchseinlegung enthielt.

Am 27. Juli 2019 erhob der Kläger per einfacher E-Mail Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid. Der Beklagte wies diesen Widerspruch am 13. August 2019 als unzulässig zurück, da die E-Mail den Anforderungen an die Schriftform nicht genügte. In der Folge erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Detmold, die jedoch abgewiesen wurde. Das SG führte aus, dass der Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen wurde, da er nicht schriftlich im Sinne des § 84 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt wurde.

Gerichtliche Entscheidung und Begründung

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Detmold zurückgewiesen. Das LSG bestätigte, dass der Widerspruch des Klägers nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Gemäß § 84 Abs. 1 SGG muss ein Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei der erlassenden Stelle eingereicht werden. Schriftlich bedeutet in diesem Kontext, dass der Widerspruch eigenhändig unterschrieben sein muss, was bei einer einfachen E-Mail nicht der Fall ist.

Das LSG stellte fest, dass auch die Einreichung in elektronischer Form möglich sei, wenn die Datei qualifiziert signiert ist, was bei der E-Mail des Klägers nicht zutraf. Zudem hob das Gericht hervor, dass die Rechtsbehelfsbelehrung des ursprünglichen Bescheides zwar unvollständig war, jedoch keine Rolle spielte, da der Kläger keinen formgerechten Widerspruch innerhalb der verlängerten Frist von einem Jahr einreichte.

Auswirkungen der Entscheidung

Die Entscheidung des LSG verdeutlicht die Bedeutung der Einhaltung formeller Anforderungen bei der Einlegung von Rechtsmitteln im Sozialrecht. Das Gericht betonte, dass das Schriftformerfordernis nicht lediglich eine Formalie ist, sondern einen Zweck erfüllt, der durch die Einreichung einer einfachen E-Mail nicht erreicht werden kann. Der Beklagte habe den Kläger bereits in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass einfache E-Mails den Anforderungen nicht genügen und es daher keine Verpflichtung gebe, den Kläger erneut darauf hinzuweisen.

Kosten und Revision

Das LSG entschied, dass dem Kläger keine Kosten zu erstatten sind und eine Revision gegen das Urteil nicht zugelassen wird. Diese Entscheidung basiert auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor. Das Urteil zeigt die Notwendigkeit, dass alle Verfahrensbeteiligten die formellen Anforderungen bei der Einreichung von Rechtsmitteln beachten müssen, um Rechtsnachteile zu vermeiden.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil verdeutlicht, dass bei der Einlegung von Widersprüchen im Sozialrecht die Einhaltung der Schriftform essenziell ist. Eine einfache E-Mail genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, selbst wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unvollständig war. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung formeller Voraussetzungen bei Rechtsmitteln und mahnt alle Verfahrensbeteiligten, diese zu beachten, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Das Schriftformerfordernis dient einem wichtigen Zweck und ist nicht bloße Formalie.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Widerspruchseinlegung im Sozialrecht


Welche formalen Anforderungen gelten für die Einlegung eines Widerspruchs im Sozialrecht?

Um einen Widerspruch im Sozialrecht wirksam einzulegen, müssen bestimmte formale Anforderungen erfüllt werden. Der Widerspruch muss schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. Eine einfache E-Mail reicht nicht aus, da sie die gesetzlichen Anforderungen an die Schriftform nicht erfüllt. Stattdessen ist eine qualifizierte elektronische Signatur oder der Versand per De-Mail erforderlich, um die Schriftform zu wahren.

Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheides. Diese Frist verlängert sich auf ein Jahr, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung fehlt oder fehlerhaft ist. Es ist wichtig, dass der Widerspruch fristgerecht bei der Behörde eingeht und der Zugang nachgewiesen werden kann. Dies kann durch Einschreiben oder persönliche Abgabe mit Empfangsbestätigung erfolgen.

Ein Widerspruch muss nicht begründet werden, jedoch kann eine Begründung nachgereicht werden, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen. Die Behörde ist verpflichtet, den Widerspruch zu prüfen und eine Entscheidung zu treffen. Falls der Widerspruch abgelehnt wird, kann der Betroffene Klage vor dem Sozialgericht erheben.

Ist es möglich, einen Widerspruch im Sozialrecht per E-Mail einzulegen?

