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Elterngeld – Berücksichtigung von Provision bei der Berechnung des Einkommens

SG Mannheim, Az.: S 6 EG 3129/15, Urteil vom 24.03.2016

Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 17.08.2015 sowie des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2015 verurteilt, der Klägerin für den 1. bis 12. Lebensmonat ihres Sohnes Elterngeld in der gesetzlichen Höhe unter Berücksichtigung auch der in den Monaten April 2014, Juli 2014, Oktober 2014 und Januar 2015 gezahlten Quartalsprovisionen zu bewilligen.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

Die Klägerin macht einen höheren als den ihr zuerkannten Anspruch auf Elterngeld geltend. Sie begehrt die ihr seitens ihres Arbeitgebers ausgezahlten Quartalsprovisionen bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen.

Elterngeld - Berücksichtigung von Provision bei der Berechnung des Einkommens
Symolfoto: Von Pixel-Shot /Shutterstock.com

Die am 08.05.1986 geborene Klägerin sowie ihr am 01.10.1979 geborener Ehemann sind Eltern des am 10.05.2015 geborenen … . Sie erziehen ihren Sohn im gemeinsamen Haushalt. Vor der Geburt ihres Sohnes ging die Klägerin einer abhängigen Beschäftigung in Vollzeit nach. Die Klägerin bezog Mutterschaftsgeld und einen Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld im Zeitraum vom 25.03. bis 05.07.2015.

Am 28.07.2015 beantragten die Klägerin für den 1. bis 12. Lebensmonat ihres Sohnes und ihr Ehegatte für dessen 13. bis 14. Lebensmonat die Bewilligung von Elterngeld.

Die Klägerin gab an, während des Bezugszeitraums des Elterngeldes voraussichtlich kein Einkommen zu erzielen. Hinsichtlich des Einkommens vor der Geburt ihres Sohnes legte die Klägerin eine Arbeitgeberbescheinigung vor, ausweislich derer sie ausschließlich aus nicht selbstständiger Erwerbstätigkeit im Zeitraum von März 2014 bis Februar 2015 insgesamt 45.983,80 € laufendes steuerpflichtiges Brutto-Einkommen erzielte. Auf Anforderung der Beklagten vom 04.08.2015 legte die Klägerin mit Schreiben vom 10.08.2015 die Entgeltabrechnungen ihres Arbeitgebers für die Kalendermonate April 2014, Juli 2014, Oktober 2014 und Januar 2015 vor, in denen als Einmalzahlungen versteuerte Quartalsprovisionen in Höhe von 1.660 €, 1.859,20 €, 1.759,60 € und 1.530 € zusätzlich zum monatlichen Grundgehalt ausgewiesen waren. Daneben reichte sie eine Bestätigung ihres Arbeitgebers zur Vorlage bei der Elterngeldstelle ein, ausweislich derer es sich bei den in den Monaten April, Juli und Oktober 2014 sowie Januar 2015 quartalsweise ausgezahlten Provisionen um einen vertraglich zugesicherten Gehaltsbestandteil handele.

Durch Bescheid vom 17.08.2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für den 2. Lebensmonat ihres Sohnes in Höhe von 163,97 € und für den 3. bis 12. Lebensmonat in Höhe von jeweils 1.229,79 €. Wegen der Anrechnung des Mutterschaftsgeldes stehe der Klägerin im 1. Lebensmonat ihres Sohnes kein Elterngeld zu. Bei der Berechnung des Elterngeldes legte die Beklagte ein Brutto-Einkommen aus nicht selbstständiger Tätigkeit im Bemessungszeitraum in Höhe von insgesamt 39.175,00 € zugrunde. Sie berücksichtigte dabei im März 2014 ein Brutto-Einkommen von 3.150,00 € und für die Monate April 2014 bis Februar 2015 ein monatliches Brutto-Entgelt von jeweils 3.275,00 €. Die Quartalsprovisionen flossen nicht in die Berechnung des Elterngeldes ein.

