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Zu den medizinischen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung.

Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 13 R 556/10 – Urteil vom 26.07.2011

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1948 in Chemnitz geborene Klägerin hat nach Abschluss der Hauptschule den Beruf der Textilmaschinenführerin erlernt und bis 1969 in diesem Beruf gearbeitet, danach war sie – unterbrochen insbesondere durch Phasen der Kindererziehung – als Kinderpflegehelferin, Heizungsmaschinistin und ab ihrem Umzug 1990 nach N. als Zimmermädchen tätig. Zuletzt war sie ab ca. 2001 bis August 2004 als Mensakraft (Essensausgabe, Reinigung, Spülkraft) angestellt.

Ein erster Rentenantrag vom 27.01.2005 blieb nach einer Begutachtung durch den Nervenarzt Dr. S. am 24.02.2006 erfolglos.

Nach einer Spacerimplantation am linken Knie bei Gonarthrose (Operation am 23.08.2006) nahm die Klägerin vom 31.08.2006 bis zum 21.09.2006 an einer Rehabilitationsmaßnahme in D-Stadt, A.-Klinik, teil. Laut dem Entlassungsbericht war das Gangbild im Vierpunktegang flüssig, die Oberschenkelmuskulatur links aber insuffizient; die Bewegungsmaße des linken Kniegelenks betrugen bei Beugung/Streckung 80-0-0 Grad. Die Klägerin wurde als arbeitsunfähig entlassen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie noch leichte Tätigkeiten überwiegend sitzend ohne kniende Tätigkeiten, ohne Ersteigen von Leitern und Treppen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg ganztags ausüben.

Auf einen weiteren Rentenantrag vom 13.08.2007 wurde u.a. ein Bericht des Dr. D. vom 02.08.2007 bekannt. Dieser attestierte ein psychopathologisch leichtes agitiert-depressives Syndrom. Aktenkundig wurde auch ein Bericht der Orthopädin Dr. N. vom 05.06.2007, die ebenso für das rechte Knie in absehbarer Zeit eine endoprothetische Versorgung als notwendig ansah. Die Ärzte der A.-Klinik empfahlen am 04.07.2007 zunächst noch ein konservatives Vorgehen; sie gaben zu den Kniefunktionen Streckung/Beugung Messwerte an (links 0-0-140, rechts 0-0-135) und wiesen darauf hin, dass die Muskelminderung von -2 cm am linken Oberschenkel unvermindert sei; bekannt seien außerdem eine dekompensierte Pes-plano-valgus Stellung, eine Instabilität des TMT-I-Gelenks und ein ausgeprägter Hallux valgus mit schmerzhaft eingeschränkter Beweglichkeit.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Internisten Dr. G. am 12.10.2007. Dort berichtete die Klägerin, dass sie mit der Operation des linken Knies nicht zufrieden sei. Sie verspüre einen ständigen Druck im linken Kniegelenk. Schmerzen bestünden auch in der linken Hüfte und im rechten Kniegelenk, daneben habe sie gürtelförmige Kreuzschmerzen und zeitweilige Schmerzen im rechten Handgelenk. Sie hat gab an, dass sie mit ihrem Enkelkind Spaziergänge von 1,5 bis 2 km machen könne.

Bei der Untersuchung zeigten sich die Gelenke der unteren Extremitäten frei beweglich, allerdings bei bestehendem Bewegungsschmerz. Das Gangbild war etwas linksseitig hinkend. Der linke Fuß wies eine Knick/Senk-/Spreizfußdeformität mit Insuffizienz der Außenbänder auf. Die Seitdrehung und -neigung der Lendenwirbelsäule (LWS) waren nicht eingeschränkt, es fand sich eine Verspannung der LWS-Muskulatur ohne Klopfschmerz. Eine leistungsrelevante psychische Störung lag nach Einschätzung des Gutachters nicht vor. Er sah die Gehfähigkeit der Klägerin aufgrund der beidseitigen Gonarthrose und der Fußfehlform als beeinträchtigt an; ein Anmarschweg von 600m sei aber noch zumutbar.

Im Ergebnis sah der Gutachter keine nennenswerte Veränderung zum Vorgutachten. Als Mensakraft könne die Klägerin nicht mehr tätig sein, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber mit Einschränkungen (leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit gelegentlichem Gehen und Stehen, ohne Zwangshaltungen sowie ohne Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit) sechs Stunden und mehr.

