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Sozialschutz-Paket III – Einmalzahlung von 150 Euro verfassungswidrig da zu niedrig?

SG Karlsruhe – Az.: S 12 AS 711/21 ER – Beschluss vom 24.03.2021

Zur existenzsichernden Funktion der evident verfassungswidrigen an Grundsicherungsempfänger

1. Bezüglich des Zeitraums 10.03.2021 bis 21.06.2021 wird der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin als Zuschuss zu dem durch Bescheid „Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 17.11.2020 in der Fassung des „Änderungsbescheides“ vom 21.11.2020 in der Fassung des „Abhilfebescheides im Widerspruchsverfahren“ vom 13.01.2021 in der Fassung des Bescheides „Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 13.01.2021 in der Fassung des „Änderungsbescheides über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 23.02.2021 in der Fassung des „Bescheides zur Aufhebung, Erstattung und Aufrechnung“ vom 23.02.2021 bewilligten Arbeitslosengeldes 2 vorläufig

a) 16,- € für den Zeitraum 10.03.2021 bis 23.03.2021 nachzuzahlen;

b) für den Zeitraum 24.03.2021 bis 31.05.2021 nach Wahl des Antragsgegners

1.1 entweder als Sachleistung wöchentlich 20 Atemschutzmasken ohne Ausatemventil zur Verfügung zu stellen, welche den Anforderungen der Standards FFP2 (DIN EN 149:2001), KN95, N95 oder eines vergleichbaren Standards entsprechen

2.2 oder als Geldleistung

aa) 8,- € für den Zeitraum 24.03.2021 bis 31.03.2021;

bb) 34,40 € für den Zeitraum 01.04.2021 bis 30.04.2021;

cc) 34,40 € für den Zeitraum 01.05.2021 bis 31.05.2021;

zu zahlen,

und

c) für den Zeitraum 01.06.2021 bis 21.06.2021 nach Wahl des Antragsgegners

1.1 entweder als Sachleistung wöchentlich Atemschutzmasken ohne Ausatemventil zur Verfügung zu stellen, welche den Anforderungen der Standards FFP2 (DIN EN 149:2001), KN95, N95 oder eines vergleichbaren Standards entsprechen, und zwar der Höhe nach

aa) 15 Exemplare für den Zeitraum 01.06.2021 bis 07.06.2021;

bb) 10 Exemplare für den Zeitraum 08.06.2021 bis 14.06.2021;

cc) 5 Exemplare für den Zeitraum 15.06.2021 bis 21.06.2021;

2.2 oder als Geldleistung

aa) 6,- € für den Zeitraum 01.06.2021 bis 07.06.2021;

bb) 4,- € für den Zeitraum 08.06.2021 bis 14.06.2021 und

cc) 2,- € für den Zeitraum 15.06.2021 bis 21.06.2021

zu zahlen.

2. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

3. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/8 zu erstatten.

4. Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche sozialgerichtliche Verfahren S 12 AS 711/21 ER ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt …, … …, … …, bewilligt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt für die Zeit vom 25.01.2021 bis 30.07.2021 vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung eines Mehrbedarfs zum Infektionsschutz vor SARS-Cov-2 entweder in Form einer monatlichen Geldleistung von 129,- € oder im Wege der Bereitstellung von kalenderwöchentlich 20 Mund-Nasen-Bedeckungen (MNBen) des FFP2-Standards.

Die am …1989 geborene Antragstellerin ist alleinerziehende Mutter. Ausweislich der kinderkardiologischen Bescheinigung vom …2018 (Vgl. Seite 69 der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners) ist ihre zweijährige Tochter behindert. Zusätzlich zur Betreuung ihres behinderten Kleinkindes vermag die vermögenslose Antragstellerin keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen, sodass sie und ihre Tochter nur über eigenes Einkommen in Gestalt des Kindergeldes (ab Januar 2021: monatlich 219,- €) und des Unterhalts des Kindsvaters (monatlich 250,- €) verfügen. Infolge all dessen beziehen die Antragstellerin und ihre am 2018 geborene Tochter als sog. „Bedarfsgemeinschaft“ laufend Arbeitslosengeld 2 bzw. Sozialgeld vom Jobcenter des Landkreises Karlsruhe. In dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich befindet sich der Teilort mit ca. 1.000 Einwohnern, in dem die Antragstellerin wohnt und von wo aus sie mithilfe des öffentlichen Nahverkehrs des Karlsruher Verkehrsverbundes am sozialen Leben teilhat.

Bereits seit dem 03.03.2020 ist vor dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe eine Klage der Beteiligten anhängig (Aktenzeichen: S 12 AS 716/20). Darin wendet sich die Antragstellerin in Bezug auf einen hier nicht streitbefangenen Bewilligungszeitraum gegen die Ablehnung ihres Antrags vom 14.11.2019 auf Überprüfung des Bescheides vom 26.11.2019 durch den Ablehnungsbescheid des Antragsgegners vom 26.11.19 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2020 (S 12 AS 716/20). Mit einer zweiten derzeit noch rechtshängigen (Untätigkeits-) Klage (S 12 AS 656/21) verfolgt die Antragstellerin seit 04.03.2021 vor dem SG Karlsruhe die (erneute) Bescheidung ihres Widerspruchs vom 24.11.2020 gegen den Bewilligungsbescheid vom 17.11.2021, welche seitens des Antragsgegners durch den diesbezüglichen Abhilfebescheid vom 13.01.2021 erfolgt ist.

