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Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: L 15 U 131/16 – Urteil vom 09.11.2017

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25.01.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalles gemäß (§ 8 Abs.1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII).

Der Kläger ist Gründer, von der Mitgliederversammlung gewähltes Mitglied des Vorstandes (Geschäftsführer) und von der Mitgliederversammlung gewählter Chefdirigent des „H e.V.“ Außerdem ist er Mitglied des Musikausschusses, der über das aktuelle Programm entscheidet. Der Verein veranstaltet regelmäßig öffentliche Konzerte und führt Konzertreisen durch. Zwischen dem Kläger und dem Verein wurde kein Anstellungsvertrag geschlossen. Er erhielt zu keinem Zeitpunkt eine Vergütung seitens des Vereins. Eine freiwillige Versicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VII besteht nicht.

Die Satzung des Vereins lautet auszugsweise wie folgt:

§ 2 Aufgabe und Zweck des Vereins

2.1 Der Verein erstrebt die Pflege und Förderung der Zupfmusik und der Gemeinschaft unter den Mitgliedern. 2.2 Die Aufgaben des Vereins sind insbesondere: a) Förderung und instrumentale Ausbildung, sowie Orchesterausbildung von Kindern, Jugendlichen und erwachsene Nachwuchsspielern. b) Die Durchführung regelmäßiger Proben, damit ein gutes Zusammenspiel ermöglicht wird, so dass das Orchester sein können in der Öffentlichkeit unter Beweis stellen kann. c) Die Veranstaltung von öffentlichen Konzerten und Mitwirkung bei anderen Veranstaltungen. d) Die Unterstützung anderer Musikvereine. e) Die Durchführung von Gitarrenkonzerten mit Solisten und Kammermusikgruppen

2.3 Der Verein ist gemeinnützig und erstrebt keinen Gewinn. Überschüsse aus Einnahmen dürfen nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Überschussanteile und haben keinen Anspruch auf Zuwendungen aus den Mitteln des Vereins.

§ 4 Rechte und Pflichten der Mitglieder

4.4 Alle Mitglieder sind verpflichtet die Bestrebungen des Vereins zu fördern.

§ 8 Der Vorstand

8.1 Der Vorstand besteht aus: [1. und 2. Vorsitzenden ] c) dem Geschäftsführer [ ] 8.3 Der Vorstand wird von der Mitgliederversammlung auf die Dauer von zwei Jahren gewählt.

§ 9 Dirigenten

9.1 Die Mitgliederversammlung kann mehrere Dirigenten wählen. [ …] 9.3 Ein Dirigent muss eine ausreichende Qualifikation, etwa den C2-Schein der Landesmusikakademie oder einen musikalischen Hochschulabschluss, vorweisen können.

§ 9a Fachausschüsse

9a 1 Zur Bewältigung besonderer Aufgaben können der Vorstand und die Mitgliederversammlung Fachausschüsse benennen. 9a 2. Ein ständiger Fachausschuss ist der aus 5 Mitgliedern bestehende Musikausschuss. Er setzt sich aus je einem Mitglied der Stimmen 1 bis 4 und dem musikalischen Leiter zusammen.

§ 12 Gemeinnützigkeit

12.3 [ …] Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins.

Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall
(Symbolfoto: videokvadrat/Shutterstock.com)

Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts der Satzung wird auf Blatt 13-16 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Am 21.07.2012 fuhr der Kläger mit seinem Auto nach L, um bei einem Musikgroßhändler für den Verein neue Gitarren in Augenschein zu nehmen und ggf. zu erwerben. Auf dem Rückweg fing sein Fahrzeug Feuer und der Kläger sprang aus dem noch rollenden Fahrzeug. Dabei zog er sich eine Ruptur der Quadrizepssehne links zu.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17.08.2012 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil der Kläger im Rahmen seiner gewählten Ehrenämter tätig geworden sei und damit insbesondere keine Wie-Beschäftigung vorliege. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2012 zurück.

Der Kläger hat am 28.01.2013 Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben und diese in der mündlichen Verhandlung auf die Anerkennung des Ereignisses vom 21.07.2012 als Arbeitsunfall beschränkt.

