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Unfallversicherung – Anerkennung einer Lumboischialgie als Arbeitsunfall

Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 17 U 170/17 – Beschluss vom 08.08.2018

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.04.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer „Lumboischialgie links bei links paramedianer Bandscheibenprotrusion im Segment LWK 5/SWK 1 mit Kontakt zur S1-Wurzel links im Rezessus und zur L5-Wurzel links intraforaminal“ als weitere Folge eines Arbeitsunfalls streitig.

Der Kläger zeigte der Beklagten mit Fax vom 06.09.2012 einen Arbeitsunfall vom 18.10.2008 an. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger als Altenpflegehelfer auf der Demenz-Station im Stift St. M. in R. beschäftigt und bei der Beklagten versichert. Beim Drehen eines Bewohners im Bett, rutschte dieser über die Bettkante. Der Kläger fing den Bewohner mit ganzer Kraft auf, bevor er auf den Boden fallen konnte, und legte ihn zurück ins Bett. Beim Abfangen des Bewohners verspürte der Kläger einen blitzenden und heftig starken Schmerz in der Wirbelsäule im unteren Bereich; er konnte anschließend nicht mehr aufrecht gehen und seine Arbeit wegen der starken Schmerzen und der gebückten Haltung nicht mehr fortsetzen. Der Kläger fuhr deshalb mit einem Taxi in die Ambulanz des Klinikums B. und anschließend von dort nachhause. Laut Angaben des Klägers hat sich der Schmerz seit diesem Vorfall im Laufe der Jahre immer mehr verschlimmert.

Mit Bescheid vom 11.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2013 erkannte die Beklagte den Unfall vom 18.10.2008 als Arbeitsunfall mit der Unfallfolge „folgenlos verbliebene Distorsion der Lendenwirbelsäule“ an. Das anschließend durchgeführte Klageverfahren endete am 13.11.2014 vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG – Verfahren L 18 U 218/14) mit einem Vergleich, mit dem sich die Beklagte zur Erteilung eines Widerspruchsbescheides in Bezug auf die im Bescheid vom 26.03.2013 im Sinne einer Ausgangsentscheidung getroffene Regelung der Ablehnung weiterer Unfallfolgen verpflichtete. Zuvor hatte der Kläger mit seinem Widerspruch geltend gemacht, dass Veränderungen an seiner Lendenwirbelsäule Unfallfolgen darstellen würden.

Die Beklagte holte nunmehr ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage in freier Form mit wissenschaftlicher Begründung des Dr. S. (im Folgenden: Su) vom 21.05.2015 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass das Unfallereignis zu einer Distorsion der Lendenwirbelsäule und zu einer akuten Lumboischialgie beim Kläger geführt habe. Die Bandscheibenveränderungen in den Bereichen L3/4 und L4/5 sowie die Bandscheibenprotrusion im Bereich L5/S1 seien hingegen nicht durch das Unfallereignis vom 18.10.2008 verursacht worden.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 26.03.2013 mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2015 zurück.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachchirurgischen Gutachtens des Dr. Sch. (im Folgenden: Sch) vom 26.01.2016. Dieser hat im Ergebnis die Auffassung vertreten, dass das Ereignis vom 18.10.2008 zu einer Zerrung an der mittleren und unteren Wirbelsäule des Klägers geführt habe, die innerhalb weniger Wochen folgenlos abgeheilt sei. Weitere Unfallfolgen lägen nicht vor.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG den ärztlichen Sachverständigen Dr. B. (im Folgenden: B) mit fachorthopädischem Gutachten vom 31.10.2016 gehört. Dieser ist abschließend zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger als weitere Unfallfolge eine „Lumboischialgie links bei links paramedianer Bandscheibenprotrusion im Segment LWK 5/SWK 1 mit Kontakt zur S1-Wurzel links im Rezessus und zur L5-Wurzel links intraforaminal“ vorliege. Da seit dem Unfallzeitpunkt eine persistierende Lumboischialgie bestehe und 4 Jahre nach dem Unfallereignis eine Bandscheibenprotrusion im MRT ohne degenerative Veränderungen in den restlichen lumbalen Segmenten nachgewiesen worden sei, könne ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der Bandscheibenprotrusion angenommen werden.

Mit Urteil vom 26.04.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung zum LSG eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, dass er nach dem Unfall nur sehr oberflächlich untersucht worden sei. Außerdem habe das SG das Gutachten des B nicht richtig gewürdigt, sondern auf das Gutachten des S abgestellt, obwohl dies unzutreffend sei.

Mit Schriftsatz vom 19.03.2018 hat der Kläger beantragt, den Berichterstatter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (Verfahren L 17 SF 139/18 AB beim LSG). Der Senat hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 18.06.2018 zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 09.05.2018 hat der Kläger der Beklagten ein Vergleichsangebot unterbreitet, das diese mit Schriftsatz vom 09.07.2018 abgelehnt hat.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.04.2017 aufzuheben sowie den Bescheid vom 26.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, als Folge des Unfalls vom 18.10.2008 eine „Lumboischialgie links bei links paramedianer Bandscheibenprotrusion im Segment LWK 5/SWK 1 mit Kontakt zur S1-Wurzel links im Rezessus und zur L5-Wurzel links intraforaminal“ anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

1. Der Kläger hat im Berufungsverfahren beantragt, seinen Widerspruch – Berufung – gegen das Urteil des SG vom 26.04.2017 zuzulassen. Dieser Berufungsantrag des Klägers ist im oben dargelegten Sinn auszulegen (§ 123 SGG). Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass er im Berufungsverfahren gestützt auf das Ergebnis des Gutachtens des B seinen erstinstanzlich in der öffentlichen Sitzung vom 26.04.2017 am SG gestellten Klageantrag auf Anerkennung einer „Lumboischialgie links bei links paramedianer Bandscheibenprotrusion im Segment LWK 5/SWK 1 mit Kontakt zur S1-Wurzel links im Rezessus und zur L5-Wurzel links intraforaminal“ als Folge des Arbeitsunfalls vom 18.10.2008 weiterverfolgt.

2. Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören (§ 153 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Auch ist eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich. Die Beteiligten wurden vor Ergehen des Beschlusses mit gerichtlichem Schreiben vom 14.03.2018 gehört. Nach Durchführung des Ablehnungsverfahrens und Eingang der Stellungnahme der Beklagten zum Vergleichsvorschlag des Klägers wurde der Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 16.07.2018 nochmals darauf hingewiesen, dass es bei der mit gerichtlichem Schreiben vom 14.03.2018 angekündigten Vorgehensweise – Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 S. 1 SGG – verbleibt.

II. Die Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2015 ist rechtmäßig ergangen; der Kläger ist somit nicht in seinen Rechten verletzt.

Die rechtliche Grundlage für den Anspruch des Klägers auf Feststellung der Unfallfolge „Lumboischialgie links bei links paramedianer Bandscheibenprotrusion im Segment LWK 5/SWK 1 mit Kontakt zur S1-Wurzel links im Rezessus und zur L5-Wurzel links intraforaminal“ bildet § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach wird in den Fällen des § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Vierten Buches die Entscheidung über einen Anspruch auf eine Leistung schriftlich erlassen. Diese Ermächtigungsnorm für den Unfallversicherungsträger, wonach er über einen Anspruch auf Leistung selbst „entscheiden“ darf, ist zugleich Rechtsgrundlage für den Anspruch des Versicherten auf Feststellung der Unfallfolgen, die aus einem erlittenen Arbeitsunfall resultieren (BSG, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 31/11 R; grundlegend Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R).

Ein Anspruch des Klägers auf Feststellung einer „Lumboischialgie links bei links paramedianer Bandscheibenprotrusion im Segment LWK 5/SWK 1 mit Kontakt zur S1-Wurzel links im Rezessus und zur L5-Wurzel links intraforaminal“ als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 18.10.2008 besteht jedoch nicht.

Aufgrund der vorliegenden Gutachten des Su und des B sowie der entsprechenden Befunde der behandelnden Ärzte, insbesondere der MRT vom 10.03.2012 steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass beim Kläger eine „Lumboischialgie links bei links paramedianer Bandscheibenprotrusion im Segment LWK 5/SWK 1 mit Kontakt zur S1-Wurzel links im Rezessus und zur L5-Wurzel links intraforaminal“ vorliegt.

Allerdings kann sich der Senat nicht im erforderlichen Beweismaß der hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugen, dass dieser Gesundheitsschaden auf den Arbeitsunfall vom 18.10.2008 zurückzuführen ist.

Zwar ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass der Kläger vor dem Unfall am 18.10.2008 im Bereich der Lendenwirbelsäule beschwerdefrei war und das Vorliegen einer Bandscheibenprotrusion im Segment LWK 5/SWK 1 erst nach dem Arbeitsunfall festgestellt wurde. Allerdings erfolgte die Feststellung erst ca. dreieinhalb Jahre nach dem Arbeitsunfall (MRT vom 10.03.2012). Zudem spricht die unmittelbar nach dem Arbeitsunfall anlässlich der Untersuchung im Klinikum B. beschriebene Klinik gegen einen akuten Bandscheibenvorfall (bzw. Bandscheibenprotrusion), wie auch der ärztliche Sachverständige B einräumt. Im Klinikum B. wurde lediglich eine muskuläre Verspannung im Lumbosakralbereich des Klägers diagnostiziert. Die Schmerzen wurden als paravertebral beidseits, nicht ausstrahlend beschrieben; Parästhesien, motorische oder sensible Defizite wurden nicht festgestellt. Der in dem Befundbericht des Klinikums B. beschriebene Schmerz ist laut dem ärztlichen Sachverständigen Sch ohne Weiteres mit einer durch den Unfall am 18.10.2008 verursachten (bloßen) Zerrung der Lendenwirbelsäule vereinbar. Auch ansonsten fehlen jegliche Befunde, die eine traumatische Verletzung der Bandscheibe im Segment LWK 5/SWK 1 belegen könnten. Auch der Befund der MRT vom 10.03.2012 bietet keinerlei Anhaltspunkte für eine traumatische Verletzung der Bandscheibe. Nach alledem spricht nicht deutlich mehr für einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 18.10.2008 und der am 10.03.2012 festgestellten links paramedianen Bandscheibenprotrusion im Segment LWK 5/SWK 1 mit Kontakt zur S1-Wurzel links im Rezessus und zur L5-Wurzel links intraforaminal (mit einhergehender Lumboischialgie), sondern sogar mehr gegen einen solchen Unfallzusammenhang.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.

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