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Krankenversicherung – nachträgliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit

Landessozialgericht Thüringen –  Az.: L 6 KR 591/14 B ER – Beschluss vom 23.07.2014

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 28. März 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beschwerdeführer für die Zeit vom 19. September 2013 bis zum 31. Oktober 2013 sowie ab dem 13. Januar 2014 Anspruch auf Krankengeld hat.

Krankenversicherung - nachträgliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
Symbolfoto: Von uzhursky /Shutterstock.com

Der 1977 geborene Beschwerdeführer ist bei der Beschwerdegegnerin gesetzlich krankenversichert. Er war in der Zeit vom 1. September 2013 bis 18. September 2013 bei der E. GmbH beschäftigt und vom 10. September 2013 bis 31. Oktober 2013 arbeitsunfähig erkrankt. Danach war er vom 1. November 2013 bis zum 31. Januar 2014 bei der D. GmbH beschäftigt, seit dem 13. Januar 2014 ist er erneut arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 1. Februar 2014 ist der Beschwerdeführer bei der Beschwerdegegnerin freiwillig gesetzlich krankenversichert, über eigene Einkünfte verfügt er nicht.

Der Beschwerdeführer legte bei der Beschwerdegegnerin verschiedene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Dr. I. vor, u.a. vom 3. März 2014 (Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis 7. März 2014) und vom 10. März 2014 (Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis 21. März 2014). Die Beschwerdegegnerin lehnte mit Schreiben vom 1. Oktober 2013 eine Zahlung von Krankengeld ab, da der Beschwerdeführer bereits vom 10. Mai 2011 bis 2. Oktober 2012 Krankengeld erhalten hatte und es sich nunmehr um dieselbe Krankheit handeln würde. Mit Bescheid vom 23. Januar 2014 lehnte die Beschwerdegegnerin erneut die Zahlung von Krankengeld ab, über den insoweit eingelegten Widerspruch wurde bisher noch nicht entschieden.

Das Sozialgericht Gotha hat den am 14. März 2014 eingegangenen Antrag des Beschwerdeführers auf Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 19. September 2013 bis zum 31. Oktober 2013 sowie ab dem 13. Januar 2014 mit Beschluss vom 28. März 2014 abgelehnt. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht erkennbar, insbesondere verfüge die Ehefrau des Beschwerdeführers als Beamtin mit der Besoldungsgruppe A 11 über ausreichend Einkünfte, um den Lebensunterhalt zu sichern.

Der Beschwerdeführer verfolgt im Beschwerdeverfahren sein Begehren weiter. Die Einkünfte seiner Ehefrau reichten nicht aus, um die laufenden Lebenshaltungskosten zu decken. Rücklagen seien nicht mehr vorhanden, es drohe eine Privatinsolvenz. Darüber hinaus liege hier auch eine neue Erkrankung vor, die zum Bezug von Krankengeld berechtige. Der Beschwerdeführer sei im Übrigen auch am 8. und 9. März 2014 arbeitsunfähig gewesen, dies sei fälschlicherweise nicht bescheinigt worden. Außerdem bestehe ab dem 1. Februar 2014 eine zum Bezug von Krankengeld berechtigende freiwillige Versicherung.

Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 28. März 2014 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, dem Beschwerdeführer ab 19. September 2013 bis 31. Oktober 2013 sowie ab 13. Januar 2014 bis dato und fortlaufend bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen, sofern die Leistungsvoraussetzungen vorliegen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Ein Anspruch auf Krankengeld bestehe nicht, da es sich um dieselbe Erkrankung wie bereits vom 10. Mai 2011 bis 2. Oktober 2012 handele. Darüber hinaus sei die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für den 8. und 9. März 2014 nicht rechtzeitig erfolgt, für die Anerkennung einer rückwirkenden Feststellung lägen keine Gründe vor. Hinsichtlich der freiwilligen Versicherung sei ein Krankengeldanspruch zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, hieraus folge aber keine Entgeltersatzleistung, da es an einem Entgeltausfall infolge Arbeitsunfähigkeit fehle. Aus diesem Grunde werde der Beschwerdeführer auch nur zu einem verminderten Beitragssatz herangezogen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war.

II.

Die Beschwerde ist nach §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es fehlt für die Zeit vor dem 14. März 2014 an einem Anordnungsgrund, für die Zeit danach am Vorliegen eines Anordnungsanspruchs.

Nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG in der ab dem 2. Januar 2002 gültigen Fassung kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).

Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren streitige materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Ein Anordnungsgrund ist zu bejahen, wenn es für den Beschwerdeführer unzumutbar erscheint, auf den rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden. Ist die Klage offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, ohne dass auf ihn aber verzichtet werden kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 29). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, wobei die Intensität einer drohenden Verletzung von Grundrechten, die wirtschaftlichen Verhältnisse, unbillige Härten und die Mitverantwortung des Antragstellers einzubeziehen sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 29a).

Ein Anordnungsgrund kommt für die Zeit vor dem Eingang des Antrags beim Sozialgericht (14. März 2014) nicht in Betracht. Sinn der einstweiligen Anordnung ist es, für die Zukunft eine Regelung zu treffen, bei Geldleistungen für die Vergangenheit, also für Zeiten vor Eingang des Antrags bei Gericht, fehlt deshalb in aller Regel der Anordnungsgrund (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 29a). Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn ein Nachholbedarf erkennbar ist (vgl. Thüringer Landessozialgericht <LSG>, Beschluss vom 7. Mai 2009 – L 9 AS 763/08 ER, nach juris Rn. 22), was hier nicht der Fall ist.

Für die Zeit ab dem 14. März 2014 fehlt es an einem Anordnungsanspruch, der Beschwerdeführer kann von der Beschwerdegegnerin nicht die Zahlung von Krankengeld verlangen.

Nach § 44 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4 SGB V, §§ 24, 40 Abs. 2 SGB V und § 41 SGB V) behandelt werden. Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V haben keinen Anspruch auf Krankengeld, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 SGB V sowie die nach § 10 SGB V Versicherten; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V Versicherten, wenn sie Anspruch auf Übergangsgeld haben, und für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, soweit sie abhängig beschäftigt und nicht nach den §§ 8 und 8 a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) geringfügig beschäftigt sind.

Der Senat kann offen lassen, ob durch den Abschluss der freiwilligen Versicherung zum 1. Februar 2014 die bis zum 31. Januar 2014 bestehende und zum Bezug von Krankengeld berechtigende Pflichtversicherung aus Beschäftigung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V geendet hat. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte und die Pflichtversicherung nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V aufrechterhalten wurde, endete diese spätestens zum 7. März 2014 und damit vor dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim Sozialgericht (14. März 2014). Nach § 46 Abs. 1 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an (Nr. 1) und im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (Nr. 2). Für die Zeit ab dem 8. März 2014 kommt nur § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in Betracht. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender Arbeitsunfähigkeit sollen beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (vgl. zur Vorgängervorschrift Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 18. März 1966 – Az.: 3 RK 58/62, nach juris Rn. 16.) Die Regelung soll die Krankenkasse davon freistellen, die Voraussetzungen im Nachhinein aufklären zu müssen, und ihr so die Möglichkeit erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den … (…) überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 – Az.: B 1 KR 30/04, nach juris Rn. 17).

Der Beschwerdeführer war allenfalls bis zum 7. März 2013 nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld pflichtversichert. Bis zu diesem Tag wurde die Arbeitsunfähigkeit durch Dr. I. festgestellt. Spätestens mit Ablauf des 7. März 2014 endete der Anspruch auf Krankengeld und damit auch die nach § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aufrecht erhaltene Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, die erneuten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 10. März 2014 durch Dr. I. ändert daran nichts. Eine nachträgliche ärztliche Feststellung ist nicht möglich. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, von der grundsätzlich strikten Anwendung des § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V hier eine Ausnahme zu machen, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 – Az.: B 1 KR 30/04, nach juris Rn. 18 ff.).

Der Beschwerdeführer hat letztlich auch aus der abgeschlossenen freiwilligen Versicherung keinen Anspruch auf Krankengeld. Zwar ist ein solcher Anspruch nicht bereits durch § 44 Abs. 2 SGB V verwehrt, jedoch steht der Auszahlung von Krankengeld § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V entgegen. Hiernach beträgt das Krankengeld 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Leitender Gedanke ist die Lohn- oder Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes (vgl. Brandts in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. Oktober 2012, § 47 SGB V Rn. 2). Der Beschwerdeführer bezieht jedoch weder Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV noch Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 SGB IV, welches der Beitragsberechnung bei der freiwilligen Versicherung unterliegen könnte. Ein Krankengeldanspruch aus dieser Art der Versicherung kommt nicht in Betracht, weswegen der Beschwerdeführer auch nur zu einem niedrigeren Beitragssatz herangezogen wird.

Da der Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits aus den oben genannten Gründen nicht in Betracht kam, kann der Senat auch die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob es sich um eine neue Erkrankung handelt, offen lassen. Dies kann, soweit entscheidungserheblich, im Hauptsacheverfahren geklärt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

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