Er hat vorgetragen, er sei in seiner Eigenschaft als Chefdirigent nach L gefahren. Da das Ensemble sein Repertoire auf bestimmte Stücke u.a. von den Eagles und Eric Clapton habe erweitern wollen, sei die Anschaffung von elektroakustischen Gitarren erforderlich gewesen. Er allein habe über die musikalischen und fachlichen Kenntnisse zur Beurteilung verfügt, welche Instrumente für dieses Vorhaben letztlich geeignet seien. Kein anderes Vorstands- oder einfaches Vereinsmitglied sei hierzu in der Lage oder berufen gewesen. Als Chefdirigent sei er für alle musikalischen Entscheidungen verantwortlich. Dementsprechend werde die Position des Chefdirigenten in zahlreichen Vereinen mit einem Angestellten besetzt. Darüber hinaus beruft sich der Kläger darauf, dass die Beklagte ihm im Jahr 2010 bereits einmal Unfallversicherungsschutz gewährt habe. Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung verblieben.

Mit Urteil vom 25.01.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht ausgeführt:

„Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid vom 17.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2012 ist rechtmäßig und der Kläger nicht beschwert (§ 54 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Beklagte geht zu Recht davon aus, dass der Kläger am Unfalltag nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Zunächst ist der Kläger nicht schon kraft Gesetzes als Beschäftigter unfallversichert gewesen, weil er keinen der in § 2 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) genannten Tatbestände erfüllt.

Weiter stand der Kläger auch nicht als Wie-Beschäftigter unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 2 Abs. 2 Satz SGB VII sind in diesem Sinne Personen versichert, die wie nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 versicherte tätig werden. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII will dabei aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen Versicherungsschutz auch dann gewähren, wenn die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht vollständig erfüllt sind und bei einer ggf. nur vorübergehenden Tätigkeit die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben ist, weil eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert vorliegt, die einem fremden Unternehmen dienen soll (Handlungstendenz) und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmens entspricht, unter solchen Umständen, die einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich sind und nicht auf einer Sonderbeziehung z.B. als Familienangehöriger oder Vereinsmitglied beruhen (vgl. BSG, Urteil vom 31.05.2005, B 2 U 35/04 R, m.w.N. (noch zu § 539 Abs. 2 RVO); so auch LSG NRW, Urteil vom 24.04.2013, L 17 U 683/11; Urteil vom 02.03.2007, L 4 U 47/06 (zum SGB VII)).

Zwar schließt die Mitgliedschaft in einem Verein die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht von vornherein und damit auch eine versicherte Tätigkeit als Wie-Beschäftigter nicht schlechthin aus (BSG, Urteil vom 13.08.2002, B 2 U 29/01 R; Urteil vom 29.01.1986, 9b RU 68/84). Dabei ist jedoch zu unterscheiden zwischen Arbeitsleistungen, die nur auf Mitgliedschaftspflichten beruhen, und solchen, die außerhalb dieses Rahmens verrichtet werden. Bei einer auf Mitgliedspflicht beruhenden Tätigkeit scheidet eine Versicherung als Wie-Beschäftigter dagegen aus (BSG, Urteil vom 29.01.1986, a.a.O.; Urteil vom 12.05.1981, 2 RU 40/79). Dies setzt voraus, dass die Verrichtung über das hinausgeht, was Vereinssatzung, Beschlüsse der Vereinsorgane oder allgemeine Vereinsübung an Arbeitsverpflichtungen der Vereinsmitglieder festlegen (BSG, Urteil vom 13.08.2002, a.a.O.; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.2007, L 10 U 2292/04; Thüringer LSG, Urteil vom 19.04.2012, L 1 U 570/07).

Nach diesen Maßstäben scheidet eine Versicherung des Klägers als Wie-Beschäftigter aus, weil die Verrichtung am Unfalltag allein auf dessen Vereinspflichten. Dabei kann dahinstehen, ob die konkrete Verrichtung am Unfalltag – das Begutachten von Gitarren – auch von anderen Vereinsmitgliedern hätte ausgeführt werden können. Denn unabhängig davon, was die Vereinsübung des H e.V. von jedem seiner Vereinsmitglieder verlangt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 09.12.1993, 2 RU 54/92), beruhte die Verrichtung des Klägers am Unfalltag gerade auf seiner Stellung als satzungsmäßig berufener Chefdirigent. Der Kläger selbst hat hierzu vorgetragen, er habe am Unfalltag „in seiner originären Eigenschaft als Chefdirigent“ gehandelt. Er sei für alle musikalischen Entscheidungen verantwortlich und er allein habe die fachlichen und musikalischen Kenntnisse für die Auswahl der Gitarren gehabt. Das der Verein ihn gerade wegen dieser musikalischen Kenntnisse zum Chefdirigenten berufen hat, spiegelt sich auch in § 9.3 der Vereinssatzung wider, wonach ein Dirigent eine ausreichende Qualifikation vorweisen können muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SG.“.