Bezogen auf den hier betroffenen Bewilligungszeitraum bewilligte der Antragsgegner mit dem Bescheid „Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 17.11.2020 in der Fassung des „Änderungsbescheides“ vom 21.11.2020 in der Fassung des „Abhilfebescheides im Widerspruchsverfahren“ vom 13.01.2021 in der Fassung des Bescheides „Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 13.01.2021 in der Fassung des „Änderungsbescheides über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 23.02.2021 in der Fassung des „Bescheides zur Aufhebung, Erstattung und Aufrechnung“ vom 23.02.201 Arbeitslosengeld 2 bzw. Sozialgeld für das gesamte Kalenderjahr 2021, ohne hierbei einen Mehrbedarf an MNBen zum Infektionsschutz vor SARS-Cov-2 leistungserhöhend zu berücksichtigen. Indessen berücksichtigte der Antragsgegner im Rahmen der Leistungsberechnung für beide Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bedarfsbegründend monatliche Regelbedarfssätze von 446,- € bzw. 283,- €, einen monatlicher Mehrbedarf für Alleinerziehende von 160,56 €, einen Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererhitzung von 10,26 € bzw. 2,26 € sowie monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung (je Person jeweils: Grundmiete: 115,- €, Heizkosten 30,- €, sonstige Nebenkosten: 30,- €) zuzüglich eines quartalsweise (im März, Juni und September 2021) zu entrichtenden Abschlags für Wasser- und Abwassergebühren in Höhe von – je Person – 26,50 €. Wegen der weiteren Einzelheiten zur (im Jahresverlauf schwankenden) Leistungshöhe bzw. -berechnung wird auf die Ausführungen in den oben genannten Bescheiden bzw. die ihnen angehängten Berechnungsbögen verwiesen.

In Bezug auf den in diesem Gerichtsverfahren streitbefangenen Mehrbedarf an MNBen hatte die Antragstellerin bereits am 17.02.2021 beim Antragsgegner einen Antrag gestellt und zur Begründung auf den Kammerbeschluss vom 11.02.2021 im Verfahren S 12 AS 213/21 ER verwiesen. Der Antragsgegner teilte ihr daraufhin mit „Ablehnungsbescheid Mehrbedarf Masken“ vom 23.02.2021 mit, er werte das Schreiben vom 17.02.2021 als Antrag auf Überprüfung der laufenden Leistungsbewilligung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Den so verstandenen Überprüfungsantrag lehne er ab. Bei Erlass der Bescheide sei weder ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt noch das Recht unrichtig angewandt worden. Ein Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen könne anlässlich der Beschaffung von MNBen nicht anerkannt werden. Nach der Schutzmaskenverordnung (SchutzmV) hätten alle Bezieher:innen von Arbeitslosengeld (Alg) bis zum Ablauf des 06.03.2021 einen Anspruch auf einmalig zehn kostenlose FFP2-Masken. Darüber hinaus erhielte sie mit dem Sozialschutzpaket III für den Bewilligungsmonat Mai 2021 für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 30. Juni 2021 zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen eine Einmalzahlung in Höhe von 150,- €.

Am 10.03.2021 hat die Antragstellerin zum SG Karlsruhe den hier streitgegenständlichen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes angebracht (S 12 AS 711/21 ER). Zur Begründung kopiert sie Auszüge aus dem bereits im Überprüfungsantrag in Bezug genommenen Gerichtsbeschluss und ergänzt, sie könne nicht genau sagen, wie viele Masken sie in der Woche benötige. Sie meint: „unerwartetes [sic!] kann man nicht vorausplanen [sic!]“. Sie brauche FFP2-Masken beispielsweise, da ihr Kleinkind einen Arzt aufsuchen und Termine zur Krankengymnastik wahrnehmen müsse. Auch beim Einkaufen, beim Geldholen in der Bank, beim Marktbesuch, beim Abgeben und Abholen ihrer Tochter (wenn diese entweder in die Kita oder ins Krankenhaus gehe) seien FFP2-Masken nötig. Das gelte auch bei den diesbezüglichen Bahnfahrten von ihrem Teilort zu den jeweils genannten Einrichtungen. Auch ohne irgendwelche Ersatzmasken seien allein für die genannten Unternehmungen jede Woche (sinngemäß: mindestens) 17 neue FFP2-Masken nötig.

Die Antragstellerin beantragt wörtlich:

„1. den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin als Zuschuss zu dem mit Bescheid vom 17.11.2020 bewilligten ALG II Leistungen rückwirkend ab 25.01.2021 bis zum 30.07.21 kalenderwöchentlich 20 Atemschutzmasken ohne Ausatemventil zur Verfügung zu stellen, welche den Anforderungen der Standards FFP2 (DIN EN 149:2001), KN95, N95 oder eines vergleichbaren Standards entsprechen oder der Antragstellerin stattdessen einen Zuschuss in Höhe von 129 Euro monatlich zu bewilligen.

2. der Antragstellerin unter Beiordnung von Rechtsanwalt … …, …, … …, Prozesskostenhilfe in diesem Verfahren ohne Ratenzahlung zu bewilligen.“

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Sozialschutz-Paket III - Einmalzahlung von 150 Euro verfassungswidrig da zu niedrig?
(Symbolfoto: Von Bartolomiej Pietrzyk/Shutterstock.com)

