Skip to content
Menü

Anforderungen an Kausalität zur Anerkennung von Folgen eines Arbeitsunfalls

Klägerin fordert Anerkennung von Unfallfolgen und Rentenleistungen.

Eine ehemalige Zootierpflegerin verlangt von der gesetzlichen Unfallversicherung die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und Rentenleistungen. Laut der Unfallanzeige ihrer ehemaligen Firma hatte sie beim Reinigen eines Schimpansen-Innengeheges das Gleichgewicht verloren und war drei Meter tief gestürzt. Sie hatte einen Kopfstoß gegen einen Baumstamm erlitten und wurde auf der Intensivstation behandelt. In einer weiteren Untersuchung wurde festgestellt, dass sie einen posttraumatischen Vestibularisausfall erlitten hatte. Ein Berufsgutachter beurteilte die Minderung der Erwerbsfähigkeit als 20 Prozent, während ein anderer Gutachter eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 Prozent vorschlug. Der Fall wurde vor das Sozialgericht Osnabrück gebracht, das die Klage aufgrund von widersprüchlichen Befunden abwies. Die Klägerin legte jedoch Berufung gegen das Urteil ein und forderte, dass ein chronischer Schwankschwindel als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt wird und Rentenleistungen auf Basis einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 Prozent bewilligt werden. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Az.: L 14 U 229/20

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 9. September 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung weiterer Unfallfolgen sowie die Gewährung von Rentenleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.

Arbeitsunfall Tierpfleger
(Symbolfoto: Pontus Edenberg/Shutterstock.com)

Mit einer am 15. September 2015 erstatteten Unfallanzeige teilte die Firma I. der Beklagten mit, dass die 1984 geborene und dort als Zootierpflegerin tätige Klägerin am 22. September 2015 (Anm.: Tippfehler = 12. September 2015) beim Reinigen des Schimpansen-Innengeheges mit einem Fuß von der Leiter abgerutscht, zu Boden gestürzt und dabei mit dem Kopf gegen einen Baumstamm gefallen sei.

Dem am 18. September 2015 erstellten Entlassungsbericht des Prof. Dr. J., Neurochirurgie, K., ist zum Unfallhergang zu entnehmen, dass die Klägerin beim Saubermachen eines Käfigs ausgerutscht und aus einer Höhe von ca. 3 Metern gestürzt sei. Die Klägerin sei daraufhin nach Hause gegangen, dort habe sie dreimal erbrochen und sei am Abend notfallmäßig in die Klinik gebracht worden, wo sie auf der Intensivstation behandelt worden sei. Es sei eine Kalottenfraktur links diagnostiziert und durch eine Craniale Computertomographie eine intrakranielle Blutung ausgeschlossen worden. Die Klägerin habe sich vom 12. September 2015 bis 20. September 2015 in der dortigen stationären Behandlung zur Überwachung befunden. Die von der Klägerin angegebenen Kopfschmerzen und Übelkeit hätten auf die symptomatische Behandlung angesprochen. Es hätten sich keine neuen neurologischen Ausfälle gezeigt. In den Röntgenaufnahmen der Lendenwirbel- und Brustwirbelsäule hätten sich auch keine Hinweise auf eine frische knöcherne Verletzung gezeigt. Zum Entlassungszeitpunkt sei die Klägerin auf Stationsebene voll mobilisiert und neurologisch unauffällig gewesen.

Die weitere ambulante Behandlung der Klägerin erfolgte in der Neurologie der L. (Bericht des Dr. M. vom 21. November 2015). Dort habe die Klägerin über zeitweiligen Drehschwindel und Kopfschmerzen geklagt. Eine substantielle Hirnschädigung habe ausgeschlossen werden können, ein Lagerungsschwindel sei nicht auslösbar gewesen. Eine Auswertung der am 28. Oktober 2015 und 5. November 2015 durchgeführten kernspintomographischen Untersuchungen des Schädels habe keinen Nachweis einer Schädelfraktur/Kalottenfraktur ergeben.