Ein Widerspruch im Sozialrecht kann grundsätzlich nicht per einfacher E-Mail eingelegt werden, da diese Form nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Schriftform genügt. Ein Widerspruch muss schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. Alternativ kann der Widerspruch auch elektronisch übermittelt werden, jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Um einen Widerspruch elektronisch wirksam einzulegen, muss die E-Mail mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein oder über ein De-Mail-Konto mit absenderbestätigter Versandart gesendet werden. Diese Anforderungen stellen sicher, dass die Identität des Absenders eindeutig nachgewiesen werden kann und der Widerspruch als rechtsverbindlich anerkannt wird.

Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheides. Fehlt eine Rechtsbehelfsbelehrung oder ist diese fehlerhaft, verlängert sich die Frist auf ein Jahr. Es ist wichtig, dass der Widerspruch fristgerecht und formgerecht bei der Behörde eingeht, da ansonsten die Möglichkeit der Rechtsverfolgung verloren geht.

Gerichte haben wiederholt entschieden, dass eine einfache E-Mail nicht ausreicht, um die gesetzlichen Formerfordernisse zu erfüllen. Dies wurde unter anderem vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen und dem Hessischen Landessozialgericht bestätigt.

Es ist möglich, einen Widerspruch per E-Mail einzulegen, jedoch nur, wenn die E-Mail mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder über ein De-Mail-Konto mit absenderbestätigter Versandart gesendet wird. Eine einfache E-Mail ohne diese Sicherheitsmerkmale wird nicht als formgerecht anerkannt und führt zur Unwirksamkeit des Widerspruchs.

Welche Folgen hat es, wenn ein Widerspruch im Sozialrecht nicht formgerecht eingelegt wird?

Wenn ein Widerspruch im Sozialrecht nicht formgerecht eingelegt wird, hat dies schwerwiegende Folgen. Ein nicht formgerechter Widerspruch wird als unzulässig zurückgewiesen. Dies bedeutet, dass die Behörde den Widerspruch nicht inhaltlich prüft und der ursprüngliche Bescheid rechtskräftig wird. Der Betroffene verliert somit die Möglichkeit, die Entscheidung der Behörde anzufechten und seine Rechte und Ansprüche geltend zu machen.

Ein Widerspruch muss schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. Alternativ kann der Widerspruch auch elektronisch übermittelt werden, jedoch nur, wenn er mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder über ein De-Mail-Konto mit absenderbestätigter Versandart gesendet wird. Eine einfache E-Mail ohne diese Sicherheitsmerkmale genügt nicht der Schriftform und führt zur Unwirksamkeit des Widerspruchs.

Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheides. Fehlt eine Rechtsbehelfsbelehrung oder ist diese fehlerhaft, verlängert sich die Frist auf ein Jahr. Es ist entscheidend, dass der Widerspruch fristgerecht und formgerecht bei der Behörde eingeht, da ansonsten die Möglichkeit der Rechtsverfolgung verloren geht.

Gerichte haben wiederholt entschieden, dass eine einfache E-Mail nicht ausreicht, um die gesetzlichen Formerfordernisse zu erfüllen. Dies wurde unter anderem vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen und dem Hessischen Landessozialgericht bestätigt.

Wichtige Punkte: Ein Widerspruch muss schriftlich, zur Niederschrift oder elektronisch mit qualifizierter Signatur erfolgen. Eine einfache E-Mail ist nicht ausreichend und führt zur Unwirksamkeit des Widerspruchs.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG: Regelt die Formerfordernisse für einen Widerspruch im Sozialrecht. Im konkreten Fall entscheidend, da der Kläger seinen Widerspruch per einfacher E-Mail einlegte, was nicht den Anforderungen des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG genügt.
  • § 36a Abs. 2 SGB I: Ermöglicht die elektronische Einlegung eines Widerspruchs, setzt aber eine qualifizierte elektronische Signatur voraus, die im vorliegenden Fall fehlte.
  • § 66 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz SGG: Verlängert die Widerspruchsfrist auf ein Jahr, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft ist. Im konkreten Fall unerheblich, da kein formgerechter Widerspruch innerhalb der Jahresfrist einging.
  • § 77 SGG: Regelt die Bestandskraft von Verwaltungsakten. Da der Widerspruch des Klägers nicht formgerecht war, wurde der Ausgangsbescheid bestandskräftig.
  • § 67 SGB I: Gibt Betroffenen die Möglichkeit, eine Überprüfung eines Verwaltungsaktes zu beantragen, selbst wenn dieser bestandskräftig geworden ist. Im konkreten Fall relevant, wenn der Kläger seine Mitwirkungspflichten nachträglich erfüllt.
  • § 126 Abs. 1 BGB: Definiert, was unter „schriftlich“ zu verstehen ist. Grundsätzlich ist eine eigenhändige Unterschrift erforderlich. Eine einfache E-Mail erfüllt diese Anforderung nicht.
  • Art. 3 Abs. 1 GG: Verbietet die Benachteiligung oder Bevorzugung aufgrund bestimmter Merkmale, wie z. B. der Nationalität. Im konkreten Fall argumentierte der Kläger, dass Formvorschriften für alle gleich gelten müssen, hatte damit aber keinen Erfolg.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: L 6 AS 444/21 – Urteil vom 25.05.2023