Der streitgegenständliche Antrag datiert vom 10.01.2008. Die Klägerin gab an, dass sie sich seit Dezember 2007 für erwerbsgemindert halte und wies auf starke seelische Beschwerden, Depressionen, Schmerzen in den Muskeln an Wirbelsäule (WS), Beinen und Armen, die Schrägstellung des linken Fußes, stark wechselnden Blutdruck und Diabetes hin.

Nach Einholung eines Befundberichts des Dr. Sch. vom Januar 2008, der u.a. die Gon-arthrose, eine skoliotische Wirbelsäulenverbiegung, ein deutlich linkshinkendes Gangbild mit Einschränkung der Gehstrecke und ein chronisches Schmerzsyndrom angab, beauftragte die Beklagte den Chirurgen Dr. M. mit einem Gutachten. Bei der Untersuchung am 29.01.2008 wies die Klägerin u.a. auf einen ständigen Druck am linken Knie mit Schwellneigung hin. Sie gab an, dass sie Gehstrecken von 200-300 m bewältigen könne. Schwierigkeiten habe sie auf unebenem Gelände und beim Treppensteigen. Beschwerden bestünden im Kreuz beim Bücken und Heben, außerdem lägen schmerzhafte Verspannungen im Nacken mit Ausstrahlung in die linke Schulter, Schultersteife und Beschwerden in den Oberarmen, Handgelenken und Ellenbogengelenken vor. Das Gangbild war – ohne Gehhilfen – linkshinkend bei muskulärer Schwäche des Oberschenkels und bei Kniegelenksbeschwerden. Bei den unteren Extremitäten zeigte sich eine deutliche Hypertrophie der linksseitigen Oberschenkelmuskulatur sowie die Deformität des Fußes. Die Beweglichkeit der Wirbelsäulenabschnitte war mäßiggradig eingeschränkt. Die Prüfung des Laségue ergab ein negatives Ergebnis. Die Messdaten zur Kniebeweglichkeit betrugen bei Streckung/Beugung rechts 0-0-120, links 0-0-90 Grad. Im Röntgenbild zeigte sich, dass das Innenmeniskusimplantat einige Millimeter das Tibiaplateau überschritt.

Dr. M. teilte als Einschätzung mit, dass die Klägerin als Mensa-Bedienung nur unter drei Stunden, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber 6 Stunden und mehr arbeiten könne. Es solle sich um leichte Tätigkeiten handeln, überwiegend im Sitzen verbunden mit nur gelegentlichem Stehen und Gehen, ohne häufiges Bücken. Die zumutbare Gehstrecke betrage 600 Meter.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 07.02.2008 ab.

Den Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass die Fehlstellung des linken Fußes und die Probleme beim Gehen, Stehen und Sitzen (WS-Probleme) nicht genügend berücksichtigt worden seien. Sie habe anhaltende Druckschmerzen am linken Knie sowie am rechten Knie eine Knorpelabnutzung, die operationsbedürftig sei.

Dazu wurde ein Arztbrief der A.-Klinik vom 18.02.2008 eingereicht. Aus dortiger orthopädischer Sicht sei die Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt insbesondere für stehende und gehende Tätigkeiten mit vermehrter Belastung der Wirbelsäule (Heben, Tragen, Zwangshaltung, Überkopfarbeiten).

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2008 zurückgewiesen.

Mit der Klage vom 14. April 2008 vor dem Sozialgericht Regensburg ist darauf hingewiesen worden, dass die Klägerin nach kurzer Zeit eine Positionsänderung benötige. Sie habe Schmerzen und vielfältige Beschwerden.

Die Beklagte hat mitgeteilt, dass die Klägerin Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß § 236a SGB VI ab 01.12.2008 erhalte (Bescheid vom 18.09.2008). Damit sei kein Anerkenntnis über das Vorliegen von Erwerbsminderung verbunden.

Das Sozialgericht hat Befundberichte bei Dr. B. vom 27.08.2009, bei Dr. Sch., praktischer Arzt, vom 14.10.2009 und bei Dr. D., Nervenarzt, eingeholt. Letzterer hat berichtet, dass sich die Klägerin einmalig in ambulanter Therapie am 31.07.2007 bei ihm befunden habe und zu weiteren Termin nicht mehr gekommen sei. In einem Arztbrief der A.-Klinik vom 04.07.2007 heißt es, dass die Gehstrecke mit ca. 600 m deutlich eingeschränkt sei; die Klägerin sei nach dem Eingriff mit Unterarm-Gehstützen entlassen worden. In einem Arztbrief vom 22.08.2007 derselben Klinik wird bei weiter bestehender Beschwerdesymptomatik im Bereich beider Kniegelenke ein etwas schleppendes linkshinkendes Gangbild angegeben (Messwerte linkes Knie: 0-0-140).