Der die Klägerin ebenfalls behandelnde Durchgangsarzt Dr. N., Osnabrück, teilte der Beklagten am 7. Januar 2016 mit, dass die Klägerin ab dem 11. Januar 2016 arbeitsfähig sei, mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von voraussichtlich 20 v.H.

Weil die Klägerin weiterhin über starke Schwindelattacken klagte und deshalb um eine Begutachtung bat, veranlasste die Beklagte eine solche durch Dr. O., HNO-Arzt, Osnabrück, der in seinem am 7. Juni 2016 erstellten Ersten Rentengutachten einen chronischen Schwindel als Unfallfolge ansah und die MdE um 20 v.H. einschätzte. Nach Schädel-Hirn-Trauma mit Contusio labyrinthi seien im Schrifttum teilweise jahrelange Schwindelbeschwerden beschrieben.

Die Beklagte holte zu dieser gutachterlichen Einschätzung eine beratungsärztliche Stellungnahme der Neurologin P. vom 5. Oktober 2016 ein, die ausführte, dass im Grundsatz zwar nach einem Sturz aus großer Höhe eine Kontusion des Labyrinth/des Gleichgewichtsorgans auftreten könne. Von der Klägerin seien nach dem Unfall rezidivierende, Sekunden anhaltende Drehschwindelattacken bei Lagewechsel geklagt. Typischerweise komme es im Rahmen einer zunehmenden Mobilisation und entsprechender therapeutischer Intervention zu einem deutlichen Rückgang der Schwindelattacken im Sinne einer zentralen Kompensation. Insoweit könne bei nystagmografisch nachgewiesener Unterregbarkeit des rechten Gleichgewichtsorgans höchstenfalls eine MdE um 20 v.H. für einen Zeitraum von 6 Monaten im Sinne einer Einmalzahlung gewährt werden. Eine darüberhinausgehende MdE in rentenberechtigendem Grad könne mit den zur Einsicht vorgelegten Unterlagen nicht begründet werden.

Mit Bescheid vom 10. November 2016 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rentenleistungen ab, weil die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht über die 26. Woche nach dem Eintritt des Arbeitsunfalls um wenigstens 20 v.H. gemindert sei. Als Unfallfolge bezeichnete die Beklagte einen ausgeheilten Schädelbasisbruch.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 29. November 2016 Widerspruch, den sie mit Schreiben vom 27. Januar 2017 unter Verweis auf die Einschätzung des Gutachters Dr. O. begründete.

Die Beklagte veranlasste eine erneute Begutachtung der Klägerin durch Prof. Dr. Q., Klinik für HNO-Heilkunde, R. Osnabrück, der in seinem am 18. Dezember 2017 erstellten Gutachten u.a. ausführte, dass nach dem Unfallereignis als Gesundheitserstschaden zweifelsfrei ein Schädel-Hirn-Trauma sowie eine Kalottenfraktur links occipital vorgelegen habe. Aufgrund der gutachterlichen Untersuchung könne davon ausgegangen werden, dass auf der gleichen Seite, wie die der Kalottenfraktur, ein posttraumatischer Vestibularisausfall vorgelegen habe. Es sei bei der Klägerin eine hochgradige Mindererregbarkeit des linken peripheren Vestibularorganes im Sinne eines fast kompletten Ausfalls des linken peripheren Vestibularsystem festgestellt worden. Dieser fast komplette Ausfall auf der linken Seite sei zentral nur unvollständig kompensiert. Dieser Gesundheitsschaden sei Unfallfolge und bis zur Beendigung des 3. Jahres nach dem Unfall mit einer MdE um 30 v.H. einzuschätzen, weil die Klägerin zwei Jahre nach dem Unfall noch an den mehrfach am Tag auftretenden Schwindelattacken leide.

Die Beklagte holte sodann ein Vorerkrankungsverzeichnis von der Krankenkasse der Klägerin, der S., ein und wies anschließend den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2018 unter Hinweis darauf, dass durch die Untersuchungen der T. das Vorliegen einer Kalottenfraktur nicht nachgewiesen worden sei, zurück. Dies spreche gegen einen Zusammenhang.

