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Rotatorenmanschettenruptur als Folge Arbeitsunfall

Landessozialgericht Thüringen – Az.: L 1 U 123/17 – Urteil vom 01.03.2018

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. November 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) streitig, ob eine Rotatorenmanschettenruptur rechts als weitere Folge des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalles vom 13. Dezember 2007  anzuerkennen ist.

Der 1953 geborene Kläger war ausweislich der Angaben in der Unfallanzeige seines Arbeitgebers vom 3. April 2008 am 13. Dezember 2007 gegen 14:05 Uhr mit Sanierungsarbeiten an einer Zisterne beschäftigt, als er ausrutschte und rückwärts auf beide Arme fiel. Deshalb stellte er sich erstmals am 17. Dezember 2007 bei dem Orthopäden Dipl.-Med. J. vor. Ausweislich seines Befundberichts vom 6. August 2008 machte der Kläger damals zu den Ursachen der Beschwerden keine Angaben. Vermerkt wurde, dass der Patient im Bereich der Schulter seit längerer Zeit über eine zunehmende Einschränkung der Beweglichkeit klage. Dipl.-Med. J. diagnostizierte eine ACG-Gelenksarthrose mit einem ausgeprägten hochstehenden Humeruskopf. Eine Abduktion der rechten Schulter bis 80° war möglich. Die Außenrotation war wie bei einem Impingement schmerzhaft möglich. Unter der Diagnose eines Impingementsyndroms des rechten Schultergelenks und einer ACG-Arthrose rechts erfolgte in der Zeit vom 3. bis 31. Januar 2008 im H.-Kreiskrankenhaus G. eine stationäre Behandlung. Dabei erfolgte operativ eine Rekonstruktion der Rotatorenmanschette rechts. Aufgrund einer postoperativen Wundheilungsstörung mit Infektion waren weitere Eingriffe erforderlich. Laut Operationsbericht vom 4. Januar 2008 wurde eine ausgedehnte, veraltete und degenerativ geprägte Rotatorenmanschettenruptur rechts behandelt. Laut einem Bericht des Chirurgen Dr. E. vom 28. Februar 2008 an die private Unfallversicherung des Klägers wurde ebenfalls eine unfallunabhängig vorbestehende degenerative Rotatorenmanschettenruptur behandelt.

Im Auftrag der Beklagten erstattete der Orthopäde Dr. M. am 28. August 2008 ein Zusammenhangsgutachten. Die vom Kläger angegebene Beschwerdefreiheit des Schultergelenkes vor dem Ereignis beweise nicht die Unversehrtheit der Supraspinatussehne zum Zeitpunkt des Unfallereignisses. Nach dem geschilderten Unfallhergang sei eine Schädigung der Rotatorenmanschette möglich. Das Verhalten des Klägers nach dem Unfallgeschehen spreche gegen einen Zusammenhang, da dieser zunächst noch seine Arbeit fortgesetzt und erst einige Zeit später einen Arzt aufgesucht habe. Bei der orthopädischen Untersuchung am 17. Dezember 2007 sei eine Schulterseitwärtshebung bis 80° möglich gewesen. Ausweislich der bildgebenden Befunde sei eine ausgeprägte Arthrose im Bereich des Schultereckgelenks festgestellt worden. 22 Tage nach dem Unfallereignis habe der Operateur eine ausgedehnte, veraltete und degenerativ geprägte Rotatorenmanschettenruptur rechts beschrieben. Dies spreche entscheidend gegen einen Ursachenzusammenhang.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2008 die Anerkennung des Ereignisses vom 13. Dezember 2007 als Arbeitsunfall ab und gab zur Begründung an, erst vier Tage nach dem angegebenen Ereignis sei eine Vorstellung beim Arzt erfolgt. Frische Verletzungszeichen seien zu keinem Zeitpunkt gesichert worden. Die Beschwerden am rechten Schultergelenk seien auf eine vorbestehende verschleißbedingte Erkrankung der Rotatorenmanschette zurückzuführen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchbescheid vom 2. Juli 2009 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 13. Dezember 2007 als Arbeitsunfall mit der Folge einer Zerrung der Schulter rechts an. Mangels Arbeitsunfähigkeit bestehe kein Anspruch auf Leistungen.

