Der Fall der Berufskrankheit: Psychische Erkrankung durch Mobbing
Einer der bemerkenswerten Fälle im Sozialrecht betrifft einen Pastoralreferenten, der eine Anerkennung seiner mobbingbedingten Depressionen als Berufskrankheit durch die Beklagte begehrte. Seine Argumentation war, dass das fortgesetzte Mobbing, dem er in seinem Arbeitsumfeld ausgesetzt war, die psychische Störung verursacht hat. Das Mobbing führte zu einem GdB von 30 und einer Gleichstellung im Jahr 2012. Der Fall beleuchtet den komplexen und oft unterbewerteten Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzumgebungen und psychischer Gesundheit.
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Antrag und Ablehnung: Ein Kampf um Anerkennung
Der Kläger, geboren 1972, war seit 2003 im Dienst des Bistums M. Von 2006 bis 2012 arbeitete er als Pastoralreferent in der italienisch-katholischen Gemeinde D. Im Jahr 2018 wandte er sich mit einer Mobbing-Chronologie an die Beklagte und forderte eine Anerkennung seiner psychischen Erkrankung als Berufskrankheit nach den Bestimmungen des SGB VII und der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Die Beklagte lehnte jedoch den Antrag mit der Begründung ab, dass die psychische Erkrankung durch Mobbing nicht in der Liste der Berufskrankheiten aufgeführt sei.
Psychische Gesundheit und Sozialrecht: Ein langer Weg zur Klarheit
Die Beklagte argumentierte weiter, dass es keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse gebe, die darauf hindeuten, dass bestimmte Personengruppen einem erheblich höheren Risiko ausgesetzt seien, durch Mobbing erkrankt zu sein. Der Fall stellt die Frage, ob das Sozialrecht und die Definition von Berufskrankheiten eine ausreichende Anerkennung und Schutz für Fälle von psychischen Erkrankungen, die durch Arbeitsbedingungen verursacht werden, bieten.
Mobbing und Depression: Ein Fall für die Gerichte
Obwohl ein gewerbeärztlicher Bericht bestätigte, dass Mobbing die Depression des Klägers verursacht hat, ist Mobbing noch nicht in der Liste der Berufskrankheiten enthalten und daher nicht anerkennungsfähig nach § 9 Abs. 2 SGB VII. Dieses Urteil unterstreicht das Dilemma zwischen dem Schutz der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz und den aktuellen rechtlichen Bestimmungen.
Die Auswirkungen: Eine Tür bleibt geschlossen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 4. Dezember 2019 wurde zurückgewiesen und es wurden keine außergerichtlichen Kosten erstattet. Zudem wurde die Revision nicht zugelassen. Trotz des individuellen Leidens des Klägers hat das Bayerische Landessozialgericht entschieden, dass psychische Erkrankungen infolge von Mobbing am Arbeitsplatz nicht als Berufskrankheit anerkannt werden können.
Das vorliegende Urteil
Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 3 U 11/20 – Urteil vom 12.05.2021
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 4. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger und Berufungskläger begehrt von der Beklagten und Berufungsbeklagten die Anerkennung der Depressionen, die mobbingbedingt bei ihm zu einem GdB von 30 sowie Gleichstellung im Jahr 2012 geführt haben, als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) i.V.m. der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; sog. Listen-Berufskrankheit) bzw. die Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit (sog. Wie-Berufskrankheit).
Der 1972 geborene Kläger stand ab 1.11.2003 im Dienst des Bistums M, in dem hier maßgeblichen Zeitraum (2006 bis 2012) war der Kläger als Pastoralreferent in der italienisch-katholischen Gemeinde D tätig. 2016 hat der Kläger einen Aufhebungsvertrag mit dem Bistum M geschlossen, anschließend arbeitete er bei der altkatholischen Kirche und zuletzt in der Flüchtlingshilfe der Diakonie H.
Am 2.1.2018 wandte sich der Kläger unter Vorlage einer Mobbing-Chronologie betreffend den Zeitraum September 2006 bis August 2012 an die Beklagte und machte zudem geltend, dass er seit 2006 bis 30.9.2016 ununterbrochen dem Staub von Kopierern und Laserdruckern ausgesetzt gewesen sei. Mit Schreiben vom 18.1.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Erkrankung (psychische Erkrankung durch Mobbing) nicht in der Berufskrankheiten-Liste aufgeführt sei und daher geprüft werde, ob sie wie eine Berufskrankheit anzuerkennen sei. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die psychische Erkrankung durch Mobbing von der Asthma-Erkrankung getrennt worden sei und die Verfahren unter zwei verschiedenen Aktenzeichen geführt werden.