Hiergegen legte die Klägerin am 04.09.2015 mit der Begründung Widerspruch ein, dass die Quartalsprovisionen als fester, regelmäßiger Gehaltsbestandteil bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen seien. Sie verwies insoweit insbesondere auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 26.03.2014 (B 10 EG 7/13 R) sowie die Regelung in § 4.1 ihres Arbeitsvertrages, ausweislich derer ihr quartalsweise ein erfolgsabhängiger, variabler Gehaltsbestandteil ausgezahlt werde (Quartalsprovision). Die Quartalsprovisionen seien vor diesem Hintergrund als laufender Arbeitslohn gemäß § 39b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes anzusehen und nicht als sonstiger Bezug im Sinne des § 39b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes. Richtigerweise hätten sie daher nach § 2c Abs. 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und -elternzeitgesetz (BEEG) bei der Elterngeldberechnung berücksichtigt werden müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Für die Frage der Anrechnung von sonstigen Bezügen für Elterngeldbezugszeiträume ab dem 01.01.2015 sei alleine die steuerliche Behandlung nach den lohnsteuerlichen Vorgaben durch den Arbeitgeber maßgebend. Die seitens der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts sei zu der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG ergangen und auf die für die Klägerin geltende geänderte Fassung ab dem 01.01.2015 nicht mehr anwendbar.

Am 15.10.2015 hat die Klägerin zum Sozialgericht … Klage erhoben.

Bereits aus dem Wortlaut der ab dem 01.01.2015 geltenden Fassung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG ergebe sich, dass für die Bemessung des Elterngeldes darauf abzustellen sei, wie Einnahmen im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben zu behandeln seien. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei gerade nicht maßgeblich, wie der Arbeitgeber die Einnahmen steuerrechtlich behandelt habe. Richtig sei zwar, dass die Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers Grundlage der Elterngeldberechnung seien und für diese eine Richtigkeitsvermutung gelte nach § 2c Abs. 2 BEEG. Diese Vermutung könne aber widerlegt werden. Und sie sei widerlegt, wenn -wie in ihrem Falle- die steuerliche Behandlung durch den Arbeitgeber von den gesetzlichen Vorgaben abweiche.

Auch die historische Auslegung stütze dieses Ergebnis. Denn schon in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG sei es allein auf die Behandlung der Einnahmen nach steuerrechtlichen Vorgaben angekommen, nicht auf die faktische Behandlung durch den Arbeitgeber (Urteil des Bundessozialgerichts vom 26.03.2014 – B 10 EG 14/13 R). In der zum 01.01.2015 normierten Neufassung habe der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts klargestellt, dass die Einordnung von Lohn- und Gehaltsbestandteilen als sonstige Bezüge allein nach lohnsteuerrechtlichen Vorgaben erfolge. Es komme darauf an, ob die Lohn- und Gehaltsbestandteile richtigerweise nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln seien (Bundestagsdrucksache 18/2583, Seite 24 f.).

Zudem habe das Bundessozialgericht in der zitierten Entscheidung klargestellt, dass auch Sinn und Zweck der Norm dafür sprächen, die Einnahmen nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben zu behandeln.