Hiergegen erhob der Kläger am 29. Juli 2009 Klage. Das Sozialgericht gab ein Zusammenhangsgutachten beim Orthopäden Dr. Sch. in Auftrag. Dieser verneinte in seinem Gutachten vom 27. Dezember 2011 einen Kausalzusammenhang zwischen dem geschilderten Unfallereignis und den Beschwerden an der rechten Schulter. Der vom Kläger geschilderte Unfallmechanismus sei auch mangels typischer Begleitverletzungen eher im Sinne eines Kontrakriteriums zu werten. Nach einer traumatischen Rotatorenmanschettenruptur sei üblicherweise eine sofortige Pseudoparalyse des betroffenen Armes zu erwarten. Der Orthopäde Dipl.-Med. J. habe bei der ersten Untersuchung nach dem Ereignis am 17. Dezember 2007 die Möglichkeit einer Abduktion der rechten Schulter bis 80° festgestellt. Die bildgebenden Befunde sprächen deutlich gegen das Vorliegen einer traumatischen Rotatorenmanschettenruptur. Sie belegten eine erheblich vorangeschrittene Degeneration im Sinne einer bereits deutlichen Arthrose des Schultereckgelenkes bei bestehendem Humeruskopf. Der Operationsbericht vom 4. Januar 2008 beschreibe 22 Tage nach dem Ereignis eine ausgedehnte, veraltete und degenerativ geprägte Rotatorenmanschettenruptur. Damit könnte das Unfallereignis vom 13. Dezember 2007 nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für die Rotatorenmanschettenruptur rechts verantwortlich gemacht werden.

Daraufhin wies das Sozialgericht Gotha mit Urteil vom 11. Juni 2012 die Klage ab und stützte sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem Gutachten von Dr. Sch. vom 27. Dezember 2011. Eine hiergegen gerichtete Berufung nahm der Kläger nach Durchführung eines Erörterungstermins vor dem Thüringer Landessozialgericht am 11. Januar 2013 zurück.

Mit Schreiben vom 17. April 2013 beantragte der Kläger eine Überprüfung des Bescheides vom 15. Dezember 2008 nach § 44 SGB X. Im Dezember 2007 erhobene medizinische Befunde belegten das Vorliegen einer Rotatorenmanschettenruptur als Folge des Unfalles. Mit Bescheid vom 3. Mai 2013 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 15. Dezember 2008 nach § 44 SGB X ab. Bereits im Rahmen des Widerspruchbescheides vom 2. Juli 2007 sei das Ereignis als solches aufgrund der Bestätigung durch Zeugen als bewiesen anerkannt worden. Der Riss der Rotatorenmanschette könne nicht als Unfallfolge anerkannt werden. Schon aus dem Operationsbericht vom 4. Januar 2008 ergebe sich ein ausgedehnter degenerativ geprägter Riss. Eine Rücknahme des Bescheides vom 15. Dezember 2008 gem. § 44 SGB X sei daher nicht möglich. Ein hiergegen gerichteter Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2013 zurückgewiesen. Der Riss der Sehne des Musculus Supraspinatus, die zur Rotatorenmanschette gehöre, könne nicht als Unfallfolge anerkannt werden.