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlange grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund). Hier sei kein Anordnungsanspruch wegen des Mehrbedarfs an FFP2-Masken gegeben. Ein unabweisbarer besonderer Bedarf liege nicht vor. In Baden-Württemberg bestehe keine generelle Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske. Gemessen an der Corona-Verordnung des Landes (CoronaVO) bestehe keine Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske dieses Schutzniveaus. Gemäß § 3 Abs. 1 CoronaVO müsse nur eine nichtmedizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare MNB getragen werden. Auch abweichend von § 3 Abs. 1 CoronaVO genüge in den gemäß § 1i Satz 1 Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 8 und 9 CoronaVO gelisteten Fällen das Tragen einer medizinischen bzw. sog. „OP“-Maske. FFP2-Masken müssten § 1h CoronaVO zufolge lediglich bei Krankenhausbesuchen sowie beim Zutritt zu stationären Einrichtungen für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf getragen werden. Eine weitergehende Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske lasse sich auch nicht aus den strafrechtlichen Vorschriften der Körperverletzungsdelikte herleiten, soweit die Antragstellerin im Rahmen ihres eigenverantwortlichen Verhaltens die allgemeinen Regelungen der CoronaVO beachte. Überdies sehe die CoronaVO die Einhaltung eines Mindestabstands zu anderen Personen von 1,5 Metern vor, soweit keine geeigneten physischen Infektionsschutzvorrichtungen vorhanden sind, und erlege jedem Bürger auf, Kontakte möglichst viel zu vermeiden. Diesem Schutzzweck liefe die grundsicherungsrechtliche Förderung sozialer Kontakte mittels FFP2-Masken-Versorgung zuwider. Jedenfalls bestehe im Regelfall kein Bedarf von mehr als zehn FFP2-Masken im Monat. Diese zehn MNBen könnten nach einer 7-tägigen Trocknung bei Zimmertemperatur insgesamt fünf Mal wiederverwendet werden. Für einen Monat genügten daher sieben Masken sowie drei Ersatzmasken. Deren Anschaffungskosten lägen beim Onlinehändler „Amazon“ derzeit bei einem Preis von 0,384 € pro Stück. Da einige der im Regelbedarf enthaltenen Bedarfspositionen aufgrund der Pandemie gänzlich entfallen bzw. nur teilweise anfielen (beispielsweise die Ausgaben für Verkehr von 39,01 € und für Freizeit, Unterhaltung und Kultur von 42,44 €) sei eine Kompensation des Bedarfs mit anderen Bedarfsgruppen des Regelbedarfs zumutbar. Auch sei kein Anordnungsgrund bzw. keine gegenwärtige Notlage glaubhaft gemacht, da die Antragstellerin aufgrund des Sozialschutz-Pakets III und der SchutzmV besondere Leistungen zur Deckung ihrer Mehrbedarfe durch die COVID-19-Pandemie erhalte, nämlich: eine Einmalzahlung von 150,- € im Mai 2021 sowie einmalig zehn FFP2-Masken bis spätestens 06.03.2021.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten des Verfahrens des einstweiligen Rechtschutzes sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat teilweise Erfolg.

Prozessuale Grundlage des m vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruchs ist § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nach Satz 1 der Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache, soweit – wie hier – nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des:der Antragstellers:in vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).

Gemessen hieran ist der vorliegende Eilantrag sachdienlich auszulegen und hiernach zulässig und teilweise begründet.

Die Auslegung des oben wörtlich widergegebenen Eilantrags richtet sich nach § 123 SGG i.V.m. § 106 Abs. 1 SGG. § 123 SGG bestimmt, dass das Gericht über die von dem:der Antragsteller:in erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die wörtliche Fassung der von ihm:ihr formulierten Anträge gebunden zu sein. Der:die Vorsitzende hat § 106 Abs. 1 SGG zufolge darauf hinzuwirken, dass das Gericht über sachdienliche Anträge entscheidet. Ein im schriftlichen Verfahren formulierter Antrag ist nach dem sog. Meistbegünstigungsgrundsatz auszulegen. Dabei geht das Gericht von dem aus, was der:die Rechtsbehelfsführer:in erreichen möchte, wobei er:sie im Zweifel denjenigen Antrag stellen will, der ihm:ihr am besten zum Ziel verhilft (MKLS/Keller, 13. Aufl. 2020, SGG § 123 Rn. 3).

Aus dem Gesagten folgt für das vorliegende Verfahren, dass der Streitgegenstand dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in Bezug auf den Zeitraum beschränkt ist und nur die Zeit zwischen 25.01.2021 und 30.07.2021 betrifft. Eine Auslegung des Rechtsschutzbegehrens bezüglich des Schutzmasken-Niveaus ergibt in Ansehung des Antragswortlauts, dass eine dem FFP2-Standard entsprechende Leistungsgewährung verlangt wird und OP-Schutzmasken nicht – auch nicht hilfsweise – geltend gemacht werden. Hinsichtlich der Leistungsform beansprucht die Antragstellerin im Wege der Bezugnahme auf den Kammerbeschluss im Verfahren S 12 AS 213/21 ER nicht vorrangig entweder eine Sach- oder eine Geldleistungsform und wäre umgekehrt damit zufrieden, dass der Antragsteller zum einen oder anderen verpflichtet wird. Hinsichtlich der Regelmäßigkeit der Leistungsgewährung beansprucht die Antragstellerin im Falle der Geldleistung ausdrücklich eine monatliche Leistungsgewährung und im Falle der Sachleistung eine wöchentliche Überlassung der MNBen. Auch wegen der jeweils geltend gemachten Leistungshöhe orientiert sie sich am Kammerbeschluss vom 11.02.2021 (d. h.: wöchentlich 20 neue FFP2-Masken bzw. kalendermonatlich 129,- €).