Die vorliegend gezahlten Quartalsprovisionen seien richtigerweise nach § 39b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes als laufender Arbeitslohn zu behandeln. Dies ergebe sich aus den maßgeblichen Bestimmungen der Lohnsteuer-Richtlinien (R 39b.2 LStR 2015). Denn es handle sich bei den Quartalsprovisionen um regelmäßige fortlaufende Zahlungen. Die schwankende Höhe sei irrelevant, da auch laufender Arbeitslohn der Höhe nach durchaus schwanken könne. Im Übrigen würden Provisionen als eigenständiger Begriff -anders z. B. als Gratifikationen oder Tantiemen- in der Aufzählung sonstiger Bezüge der LStR R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 nicht erwähnt. Sie könnten daher je nach Auszahlungsmodus den sonstigen oder den laufenden Bezügen zugerechnet werden. Eine quartalsweise Auszahlung ändere jedenfalls nichts an deren Regelmäßigkeit und dem Charakter einer laufenden Zahlung.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17.08.2015 sowie des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2015 zu verurteilen, ihr für den 1. bis 12. Lebensmonat ihres Sohnes Elterngeld in der gesetzlichen Höhe unter Berücksichtigung auch der in den Monaten April 2014, Juli 2014, Oktober 2014 und Januar 2015 gezahlten Quartalsprovisionen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit der Gesetzesänderung zum 01.01.2015 habe der Gesetzgeber insbesondere die vom Bundessozialgericht verfügte Berücksichtigung von Provisionen korrigieren und die Richtigkeitsvermutung von Lohn- und Gehaltsabrechnungen wieder herstellen wollen. Aus der Gesetzesbegründung in der Bundestagsdrucksache 18/2583, Seite 24 ergebe sich, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, dass Provisionen, auch wenn sie mehr als einmal pro Jahr gezahlt würden, sonstige Bezüge im Sinne der Lohnsteuer-Richtlinie seien. Damit seien die Lohn- und Gehaltsabrechnungen der Klägerin richtig im Sinne des § 2c Abs. 2 Satz 2 BEEG. Das Bundessozialgericht liege mit seiner gegenteiligen Auffassung nicht richtig und diese Auffassung stehe auch im Gegensatz zum Willen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der streitgegenständliche Bescheid vom 17.08.2015 sowie der Widerspruchsbescheid vom 16.09.2015 sind rechtwidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, da bei der Bewilligung von Elterngeld die der Klägerin in den Monaten April, Juli, Oktober 2014 und Januar 2015 gezahlten Quartalsprovisionen nicht berücksichtigt werden. Hierauf hat die Klägerin aber einen Anspruch.

Die Beklagte hat das Vorliegen der Grundvoraussetzungen für Elterngeld ohne Rechtsfehler bejaht, den Bemessungszeitraum für das Einkommen der Klägerin vor der Geburt des Kindes zutreffend bestimmt und der Berechnung des Elterngeldes den richtigen Leistungssatz zugrunde gelegt. Bei der Festsetzung der Höhe der Leistung hat sie jedoch die Provisionen der Klägerin zu Unrecht nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen und damit das Elterngeld zu niedrig festgesetzt.

Die Grundvoraussetzungen des § 1 BEEG für den Anspruch auf Elterngeld sind erfüllt.

Nach § 1 Abs. 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr. 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr. 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr. 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (N. 4). Dies ist hier der Fall. Im Bezugszeitraum, vom Tag der Geburt des Kindes bis zur Vollendung seines 12. Lebensmonats (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 BEEG), hat die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Sie lebt mit ihrem am 10.05.2015 geborenen Kind in ihrem Haushalt, betreut ihr Kind selbst und übt auch keine Erwerbstätigkeit aus. Die Klägerin hat damit Anspruch auf Elterngeld für 12 Lebensmonate des Kindes ab dem Tag seiner Geburt (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 BEEG).

Auch der Bemessungszeitraum wurde vom Beklagten zutreffend festgelegt und ist im Übrigen unstreitig. Für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit sind die 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes – vorliegend Mai 2015 – maßgeblich (§ 2 c Abs. 1 Satz 1 BEEG in seiner hier anzuwendenden, ab dem 01.01.2015 geltenden Fassung; vgl. hierzu das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16.10.2015 – L 5 EG 23/14 Randnr. 31, 33, zitiert nach juris unter Hinweis auf § 27 Abs. 1 BEEG). Dies ist hier die Zeit von März 2014 bis Februar 2015, denn Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld bezogen hat, bleiben bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums außer Betracht (§ 2 b Abs. 1 Satz 2 BEEG). Da die Klägerin in den Monaten März und April 2015 Mutterschaftsleistungen bezog, waren diese Monate bei der Festlegung des Bemessungszeitraums nicht zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat zu Recht § 2 c BEEG zur Berechnung des Elterngeldes zugrunde gelegt, da die Klägerin im Bemessungszeitraum ausschließlich Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit erzielte. Die Höhe des Elterngeldes hat die Beklagte dem Grunde nach ebenfalls zutreffend berechnet auf Grundlage der §§ 2 Abs. 1, 2; 2 c Abs. 1 Satz 1 BEEG. Insbesondere ist der richtige Leistungssatz von 65 Prozent zugrunde gelegt worden. Insoweit verweist das Gericht auf den ergangenen Widerspruchsbescheid sowie die im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Probeberechnung für die Höhe des Elterngeldes unter Berücksichtigung der Quartalsprovisionen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe im Detail ab (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die seitens der Klägerin in den Monaten April, Juli und Oktober 2014 sowie Januar 2015 erhaltenen Quartalsprovisionen in Höhe von 1.660,00 €, 1.859,20 €, 1.759,60 € und 1.530,00 € brutto zusätzlich zum monatlichen Grundgehalt bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen, obwohl diese in den Lohnabrechnungen ihres Arbeitgebers als Einmalzahlungen versteuert wurden.