Dagegen hat der Kläger am 2. August 2013 beim Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Unfallchirurgen Prof. Dr. I. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 4. Mai 2015 sieht er das Unfallereignis vom 13. Dezember 2007 als wesentliche Teilursache für den Riss des Musculus Supraspinatus an. Der Unfallhergang spreche nicht gegen einen Zusammenhang. Das Verhalten des Klägers nach dem Unfallereignis sei typisch für Schilderungen von Patienten, die eine traumatische Ruptur erlitten hätten. Der Operationsbericht vom 4. Januar 2008 sei unzureichend. Eine Beurteilung des Retraktionsgrades sei nicht möglich. Genaue Ausmaße der degenerativen Rückbildung würden nicht angegeben. In Würdigung der vorliegenden Unterlagen könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine derartige Rotatorenmanschettenläsion zum gleichen Zeitpunkt ohne äußere Krafteinwirkung eingetreten wäre. Aufgrund des Vorschadens sei die Sehne allerdings weniger belastbar gewesen, sodass es leichter zu einer Ruptur habe kommen können. Der Anteil des degenerativen Vorschadens sei mit 50 % und der unfallbedingte Anteil mit 50 % zu werten. Nach Auswertung eines nachträglich übersandten MRTs des rechten Schultergelenks vom 27. März 2008 hat der Sachverständige in einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. August 2015 ausgeführt, dass die hochgradige fettige Infiltration der Rotatorenmuskulatur für einen länger vorbestehenden Schaden spreche. Die Entwicklung einer derartigen Muskelatrophie benötige nach allgemeiner Annahme mindestens sechs, eher zwölf Monate für ihre Entstehung. Es müsse daher von einer massiven Vorschädigung zum Unfallzeitpunkt ausgegangen werden, was die Ausführungen im Gutachten vom 4. Mai 2015 stütze. Nach Auswertung des MRT-Befundes vom 17. Dezember 2007 führt der Sachverständige Prof. Dr. I. in einer weiteren Stellungnahme vom 20. Januar 2016 aus, dass dieses eindeutige Anhaltspunkte für eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur zeige. Es handele sich um eine Ruptur der Supraspinatussehne mit einem Retraktrationsgrad nach Patte II. Sehnenreste am Tuberkulum majus seien zu erkennen, die Hinweise für eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur darstellten. Daher liege eine traumatisch bedingte Rotatorenmanschettenruptur vor.

Dieser Einschätzung hat der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr. Sch. in einer Stellungnahme vom 29. April 2016 widersprochen. Die MRT-Aufnahme vom 17. Dezember 2007 belege einen kompletten Abriss der Supraspinatussehne, deren Stumpf weit zurückgezogen sei. Eine deutliche fettige Degeneration des Supraspinatusmuskels und deutliche Verwachsungen seien zu erkennen. Daher handele es sich um einen seit langer Zeit bestehenden Abriss der Supraspinatussehne. Dem entspreche die Beschreibung im Operationsbericht vom 4. Januar 2008. Auch der nunmehr vorliegende histologische Befund vom 8. Januar 2008 belege degenerative Veränderungen. Beigezogen wurde des Weiteren der Entlassungsbericht über eine Rehamaßnahme in der Zeit vom 14. Februar  – 6. März 2008 durch das Sozialgericht. Daraus ergibt sich, dass der Kläger seit 5 bis 6 Jahren Schmerzen im Bereich der rechten Schulter verspürte. Mit Schreiben vom 3. Juni 2016 hat der Sachverständige Prof. Dr. I. direkt gegenüber dem Kläger zur beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Sch. Stellung genommen und u.a. ausgeführt, Sehnenreste am Tuberculum majus seien deutliche Hinweise für eine traumatische Sehnenruptur nach neueren Untersuchungen.

Rotatorenmanschettenruptur als Folge Arbeitsunfall
(Symbolfoto: Von pathdoc
/Shutterstock.com)