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 18.02.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).

Der 0000 geborene Kläger stand von 2007 bis Januar 2019 im Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten.

Mit E-Mail vom 03.04.2019 bat der Kläger den Beklagten um Übersendung eines Weiterbewilligungsantrages. Nach Übersendung des Formulars durch den Beklagten ging der ausgefüllte Weiterbewilligungsantrag am 07.05.2019 dort ein.

Unter dem 05.06.2019 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage von Kontoauszügen und weiterer Unterlagen auf. Dem kam der Kläger (nur) teilweise nach.

Daraufhin versagte der Beklagte ihm für die Zeit ab dem 01.04.2019 die Gewährung von Leistungen (Bescheid vom 24.06.2019). Der Versagungsbescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung des Widerspruchs in elektronischer Form enthielt.

Mit einfacher E-Mail vom 27.07.2019 (Samstag) erhob der Kläger Widerspruch gegen den „Ablehnungs- und Aufhebungsbescheid“ bezüglich seines Weiterbewilligungsantrags.

Der Beklagte wies den Widerspruch als unzulässig zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.08.2019). Gemäß § 84 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei der Widerspruch innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt bekannt gegeben worden sei, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen habe. Schriftlich bedeute gemäß § 126 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch grundsätzlich, dass ein Schriftstück vom Aussteller eigenhändig unterzeichnet werde. Eine E-Mail genüge diesen Anforderungen nicht, sofern nicht die Voraussetzungen des § 65a SGG erfüllt seien. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, weil der Kläger den Widerspruch per einfacher E-Mail ohne elektronische Signatur versandt habe.

Mit (ebenfalls einfacher) E-Mail (nebst nicht unterschriebenem PDF-Anhang) vom 16.08.2019 und am 21.08 bzw. 03.09.2019 nachgereichten persönlich unterzeichneten Schriftsätzen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Detmold erhoben. Gleichzeitig hat er einen Eilantrag gestellt, der bei dem SG unter dem Aktenzeichen S 18 AS 1051/19 ER geführt worden ist. Der Kläger hat bemängelt, dass sich der Widerspruchsbescheid des Beklagten nicht inhaltlich mit seinem Widerspruch befasse. Er werde nur aus formalen Gründen abgelehnt, obwohl der Beklagte Formalia bei bestimmten Gruppen (etwa Analphabeten oder Ausländern) normalerweise gar nicht zu beachten habe. Wenn Formalia für bestimmte Gruppen nicht gelten könnten, müssten sie gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) für alle unbeachtet bleiben. Zur Begründung in der Sache hat der Kläger in der Klageschrift verschiedene Aspekte aufgelistet, zu denen sich der Beklagte ihm gegenüber falsch verhalten habe. Der Beklagte sei dazu zu verurteilen, ihm sofort Leistungen zuzugestehen und ihn bei der Krankenkasse anzumelden.

In dem Eilverfahren (SG Detmold, S 18 AS 1051/19 ER) hat sich der Beklagte bereit erklärt, dem Kläger (zur Sicherstellung der Krankenversicherung) ab September 2019 vorläufig monatliche Leistungen i. H. v. 1 EUR zu gewähren. Dies hat er anschließend auch umgesetzt.