Hiergegen hat die Klägerin am 21. Juni 2018 Klage beim Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben, mit der sie die Feststellung der bei ihr bestehenden chronischen Schwindelbeschwerden als weitere Unfallfolge sowie die Gewährung von Verletztenrentenleistungen geltend gemacht hat.

Das SG hat zunächst vom Amts wegen das nervenärztliche Sachverständigengutachten des Prof. Dr. U., Osnabrück, vom 25. Januar 2019 eingeholt, der der Auffassung der Beratungsärztin Dr. P. zustimmte, dass ein Labyrinthausfall in den meisten Fällen zentral kompensiert werde und die Beschwerden nach einem halben Jahr oder einem Jahr meist verschwänden. Das Gehirn könne in Bezug auf manches periphere Sinnesorgan zentral eine Kompensation vornehmen, die je nach Funktion komplett oder inkomplett sei. Eine Teilkompensation habe mit Sicherheit stattgefunden, was auch aufgrund der Rückläufigkeit der Beschwerden zu schließen sei. Es sei allerdings zu der Frage, ob die Drehstuhluntersuchung und das ausgefallene Labyrinth eine nur teilweise gelungene Kompensation belege, ein HNO-Arzt zu hören.

Das SG holte sodann von Amts wegen das Sachverständigengutachten des HNO-Arztes Dr. V., Bielefeld, vom 23. Juni 2019 ein, der zusammenfassend ausführte, dass wegen der differierenden Befunde in Bezug auf das Vorliegen einer Schädel- und Kalottenfraktur davon auszugehen sei, dass die Klägerin bei dem Arbeitsunfall entweder nur eine Schädelprellung (Bagatelltrauma) oder aber ein Schädel-Hirn-Trauma (Grad 1) mit ohrnaher Fraktur (Kalottenfraktur im Bereich des Hinterhaupts) links erlitten habe. Allerdings stehe auch das Vorliegen eines erheblichen Schädel-Hirn-Traumas mit okzipitaler Kalottenfraktur nicht zweifelsfrei fest. Die etwa 3 ½ Jahre nach dem Unfallereignis durchgeführte gutachterliche Vestibularisprüfung habe keinen als eindeutig pathologisch zu wertenden Befund ergeben. Die fehlende Dokumentation eines Spontan- und Provokationsnystagmus in der ersten Zeit nach dem Sturzereignis und die Tatsache, dass die Klägerin offensichtlich noch in der Lage gewesen sei, am Unfalltag selbst mit dem PKW eine Strecke von 7 Kilometern nach Hause zu fahren, spreche gegen einen sofort einsetzenden Schwindel aufgrund traumatischer Schädigung des peripheren Vestibularorgans. Dazu passe auch der radiologische Ausschluss intrakranieller Kontusionsherde durch die W.. Zudem ergebe sich kein Anhalt für einen Morbus Meniére (hydropische Ohrerkrankung), da die Begleitsymptome Hörstörung, Tinnitus und Ohrdruck von der Klägerin nicht genannt worden und die Dauer der wiederkehrenden Schwindelattacken mit 30 bis 60 Sekunden zu kurz sei. Auch ein posttraumatischer, benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel sei nicht nachzuweisen. Bei der Klägerin seien keine Gesundheitsstörungen festzustellen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfalls vom 12. September 2015 sei. Eine MdE liege nicht vor. Den Einschätzungen der Neurologen P. und Prof. Dr. U. könne, soweit sie das hno-ärztliche Fachgebiet beträfen, zugestimmt werden. Unilaterale periphere Vestibulopathien würden regelmäßig innerhalb von einigen Monaten zentral gut kompensiert.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Schreiben vom 4. September 2019 hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. September 2020 abgewiesen und sich zur Begründung auf das Gutachten von Prof. Dr. U. und Dr. V. bezogen.