Mit Urteil vom 10. November 2016 hat das Sozialgericht Gotha den Bescheid vom 3. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18. Juli 2013 aufgehoben und den Bescheid vom 5. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 2. Juli 2009 abgeändert. Es hat festgestellt, dass die Rotatorenmanschettenruptur mit hochgradigem Funktionsdefizit des rechten Armes Folge des Arbeitsunfalles vom 13. Dezember 2007 ist. Das Unfallereignis vom 13. Dezember 2007 sei ein Arbeitsunfall mit der Folge einer Rotatorenmanschettenläsion gewesen. Der Sturz des Klägers am 13. Dezember 2007 habe als wesentliche Teilursache die Rotatorenmanschettenläsion verursacht. Zwar habe beim Kläger eine erhebliche Vorschädigung der Rotatorenmanschette im Sinne eines degenerativen Vorschadens bestanden, jedoch sei der Kläger aufgrund dessen nicht vorerkrankt, sondern es sei nachvollziehbar, dass der Unfall vom 13. Dezember 2007 als wesentliche Teilursache mitgewirkt habe. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. I. sei überzeugend. Die ablehnende Entscheidung sei daher nach § 44 SGB X zu korrigieren.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie rügt, die Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. I. vom 3. Juni 2016 sei an den Kläger selbst gerichtet und nicht über das SG eingeholt worden. Mit dieser Verfahrensweise habe sich der gerichtlich bestellte Sachverständige selbst disqualifiziert. Die Bewertung von Prof. Dr. I. entspreche nicht den Kausalitätsgrundsätzen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Operationsbericht vom 4. Januar 2008  belege interoperativ erhebliche Verwachsungen, eine Ruptur der Rotatorenmanschette, eine subakromiale Enge sowie eine partielle Synovialitis. Das MRT vom 17. Dezember 2007 zeige ausschließlich schwere degenerative Veränderungen des Schultereckgelenkes und nicht den geringsten Hinweis für eine frische 4 Tage alte Schädigung. Auch das MRT vom 27. März 2008 spreche für eine erhebliche degenerative Vorschädigung. Prof. Dr. I. habe selbst ausgeführt, dass die dort festgestellte Muskelatrophie mindestens sechs Monate für ihre Entstehung benötige. Das Unfallereignis datiere aber vom 13. Dezember 2007. Zuletzt habe auch die histologische Untersuchung ausweislich des Befundes vom 8. Januar 2008 eine degenerative Schädigung belegt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. November 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, das erstinstanzliche Gericht habe zutreffend die Rotatorenmanschettenruptur rechts als Folge des Arbeitsunfalles vom 13. Dezember 2007 anerkannt. Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. I. seien überzeugend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, des Verfahrens L 1 U 1318/12 bzw. S 17 U 3964/09 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2013 aufgehoben und unter Abänderung des Bescheides vom 5. Dezember 2008 (richtig: 15. Dezember 2008), in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2009 eine Rotatorenmanschettenruptur mit hochgradigem Funktionsdefizit des rechten Armes als Folge des Arbeitsunfalles vom 13. Dezember 2007 festgestellt. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18. Juli 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 SGG). Der Kläger kann die Rücknahme des rechtskräftigen Bescheides vom 15. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 2. Juli 2009 nicht verlangen, da die Beklagte eine Rotatorenmanschettenruptur rechts zu Recht nicht als Folge des Arbeitsunfalles vom 13. Dezember 2007 anerkannt hat.