Soweit die Antragstellerin in der Antragsschrift nicht sämtliche Bescheide nennt, welche gemäß §§ 86, 96 SGG kraft Gesetzes verfahrensgegenständlich sind, weil die weiteren Bescheide in Bezug auf den hier streitbefangenen Zeitraum den ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt zwischenzeitlich geändert oder ersetzt haben, ist dies nach dem Meistbegünstigungsprinzip unschädlich, weil unter Zugrundelegung des nach §§ 133, 157 BGB analog maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts ersichtlich die Benennung irgendwelcher Bescheide in der gewählten Antragsformulierung hier nur dahingehend klarstellungshalber erfolgte, damit der Mehrbedarf als weiterer Zuschuss (und damit weder als zurückzuzahlendes Darlehen oder anstelle bereits laufender Grundsicherungsleistungen) gewährt werde.

Der so verstandene Eilantrag ist im Übrigen sachdienlich formuliert, statthaft, zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Karlsruhe in formwirksamer Weise angebracht worden und auch im Übrigen zulässig.

Insbesondere ist die Antragstellerin rechtschutzbedürftig, denn sie hatte sich vor der Anrufung des Gerichts am 10.03.2021 bereits am 17.02.2021 mit ihrem Begehren erfolglos an den Antragsgegner gewandt und kann gegen dessen noch nicht bestandskräftigen „Ablehnungsbescheid Mehrbedarf Masken“ vom 23.02.2021 innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist aus § 84 Abs. 1 SGG den insofern statthaften Widerspruch einlegen bzw. nach Abschluss eines ggfs. erfolglosen Vorverfahrens noch bis Ablauf der einmonatigen Klagefrist ab der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides aus § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG in der Hauptsache auch Klage zum SG erheben. Mit eben diesem hier streitbefangenen „Ablehnungsbescheid Mehrbedarf Masken“ vom 23.02.2021 hatte es der Antragsgegner außergerichtlich auch ausdrücklich abgelehnt, der Antragstellerin auf deren Überprüfungsantrag vom 17.02.2021 MNBen zur Verfügung zu stellen oder höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für deren Anschaffung zu gewähren. Seine Verwaltungsentscheidung umfasste daher gerade die nunmehr im Eilverfahren streitbefangene Prüfung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II, über dessen Berücksichtigung zusammen mit dem Regelbedarf zu entscheiden ist.

Mit dem „Ablehnungsbescheid Mehrbedarf Masken“ vom 23.02.2021 hat der Antragsgegner eine Regelung dahingehend getroffen, dass er nach Durchführung eines Überprüfungsverfahrens an dem für das Kalenderjahr 2021 hinsichtlich des Regelbedarfs unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs vormals verfügten Bescheid „Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 17.11.2020 in der Fassung des „Änderungsbescheides“ vom 21.11.2020 in der Fassung des „Abhilfebescheides im Widerspruchsverfahren“ vom 13.01.2021 in der Fassung des Bescheides „Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 13.01.2021 in der Fassung des „Änderungsbescheides über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 23.02.2021 in der Fassung des „Bescheides zur Aufhebung, Erstattung und Aufrechnung“ vom 23.02.201 festhält. Die mit dem „Ablehnungsbescheid Mehrbedarf Masken“ vom 23.02.2021 getroffene Entscheidung ermöglicht eine erneute Sachprüfung des hiervon betroffenen Bewilligungszeitraumes im eventuell nachfolgenden Widerspruchs- und Klageverfahren (vgl. Bundessozialgericht (BSG), 12.9.2018, B 4 AS 33/17 R; SG Karlsruhe, 29.01.2019, S 15 AS 354/19). Insoweit steht der Zulässigkeit des Eilbegehrens im vorliegenden Fall jedenfalls nicht entgegen, dass die vormalige Bewilligung von Regelbedarfsleistungen für den derzeit laufenden Bewilligungsabschnitt vom 01.01.2021 bis 31.12.2021 bereits vormalig erfolgt und möglicherweise bestandskräftig (teilweise) geworden war. Dabei kann dahinstehen, ob für die hier maßgebliche Zeit zwischen 25.01.2021 und 30.07.2021 eine Überprüfung der früheren Verwaltungsakte nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vorzunehmen oder ob einer eingetretenen (tatsächlichen oder rechtlichen) Änderung durch einen Bescheid gemäß § 48 SGB X Rechnung zu tragen ist (vgl. BSG, 20.07.2005, B 13 RJ 37/04 R; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Aufl. 2020, § 96 Rn. 1 ff.).

Der demnach in seiner sachdienlich ausgelegten Gestalt insgesamt zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung ist mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt begründet und im Übrigen – in Bezug auf beides: Sach- und Geldleistung – unbegründet.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], 25.07.1996, 1 BvR 638/96; BVerfG, 22.11.2002, 1 BvR 1586/02; BVerfG, 12.05.2005, 1 BvR 569/05). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 42 m.w.N.). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, 01.08.2005, L 7 AS 2875/05 ER-B).

Dabei müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, 22.11.2002, 1 BvR 1586/02; BVerfG, 29.07.2003, 2 BvR 311/03), wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel, das der:die Antragsteller:in mit seinem:ihrem Begehren verfolgt, und dessen Bedeutung insbesondere im Hinblick auf Fragen des Grundrechtsschutzes zu orientieren. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des:der Antragstellers:in umfassend die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des:der Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, 22.11.2002, a.a.O.).

1. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung für den Zeitraum 25.01.2021 bis 09.03.2021 nicht vor. Insofern ist jedenfalls kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Wird im Wege des Eilrechtschutzes die Bewilligung von Leistungen für Zeiträume in der Vergangenheit begehrt, fehlt es in der Regel am Vorliegen eines Anordnungsgrunds, es sei denn ein sog. Nachholbedarf kann festgestellt werden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 29a m.w.N.). Für die Zeit vor dem Eingang des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes beim SG am 10.03.2021 ist aber im Hinblick auf das Begehren, den Antragsgegner zur Bereitstellung MNBen als Sachleistung bzw. zur Gewährung weiterer Geldleistungen zu verpflichten, kein Nachholbedarf vorgetragen worden oder von Amts wegen aus der Aktenlage ersichtlich.