Gegen den ihr am 14. September 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 17. September 2020 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren fortführt. Zur Begründung ihres Anspruchs bezieht sich die Klägerin auf die gutachterlichen Einschätzungen von Dr. O. und Prof. Dr. Q. und führt ergänzend aus, dass sie aufgrund anhaltender Beschwerden weiterhin in Behandlung (Dr. X., HNO-Arzt, Y.; Z.) stehe.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 9. September 2020 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 10. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2018 abzuändern,

2. festzustellen, dass ein chronischer Schwankschwindel weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 12. September 2015 ist,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihr Rentenleistungen auf Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v.H. der Vollrente zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf die Begründung ihrer Bescheide sowie die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.

Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren am 26. November 2021 durch seinen Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem der vorher von Amts wegen mit einer Begutachtung der Klägerin beauftragte Sachverständige Prof. Dr. AA., HNO-Arzt, Köln, sein am 10. November 2021 schriftlich erstelltes Sachverständigengutachten erstattet und den Beteiligten für Rückfragen zur Verfügung gestanden hat. Der Sachverständige ist zusammenfassend zum Ergebnis gelangt, dass eine nachweisbare Gleichgewichtsstörung nicht vorhanden sei. Der tatsächliche Nachweis einer Kalottenfraktur links im Hinterhaupt sei nicht geführt. Eine direkte Schädigung der Gleichgewichtsorgane sei deshalb unwahrscheinlich. Eine Felsenbeinfraktur sei an keiner Stelle beschrieben oder nachgewiesen worden. Es fehlten damit sämtliche objektive Befunde, die eine Gleichgewichtsschädigung nachweisen würden. Eine objektive Labyrinthstörung liege nicht vor, weil alle vorgetragenen Beschwerden sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit hätten objektivieren lassen. Die von der Klägerin angeführten Unsicherheitsgefühle und kurzfristigen Drehschwindelanfälle ließen sich nicht auf eine organische Ursache zurückführen.

Die Klägerin (Schriftsatz vom 17. Dezember 2021) und die Beklagte (Schriftsatz vom 6. Januar 2022) haben einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündlicher Verhandlung zugestimmt.

Dem Senat haben außer der Prozessakte die die Klägerin betreffenden Verwaltungsunterlagen der Beklagten vorgelegen. Alle Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird hierauf verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) entscheiden, weil die Beteiligten übereinstimmend dieser Vorgehensweise zugestimmt haben.

Die gemäß §§ 143 f. SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das SG Osnabrück hat mit Gerichtsbescheid vom 9. September 2020 die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Feststellung, dass der von ihr vorgetragene chronische Schwankschwindel Folge des Arbeitsunfalls vom 12. September 2015 ist, noch hat sie einen Anspruch aus diesem Grunde auf Entschädigungsleistungen in Form von Rentenleistungen gemäß § 56 SGB VII.

Es lässt sich nicht mit der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der von der Klägerin vorgetragene chronische Schwankschwindel wesentlich auf den Unfall vom 12. September 2015 zurückzuführen ist. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Beim vernünftigen Abwägen aller Umstände müssen die auf eine unfallbedingte Verursachung hinweisenden Faktoren so stark überwiegen, dass hierauf die Entscheidung gestützt werden kann (BSG, Urteil vom 6. September 2018 – Az.: B 2 U 10/17 R – Rn. 13 – zitiert nach juris). Nicht ausreichend ist die bloße Möglichkeit eines Zusammenhangs, ebenso wenig reicht für die Annahme des Kausalzusammenhangs das bloße zeitnahe Auftreten von Gesundheitsstörungen nach einem Unfall auch dann aus, wenn andere – konkurrierende Ursachen – als Erklärung für die Entstehung der Gesundheitsstörungen nicht erkennbar sind (BSG, Urteile vom 9. Mai 2006, – Az.: B 2 U 26/04 R – und Az.: B 2 U 40/05 R -; vom 27. Juni 2000, – B 2 U 29/99 R – m.w.N.).