In einem vom Sozialgericht zusätzlich eingeholten ausführlichen Befundbericht der A.-Klinik vom 14.09.2009, unterschrieben durch Prof. D., werden ebenso Daten zu den einzelnen Behandlungen seit 21.06.2006 angegeben. Zum Befund vom 03.07.2007 heißt es u.a. „Mobilisation ohne Gehstützen nur über kürzere Gehstrecken“. Zum 22.08.2007 ist vermerkt: nach längeren Gehstrecken Schmerzen am Tibiakopf links; anhaltende Schmerzen rechtes Knie, linker Rückfuß, diskret linkshinkendes Gangbild, Muskelverminderung linker Oberschenkel -1 cm. Für den 12.02.2008 sind u.a. angegeben: belastungsabhängige Kniegelenksbeschwerden beidseits, Beschwerden linker Fuß, linkes Schultergelenk, Überlastungsschmerzen untere LWS, diskret linkshinkendes Gangbild. Zum 16.09.2008 ist die Rede von belastungsabhängigen Beschwerden im Bereich beider Kniegelenke mit akzeptabler Gehleistung; im Vordergrund stünden jedoch starke Schmerzen der unteren LWS mit Ausstrahlung ins Gesäß. Zusammenfassend heißt es, dass sich lediglich die Muskelinsuffizienz im Bereich des linken Oberschenkels mit einem Umfang von zunächst zwischen -2 cm und -3 cm etwas gebessert habe. Ab Februar 2008 hätten sich eine zunehmende schmerzhafte Funktionseinschränkung und Minderbelastbarkeit im Bereich des linken Schultergelenks sowie der unteren LWS eingestellt.

Gegenüber dem vom SG nach § 106 SGG beauftragten Gutachter, dem Internisten und Sozialmediziner Dr. P., erklärte die Klägerin am 12.01.2010 auf Befragen, dass sie im Jahr 2008 den Weg von und zur Bushaltestelle, insgesamt ca. 1 km, zu Fuß gehen konnte. Das Einsteigen in den Bus habe Schmerzen bereitet; die Schulter habe sie nicht heben können. Nach der Knieoperation sei es in der Zeit von März bis August 2007 zu einer langsamen Besserung gekommen, die im Jahr 2008 konstant geblieben sei. Seit Februar 2008 habe sie tiefsitzende Kreuzschmerzen und Schulterschmerzen gehabt.

Zur Psyche hält der Gutachter fest, dass seit Ende 2008 die Depression mit sozialer Rückzugstendenz und zeitweisen Schlafstörungen zugenommen habe.

Er stellt die Diagnosen:

– Restbeschwerden im linken Knie nach Einlage eines Spacers im Bereich des medialen Kniegelenkkompartements. Aufbraucherscheinungen am rechten Knie,

– WS-Beschwerden bei Abnutzungserscheinungen und Bandscheibenschaden,

– Aufbraucherscheinungen an den Schultergelenken,

– Psychovegetatives Syndrom,

– Arterielle Hypertonie.

Im Vordergrund stünden die Beschwerden im Bereich der LWS und der Knie, geringer auch der Schultern. Die Klägerin sei noch bis Dezember 2008 vollschichtig einsetzbar gewesen; die von der Klägerin selbst geschilderte Gehstrecke (500m) spreche gegen eine deutliche Gehbeeinträchtigung.

Die Prozessbevollmächtigte hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin dem Gutachter Dr. P. über starke Schmerzen nicht nur beim Einsteigen in den Bus, sondern auch bei Bewältigung der Gehstrecke zur Bushaltestelle berichtet habe; die Angaben des Sachverständigen seien daher nicht richtig. Im Jahr 2007 habe die Klägerin noch Unterarm-Gehstützen benutzt. Sie habe nie ohne Schmerzen gehen können. Leichte Tätigkeiten wie Pförtnertätigkeiten gebe es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht. Außerdem wird auf den Arztbericht des Prof. D. vom 10.03.2010 verwiesen, wonach die Klägerin noch 4 bis 5 Stunden arbeiten könne und nie Arbeitsfähigkeit von 6 oder mehr Stunden bestanden habe.