Gegen das am 29.01.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.02.2016 Berufung eingelegt und unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens geltend gemacht, es sei zwischen seiner Eigenschaft als Chefdirigent, als Geschäftsführer und als einfaches Vereinsmitglied zu differenzieren. Es sei durchaus nicht so, dass der Chefdirigent, nur weil er in der Satzung erwähnt und von den Mitgliedern gewählt werde, wie ein einfaches Vereinsmitglied zu behandeln sei. Vielmehr sei zu beachten, dass Chefdirigent auch jede externe Person sein könne. Somit dränge sich die Vergleichbarkeit mit einem in anderen Fällen beschäftigten Chefdirigenten eines anderen Ensembles oder Orchesters förmlich auf. Allein seine spezielle Qualifikation als Musiker und nicht seine Eigenschaft als Vereinsmitglied oder Geschäftsführer sei maßgebend für seine Wahl zum Chefdirigenten gewesen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25.01.2016 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2012 zu verurteilen, das Ereignis vom 21.07.2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger sei im Rahmen einer Sonderbeziehung zum Verein und seiner herausgehobenen Stellung als gewählter Chefdirigent tätig gewesen. Eine Wie-Beschäftigung im Zeitpunkt des Unfalles liege daher nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143,144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form-und firstgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 17.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2012 ist rechtmäßig. Der Kläger hat bei dem Ereignis vom 21.07.2012 keinen von der gesetzlichen Unfallversicherung umfassten Arbeitsunfall erlitten.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz (u.a. nach §§ 2,3, oder 6 SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper wirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 S. 1). Der Kläger hat zwar am 21.07.2012 auf dem Rückweg von L und dem Besuch bei dem Gitarrengroßhändler einen Unfall erlitten und ist hierdurch auch verletzt worden (gesundheitspolitischen). Bei diesem Unfall handele es sich jedoch nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII, denn der Kläger erfüllte bei seiner Verrichtung (Rückfahrt von L nach dem Aufsuchen eines Musikaliengroßhändlers mit Besichtigung von Gitarren für den Verein) nicht den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit und befand sich daher auch nicht auf einem Betriebsweg.

Der Kläger war unstreitig nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Die wesentlichen Merkmale einer unselbstständigen Tätigkeit, wie sie insbesondere in einem Arbeitsverhältnis geleistet wird, und eine persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber (dem Verein), dessen Direktionsrecht der Beschäftigte unterliegt, sei es durch Weisungsgebundenheit oder Eingliederung in den Betrieb, lagen bezogen auf das Verhältnis des Klägers zum Verein H e.V. im Unfallzeitpunkt ersichtlich nicht vor.

Eine so genannte Wie- Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist ebenfalls nicht anzunehmen. Nach dieser Vorschrift ist versichert, wer „wie“ ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Versicherter tätig wird. Der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. u.a. BSG vom 31.05.2005 -B 2 U 35/04 R-) folgend, legt der Senat die Vorschrift des § 2 Abs. 2 SGB VII ebenso wie die Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) dahingehend aus, dass aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen Versicherungsschutz auch dann gewährt werden soll, wenn die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht vollständig erfüllt sind und bei einer gegebenenfalls nur vorübergehenden Tätigkeit die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben ist. Dies kommt in Betracht, wenn eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert vorliegt, die von der Handlungstendenz her einem fremden Unternehmen dienen soll, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist und nicht auf einer Sonderbeziehung zum Unternehmer z.B. als Familienangehöriger oder als Vereinsmitglied beruht. Dabei sind die gesamten Umstände des Einzelfalles und das sich hieraus ergebende Gesamtbild zu würdigen (vgl. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr. 4 m.w.N).

Für den Fall, dass eine Tätigkeit als Mitglied für einen eingetragenen Verein ausgeübt wird, hat das Bundessozialgericht Abgrenzungskriterien entwickelt und in ständiger Rechtsprechung angewandt (BSG, Urteil vom 13.8.2002 -B 2U 29/01 R-, zitiert nach Juris m.w.N.).