Mit Schreiben vom 1.2.2018 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass beabsichtigt sei, eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII abzulehnen, weil keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen, dass bestimmte Personengruppen in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung Einwirkungen ausgesetzt seien, die zu einer Erkrankung durch Mobbing führen.
In der gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 28.2.2018 führte W u. a. aus, dass es sich seines Erachtens um Mobbing zu Lasten des Klägers handle, wodurch sich eine Depression bzw. posttraumatische Belastungsstörung entwickelt habe. Mobbing sei nicht in der Liste der Berufskrankheiten enthalten und bislang nicht nach § 9 Abs. 2 SGB VII anerkennungsfähig. Es werde um Überprüfung gebeten, ob eine Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG erstellt worden sei, und es werde empfohlen, dem Kläger Informationen über Mobbing-Beratungsstellen zu geben.
Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 22.3.2018 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Gesundheitsstörung des Klägers durch Mobbing als Berufskrankheit ab. Der Kläger habe angezeigt, dass er durch jahrelanges Mobbing am Arbeitsplatz eine Gesundheitsstörung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung und eines Burnouts erlitten habe. Die bei dem Kläger bestehende Erkrankung gehöre nicht zu den in der Berufskrankheiten-Liste genannten Erkrankungen. Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung wie eine Berufskrankheit seien nicht erfüllt. Hierzu sei es erforderlich, dass der Versicherte einer bestimmten Personengruppe angehöre, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sei, die Krankheiten solcher Art verursachen. Außerdem müssten diese Einwirkungen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft generell geeignet sein, diese Erkrankungen zu verursachen. Es sei nicht möglich, bestimmte Personengruppen zu benennen oder herauszufiltern, welche bei ihrer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung psychischen Belastungen ausgesetzt seien. Es genüge auch nicht, wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen der Einwirkung und der Erkrankung aufgrund der Beweiswürdigung im Einzelfall als hinreichend wahrscheinlich angesehen werde. Vielmehr müsse die generelle Geeignetheit der betreffenden Einwirkung zur Verursachung der Krankheit festgestellt werden. Es lägen derzeit keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, wonach eine Belastungsstörung bzw. ein Burnout durch besondere Einwirkungen verursacht werde, denen der Kläger als Pastoralreferent in erhebliche höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt gewesen sei.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Gemäß einschlägiger Literatur bestehe im sozial-caritativen und insbesondere im kirchlichen Bereich ein erhöhtes und spezifisches Mobbingrisiko. Gerade durch die erheblich eingeschränkten Mitarbeitervertretungsrechte sei der Betroffene kaum in der Lage, sich gegen Übergriffe am Arbeitsplatz so zur Wehr zu setzen, wie es außerkirchlich Beschäftigen vom Gesetzgeber ermöglicht werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.5.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers nicht um eine Berufskrankheit handle, da psychische Erkrankungen nicht in der Liste der Berufserkrankungen aufgeführt seien. Auch eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit sei nicht möglich, da hierfür erforderlich sei, dass der Versicherte einer bestimmten Personengruppe angehöre, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sei, die Krankheiten solcher Art verursachen. Außerdem müssten diese Einwirkungen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft generell geeignet sein, diese Krankheit zu verursachen. Solche Erkenntnisse lägen derzeit nicht vor. Es genüge für die Anerkennung nicht, dass im Einzelfall der ursächliche Zusammenhang zwischen der Einwirkung und der Erkrankung hinreichend wahrscheinlich sei.
Dagegen erhob der Kläger Klage am 1.6.2018 zum Sozialgericht Augsburg (SG) und beantragte zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 4.12.2019, den Bescheid der Beklagten vom 22.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.5.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine Wie-Berufskrankheit anzuerkennen.