Der Gutachter Dr. P. hat dazu am 16.06.2010 ergänzend Stellung genommen. Die Klägerin habe bei der Anamnese nochmals bestätigt, dass sie zwar 500m habe gehen können, aber an deutlichen Schmerzen gelitten habe. Er bleibe dabei, dass die Klägerin keine Mensakraft mehr sein könne, im Jahr 2008 aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt z.B. als Museumsaufsicht oder Pförtnerin noch Tätigkeiten ohne körperliche Zwangshaltungen und ohne besondere Beanspruchung der Arme habe ausüben können.

Mit Urteil des SG Regensburg vom 18.06.2010 ist die Klage abgewiesen worden. Soweit vom behandelnden Facharzt eine Arbeitsunfähigkeit bestätigt werde, entspreche dies der gesundheitlichen Lage, dass die bisher ausgeübte Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könne. Die Klägerin sei aber auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Wie die Klägerin selbst mitgeteilt habe, habe sie den Weg zur Bushaltestelle, wenn auch unter Schmerzen, zurücklegen können.

Gegen das am 07.07.2010 zugestellte Urteil ist am 19.07.2010 Berufung eingelegt worden. Die Klägerin beruft sich insbesondere auf die Atteste der A.-Klinik. Der Gutachter Dr. P. habe die negativen Gesichtspunkte nicht berücksichtigt. Ihr Arzt Dr. M. habe für den Zeitraum vom 13.07. bis 12.08.2007 Arbeitsunfähigkeit bestätigt. Die A.-Klinik habe ebenso am 10.03.2010 Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2006 bestätigt. Da eine Beschwerdepersistenz vorgelegen habe, hätte Dr. P. davon ausgehen müssen, dass 2008 eine Belastbarkeit von weniger als 4 Stunden vorgelegen habe.

Der auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG beauftragte Gutachter Prof. D. hat die Klägerin am 24.01.2011 untersucht. In seiner Beurteilung hat er darauf hingewiesen, dass es zu keinem durchgreifenden Behandlungserfolg des linken Knies nach der Operation im Jahr 2006 gekommen sei. Im Januar 2008 habe nach wie vor eine erhebliche Minderbelastbarkeit des linken und zunehmend auch des rechten Beines bestanden; aufgrund der einseitigen Belastung der unteren Extremitäten habe sich das WS-Syndrom und das Schultersyndrom verschlimmert. Die Klägerin sei zu diesem Zeitpunkt nach wie vor in der Gehleistung erheblich eingeschränkt gewesen; auf Anraten der A.-Klinik habe sie 2007 die Gehstützen abgelegt. Trotz intensiver physiotherapeutischer Maßnahmen und Einnahme von Schmerzmedikamenten sei sie glaubhaft nicht in der Lage gewesen, selbst kürzere Gehstrecken von weniger als 500 m zurückzulegen. Dies habe sie auch bei Dr. M. vorgetragen, trotzdem habe dieser eine Gehstrecke von 600m angenommen. Aufgrund der Kombination einer schmerzhaften Minderbelastbarkeit des linken Kniegelenks, einer Muskelinsuffizienz sowie einer Instabilität des medialen Kapselbandapparates sowie einer bestehenden Arthrose am rechten Kniegelenk und einer dekompensierten Knick-Senk-Spreizfuß-Fehlstellung mit Reizung des Subtalargelenks und der Tibialis posterior-Sehne seien die Angaben einer maximalen Gehstrecke von 200-300 m trotz radiologisch regelrechtem Sitz des Implantats glaubhaft; zunehmend ab Ende 2007 sei das Femoropatellargelenk am linken Kniegelenk symptomatisch geworden, wodurch auch längere sitzende Tätigkeiten zu zunehmenden Schmerzen im linken Kniegelenk geführt hätten. Die im Rahmen der einseitigen Belastung der unteren Extremität auftretenden lokalen und pseudoradikulären Beschwerden bei bekanntem Bandscheibenschaden und Schaden der Wirbelgelenke hätten zu diesem Zeitpunkt auch zu einer Minderbelastbarkeit selbst für leichte sitzende Tätigkeiten geführt. Es sei der Klägerin von Januar bis Dezember 2008 nicht zumutbar gewesen, mehrmals täglich 500m zu gehen und über mehr als 6 Stunden arbeitstäglich zu arbeiten. Sie habe nur noch 3 bis unter 6 Stunden arbeiten können. Einen Führerschein besitze die Klägerin nicht. Das angegebene Leistungsbild bestehe im Wesentlichen seit der Operation im September 2006 ohne Besserung der Beschwerden bis Januar 2008.