Diese Quartalsprovisionen sind zur Überzeugung des Gerichts auf Grundlage des § 2 c Abs. 2 BEEG nicht als sonstige Bezüge zu bewerten und daher der Bemessung des Elterngeldes zusätzlich zu dem bereits berücksichtigten Einkommen als laufender Arbeitslohn im Bemessungszeitraum zugrunde zu legen.

Auch mit Neufassung des § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG zum 01.01.2015 (BGBl. I 2014, Seite 2325 ff.) sind Provisionen als laufender Arbeitslohn bei der Elterngeldberechnung zu berücksichtigen, wenn sie neben dem monatlichen Grundgehalt für kürzere Zeiträume als ein Jahr und damit mehrmals im Jahr nach festgelegten Berechnungsstichtagen regelmäßig gezahlt werden (Festhalten an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Vorgängerregelungen des § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG, vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 26.03.2014 – B 10 EG 14/13 R, B 10 EG 12/13 R, B 10 EG 7/13 R; Urteil vom 03.12.2009 – B 10 EG 3/09 R). Das erkennende Gericht schließt sich den Ausführungen des Bundessozialgerichts in o.a. Entscheidungen ausdrücklich an und macht sich diese auch nach der Neuregelung des § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG zu eigen:

§ 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG knüpft an die lohnsteuerrechtliche Differenzierung zwischen der Einbehaltung der Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn (§ 39 b Abs. 2 Einkommensteuergesetz) und von sonstigen Bezügen (§ 39 b Abs. 3 Einkommensteuergesetz) an.

§ 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG bestimmt: „Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind.“ § 39 b Einkommensteuergesetz definiert diese Begriffe nicht selbst. Lediglich die Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) erläutern beide Begriffe in Form von Verwaltungsanweisungen. Laufender Arbeitslohn ist nach den bis zum 31.12.2014 geltenden LStR (LStR 2013) R 39b.2 Abs. 1 Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt, insbesondere: 1. Monatsgehälter, 2. Wochen- und Tagelöhne, 3. Mehrarbeitsvergütungen, 4. Zuschläge und Zulagen, 5. geldwerte Vorteile aus der ständigen Überlassung von Dienstwagen zur privaten Nutzung, 6. Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume beziehen, die im Kalenderjahr der Zahlung enden, und 7. Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt.

Der laufende Arbeitslohn kann der Höhe nach durchaus schwanken (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 32. Auflage, § 39 b Randnr. 2 m.w.N.). Das Kriterium der Regelmäßigkeit bezieht sich nicht auf die Höhe, sondern auf die wiederholte Gewährung, im Gegensatz vor allem zur „Einmaligkeit“ der Gewährung. Eine ausdrückliche Anordnung, dass Regelmäßigkeit einer Zahlung nur dann vorliegt, wenn die Zahlung in ausnahmslos jedem Abrechnungszeitraum zur Auszahlung kommt, ist weder § 39 b EStG noch den LStR 2013 zu entnehmen. Daher ist es im Hinblick auf das Kriterium der Regelmäßigkeit unschädlich, dass die der Klägerin im Bemessungszeitraum zugeflossenen quartalsweise ausgezahlten Provisionen nicht immer gleich hoch waren, sondern je nach dem Umfang der Zielerreichung schwankten.