2. Für die weiter streitbefangene Zeit vom 10.03.2021 bis 20.06.2021 liegen die Voraussetzungen des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelungsanordnung hingegen vor. Die Antragstellerin hat insofern sowohl ein besonderes Eilbedürfnis an der Gewährung der streitbefangenen existenzsichernden Leistungen als auch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache glaubhaft gemacht.

Der Erfolgsaussicht in der Hauptsache steht keine Bindungswirkung vormals ggfs. nicht binnen der einmonatigen Widerspruchsfrist angefochtener Bescheide betreffend den derzeit laufenden Bewilligungszeitraum 01.01.2021 bis 31.12.2021 aus § 77 SGG entgegen. Hinsichtlich der davon auch betroffenen Bewilligungsmonate März 2021 bis Juni 2021 kann das Gericht das Vorliegen eines Mehrbedarfs im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes inhaltlich voll überprüfen. Im noch anstrengbaren Vorverfahren gegen den „Ablehnungsbescheid Mehrbedarf Masken“ vom 23.02.2021 über den Antrag vom 17.02.2021 ist die Bewilligungsentscheidung in ihrer derzeitigen, bereits mehrfach abgeänderten Fassung nach §§ 44 ff. SGB X vom Antragsgegner erneut materiell-rechtlich in Bezug auf den Mehrbedarf an MNBen überprüft worden (siehe oben). Eben dieses Verwaltungshandeln ist bereits im Eilverfahren gerichtlich überprüfbar.

Das Vorliegen eines solchen Anspruchs auf höhere Regelbedarfsleistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs an MNBen ist für die Zeit vom 01.03.2021 bis 21.06.2021 glaubhaft gemacht.

Die maßgebliche Rechtsgrundlage für den hierbei geltend gemachten Anspruch auf höhere Mehrbedarfsleistungen stellt nicht das am 10.03.2021 vom Bundespräsidenten unterzeichnete und am 17.03.2021 im Bundesanzeiger verkündete „Gesetz zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und zur Änderung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie“ vom 24.02.2021 (sog. „Sozialschutz-Paket III“) dar. Dessen Erlass steht einer – mit diesem Eilbeschluss vorgenommenen – vorläufigen Verpflichtung des Trägers der Grundsicherung nach dem SGB II zur Leistungserbringung nach dem subsidiären Auffangtatbestand des § 21 Abs. 6 SGB II weder vor noch nach dessen Inkrafttreten zum 01.04.2021 entgegen. In dem hier vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist der mit dem Sozialschutz-Paket III eingeführte § 70 SGB II (neue Fassung – n. F.) nämlich unbeachtlich, da er gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verstößt (Fortführung von: SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER).

Ab dem Inkrafttreten des § 70 Satz 1 SGB II n. F. zum 01.04.2021 sollen Leistungsberechtigte, die für den Monat Mai 2021 Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld haben und deren Bedarf sich nach Regelbedarfsstufe 1 oder 2 richtet, für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 30.06.2021 zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen eine Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro erhalten. § 70 Satz 2 SGB II n. F. zufolge soll § 70 Satz 1 SGB II n. F. auch für Leistungsberechtigte gelten, deren Bedarf sich nach Regelbedarfsstufe 3 richtet, sofern bei ihnen kein Kindergeld als Einkommen berücksichtigt wird.

In dieser Gestalt ist § 70 SGB II n. F. verfassungswidrig, weil die spezielle Normierung eines Mehrbedarfs aus Anlass der COVID-19-Pandemie fortan der Anwendung des Auffangtatbestandes für Mehrbedarfe aus § 21 Abs. 6 SGB II für den bedarfsdeckenden Zeitraum 01.01.2021 bis 30.06.2021 entgegensteht und die neue Anspruchsgrundlage selbst zugleich das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art .1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs.1 GG verletzt. Im Widerspruch zu den verfassungsgerichtlich erkannten Beurteilungsmaßstäben ist den BT-Drucksachen zu § 70 SGB II n. F. in verfassungswidriger Weise nicht ansatzweise zu entnehmen, warum eine Einmalzahlung für den Monat Mai 2021 in Höhe von 150,- € den Mehrbedarf aufgrund der COVID-19-Epidemie für die Monate Januar 2021 bis Juni 2021 decken sollte. Überdies wird der Anspruch auf die Gewährleistungen des menschenwürdigen Existenzminimums auch durch die Leistungshöhe von nur 150,- € für einen sechsmonatigen Leistungszeitraum verletzt. Zur Deckung sämtlicher Mehrbedarfe durch die COVID-19-Epidemie sind mehr nötig als 25,- € monatlich. Die laut Gesetzesbegründung berücksichtigten zusätzlichen finanziellen Belastungen (aus der Notwendigkeit, Schnelltests auf eigene Kosten durchzuführen, um ältere Verwandte besuchen zu können; aus der Versorgung mit nötigen Hygieneprodukten und Gesundheitsartikeln; aus der häuslichen Freizeitgestaltung, insbesondere für Familien mit Kindern) sind höher als der „ins Blaue hinein“ angesetzte Betrag.