Aus der vom SG zur Beweiserhebung beigezogenen Schwerbehindertenakte des Klägers (die sich teilweise in Kopie bei der erstinstanzlichen Akte befindet) ist u. a. ersichtlich, dass bei dem Kläger mit Bescheid vom 13.4.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2012 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt worden war (Depressive Störungen: Einzel-GdB 30 / Bronchialasthma: Einzel-GdB: 10), nachdem bei diesem nach einem Suizidversuch im Jahr 1998 eine Major Depression (ICD 9 296.1, ICD 10 F 32.2, DSM-IV 296.2), im Jahr 2001 eine rezidivierende Depression, gegenwärtig schwere Episode mit wahnhaften Symptomen und einen zweiten Suizidversuch (ICD-10 F33.3), im Jahr 2005 eine erneute Depression ohne Suizidalität, im Jahr 2006 eine mittelgradige depressive Episode (F 32.1G), im Jahr 2008 eine bipolare Störung gegenwärtig gemischte Episode (F 31.6) sowie Asthma bronchiale und im Jahr 2012 eine bipolare affektive Psychose, gegenwärtig gemischte Episode (F31.6G) und eine Persönlichkeitsakzentuierung (F60.8) diagnostiziert worden waren. Ersichtlich ist auch, dass sich der Kläger vom 15.5. bis 26.6.2012 in stationärer psychotherapeutischer Behandlung befunden hat.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 4.12.2019 wies das SG die Klage durch Urteil ab. Die auf Anerkennung einer Berufskrankheit bzw. Wie-Berufskrankheit gerichtete Klage sei zulässig, aber unbegründet. Im Einzelnen werde auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass nach derzeitigem medizinisch-wissenschaftlichem Kenntnisstand sowie der Rechtsprechung zu einschlägigen Sachverhalten das Anerkennen einer psychischen Erkrankung durch Mobbing aktuell nicht möglich sei. Nach der Stellungnahme des BMAS vom 29.3.2017 seien keine bestimmten Personengruppen bekannt, bei denen sich das Risiko einer Posttraumatischen Belastungsstörung dauerhaft manifestiere.
Gegen das ihm am 19.12.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4.12. und nochmals am 18.12.2019 beim SG Augsburg (Eingang beim Landessozialgericht am 10.1.2020) Berufung eingelegt und diese damit begründet, dass er selbst als Mitarbeitervertreter in die Erstellung einer „Ordnung für partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz“ involviert gewesen sei, die nur für Pastoralreferenten und -assistenten abgeschlossen worden sei. Dies sei ein Beleg dafür, dass es gerade in dieser Berufsgruppe Mobbing in besonderem Ausmaß gebe. Das Bistum M habe implizit mit Schriftsatz vom 15.12.2011 anerkannt, dass es Mobbing gegen ihn gegeben habe. Dass wissenschaftliche Belege für reaktive Depressionen als Folge von Mobbing und ein exorbitant hohes Risiko für Mitarbeitende in sozialen Berufen fehlen, sei falsch und werde durch den „Mobbing-Report“ von 2002 von Meschkutat, Stackelbeck und Langenhoff widerlegt. Soziale Berufe – zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil in „kirchlich-autonomer“ Hand, was Mitarbeitermitbestimmung, -vertretung und Arbeitsrecht erheblich einschränke – seien 2012 mit einem Mobbingfaktor mit 2,8 belegt. 35 – 44 Jahre alte Menschen hätten ein 33,9 Prozent höheres Mobbing-Risiko, der Anteil der „unerwünscht Kritisierenden“ und als „notorische Nörgler“ Stigmatisierten liege bei 60 Prozent. Auch das Bestehen einer Vorerkrankung sei kein prinzipieller Grund, eine Berufskrankheit oder einen Arbeitsunfall auszuschließen. Die Tatsache, dass sich sein Leiden im Beschäftigungszeitraum 2006 bis 2016 im Bistum M nicht gebessert, sondern trotz guter privater Rahmenbedingungen verschlechtert habe, dokumentiere den Zusammenhang zwischen Mobbing im Bistum M und seiner dadurch chronifizierten Erkrankung. Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts von 2018 führe aus, dass bei mobbingbedingten reaktiven Depressionen die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Berufskrankheiten -Listen als „Wie-Berufskrankheit“ gegeben sein müssten. Dies sei hier zweifellos der Fall.
Der Senat hat zum Vorliegen neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) angefragt.
Das BMAS hat sich mit Schreiben vom 29.1.2021 und 23.2.2021 zur Sachlage geäußert.