Sonstiger Bezug ist nach den LStR 2013 R 39b.2 Abs. 2 Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Zu den sonstigen Bezügen gehören nach R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 LStR 2013 insbesondere: 1. 13. und 14. Monatsgehälter, 2. einmalige Abfindungen und Entschädigungen, 3. Gratifikationen und Tantiemen, die nicht fortlaufend gezahlt werden, 4. Jubiläumszuwendungen, 5. Urlaubsgelder, die nicht fortlaufend gezahlt werden, und Entschädigungen zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubs, 6. Vergütungen für Erfindungen, 7. Weihnachtszuwendungen und 8. Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden. Nachzahlungen liegen auch vor, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt.

Nach den ab dem 01.01.2015 ergänzten LStR (LStR 2015) R 39b.2 Abs. 2 gehören zu den sonstigen Bezügen auch 9. Ausgleichszahlungen für die in der Arbeitsphase erbrachten Vorleistungen aufgrund eines Altersteilzeitverhältnisses im Blockmodell, das vor Ablauf der vereinbarten Zeit beendet wird, und 10. Zahlungen innerhalb eines Kalenderjahres als viertel- oder halbjährliche Teilbeträge.

Bei der steuerrechtlichen Entscheidung zwischen laufend gezahltem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen geht es nicht um die Frage, ob Lohnsteuer auf laufenden Arbeitslohn oder auf sonstige Bezüge überhaupt zu erheben ist. Steuerpflichtig sind sowohl laufender Arbeitslohn als auch sonstige Bezüge. Vielmehr handelt es sich in erster Linie um Zuordnungsregeln bei der Frage, in welchem Veranlagungszeitraum bestimmte Entgeltkomponenten zu versteuern sind. Ein sonstiger Bezug wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (vgl. § 38 a Abs.1 EStG). So wird z. B. das 13. Monatsgehalt, das zusammen mit dem Dezembergehalt im Januar ausgezahlt wird, dem Veranlagungszeitraum des neuen Kalenderjahres zugeordnet und in diesem versteuert, das Dezembergehalt jedoch noch im „alten“ Kalenderjahr (§ 38 a Abs. 1 EStG sowie Schmidt a.a.O. § 38 a, § 39 b jeweils Randnr. 3). Der Lohnsteuerabzug von sonstigen Bezügen ist zudem anders geregelt als beim laufenden Arbeitslohn, um bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren genau das Jahressteuerergebnis zu treffen (vgl. Kirchhof/Söhn, EStG, § 39 b Anm. C 7, Stand April 2002). Wegen des progressiven Steuertarifs käme es anderenfalls, nämlich bei der Hinzurechnung der sonstigen Bezüge zum laufenden Arbeitslohn, zu einer überhöhten Einbehaltung von Lohnsteuer (vgl. Hermann/Heuer/Raupach, EStG – Körperschaftssteuergesetz, § 39 b Randnr. 45, Stand April 2010). Ein „zutreffender“, progressionsgerechter Lohnsteuerabzug lässt sich insoweit erreichen, als die auf sonstige Bezüge entfallende Lohnsteuer mit dem Unterschiedsbetrag erhoben wird, der sich bei Ermittlung der Jahreslohnsteuer für den voraussichtlichen Jahresarbeitslohn zuzüglich des sonstigen Bezuges und auf den voraussichtlichen Jahresarbeitslohn ohne den sonstigen Bezug ergibt (vgl. Küttner, Personalbuch 2013, sonstige Bezüge, Randnr. 3 und 4 m.w.N.). D. h. für die Ermittlung der Lohnsteuer eines sonstigen Bezuges wird der Arbeitnehmer so behandelt, als hätte er in jedem Lohnzahlungszeitraum (Monat) ein Zwölftel des sonstigen Bezuges erhalten (vgl. Beck`sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, sonstige Bezüge C I). Käme es hinsichtlich bestimmter Entgeltkomponenten wegen deren Behandlung als laufender Arbeitslohn anstatt als sonstiger Bezug im Hinblick auf die Steuerprogression zu einem überhöhten Lohnsteuerabzug, könnte dieser im Rahmen der Steuerveranlagung (Lohnsteuerjahresausgleich/Einkommensteuererklärung) im Übrigen wieder ausgeglichen und damit der „Fehler“ korrigiert werden.