Der Kläger erstrebt bei Auslegung seines Begehrens die Aufhebung sowohl der jetzigen, als auch die Abänderung der früheren, rechtskräftig gewordenen Verwaltungsentscheidungen sowie die gerichtliche Feststellung, dass eine Rotatorenmanschettenruptur rechts Folge des  Arbeitsunfalles vom 13. Dezember 2007 war. Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, den Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 R, zitiert nach Juris; a.A. richtige Klageart ist eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage, vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R –, BSGE 115, 126-131, SozR 4-1300 § 44 Nr. 28). Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte mit dem Bescheid vom 15. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 2. Juli 2009 das Ereignis vom 13. Dezember 2007 als Arbeitsunfall mit der Folge einer folgenlos ausgeheilten Schulterzerrung anerkannt hat. Mit dem Bescheid vom 15. Dezember 2008 hatte die Beklagte noch die Anerkennung des Ereignisses vom 13. Dezember 2007 als Arbeitsunfall abgelehnt. Trotz des durchaus missverständlichen Verfügungssatzes im Widerspruchbescheid vom 2. Juli 2009 „Ihr Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2008 wird als unbegründet zurückgewiesen“ hat die Beklagte in der Begründung des Widerspruchbescheides hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass das Ereignis vom 13. Dezember 2007 als Arbeitsunfall anerkannt wird. Den erforderlichen Gesundheitserstschaden hat die Beklagte in der Zerrung des rechten Schultergelenks gesehen. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste, wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zugrunde zu legen und zur Klärung seines Umfanges die Begründung des Bescheides zu berücksichtigen ist. Die erforderliche Auslegung des Bescheides nach dem Empfängerhorizont entsprechend der Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB ergibt, dass sich die Zurückweisung des Widerspruchs als unbegründet auf die Verneinung eines Rotatorenmanschettenschadens als Unfallfolge bezieht und daraus der Schluss gezogen wurde, dass ein Anspruch auf Leistungen nicht besteht.

In der Sache kann die Beklagte sich auf die Bindungswirkung ihres Bescheides vom 15. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 2. Juli 2009 berufen, weil dort das Recht richtig angewandt und kein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistung zu Unrecht nicht erbracht worden sind, dieser Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, zurückzunehmen. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen hier nicht vor. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 15. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 2. Juli 2009 schon mangels neuen Vorbringens ablehnen durfte (dagegen etwa BSG, Urteil vom 5 September 2006 – B 2 U 24/05 R, zitiert nach Juris: Rechtsprüfung immer erforderlich). Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger unter Bezugnahme auf von ihm vorgelegte ärztliche Berichte, welche bereits im Ausgangsverfahren vorlagen, erneut eine umfassende Überprüfung des Sachverhaltes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht verlangt. Die Beklagte hat eine inhaltliche Überprüfung vorgenommen.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Gotha in dem angefochtenen Urteil ergibt die vorzunehmende Überprüfung, dass die Beklagte in dem Bescheid vom 15. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2009 weder das Recht falsch angewandt, noch den Sachverhalt falsch gewürdigt hat. Bei dem Kläger sind über die von der Beklagten als Folge des Arbeitsunfalles vom 13. Dezember 2007 anerkannten Unfallfolgen hinaus keine weiteren Gesundheitsschäden als Unfallfolgen festzustellen.

Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und feststellbaren Voraussetzungen „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses“, „Unfallereignis“ und „Gesundheitserstschaden“ wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (vgl. BSG, Urteile vom 20. März 2007 – B 2 U 27/06 R und 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R -, beide zitiert nach Juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R und 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, beide zitiert nach Juris). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.

In Anwendung dieser Grundsätze gelangt der Senat zu der Auffassung, dass erhebliche Gesichtspunkte dagegensprechen, dass der Riss der Supraspinatussehne bei dem Ereignis am 13. Dezember 2007 entstanden ist. Dies ergibt sich aus der Auswertung aller vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Sachverständigengutachten.

Hinsichtlich der Entstehung einer Rotatorenmanschettenruptur ist zu berücksichtigen, dass sich im Bereich der Schulter das Schulterhauptgelenk und das wenig bewegte Schultereckgelenk befinden. Das Schulterhauptgelenk wird von dem Oberarmkopf und der relativ kleinen Schulterpfanne gebildet. Um den Oberarmkopf fest in der Pfanne zu verankern, gibt es eine Vielzahl von Muskeln zwischen Schulterblatt und Oberarm. Die Summe der Muskeln, die den Oberarmkopf im Bereich der Schulterpfanne zentrieren, nennt man zusammengefasst Rotatorenmanschette. Dazu gehören der Muskulus Supraspinatus, Muskulus Infraspinatus, Muskulus subscapularis und Muskulus teres minor (vgl. Gutachten von Dr. S. vom 5. März 2016 S. 32).