Mit Schreiben vom 2.2.2021 und vom 8.3.2021 hat der Kläger u. a. Bedenken dahingehend zum Ausdruck gebracht, inwieweit das BMAS neutral Auskunft über den Sachstand zu der Frage geben könne, ob Mobbing als Berufskrankheit anerkannt werden solle. Dies sei gerade der Klärungsauftrag des Gerichts. Außerdem hat der Kläger erneut auf den Mobbingreport von 2002 hingewiesen, wonach Mitarbeitende in sozialen Berufen ein deutlich höheres Risiko hätten, Mobbingopfer zu werden als Mitarbeitende in anderen Bereichen. Hinzu komme, dass ein Großteil des Sozialsektors durch den Missbrauch kirchlicher Autonomie determiniert sei. Ein kirchlicher Mitarbeiter habe eben keinen Betriebsrat, an den er sich mit der gleichen Wirkmacht wenden könne, wie ein nichtkirchlicher Mitarbeiter. Dass sich der ÄSVB bisher mit dem Thema nicht befasst habe, präjudiziere ein Gericht in keinster Weise. Nicht der Gesetzgeber, sondern die Gerichte entscheiden, ob eine beruflich verursachte Erkrankung eine Berufskrankheit darstelle. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, hierfür die nötigen Kriterien festzulegen. Dass dies nach den Folgerungen des Mobbingreports von 2002 noch immer unterblieben sei, könne nicht zu Lasten der Opfer solcher Übergriffe gehen.
Mit Schreiben vom 31.3.2021 hat die Beklagte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erteilt; mit einem am 9.4.2021 eingegangenen Schreiben hat sich auch der Kläger mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt. Zugleich hat der Kläger mit diesem Schriftsatz seine Anträge insoweit zurückgenommen, als er in der Berufungsinstanz zunächst erstmalig auch die Feststellung eines Arbeitsunfalls sowie eine Rentenzahlung begehrte.
Mit einem am 19.4.2021 eingegangen Schreiben hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er eine Diagnostik nach ICD.10 als mobbingassoziierte Beeinträchtigung unter Z 56.4 attestiert bekommen habe und dass in der Fachpublikation Klinikarzt 2016 45(1) Bl. 20-25 dargelegt sei, dass Mobbing als arbeitsbezogener Risikofaktor für die seelisch und körperliche Gesundheit gut belegt sei. Des Weiteren hat der Kläger am 19.4.2021 ein Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 31.3.2021 zu dem erstinstanzlich geführten Rentenverfahren S 3 R 747/20 vorgelegt, in welchem u. a. auf die erhöhte Vulnerabilität des Klägers für psychische Störungen hingewiesen wird, die insbesondere in sozialen-therapeutischen und pädagogischen Berufsfeldern zum Tragen komme, da diese sehr hohe Anforderungen an die soziale Kompetenz der Ausübenden stelle, denen der Kläger im Rahmen seiner psychiatrischen Grunderkrankung nicht gerecht werden könne.
Der Kläger beantragt gemäß seinem Berufungsschriftsatz vom 4.12.2019, abgeändert durch den am 9.4.2021 eingegangenen Schriftsatz zuletzt:
Unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 4.12.2019 wird die Berufungsbeklagte antragsgemäß verurteilt, die Depressionen, die mobbingbedingt zu einem GdB 30 im Jahre 2012 geführt haben, als zumindest der gelisteten Berufskrankheit äquivalente Erkrankung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt haben.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 151 SGG) und bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.
Gegenstand des Verfahrens ist neben dem Urteil vom 4.12.2019 der Bescheid der Beklagten vom 22.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.5.2018, mit welchem die Anerkennung der psychischen Erkrankung des Klägers infolge von Mobbing als Berufskrankheit oder wie eine Berufskrankheit abgelehnt wurde. Die Asthmaerkrankung des Klägers durch Tonerstaub ist nicht streitgegenständlich, da insoweit von der Beklagten ein gesondertes Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde, welches nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war. Die Klage auf Anerkennung einer Berufskrankheit oder einer Wie-Berufskrankheit ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 15.9.2011 – B 2 U 22/10 R -, juris Rn. 10 m.w.N.). Ein etwaiges Leistungsbegehren, welches ohnehin nicht zulässig im Klagewege hätte verfolgt werden können, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.5.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat weder Anspruch auf Anerkennung seiner psychischen Erkrankung als sog. Listen-Berufskrankheit noch als sog. Wie-Berufskrankheit.