Auf einen weiteren (Weiterbewilligungs-)Antrag (Faxschreiben des Klägers vom 29.02.2020) gewährte der Beklagte ihm durch Bescheide vom 18. bzw. 30.03.2020, 27.05.2020 und 28.09.2020 (reduzierte) Leistungen für die Monate März bis November 2020. Seitdem stand der Kläger nicht mehr im Leistungsbezug bei dem Beklagten.

Der Beklagte hat seine Entscheidung zu dem Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab April 2019 für zutreffend gehalten.

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.02.2021 abgewiesen. Der Beklagte habe den Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, da er in der Form einer einfachen E-Mail eingereicht worden sei und damit nicht den Erfordernissen an die Schriftform genüge. Bei diesem Formerfordernis handele es sich nicht bloß um eine Formalie. Eine Ausnahme werde selbst dann nicht gemacht, wenn z. B. ein Ausländer der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Schon deshalb könne der Kläger sich nicht auf Art. 3 GG berufen. Ergänzend hat das SG ausgeführt, dass auch die ursprüngliche Ablehnung nach § 66 SGB I nicht zu beanstanden sei, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren nicht so weit nachgekommen sei, dass eine Prüfung der Hilfebedürftigkeit möglich gewesen sei. Dem Kläger stehe ggf. ein Anspruch nach § 67 SGB I auf Sachprüfung zu, wenn er seinen Mitwirkungspflichten inzwischen nachgekommen sei. Diese Sachprüfung sei aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Am 17.03.2021 hat der Kläger dagegen Berufung eingelegt, die er trotz mehrfacher Aufforderung nicht begründet hat.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 18.02.2021 zu ändern und den Bescheid vom 24.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er habe den Kläger wiederholt darauf hingewiesen, dass die Widerspruchs- und Klageerhebung mittels einfacher E-Mail dem Schriftformerfordernis nicht genüge. Zudem verweist er auf verschiedene gegenüber dem Kläger ergangene Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen bzw. des SG Detmold, in denen die (Unzulässigkeit der) Klageerhebung mittels einfacher E-Mail thematisiert worden sei. Dem Kläger sei aufgrund dessen durchaus bekannt gewesen, dass die Übersendung einer einfachen E-Mail dem Schriftformerfordernis nicht genüge. Zum Beleg übersendet der Beklagte zwei E-Mails (vom 28.08.2014 und vom 11.08.2015), in denen er dem Kläger empfiehlt, per E-Mail erhobene Widersprüche zum Schutz vor Rechtsnachteilen zu unterschreiben und erneut innerhalb der Widerspruchsfrist einzureichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten, Prozessakte des SG Detmold S 18 AS 1051/10 ER) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

A) Der Senat kann in der Sache entscheiden, obwohl der Kläger in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.05.2023 weder erschienen noch vertreten gewesen ist. Denn er ist auf diese Möglichkeit in der Ladung vorab hingewiesen worden (vgl. § 126 SGG).

B) Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I. Dabei geht der Senat (nach Würdigung des insoweit auslegungsbedürftigen Vorbringens des Klägers) davon aus, dass der Kläger die Aufhebung des aus seiner Sicht rechtswidrigen Versagungsbescheides vom 24.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2019 begehrt.

II. Nach dieser Maßgabe ist die Berufung unbegründet, weil das Begehren des Klägers zwar als reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Var. SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig ist, die Anfechtungsklage sich jedoch als unbegründet erweist (vgl. zur Frage der Abweisung der Klage in dieser Konstellation als unbegründet, Gall in jurisPK-SGG, Stand: 15.06.2022, § 84 Rn. 49 m. w. N.; Urteil des erkennenden Senats vom 01.09.2016, L 6 AS 84/16, juris Rn. 4 mit der Problematik, dass das dort angefochtene Mahnschreiben nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren war; a. A. Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 27.02.2023, 3 K 1023/22.NW, juris Rn. 26 ff.).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 24.06.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2019 über die Versagung von Leistungen für die Zeit ab dem 01.04.2019. Denn der Bescheid vom 24.06.2019 ist bestandskräftig (§ 77 SGG).