Unstreitig ist bei dem Kläger nach dem 13. Dezember 2007 eine Komplettruptur der Supraspinatussehne gesichert worden. Dass diese nicht als Unfallfolge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, ergibt sich sowohl aus den Gutachten von Dr. Sch. vom 27. Dezember 2011 als auch dem Gutachten von Prof. Dr. I. vom 4. Mai 2015. Danach ergeben sich bereits aus der Auswertung der Befunde aus dem Operationsbericht in Verbindung mit der histologischen Untersuchung des feingeweblichen Materials und des bildgebenden Materials vor der Operation hinreichende Zweifel am Vorliegen einer traumatisch bedingten Ruptur der Supraspinatussehne. Dr. Sch. wertet in seinem Gutachten die Möglichkeit einer Abduktion der rechten Schulter bis 80° – wenige Tage nach dem Unfallereignis am 17. Dezember 2007 durch den Orthopäden Dipl.-Med. J. festgestellt – als deutliches Indiz gegen eine traumatische Ruptur der Supraspinatussehne. Nach der medizinischen Literatur (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, 9. Auflage. 2017, S. 429 ff.) ist nach einer frischen Ruptur der völlige Ausfall des Abduktionsmechanismus zu erwarten. Auch Prof. Dr. I. sieht in seinem Gutachten vom 4. Mai 2015 das Verhalten nach dem Unfall als untypisch für einen traumatischen Riss an.

Dr. Sch. wertet in seinem Gutachten vom 27. Dezember 2011 den Operationsbericht und die bildgebenden Befunde dahingehend aus, dass eine weit retrahierte Supraspinatussehnenruptur dokumentiert ist. Diese Befunde seien typisch für sehr lange bestehende und sich aus körpereigenen Gründen entwickelnde Sehnenschäden. Bereits am 17. Dezember 2007 bestand seinen Ausführungen zu Folge ausweislich des Röntgenbefundes ein Hochstand des rechten Oberarmkopfes. Er kann sich nach einem traumatischen Abriss der Rotatorenmanschettenruptur auch nach der medizinischen Literatur (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, 9. Auflage 2017, S. 429 ff.) erst nach Wochen entwickeln. Des Weiteren hat Dr. Sch. zu Recht darauf hingewiesen, dass Beschwerdefreiheit vor dem Unfallereignis keinen Beweis für einen Unfallzusammenhang darstellt. Zusätzlich bejaht Dr. Sch. beim Kläger das Vorliegen einer Arthrose im Schultereckgelenk, welches ebenfalls nach der medizinischen Literatur gegen einen Unfallzusammenhang spricht.