1. Beim Kläger liegt keine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. der Anlage 1 zur BKV (sog. Listen-Berufskrankheit) vor.
a) Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet (sog. Listen-Berufskrankheiten) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 4.7.2013 – B 2 U 11/12 R -, BSGE 114, 90 und juris Rn. 12 m.w.N.; vgl. zuletzt auch BSG, Urteil vom 23.4.2015 – B 2 U 20/14 R -, BSGE 118, 267 und juris Rn. 10 und 23 m.w.N.).
b) Ausgehend von diesen Maßstäben kann ausgeschlossen werden, dass beim Kläger eine Listen-Berufskrankheit vorliegt, da die psychische Erkrankung des Klägers, die zu einem im Jahr 2012 festgestellten GdB von 30 (Einzel-GdB von 30 für depressive Störungen) geführt hat, nicht von der Berufskrankheitenliste der Anlage 1 zur BKV erfasst wird.
aa)
Der Kläger führt seine psychische Erkrankung (bzw. deren Verschlimmerung) auf Mobbingereignisse am Arbeitsplatz über einen Zeitraum 2006 bis 2012 zurück. Ein entsprechendes „Mobbing-Protokoll“ hat der Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegt.
Selbst wenn der Vortrag des Klägers hinsichtlich der geschilderten Mobbingereignisse als zutreffend und wahr unterstellt wird, handelt es sich bei den geschilderten rein psychischen, nichtstofflichen Einwirkungen nicht um solche, die in der Berufskrankheitenliste nach der Anlage 1 zur BKV erfasst sind. Hinweise auf sonstige berufliche Einwirkungen, die ggf. die Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach der Anlage 1 zur BKV erfüllen könnten, sind zwar vorhanden (Asthma durch Tonerstaub), diese wurden aber von der Beklagten in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren bearbeitet und sind hier nicht streitgegenständlich (s.o.). Ein Zusammenhang zwischen der Asthmaerkrankung und der psychischen Erkrankung wurde vom Kläger nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
bb)
Der Kläger meint, durch Mobbing am Arbeitsplatz im Zeitraum 2006 bis 2012 psychisch erkrankt zu sein, bzw. dass sich seine psychische Erkrankung dadurch verschlimmert habe, was im Jahr 2012 zu einer GdB-Anerkennung von 30 geführt habe. Allerdings sind psychische Erkrankungen in der Berufskrankenliste in Anlage 1 zur BKV nicht ausdrücklich genannt. Zwar können psychische Erkrankungen unter Umständen Folgen der dort bezeichneten Berufskrankheiten sein. Sie sind dann jedoch in der Regel Folge einer anderen (ggf. schweren) Erkrankung bzw. gehen auf somatische Schädigungen insbesondere des zentralen Nervensystems zurück. Jedenfalls setzt dies wiederum voraus, dass Einwirkungen vorgelegen haben, die von der Berufskrankenliste der Anlage 1 zur BKV erfasst werden. Letzteres ist, wie dargelegt wurde, hier nicht der Fall. Eine Listen-Berufskrankheit scheidet daher auch aus diesem Grund aus.
2. Die psychische Erkrankung des Klägers ist auch nicht wie eine Berufskrankheit anzuerkennen.
a) Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind (sog. Wie-Berufskrankheit).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ergeben sich für die Feststellung des Vorliegens einer Wie-Berufskrankheit die folgenden Tatbestandsmerkmale: (1.) das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, (2.) das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, (3.) nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (§ 9 Abs. 2 SGB VII) sowie (4.) die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als Wie-Berufskrankheit im Einzelfall bei dem Versicherten. Die Vorschrift enthält keine Härteklausel, nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen wäre (BSG, Urteil vom 13.2.2013 – B 2 U 33/11 R -, juris Rn. 17).
Die Voraussetzungen (2.) und (3.) sind erfüllt, wenn bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen (BSG, Urteil vom
18.06.2013 – B 2 U 6/12 R -, juris Rn. 15 m.w.N.). Es müssen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen (BSG, Urteil vom 20.7.2010 – B 2 U 19/09 R -, juris Rn. 20). Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG, Urteil vom 20.7.2010 – B 2 U 19/09 R -, juris Rn. 24 m.w.N.; vgl. ausführlich zur Theorie der wesentlichen Bedingung: BSG, Urteil vom 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 und juris Rn. 13 ff. m.w.N.).