Der Umstand allein, dass der Arbeitgeber bestimmte Einnahmen, hier die Quartalsprovisionen, im Lohnsteuerabzugsverfahren faktisch als sonstige Bezüge behandelt hat, rechtfertigt es nicht, diese bei der Berechnung des Elterngeldes unberücksichtigt zu lassen.

Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der ab dem 01.01.2015 geltenden Fassung („zu behandeln sind“). Ein entsprechender Wille des Gesetzgebers lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien entnehmen (Bundestags-Drucksache 18/2583, Seite 25: Nach dieser Regelung sind demnach alle Lohn- und Gehaltsbestandteile, die richtigerweise nach lohnsteuerrechtlichen Vorgaben (auch den LStR laut Bundestagsdrucksache 18/2583, Seite 25 entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 14/13 R Randnr. 26, zitiert nach juris) als sonstige Bezüge zu behandeln sind (…), auch elterngeldrechtlich als sonstige Bezüge zu behandeln.“; ebenso Rancke, BEEG, § 2 c Randnr. 5). Es ist für die Qualifizierung als laufender Arbeitslohn dabei steuerrechtlich und sozial – bzw. sozialversicherungsrechtlich unerheblich, dass die Zahlung in der Höhe schwankt (BSG, Urteile vom 26.03.2014, a.a.O. mit Hinweis auf Schmidt, EStG, a.a.O., § 39 b Randnr. 2 m.w.N. zum Steuerrecht).

Entgegen der Ansicht der Beklagten (ebenso auch Forst, DB 2015, 68,70) steht damit nicht nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben generell fest, wie Provisionen zu behandeln sind (vgl. wie hier Dau, ASR 2015, 139, 141). Weder der Wortlaut noch der lohnsteuerrechtliche Zweck verlangen es, Provisionen im Lohnsteuerabzugsverfahren zwingend und ausnahmslos als sonstige Bezüge zu behandeln. Provisionen werden als eigenständiger Begriff – anders z. B. als Gratifikationen oder Tantiemen – in der Aufzählung sonstiger Bezüge der LStR 2013 und 2015 R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 nicht erwähnt. Sie können damit den Kategorien laufender/nicht laufender Arbeitslohn nur nach sachlichen Kriterien zugeordnet werden. Es ist durchaus möglich, dass Provisionen in jedem Abrechnungszeitraum (ausnahmslos jeden Monat) zur Auszahlung gelangen. Aber auch dann, wenn Abrechnung und Auszahlung der Provision nicht im Monatsturnus, sondern z. B. quartalsweise erfolgen, ändert dies nichts an ihrer Regelmäßigkeit und am Charakter einer laufenden Zahlung, sofern es sich bei Abrechnungen ab dem 01.01.2015 nicht um quartalsweise ausgekehrte Teilbeträge einer jährlich geschuldeten Leistung handelt (vgl. LStR 2015 39b.2 Abs. 2 S. 2 Nr. 10). Gerade letzteres ist aber vorliegend nicht der Fall, da die Quartalsprovisionen der Klägerin laut Arbeitsvertrag nicht jährlich geschuldet und gleichwohl quartalsweise ausgezahlt werden, sondern als vierteljährliche Schuld einmal im Quartal – nämlich im Folgemonat der Abrechnung – fällig sind.