Auch nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. I.in seinem Gutachten vom 4. Mai 2015 sprechen erhebliche Gesichtspunkte dagegen, die Ruptur des Muskulus Supraspinatus als Unfallfolge anzuerkennen. Er bejaht ebenfalls das Vorliegen von degenerativen Vorschäden, wertet das Unfallereignis als wesentliche Teilursache und beziffert den Verursachungsanteil auf 50 %. Eine solche Herangehensweise wird dem Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht gerecht. Die erforderliche Abwägung hat nicht nach Prozentangaben zu erfolgen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. August 2015 bejaht Prof. Dr. I. in Auswertung eines MRT-Befundes vom 27. März 2008 das Vorliegen einer hochgradigen fettigen Infiltration der Rotatorenmuskulatur, welche für einen mindestens 6 Monate alten Schaden spreche. Damit kann die Annahme einer wesentlichen Teilursache nicht mehr aufrechterhalten werden. Soweit anschließend unter Auswertung eines MRT-Befundes vom 17. Dezember 2007 in einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 20. Januar 2016 eine traumatische Ruptur der Supraspinatussehne wegen eines Sehnenrestes am Tuberculum majus bejaht wird, überzeugen diese Ausführungen nicht. Unter Hinweis auf eine aktuelle Untersuchung von Loew gelangt Prof. Dr. I. zu dem Ergebnis, dass eine solche Sehnenretraktion zwar in der Vergangenheit immer als atraumatisch bedingt angesehen wurde, sich jedoch aus neueren Untersuchungen ergebe, dass bzgl. des Retraktionsgrades und der Verfettung der Muskulatur keinerlei statistisch erhebliche Unterschiede zwischen der Gruppe der traumatischen und der atraumatisch bedingten Rupturen zu ziehen seien. Hingegen würden ein Gelenkerguss, Einblutungen sowie ein Sehnenstumpf am tuberculum majus für eine traumatische Genese sprechen. Der Sachverständige hält es daher durchaus für möglich, dass es sich um eine frische traumatische Ruptur der Supraspinatussehne handele. Zugleich bemängelt er aber, dass der Operationsbericht hinsichtlich des Zustandes der Sehnenränder und der Frage, ob Sehnenreste am Tuberculum majus vorliegen, keine Angaben enthält. Dies genügt aber nicht den Beweisgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung. Es reicht nicht aus, dass eine frische traumatische Ruptur der Supraspinatussehne möglich ist. Im Übrigen ergibt sich auch aus den weiteren Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. I., dass die Bezugnahme auf diese Befunde und neuere wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ausreicht, um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Unfallzusammenhanges zu begründen. Der Sachverständige führt anschließend selbst aus, dass der damalige Operateur leider nicht die Sehnenreste im Bereich des tuberculum majus explizit beschrieben habe. Der von ihm selbst zitierten neueren Fachliteratur (Loew u.a., Zur Unterscheidung zwischen traumatischer und degenerativer Rotatorenmanschettenruptur – eine klinische und radiologische Untersuchung, Obere Extremität 2014 Seite 209 ff.) zufolge spricht ein stehender Sehnenstumpf am Tuberculum majus für eine traumatische Verursachung. Dies entspricht auch der aktuellen medizinischen Literatur (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, 9. Auflage 2017, S. 429 ff.). Ein solcher ist jedoch nach dem Operationsbericht vom 4. Januar 2008 gerade nicht gesichert. Dort wird im Gegenteil eine ausgedehnte, veraltete und degenerativ geprägte Rotatorenmanschettenruptur beschrieben.

Prof. Dr. I. kann im Übrigen auch seine Kehrtwende in der ergänzenden Stellungnahme vom 20. Januar 2016 nicht hinreichend erklären. Dort kommt er unter Auswertung des MRT-Befundes vom 17. Dezember 2007 zu dem Ergebnis, dass aus seiner Sicht das Vorliegen einer traumatisch bedingten Supraspinatusruptur nunmehr nachgewiesen sei. Hingegen hatte er in seinem Gutachten vom 4. Mai 2015 in Auswertung eines MRT-Befundes vom 28. März 2008 nach Durchführung verschiedener operativer Eingriffe noch erhebliche degenerative Vorschädigungen festgestellt. Hinsichtlich dieser Vorschädigungen hatte er selbst ausgeführt, dass diese nach aller medizinischen Erfahrung erst innerhalb von sechs Monaten, eher innerhalb von zwölf Monaten nach einer Ruptur der Supraspinatussehne entstehen.

Damit bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Ruptur der Supraspinatussehne im Fall des Klägers schicksalhafter Natur ist. Ein Zusammenhang mit dem Ereignis vom 13. Dezember 2007 kann daher nicht mit erforderlicher hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

Eine Zurechnung der Operationsfolgen vom 4. Januar 2008 – insbesondere die Wundinfektion, welche anschließend behandelt wurde und für eine erhebliche Versteifung des rechten Schultergelenks des Klägers verantwortlich sein dürfte – nach § 11 Abs. 3 SGB VII scheidet hier bereits deshalb aus, da die Operation zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung vorgenommen wurde. Die Beklagte hat erst Anfang April 2008 und damit lange nach Durchführung der Operation am 4. Januar 2008 überhaupt Kenntnis von dem Unfallereignis vom 13. Dezember 2007 erhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.

 

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