Da die Regelung des § 9 Abs. 2 SGB VII keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel beinhaltet, ist zu betonen, dass es nach der gesetzlichen Regelung sowie der Rechtsprechung des BSG für die Feststellung einer Wie-Berufskrankheit nicht genügt, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der Berufskrankheitenliste bezeichneten Krankheit sind. Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der Berufskrankheiten (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-Berufskrankheit in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl. BSG, Urteil vom 20.7.2010 – B 2 U 19/09 R -, juris Rn. 19 m.w.N.).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist auch das Vorliegen einer sog. Wie-Berufskrankheit beim Kläger auszuschließen.
Zwar erfüllt der Kläger die Eigenschaft als Versicherter in der gesetzlichen Unfallversicherung. Zudem sind die Voraussetzungen einer in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Berufskrankheit nicht erfüllt. Allerdings liegen weder die Voraussetzungen der geltend gemachten Krankheit als Listen-Berufskrankheit durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vor, noch gibt es hierzu neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse. D.h., die o.g. Voraussetzungen (2.) und (3.) sind nicht erfüllt.
Die Anerkennung „wie eine Berufskrankheit“ scheitert bereits daran, dass keine Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Grad als die übrige Bevölkerung Mobbing ausgesetzt ist.
Bei Schönberger, Mehrtens, Valentin, „Arbeitsunfall und Berufskrankheit“, 9. Auflage 2017, S. 173, wird hierzu ausgeführt, dass die Anerkennung „wie eine Berufskrankheit“ nach § 9 Abs. 2 SGB VII scheitert, weil keine Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Grad als die übrige Bevölkerung Mobbing ausgesetzt ist. Da ein Versicherungsfall bei einem Mobbing-Tatbestand nicht vorliege, könnten für durch Mobbing eingetretene Gesundheitsfolgen keine Leistungen erbracht werden. Auch Römer in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VII, Stand VIII/20, § 9 Rn. 41m kommt zu dem Ergebnis, dass eine Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII zurzeit nicht möglich sei, da nicht ersichtlich sei, dass eine bestimmte Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Grade als die übrige Bevölkerung Mobbing ausgesetzt sei, und verweist dabei auf diverse gerichtliche Entscheidungen. Köhler führt in seinem Aufsatz „Gewalt und Mobbing am Arbeitsplatz“ ZFSH 2012, 138, 145 aus, dass neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über durch Mobbing verursachte psychische Erkrankungen, die zur sog. Verordnungsreife führen können, derzeit nicht ersichtlich seien. Selbst für den Fall, dass eines Tages solche neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen sollten, sei nicht damit zu rechnen, dass Mobbing-Folgen als Berufskrankheit anerkannt werden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sei die Bundesregierung nämlich nur dann ermächtigt, in der Berufskrankheiten-Verordnung eine Krankheit als neue Berufskrankheit zu bezeichnen, wenn diese nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht ist, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt seien. Mobbing sei hingegen ein gesamtgesellschaftliches Übel, das keinesfalls nur auf eine bestimmte Personengruppe beschränkt sei. In dem Werk „Psychiatrische Begutachtung“ von Venzlaff, Foerster, Dreßing, Habermeyer, 7. Auflage 2021 wird auf Seite 58 darauf verwiesen, dass über „Mobbing“ als Berufskrankheit der Sachverständigenbeirat beim BMA zuletzt 2013 beraten und eine Anerkennung abgelehnt habe, da es keine berufsspezifische Erkrankung darstelle.
Entsprechend hat auch das Hessische Landessozialgericht in den Urteilen vom 23.10. 2012 (Az. L 3 U 199/11, insb. juris Rn. 22) und vom 28.6.2011 (Az. L 3 U 30/08, insb. juris Rn. 24) die Anerkennung von Mobbing am Arbeitsplatz und seine gesundheitlichen Folgen „wie“ eine Berufskrankheit verneint. Auch der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 27.4.2018 (L 3 U 233/15, dort insb. juris Rn. 54) die Anerkennung von Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet (dort infolge von Stress) abgelehnt, weil „bestimmte Personengruppen“, die diesen besonderen Einwirkungen durch ihre „versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind“, nicht abgrenzen lassen.