Dem Kläger-Bevollmächtigten ist insoweit zuzustimmen, als die Richtigkeitsvermutung der Abrechnung des Arbeitgebers (vgl. § 2 c Abs. 2 Satz 2 BEEG) widerlegt werden kann. Dem ist nach dem Amtsermittlungsgrundsatz bei berechtigten Einwendungen der Beteiligten – wie hier – nachzugehen (ebenso Dau, a.a.O., Seite 141). Denn vorliegend ergibt sich aus § 4.1 des Arbeitsvertrages der Klägerin, dass ihr ein monatliches Festgehalt – zum Abschluss des vorgelegten Vertrages 2.670,00 € brutto – sowie eine variable, erfolgsabhängige Quartalsprovision – zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages in Höhe von 1.170,00 € bei 100-prozentiger Zielerreichung – zustehen. Damit handelt es sich auch bei den alle drei Monate gezahlten Leistungen um regelmäßige laufende Zahlungen (s.o.), also laufenden Arbeitslohn und nicht um sonstige Bezüge. Die Versteuerung des Arbeitgebers als sonstiger Bezug ist daher nicht zutreffend.

Entgegen der Ansicht der Beklagten belegt insbesondere die Bundestagsdrucksache 18/2583, Seite 25 nichts anderes. Die Formulierung „dies gilt insbesondere auch für Provisionen“ nimmt Bezug auf den vorangegangenen Satz. Dieser besagt lediglich, dass alle Lohn- und Gehaltsbestandteile, die richtigerweise nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind, auch elterngeldrechtlich als solche zu behandeln sind. D. h. in jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob Provisionen richtigerweise oder fälschlicherweise in der Vergangenheit als sonstige Bezüge in den Abrechnungen behandelt wurden. Bundesregierung und Bundesrat scheinen ebenfalls eine klare Regelung der Behandlung von Provisionen zu vermissen. Dies zeigt die Anfrage der Bundesregierung auf Bitte des Bundesrates, die Elterngeldfähigkeit von Einmalleistungen im Gesetz weniger widerspruchsanfällig auszugestalten (vgl. Bundestagsdrucksache 18/2583, Seite 44). Denn wenn die Formulierung so gemeint wäre, dass Provisionen generell sonstige Bezüge sind, wäre eine weniger widerspruchsanfällige Ausgestaltung nicht nötig.

Aus obigen Ausführungen ergibt sich, dass im Falle der Klägerin die Versteuerung der Quartalsprovisionen als sonstige Bezüge fälschlicherweise erfolgte, da es sich dabei um laufenden Arbeitslohn handelte. Dabei ist dem Gericht durchaus bewusst, dass es sich zunächst bis zur Einkommensteuerveranlagung der Klägerin ggf. lohnsteuerrechtlich nachteilig für sie auswirkt, wenn die Quartalsprovisionen als laufender Arbeitslohn abgerechnet werden. Mutmaßlich ist dies auch der Grund, weshalb ihr Arbeitgeber die Provisionen als sonstige Bezüge abgerechnet hat. Dies steht aber der Rechtsmeinung des Gerichts auf Grundlage der objektiven Regelungen der LStR 2013 und 2015 nicht entgegen.

Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass selbst für den Fall, dass rein nach lohnsteuerrechtlichen Bestimmungen eine Behandlung konkret ausgezahlter Provisionen als laufender Arbeitslohn oder als sonstige Bezüge generell möglich ist, elterngeldrechtlich bei mehrmals im Jahr nach festgelegten Stichtagen regelmäßig neben dem monatlichen Grundgehalt gezahlten Provisionen dieses Einkommen der Bemessung zugrunde zu legen ist. Insoweit verweist das Gericht auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 26.3.2014 (a.a.O.). Dies hat ausgeführt, dass es bei einem Wahlrecht des Arbeitgebers nicht alleine auf die tatsächliche Handhabung dessen ankommen könne. Denn dann würden die dem Schutz des Steuerpflichten dienenden Sondervorschriften bei der Besteuerung von sonstigen Bezügen zu einem endgültigen Nachteil beim Elterngeld führen, wofür es keine sachlichen Gründe gibt. Das Bundessozialgericht sieht einen rechtfertigenden Grund gerade nicht in der durch die Beklagte regelmäßig angeführten Verwaltungspraktikabilität (vgl. insoweit Bundessozialgericht, a.a.O. Rn. 27 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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