Im Widerspruch zu der nicht nachvollziehbaren Mehrbedarfs-Schätzung des Gesetzgebers beläuft sich allein der finanzielle Mehraufwand für MNBen in der grundgesetzlich gebotenen Qualität und Quantität auf eine deutlich höhere Summe (Fortführung von: vgl. SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER). Ferner wird das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Ab. 1 GG auch verletzt, weil § 70 SGB II n. F. in seiner künftigen Gestalt ohne hinreichenden Grund für die bereits in den Leistungsmonaten Januar 2021 bis April 2021 gegebenen Mehrbedarfe lediglich eine nachträgliche Leistungsgewährung im Mai 2021 vorsieht, obgleich es sodann wegen des zwischenzeitlichen Zeitablaufs evidenter Maßen schon zu spät sein wird, die Leistungen noch zweckentsprechend einzusetzen. Des Weiteren verletzt § 70 SGB II n. F. den Anspruch auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für die Monate Januar 2021 bis April 2021 sowie Juni 2021 auch deswegen, weil in aus einem nicht verfassungslegitimen Grund die Leistungsgewährung existenzsichernder Mittel nicht nur vom Ausmaß der aktuellen Hilfebedürftigkeit abhängen soll, sondern auch davon, ob diese zu einem späteren bzw. früheren Zeitpunkt – nämlich: im Mai 2021 – vorliegen wird.

Schließlich verletzt § 70 SGB II n. F. auch das allgemeine Gleichheitsgrundrecht, da kein Grund solcher Art und solchen Gewichts ersichtlich ist, der eine Diskriminierung von Grundsicherungsempfänger:innen rechtfertigt, welche im Mai 2021 aufgrund irgendwelcher Zufälligkeiten nicht im grundsicherungsrechtlichen Sinne hilfebedürftig sind und infolgedessen vom Schutzbereich der Norm nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut auch in den übrigen Kalendermonaten der ersten Jahreshälfte des Jahres 2021 gänzlich ausgeschlossen werden. Der vom Gesetzgeber zur Rechtfertigung der genannten Grundrechtsbeschränkungen bemühte Zweck, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, ist zwar verfassungslegitim, aber ungenügend, um die genannten, eklatanten Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen (Fortführung von: SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER).

Eine Beschränkung des einstweiligen Rechtsschutzes dahingehend, dass die mögliche Verfassungswidrigkeit des Gesetzes außer Betracht zu bleiben hat, besteht nicht (Fortführung von: SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER). Der einstweilige Rechtsschutz kann auch nicht mit dem Argument versagt werden, dass bei der Gesetzgebung im Bereich der existenzsichernden Leistungen ein politischer Gestaltungsspielraum gegeben ist (Fortführung von: vgl. SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER).

Gegen die Evidenz der Verfassungswidrigkeit der vom Gesetzgeber zur Deckung des Mehrbedarfs wegen der COVID-19-Pandemie gewählten Konzeption und Begründung kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, der Einmalzahlung von 150,- € komme keine unmittelbar existenzsichernde Funktion zu. § 70 SGB II n. F. kommt sowohl nach dem subjektiven Willen des Bundesgesetzgebers als auch nach Maßgabe einer objektiven Auswertung der durch das Coronavirus SARS-Cov-2 bedingten Veränderungen der Verbrauchsausgaben einkommensschwacher Haushalte eine existenzsichernde Funktion zu (Fortführung von: vgl. SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER; entgegen Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 70 1. Überarbeitung [Stand: 22.03.2021], Rn. 15).

In Bezug auf einen hypothetisch gegenteiligen subjektiven Willen des Gesetzgebers, durch § 70 SGB II n. F. mehr als nur das menschenwürdige Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG zu gewährleisten, ist zunächst die verfassungsrechtliche Unbeachtlichkeit eines derartigen Willens hervorzuheben, soweit die Rechtsprechung im Falle eines ggfs. fehlgeleiteten subjektiven Willens des Gesetzgebers aus Verfassungsgründen nicht an diesen gebunden wäre, sondern an die verfassungskräftige Verpflichtung jeglicher staatlichen Gewalt, im Einzelfall zur Vermeidung einer Unterdeckung des menschenwürdigen Existenzminimums einen unabweisbaren besonderen Mehrbedarf anzuerkennen (Vgl. BVerfG, 09.02.2010, 1 BvL 1/09).

Ungeachtet dessen wollte der Gesetzgeber mithilfe der Neuregelung des § 70 SGB II n. F. ausdrücklich einen anlässlich der COVID-19-Pandemie neu hinzugetretenen existenzsichernden Mehrbedarf decken. Der Wortlaut der Norm und der in der Gesetzesbegründung verbriefte historische Wille des Bundestages, der systematische Regelungszusammenhang sowie der objektive Zweck der Norm, lassen hieran keinerlei Zweifel.

Nach dem Wortlaut des § 70 Satz 1 SGB II n. F. selbst wird die Einmalzahlung gewährt „zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen“. Sie soll damit erklärtermaßen dem unter den aktuellen Epidemie-Bedingungen erhöhten Existenzminimum im Wege der Erhöhung der Geldleistungen mittels einer zusätzlichen Einmalzahlung Rechnung tragen.

Auf eben diese existenzsichernde Zweckbestimmung der Einmalzahlung nach § 70 SGB II n. F hat der Gesetzgeber ergänzend ausdrücklich in seiner Gesetzesbegründung hingewiesen. Er hat dort ganz zu Beginn wörtlich ausgeführt: „Die Regelung schafft einen Anspruch auf eine einmalige pauschale Zusatzleistung zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen. Wegen der unvorhersehbaren Entwicklung der Pandemie war es Leistungsberechtigten teilweise nur unter erschwerten Bedingungen möglich, für diese Belastungen Vorsorge zu treffen“ (Fortführung von: SG Karlsruhe, Beschluss vom 11. März 2021 – S 12 AS 565/21 ER –, Rn. 57, juris).