Die Beklagte hat dazu erklärt, dass sich der Gutachter Prof. D. letztlich auf die subjektiven Angaben der Klägerin, nicht jedoch auf funktionale Befunde beziehe. Der Gutachter Dr. M. habe zeitnah im Januar 2008 die objektive Befundlage erhoben. Es müsse bei dessen Beurteilung im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit als auch auf die Wegefähigkeit verbleiben.

Die Klägerbevollmächtigte hat darauf hingewiesen, dass Prof. D. die Klinik in D-Stadt leite, in deren Behandlung die Klägerin seit 2007 sei. Er habe bereits am 14.09.2009 einen Befundbericht erstellt und habe andere Berichte aus der Klinik verwerten können. Somit sei er nicht allein auf die subjektiven Angaben der Klägerin angewiesen gewesen. Im Übrigen sei Prof. D. Orthopäde, während Dr. M. Chirurg sei. Die Aussage des Prof. D. sei daher höher zu bewerten.

In der mündlichen Verhandlung am 26.07.2011 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Antrag gestellt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18. Juni 2010 sowie den Bescheid vom 7. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 10.Januar 2008 für die Zeit von Februar bis November 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagtenvertreterin hat den Antrag gestellt, die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten des Sozialgerichts und Landessozialgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Da die Klägerin bereits seit 01.12.2008 Altersrente wegen Schwerbehinderung bezieht, ist der streitgegenständliche Zeitraum begrenzt auf Anfang Februar bis Ende November 2008.

Das Sozialgericht (SG) hat zu Recht die Klage gegen den Bescheid vom 7. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2008 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die im Jahr 1948 geborene Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1, 2 SGB VI zu. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI kommt nicht in Betracht, weil hinsichtlich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Mensakraft kein Berufsschutz besteht. Die Klägerin ist daher in vollem Umfang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.

Die Klägerin ist nicht erwerbsgemindert, da sie im relevanten Zeitraum noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein konnte (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Leistungsfähigkeit der Klägerin qualitativ hinsichtlich der Art und Schwere der noch möglichen Tätigkeiten gemindert gewesen, ohne dass zur Überzeugung des Senats nachgewiesen ist, dass die qualitativen Leistungseinschränkungen bereits einen die Erwerbsminderung begründenden Umfang angenommen hatten.

Es liegt kein Fall vor, in dem von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auszugehen ist (vgl. Katalogfälle in BSG, Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, Az: GS 2/95, in: SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8). Insbesondere ist nicht nachgewiesen, dass die Wegefähigkeit (vgl. BSG SozR Nr. 101 zu § 1246 RVO; stRpsr, u.a. BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 SozSich 2004, 180) im maßgeblichen Zeitraum von Januar bis November 2008 in relevantem Ausmaß eingeschränkt gewesen war und es aus medizinischen Gründen unzumutbar gewesen wäre, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern in ca. 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen

Im Vordergrund der Beschwerden standen im maßgeblichen Zeitraum die schmerzhaften Einschränkungen des Bewegungsapparates.

Der Senat erkennt durchaus, dass das linke Knie trotz Operation im September 2006 nicht beschwerdefrei war. Hinzu kamen die Kniebeschwerden rechts, die Fehlstellungen des linken Fußes mit schmerzhaft eingeschränkter Beweglichkeit sowie Wirbelsäulenbeschwerden. Zudem haben die Schulterbeschwerden die Klägerin am fortgesetzten Gebrauch der Gehstützen gehindert. Dennoch geht der Senat aufgrund der Aktenlage davon aus, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum noch Wegstrecke von ca. 600 m zumutbar bewältigen konnte und die Gesundheitsstörungen die Klägerin nicht an einer überwiegend sitzenden leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Zwangshaltungen und mit gelegentlichem Stehen und Gehen hinderten.