Das im Berufungsverfahren von Amts wegen eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. AA. vom 10. November 2020 hat das Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens bestätigt. Der Sachverständige hat für den Senat schlüssig und nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit Dr. V. ausgeführt, dass eine Gleichgewichtsstörung bei der Klägerin nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen ist. So konnten beide Sachverständigen im Rahmen der gutachterlichen Untersuchungen eine Labyrinthstörung nicht objektivieren. Beide Sachverständige konnten übereinstimmend keine Hinweise auf eine peripher-vestibuläre Gleichgewichtsstörung auffinden. So hat sich in der thermischen Vestibularisprüfung beiderseits eine Erregbarkeit sowohl bei Kalt- als auch bei Warmspülung gezeigt. Die komplexen Untersuchungen wie der Standversuch und der Unterberger Tretversuch sowie die Provokationsmaßnahmen zeigten keinerlei pathologisches Ergebnis. Ohnehin hätte nach den für den Senat plausiblen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. AA. bei einer unmittelbaren Schädigung des Gleichgewichtsorgans ein Schwindel unmittelbar vorliegen müssen. Indirekte Zeichen einer Labyrinthschädigung wie Hörminderung oder Ohrgeräusche wurden allerdings zu keinem Zeitpunkt angeführt, worauf auch Dr. V. zutreffend hingewiesen hat. Weitere Diagnose, wie z.B. eine Morbus Meniére konnten beide Sachverständige ebenfalls ausschließen, weil weder eine Hörminderung noch Ohrgeräusche von der Klägerin empfunden wurden. Der Senat vermochte den gegenteiligen Einschätzungen von Dr. AB. und Prof. Dr. Q. nicht zu folgen. Dr. V. hat hierzu für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass dem Gutachten des Dr. AB. der Befund der Unterregbarkeit rechts anhand von objektiven Untersuchungsergebnissen nicht nachvollzogen werden kann, weil der Befund der apparativen Untersuchungen nicht angeführt wurde. Der Einschätzung des Prof. Dr. Q. mangelt es daran, dass dieser den unfallbedingten Schädigungsmechanismus und die im Rahmen der stationären Behandlung der Klägerin erhobenen Befunde ebenfalls nicht ausreichend berücksichtigt hat, die sich mit der Diagnose eines persistierenden, praktischen Vestibularisausfall nicht in Einklang bringen lassen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rentenleistungen nach § 56 Abs. 1 SGB VII, denn der Arbeitsunfall vom 12. September 2015 hat zu keiner MdE in rentenberechtigendem Grad geführt. Zwar hat die Beklagte in dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 10. November 2016 ausdrücklich einen „ausgeheilten Schädelbasisbruch“ als Unfallfolge anerkannt, der sich nach dem Bericht der AC. vom 21. November 2015 jedoch nicht nachweisen ließ, worauf die Sachverständigen Prof. Dr. AA. und Dr. V. übereinstimmend hingewiesen haben. Solange Unfallfolgen bindend anerkannt sind, sind diese allen Prüfungen zu weiteren Folgen bzw. Leistungen auch zugrunde zu legen. Ob die Anerkennung zu Recht erfolgt ist oder nicht, hat daher in diesem Verfahren keine Relevanz. Da jedoch, wie Prof. Dr. AA. und Prof. Dr. Q. übereinstimmend und für den Senat plausibel dargelegt haben, können die bei ihr auf hno-ärztlichen Fachgebiet vorliegenden Beschwerden nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden, und ein ausgeheilter Schädelbruch ohne neurologische/otologische Folgen zu keiner MdE in rentenberechtigendem Grad führt (siehe hierzu z.B. Ricke in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 117. Ergänzungslieferung Dezember 2021, § 56 SGB VII, XIII. Anhang: MdE-Erfahrungswerte – Übersicht: A. Kopf – Rn. 42), liegt damit liegt im Ergebnis keine MdE in rentenberechtigendem Grad vor. Die Klägerin hat damit auch keinen Anspruch auf Gewährung von Rentenleistungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Es hat kein Anlass bestanden, die Revision zuzulassen.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Sozialrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Sozialrecht. Wir beraten uns vertreten Sie in sozialrechtlichen Fragen. Jetzt Ersteinschätzung anfragen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Beiträge aus dem Sozialrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!