In Ermangelung überzeugender gegenläufiger lexikalischer, systematischer, historischer oder teleologischer Gesichtspunkte kann dem Gesetzgeber kein entgegengesetzter Regelungswille unterstellt werden. Entsprechende Anhaltspunkte liefern weder der Wortlaut noch die Gesetzesbegründung. Auch handelt es sich systematisch betrachtet bei § 70 SGB II n. F. um eine Anspruchsgrundlage aus dem SGB-II-Recht, d. h. dem Recht der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“, mithin dem Existenzsicherungsrecht schlechthin. Im Grundsicherungsrecht sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (d. h. nicht solche der Eingliederung in den Arbeitsmarkt, vgl. §§ 16 ff. SGB II), welche keinen existenzsichernden Charakter haben, grundsätzlich systemfremd. Entsprechende Regelungen (wie der befristeten Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 24 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung oder zusätzliche Leistung für die Schule nach § 24a SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung sind jeweils im Nachgang zum oben zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 im Verfahren 1 BvL 1/09 ersatzlos außer Kraft getreten. Es ist kein objektiver Grund oder subjektives Motiv des Gesetzgebers ersichtlich, hier eine Kehrtwende zu vollziehen.

Auch lässt sich weder aus der schieren Evidenz der Verfassungswidrigkeit der Konzeption des § 70 SGB II n. F. als Einmalzahlung noch aus der verfassungswidrig substanzlosen Gesetzbegründung zu ihrer Höhe ein entsprechender subjektiver Wille des Gesetzgebers ableiten, es sollte mehr als das Existenzminimum gedeckt werden. Eine eben solche Argumentation beruhte auf rechtsmethodisch unzulässigen Zirkelschlüssen handelte, getreu der Losung: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ (a. A. Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 70 1. Überarbeitung [Stand: 22.03.2021], Rn. 15).

Zuvörderst aber folgt die existenzsichernde Funktion der Neuregelung des COVID-19-Pandemie-Mehrbedarfs in § 70 SGB II n. F. aus einer objektiv-teleologischen Betrachtung der durch das Coronavirus SARS-Cov-2 bedingten Veränderungen der Verbrauchsausgaben einkommensschwacher Haushalte. Nach Maßgabe der im Eilverfahren diesbezüglich verwertbaren Erkenntnismittel ist offenkundig, dass die durch die Epidemie verursachten Veränderungen der Lebensverhältnisse dazu geführt haben, dass die für das Jahr 2021 maßgeblichen Regelbedarfssätze das Existenzminimum nicht decken. Eben hieraus folgt, dass der von § 70 SGB II n. F. bezweckten Deckung des COVID-19-Mehrbedarfs eine existenzsichernde Funktion zukommt.

De lege artis bedürfte es zur Quantifizierung des Existenzminimums unter Epidemiebedingungen gemäß § 20 SGB II i. V. m. § 1 RBEG einer Regelbedarfsermittlung unter Zugrundelegung eines Statistikmodells auf der Grundlage einer eigens erhobenen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe über die Verbrauchsausgaben einkommensschwacher Haushalte zur temporärer Änderung der Regelbedarfe durch die Corona-Pandemie. Eine solche vom Gesetzgeber zu erwartende aber hier unterlassene Begutachtung kann im vorliegenden Eilverfahren durch das angerufene Gericht nicht nachgeholt werden, weil damit eine nicht hinnehmbare Verzögerung verbunden wäre. Das gesetzgeberische Unterlassen der vom BVerfG georderten Ermittlungen steht der Evidenz der objektiv existenzsichernden Funktion eines COVID-19-Mehrbededarfs gleichwohl nicht entgegen. Nach Auswertung sämtlicher diesbezüglich sachverständig veröffentlichter Stellungnahmen bestehen diesbezügliche Zweifel nur noch in Bezug auf das Ausmaß der Bedarfslücke, nicht aber hinsichtlich deren Existenz als solche. Insoweit stützt sich die 12. Kammer auf sämtliche Stellungnahmen, welche der Bundestag im Rahmen der Neueinführung des § 70 SGB II n. F. von der Bundesagentur für Arbeit, von den Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaftsverbänden, Kirchen, Sozialverbänden und dem Arbeitgeberverband, etc. eingeholt hat. Diese haben wie folgt – hier unter Vermeidung von Wiederholungen auszugsweise zusammengefasst – fachkundig mitgeteilt:

Die aktuelle Pandemie führt zu höheren und längeren Bedarfsspitzen, die Hilfebedürftige nicht durch Minderausgaben in anderen Bereichen kompensieren können und für die keine Vorsorge betrieben werden konnte (Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und zur Änderung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie, online aufrufbar am 23.03.2021 unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/822910/0f372820b4c0de6eb74bbb2e4a175c76/19-11-938neu-SN-BA-data.pdf).

Der Deutsche Caritasverband begrüßt die von der Bundesregierung beschlossene Einmalzahlung für Menschen im SGB II, XII und AsylbLG mit der Begründung, dass eingeschränkte oder in den Online-Handel verlagerte Einkaufsmöglichkeiten mitunter zu höheren Ausgaben führen können, welche die Menschen in der Grundsicherung bzw. dem AsylbLG nicht anderweitig ausgleichen können (Schriftliche Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes e.V. zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 22. Februar 2021 um 14:30 Uhr zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19Pandemie; online aufrufbar am 23.03.2021 unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/823092/c9b123379a441a50cc2f94b5aa712ba5/19-11-949-SN-Caritas-data.pdf).