Die Aussage im Gutachten des Prof. D., dass bereits seit der Operation im September 2006 ein eingeschränktes Leistungsbild von drei bis unter 6 Stunden und eine maximale Gehstrecke von 200-300 m bestanden habe, überzeugt nicht. Es steht in Widerspruch zu den früheren Angaben in Befundberichten der A.-Klinik. Auch die Klägerin hat bei den Gutachtern uneinheitliche Angaben gemacht. Sie hat etwa gegenüber dem Gutachter Dr. G. im Oktober 2007 erklärt, dass sie mit ihrem Enkelkind Spaziergänge von 1,5 bis 2 km bewältigen könne. Der Gutachter hielt daraufhin einen Anmarschweg von 600m für noch zumutbar. Dies entsprach auch der Einschätzung von Dr. M. aufgrund der Funktionsbefunde im Januar 2008, auch wenn die Klägerin dort als maximale Gehstrecke nur 200-300 m angegeben hat. Gegenüber Dr. P. hat die Klägerin wiederum angegeben, dass es in der Zeit von März bis August 2007 zu einer langsamen Besserung gekommen sei, die im Jahr 2008 konstant geblieben sei. Auch in den Befundberichten der A.-Klinik in D-Stadt ist diese – wenn auch beschränkte – Besserung nach der Operation dokumentiert. Bei der Entlassung im September 2006 aus der Rehaklinik war die Beweglichkeit des linken Knies bei Beugung/Streckung noch mit 80-0-0 angegeben worden. In dem ausführlichen Befundbericht der A.-Klinik vom 14.09.2009 ist der Befund zu verschiedenen Zeitpunkten aufgeführt. Zur Vorstellung am 03.07.2007 wird berichtet, dass die Mobilisation ohne Gehstützen nur über „kürzere Gehstrecken“ bei noch etwas linkshinkendem Gangbild möglich gewesen sei. Im gesonderten Bericht vom 04.07.2007 wird dazu ausdrücklich eine Strecke von ca. 600 m genannt. Zum 22.08.2007 heißt es dann, dass die Klägerin insbesondere beim Treppensteigen noch deutlich unsicher und nach „längeren Gehstrecken“ Schmerzen am Tibiakopf links auftreten würden; das Gangbild wird hier als diskret linkshinkend beschrieben. Für den 12.02.2008 wird ebenso ein diskret linkshinkendes Gangbild angegeben mit guten Funktionswerten der Knie (links 0-0-140; rechts 0-0-135). Zum 16.09.2008 werden belastungsabhängige Beschwerden im Bereich beider Kniegelenke mit „akzeptabler Gehleistung“ genannt; im Vordergrund standen zu diesem Zeitpunkt starke Schmerzen der unteren LWS. Dr. K./Prof. D. geben selbst eine Besserung der Muskelinsuffizienz der Oberschenkel-Muskulatur an. Daraus lässt sich – worauf die Beklagte hingewiesen hat – jedenfalls kein Mindergebrauch schließen.

Vor diesem Hintergrund erscheinen vielmehr die Einschätzungen des Dr. M. und des Dr. P. über eine im Jahr 2008 noch erhaltene Wegefähigkeit nachvollziehbar. Letzterer hat die Angabe der Klägerin, sie habe ca. 1 km zur Bushaltestelle gehen könne, für schlüssig gehalten und die damit verbundene Schmerzhaftigkeit nicht als unzumutbar angesehen.

Soweit der Befundbericht des Dr. M./Dr. B. vom 27.08.2009 von Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum Juli bis August 2007 spricht und auch im Brief der A.-Klinik vom 10.03.2010 eine Arbeitsfähigkeit von maximal 4-5 Stunden seit 2006 angenommen wird, bezieht sich diese Wertung nach der Begriffswahl nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Im Reha-Entlassungsbericht aus D-Stadt wird demgegenüber noch klar unterschieden, dass die Klägerin in ihrer letzten Tätigkeit nicht mehr einsetzbar, jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte Tätigkeiten überwiegend sitzend ohne kniende Tätigkeiten, ohne Ersteigen von Leitern und Treppen und ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg ganztags ausüben könne.