Es besteht somit in Rechtsprechung und Literatur Übereinstimmung darin, dass eine Anerkennung einer psychischen Erkrankung infolge von Mobbing als Berufskrankheit derzeit nicht möglich ist, da nicht ersichtlich ist, dass eine bestimmte Bevölkerungsgruppe bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Grade als die übrige Bevölkerung Mobbing ausgesetzt ist und Mobbing in allen Berufsgruppen sowie im privaten Umfeld vorkommen kann.
Diese Erkenntnisse decken sich mit der Auskunft des BMAS in den Schreiben vom 29.1.2021 und 23.2.2021.
In dem Schreiben vom 29.1.2021 hat das BMAS mitgeteilt, dass der ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (ÄSB) im November 2018 beschlossen habe, sich über Erkenntnisse zu informieren, die in epidemologischen Studien über einen möglichen Zusammenhang zwischen der Entstehung einer Posttraumatischen Belastungsstörung und arbeitsbedingten Einwirkungen in Rettungsunternehmen (Feuerwehrleute, Rettungssanitäter, Notärzte o.ä.) gewonnen wurden. Dabei handle es sich nicht um eine Vorprüfung oder um eine Beratungsaufnahme, sondern lediglich um eine vorgeschaltete informelle Befassung. Potentiell schädigende Einwirkungen seien dabei die typischerweise in einem solchen Unternehmen auf die Beschäftigten einwirkenden Geschehensabläufe und Eindrücke bei Rettungseinsätzen. Eine Befassung des ÄSB mit anderen Einwirkungen wie z. B. Mobbing oder mit anderen psychischen Erkrankungen habe bisher nicht stattgefunden und sei derzeit auch nicht beabsichtigt. Mobbing könne eine Vielzahl völlig unterschiedlicher Symptome und Beschwerden auslösen und trete sowohl in den unterschiedlichsten Berufen und Betätigungsfeldern als auch im privaten Lebensbereich auf. Eine besondere Gefährdung bestimmter beruflich betroffener Personengruppen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sei nicht feststellbar. Das Berufskrankheitenrecht erfordere aber zwingend die berufstypische Exposition einer bestimmten Personengruppe gegenüber einer präzisierbaren Einwirkung. Die Personengruppe und die Einwirkung müssen abstrakt definiert und anhand übergreifender Kriterien gegenüber der allgemeinen Bevölkerung und der Gesamtheit aller Arbeitnehmer abgrenzbar sein. Dies sei bei Mobbing nicht der Fall. Die Heterogenität der möglichen Einwirkungen biete keine Basis für eine rechtliche Abgrenzung.
In dem Schreiben vom 23.2.2021 hat das BMAS darauf hingewiesen, dass eine Erkrankung dann als Berufskrankheit anerkannt werden könne, wenn sie nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sei, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt seien. Dies Voraussetzungen könnten bei PTBS, Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen durch Mobbing kaum erfüllt werden. Solche Erkrankungen würden durch eine Vielzahl unterschiedlichster Ursachen ausgelöst, denen Personen in verschiedener Art und Intensität ausgesetzt seien. Auch die Reaktion der Betroffenen sei höchst individuell. Die Erkrankungen träten sowohl in den unterschiedlichsten Berufen wie auch gleichermaßen im privaten Bereich auf. Die Definition besonderer Einwirkungen sei daher kaum möglich und eine besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sei nicht feststellbar. Eine Befassung des ärztlichen Sachverständigenbeirats mit diesem Thema sei bislang nicht erfolgt. Damit sei keineswegs die Aussage verbunden, dass solche Erkrankungen nicht beruflich verursacht sein können. Nach der Entscheidung des Gesetzgebers sei aber nicht jede beruflich verursachte Erkrankung eine Berufskrankheit im Sinne des Unfallversicherungsrechts. In solchen Fällen verbleibe es daher bei den privatrechtlichen Ansprüchen des betroffenen Arbeitnehmers gegen seine Arbeitskollegen bzw. Vorgesetzten.