1. Der von dem Kläger per einfacher E-Mail erhobene Widerspruch genügt nicht dem Schriftformerfordernis des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Für das Schriftformerfordernis ist grundsätzlich erforderlich, dass der Widerspruch durch den Betroffenen bzw. seinen Vertreter oder Bevollmächtigten eigenhändig unterschrieben worden ist (Gall a. a. O., § 84 Rn. 10). Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall. Das Schriftformerfordernis gilt im Übrigen – wie schon das SG zu Recht ausgeführt hat – entgegen der Ansicht Klägers auch allgemein und nicht nur für bestimmte Personenkreise.

Durch eine schlichte E-Mail kann ein Widerspruch nicht formwirksam eingelegt werden (B. Schmidt in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 13. Auflage 2020, § 84 Rn. 3; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.01.2020, L 21 AS 1447/19, juris Rn. 22 m. w. N.), weil der mit dem Schriftformerfordernis vorgesehene Zweck nicht erfüllt werden kann (Gall, a. a. O., § 84 Rn. 15). Zwar kann der Widerspruch grundsätzlich auch in „elektronischer“ Form erhoben werden, wenn entsprechend § 36a Abs. 2 SGB I eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden kann. Erforderlich ist hierfür allerdings, dass der Zugang auch bezüglich elektronischer Dokumente eröffnet ist (§ 36a Abs. 1 SGB I) und die Datei qualifiziert signiert ist (§ 36a Abs. 2 Satz 2 SGB I). Eine schlichte E-Mail entspricht jedoch nicht den Anforderungen des § 36a Abs. 2 Satz 1 SGB I. Das Schriftformerfordernis kann auch nicht dadurch gewahrt werden, dass die E-Mail ausgedruckt wird (Gall, a. a. O., § 84 Rn. 15).

2. Die Frage, ob die dem Versagensbescheid vom 24.06.2019 angefügte Rechtsbehelfsbelehrung unzutreffend war, weil sie nicht den Hinweis auf § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 36a Abs. 2 SGB I enthielt, woraus sich ggf. die Verlängerung der Widerspruchsfrist auf ein Jahr ergeben würde (vgl. § 66 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz SGG sowie LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 09.09.2021, L 13 AS 345/21 B ER, juris Rn. 6), kann offenbleiben. Denn ein formgerechter Widerspruch ist bei dem Beklagten auch innerhalb der Jahresfrist nicht eingegangen (vgl. LSG Niedersachsen Bremen, Urteil vom 04.11.2021, L 11 AS 632/20, juris Rn. 26 m. w. N.).

3. Da sich der Kläger nicht um eine formkorrekte Nachholung der Einlegung des Widerspruches bemüht hat, scheidet auch eine Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 67 SGG) aus. Dabei ist dem Beklagten im vorliegenden Fall auch nicht vorzuhalten, dass er den Kläger nicht (noch einmal) ausdrücklich auf die fehlende Schriftform hingewiesen und diesem die Möglichkeit gegeben hat, den Formmangel zu heilen. Denn eine Behörde hat nur im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren auf die Beseitigung eines Formmangels vor Ablauf der Widerspruchsfrist hinzuwirken (Gall, a. a. O., § 84 Rn. 47). Insoweit ist im vorliegenden Fall zum einen in Rechnung zu stellen, dass dem Kläger aus vorangegangenen (Verwaltungs-)Verfahren (namentlich aus den E-Mails des Beklagten vom 28.08.2014 und vom 11.08.2015) bekannt war, dass er „seine mit einfacher E-Mail erhobenen Widersprüche zum Schutz vor Rechtsnachteilen zu unterschreiben und erneut innerhalb der Widerspruchsfrist einzureichen“ hat. Zum anderen wäre die fehlende Aufklärung durch den Beklagten ein zu prüfender Gesichtspunkt im Rahmen der Wiedereinsetzung, die mangels entsprechender Nachholung ohnehin nicht in Betracht kommt (s. o.). Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass die E-Mail des Klägers vom 27.07.2019 nach Aktenlage rechnerisch erst zum Ende der Widerspruchsfrist bei dem Beklagten eingegangen ist, d. h. die Widerspruchsfrist am nächstfolgenden Werktag (dem 29.07.2019) mutmaßlich bereits abgelaufen ist. Dem Beklagte stand daher – wenn überhaupt – nur eine überaus kurze Zeitspanne zur Verfügung, um den Kläger über eine denkbare Heilung des Formmangels zu informieren.

C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

D) Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

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