Zwar weist Prof. D. auch auf eine Verschlechterung des bereits seit vielen Jahren bestehenden Wirbelsäulensyndroms durch die einseitige Belastung der unteren Extremitäten hin. Er sieht gerade die lokalen und pseudoradikulären Beschwerden im Bereich der unteren LWS bei Bandscheibenschaden und Schaden der Wirbelgelenke als Grund für die Minderbelastbarkeit selbst für leichte sitzende Tätigkeiten an. Es überzeugt jedoch bereits nicht, dass Prof. D. das eingeschränkte Leistungsbild an den Zeitpunkt der Knie-Operation anknüpft. In dem ausführlichen Befundbericht des Prof. D. vom 14.09.2009 werden erst ab Februar 2008 Überlastungsschmerzen beschrieben; am 16.09.2008 werden schließlich „starke Schmerzen im Bereich der unteren LWS mit Ausstrahlung“ vermerkt. Die Nervendehnungszeichen waren jedoch auch zum letztgenannten Zeitpunkt ausdrücklich negativ und es bestand kein sensomotorisches Defizit. Die Funktionsdaten zur Wirbelsäule weichen selbst noch bei der Untersuchung des Prof. D. am 24.01.2011 (Seitneigung 30-0-30; Drehung 30-0-30, Schober 10/14,5, FBA 30cm, Nervendehnungszeichen beidseits negativ, kein Druckschmerz des Ischiasnervs) nicht signifikant von denen ab, die bereits Dr. M. im Januar 2008 erhoben und nachvollziehbar als mäßiggradig bezeichnet hat (Seitbeugen 30-0-30; Drehung 30-0-30; FBA 30 cm, Lasegue-Prüfung negativ). Schon damals zeigte das Röntgenbild vom 12.02.2008 einen aufgebrauchten Zwischenwirbelspalt L 5/S 1 und eine hochgradige Facettenarthrose in diesem Segment. Bei Prof. D. hat die Klägerin zwar zusätzlich ausgeführt, dass sie Schmerzen im Bereich des unteren Rückens bei langem Sitzen oder Stehen habe. Eine quantitative Leistungsminderung lässt sich aber mit diesen Angaben noch nicht nachweisen.

Soweit die Klägerin bei ihrem Rentenantrag auch eine Depression genannt hat, ist ebenso kein leistungseinschränkendes Ausmaß nachgewiesen. Die Unterlagen lassen nicht erkennen, dass es bis zum Ende November 2008 zu einer signifikanten Verschlimmerung des psychischen Zustands gekommen wäre. Zwar finden sich bei den behandelnden Ärzten immer wieder Angaben über eine depressive Verstimmung (z.B. Dr. M./ Dr. B., Bericht vom 24.01.2006). Der Nervenarzt Dr. S. hatte bei der Klägerin aber im April 2006 nur eine leicht gedrückte Grundstimmung bei erhaltener Schwingungsfähigkeit wahrgenommen. Sie hat dort angegeben, dass sie sich nicht abgekapselt habe und noch etwas vom Leben haben wolle. Der Gutachter diagnostizierte insoweit nachvollziehbar nur psychovegetative Störungen ohne Hinweise auf eine wesentliche Depression.

In einem Befundbericht des Dr. B. vom August 2007 wurden stützende Gespräche wegen Depression angegeben. Über den Behandlungszeitraum vom Januar bis August 2007 hat er berichtet, dass die Klägerin „seelisch fix und fertig“ gewesen sei, und hat eine Anpassungs- und Belastungsstörung diagnostiziert. Der Nervenarzt Dr. D. diagnostizierte im Bericht vom 02.08.2007 nur ein psychopathologisch leichtes agitiert-depressives Syndrom. In einem später eingeholten Befundbericht am 14.08.2009 hat Dr. D. angegeben, dass die Klägerin nur einmalig in ambulanter Therapie am 31.07.2007 war und zu weiteren Termin nicht mehr erschienen ist. Bei der Begutachtung durch den Internisten/Sozialmediziner Dr. G. im Oktober 2007 zeigte sich die Klägerin orientiert, kontaktfähig, nicht ins Depressive ausgelenkt. Der Gutachter bezeichnete sie als schmerzgeplagt, sah aber keinen Hinweis auf sozialen Rückzug oder Antriebslosigkeit. Der Sozialmediziner Dr. M. hat die Stimmung der Klägerin bei seiner Untersuchung im Januar 2008 als nicht gedrückt bezeichnet; die Konzentration sei im Normbereich gewesen.

Der Gutachter Dr. P. hielt fest, dass seit Ende 2008 die Depression mit sozialer Rückzugstendenz und zeitweisen Schlafstörungen zugenommen habe. Da der relevante Zeitraum bereits im November 2008 endet, war insoweit keine weitere Aufklärung veranlasst.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg ist daher als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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