Diesen überzeugenden Ausführungen des BMAS, die im Einklang mit der oben zitierten Literatur und Rechtsprechung stehen, schließt sich der Senat an. Es ist demnach gegenwärtig weder davon auszugehen, dass es in der medizinischen Wissenschaft Erkenntnisse dahingehend gibt, dass psychische Erkrankungen hervorgerufen durch Mobbing als Berufskrankheit anzuerkennen sind, noch, dass derzeit entsprechende Erkenntnisse zu erwarten sind.
Mobbing am Arbeitsplatz kann vielmehr- ebenso wie Ärger und Frust über verständnislose Vorgesetzte, Konflikte mit Vorgesetzten und Kollegen sowie schwierige Strukturen – zwar grundsätzlich zu Gesundheitsstörungen unterschiedlicher Art beitragen, so z.B. zu depressiven oder somatoformen Symptomen. Sie können aber in einer Vielzahl von Berufsgruppen vorkommen, ohne dass eine besonders betroffene Gruppe abgegrenzt werden kann.
Gegenteilige Ansatzpunkte ergeben sich auch nicht durch den vom Kläger mehrfach zitierten Mobbing-Report von Meschkutat, Stackelbeck und Langenhoff aus dem Jahr 2002. Auch bei Außerachtlassung der Frage, inwieweit diese Studie heute noch hinreichende Aktualität hinsichtlich der veröffentlichten Zahlen beanspruchen kann, wird auch aus dem Mobbing-Report deutlich, dass Mobbing ein weit verbreitetes Phänomen in einer Vielzahl von Berufsgruppen und Branchen ist. Auch wenn das Mobbing-Risiko gemäß dieser Studie in „sozialen Berufen“ mit einem Risiko-Faktor von 2,8 als überdurchschnittlich hoch eingeschätzt wird, ergibt sich aus Anlage 1 der Studie, dass noch weitere Berufsgruppen und Branchen einen ebenso hohen oder sogar noch höheren Mobbingrisikofaktor aufweisen. Die Berufsgruppe der sozialen Berufen weist somit kein Alleinstellungsmerkmal hinsichtlich des Mobbingrisikos im Vergleich mit anderen Berufsgruppen und Branchen auf, wobei der Bereich der „sozialen Berufe“ auch sehr weit gefasst ist und eine Vielzahl verschiedener Berufsgruppen in sich vereinigt. Es gibt auch keine anderen belastbaren Informationen, die die Meinung des Klägers, dass in kirchlichen Berufen das Mobbing-Risiko besonders hoch sei, objektiv untermauern.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, dass es Sache der Gerichte sei, darüber zu befinden, welche Erkrankungen als Berufskrankheiten anzuerkennen seien, ist darauf hinzuweisen, dass die Gerichte bei ihrer Entscheidung an Recht und Gesetz gebunden sind. Es obliegt dabei dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber, die entsprechenden gesetzlichen Regelungen zu schaffen. Soweit der Wortlaut des § 9 Abs. 2 SGB VII einen Auslegungsspielraum zulässt, wurde dieser durch die oben zitierten Entscheidungen des BSG konkretisiert. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der psychischen Erkrankung des Klägers infolge von Mobbing als Berufskrankheit sind demnach nicht gegeben. Selbst wenn ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der psychischen Erkrankung (oder deren Verschlechterung) des Klägers besteht, beinhaltet die gesetzliche Regelung in § 9 Abs. 2 SGB II (wie bereits oben ausgeführt) keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel dahingehend, dass solche Erkrankungen im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch bei der Annahme, dass Mobbing generell geeignet sein kann, psychische Erkrankungen hervorzurufen und dass der Kläger aufgrund gesundheitlicher Vorbelastungen möglicherweise eine erhöhte Vulnerabilität für psychische Erkrankungen besitzt. Selbst eine eventuell nicht ausreichende Mobbingprävention würde nicht dazu führen, dass deshalb eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit zu erfolgen hätte. Dem Kläger steht es aber frei, etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegenüber den das Mobbing ausübenden Personen geltend zu machen.
Ob eventuell einzelne (herausragende) Mobbing-Handlungen als Arbeitsunfall gewertet werden könnten (vgl. dazu das Urteil des BayLSG vom 29.4.2008, L 18 U 272/04), war nicht zu entscheiden, da die Feststellung eines Arbeitsunfalls nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist und sich weder die Beklagte noch das Sozialgericht Augsburg bislang mit dieser Thematik befasst haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).