Danach schließt die Mitgliedschaft in einem Verein die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht von vornherein und damit auch nicht schlechthin eine versicherte Tätigkeit wie ein Beschäftigter aus. Es ist aber zu unterscheiden zwischen Arbeitsleistungen, die nur auf Mitgliedschaftspflichten beruhen, und Arbeitsleistungen, die außerhalb dieses Rahmens verrichtet werden. Letzteres setzt voraus, dass die Verrichtung über das hinausgeht, was Vereinssatzung, Beschlüsse der Vereinsorgane oder allgemeine Vereinsübung als Arbeitsverpflichtungen der Vereinsmitglieder festlegen. Daran fehlt es bei Tätigkeiten, die z.B. auf gesellschaftlichen oder körperschaftlichen Verpflichtungen beruhen. Folglich ist derjenige, der aufgrund von Mitgliedschaftspflichten für seinen Verein tätig wird, auch nicht wie ein Beschäftigter gegen Arbeitsunfälle versichert. Zu den auf allgemeiner Vereinsübung beruhenden Mitgliedschaftspflichten gehören nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im allgemeinen Tätigkeiten, die ein Verein von jedem seiner Mitglieder erwarten kann und die von den Mitgliedern dieser Erwartung entsprechend auch verrichtet werden (BSGE 52, 11,14).

Dabei braucht jedoch der Maßstab für die allgemeine Vereinsübung, Mitglieder zu bestimmten Tätigkeiten heranzuziehen, nicht notwendig für alle Mitglieder gleich zu sein. Hebt der Verein bestimmte Personen dadurch aus dem Kreis seiner Mitglieder heraus, dass er ihnen ehrenamtliche Vereinsfunktionen überträgt, so treffen diese Personen auch qualitativ und quantitativ andere Mitgliedspflichten als einfache Vereinsmitglieder. Gleiches gilt, wenn der Verein von bestimmten einfachen Mitgliedern die Ausführung gefährlicher oder besondere Fachkunde erfordernder Arbeiten verlangt. Daraus ergibt sich, dass hinsichtlich der Vereinsübung allein wesentlich ist, ob der Verein erwarten kann, dass bestimmte Aufgaben von geeigneten Mitgliedern wahrgenommen werden und geeignete Mitglieder regelmäßig der Erwartung des Vereins auch nachkommen (vgl. BSG vom 13.8.2002 a.a.O. Rn. 24).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann zwar davon ausgegangen werden, dass die in Verbindung mit der Begutachtung der Gitarren durchgeführte Fahrt von und nach L eine ernsthafte, dem Willen und dem Vorteil des Unternehmens (Verein) dienende Verrichtung darstellte. Der Senat ist jedoch ebenfalls der Auffassung, dass diese Aktivitäten ihr wesentliches Gepräge durch die Eigenschaft des Klägers als durch die Mitgliederversammlung des Vereins gewählten Chefdirigenten, der zugleich auch Vereinsmitglied und als Geschäftsführer sogar Mitglied des Vorstandes war, gefunden haben. Die unfallbringende Tätigkeit geschah somit im Rahmen einer Sonderbeziehung, die einen Versicherungsschutz nach den o.g. Grundsätzen ausschließt. Maßgebend hierfür ist, dass von dem Kläger gerade aufgrund seiner herausragenden musikalischen Qualifikation, die sich auch in seiner Wahl zum Chefdirigenten widerspiegelte, und der somit eine besondere Position im Vereinsgefüge inne hatte, die Auswahl und Prüfung von zum Kauf angedachter Instrumente zur Überzeugung des Senats erwartet werden konnte. Dies gilt umso mehr, als durch die Auswahl der passenden Instrumente, der Realisierung der musikalischen Ziele und der Einhaltung der künstlerischen Qualitätsanforderungen und soweit dem Vereinszweck i.S. von §§ 2.1 und 2.2 und § 4.4 der Vereinssatzung in besonderem Maße Rechnung getragen wird. Auch der zeitliche Umfang einer Autofahrt von S nach L und zurück sprengt nach Ansicht des Senats nicht die Grenze dessen, was von einem Vereinsmitglied mit einer herausgehobenen Aufgabe in einem gewähltem Ehrenamt erwartet werden konnte.

Der Hinweis des Klägers, die Position des Chefdirigenten werde in vielen Musikvereinen extern besetzt und dies sei nach der Vereinssatzung auch hier möglich gewesen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn abzustellen ist nicht auf eine theoretisch mögliche, sondern auf die im konkreten Einzelfall vorliegende Ausgestaltung, wie sie im Zeitpunkt der unfallbringenden Tätigkeit vorlag. Eine möglicherweise von diesen Grundsätzen und rechtlichen Vorgaben abweichende Handhabung durch die Beklagte bei früheren Unfallereignissen, ist für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits ebenfalls nicht von Bedeutung. Ein Versicherungsschutz nach sonstigen Vorschriften (§§ 3,6 SGB VII) ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

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