Es gibt hinsichtlich der gesetzlichen Höhe der Regelbedarfe wegen der Corona-bedingten Mehrbedarfe zulasten der Bezieher:innen von existenzsichernden Leistungen eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der berücksichtigten und der tatsächlichen Preisentwicklung, welche zu einer Unterschreitung des Existenzminimums führt, da die aufgrund der Pandemie bestehenden vielfältigen Zusatzbelastungen gerade nicht eingespart werden können im Bereich der soziokulturellen Teilhabe, weil im Rahmen eines insgesamt knapp bemessenen Regelsatzes schon vor der Coronakrise die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für die von der Grundsicherung betroffenen Menschen nur sehr eingeschränkt möglich war und deshalb pandemiebedingt nicht anfallende Ausgaben, die gegengerechnet werden könnten, nicht in substantiellem Umfang zu erwarten sind (Stellungnahme des AWO Bundesverbandes e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und zur Änderung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie, online aufrufbar am 23.03.2021 unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/822934/36671da835d1546a5d90c8eccb047dd6/19-11-942-SN-AWO-data.pdf).

Die einmalige Leistung von 150 € reicht aus Sicht des Sozialverbandes Deutschland e.V bei weitem nicht aus, um den tatsächlichen pandemiebedingten Mehrbedarf für medizinische Masken, Desinfektionsmittel, Corona-Schnelltests oder auch zur Sicherstellung sozialer Teilhabe – die im Lockdown vielfach einen digitalen Zugang voraussetzt – zu decken (Schriftliche Stellungnahme des Sozialverband Deutschland e.V. zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 22. Februar 2021 um 14:30 Uhr zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19Pandemie, online aufrufbar am 23.03.2021 unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/823020/da8f37b7be1cae2f72f00a2719ca0545/19-11-944-SN-SoVD-data.pdf).

Die tatsächlichen Mehrkosten der Corona-Pandemie haben das Leben für arme Haushalte deutlich teurer gemacht, weil Mehrausgaben unter anderem anfallen für MNBen, für Hygiene-Artikel, wegen teils stark gestiegener Lebensmittelpreise und wegen des Wegfalls des Schulmittagessen sowie der Angebote der Tafeln, weshalb sich Armutslagen bis hin zu extremen Mangel- und Notsituationen deutlich verschärfen und sich die Einmalzahlung von 150,- € als nicht mehr erweist als ein völlig unzureichend bemessener Tropfen auf den heißen Stein (Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und zur Änderung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie; online aufrufbar am 23.03.2021 unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/822912/97a9e0d27bcb79c9437b1772401261ed/19-11-939-SN-DGB-data.pdf).

Durch die Pandemie ist die Finanzierung einer gesunden Ernährung für einkommensschwache Haushalte zusätzlich erschwert. Dazu tragen insbesondere bei:

– der Wegfall subventionierter, für Kinder aus einkommensschwachen Haushalten gemäß Bildungs- und Teilhabepaket kostenfreier Mittagessen in Schule und Kita;

– die zeitweise Schließung von Tafeln und anderen Sozialeinrichtungen, in denen Menschen in Armut kostenlos oder kostengünstig Lebensmittel/Mittagessen erhalten;

– die Verringerung des verfügbaren Einkommens in vielen armen oder armutsgefährdeten Haushalten durch Jobverluste und Kurzarbeit;

– der Wegfall von Einnahmequellen „auf der Straße“ für darauf angewiesene Menschen (ob durch den Verkauf von Straßenzeitungen, Straßenmusik oder auch Bettelei;

– Preissteigerungen, die gerade bei Obst und Gemüse über der allgemeinen Inflationsrate liegen [Stellungnahme von foodwatch e. V. zum Sozialschutzpaket III anlässlich der Öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie (Sozialschutz-Paket III)“, online aufrufbar am 23.03.2021 unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/822758/5ee313c803e87f96d40aa284676dec34/19-11-935-SN-foodwatch-data.pdf].

Für die Höhe des behaupteten Mehrbedarfs an einer Einmalzahlung von 150 € für erwachsene Grundsicherungsberechtigte als Ausgleich für die im Zusammenhang mit der Pandemie im ersten Halbjahr 2021 stehenden Mehrbedarfe fehlt im Gesetzentwurf jede Herleitung und Begründung (Schriftliche Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 22. Februar 2021 um 14:30 Uhr zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie, online aufrufbar am 23.03.2021 unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/823022/6990b62cd76df8b3fb92ecac8ea4d24b/19-11-945-SN-BDA-data.pdf).

Die mit einem neuen § 70 SGB II vorgesehene Einmalzahlung ist grundsätzlich positiv zu bewerten, obgleich der Betrag zu niedrig bemessen ist, da der Mehrbedarf mit monatlich 100 € zu beziffern wäre, weil im Bereich Ernährung festzustellen ist, dass die Angebote der Tafeln zurzeit teils gar nicht und teils nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen und hinzukommt, dass angesichts der dringenden Empfehlungen zur Einschränkung von Kontakten im öffentlichen Raum der Weg zur Tafel vermieden wird, wobei zur Vermeidung von Infektionsrisiken sinnvollerweise auch nicht günstige Angebote verschiedener entfernt liegender Geschäfte genutzt werden können und zusätzliche Aufwendungen für Hygieneartikel und -maßnahmen sowie Freizeitaktivitäten anfallen, wobei Aufwendungen für die Nutzung digitaler Medien zur Aufrechterhaltung sozialer Kontakte nicht unerheblich zu Buche schlagen, sodass durch die Einmalzahlung von monatlich 25 € die zusätzlichen Aufwendungen nicht aufgefangen werden können (Schriftliche Stellungnahme des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes – Gesamtverband e.V. zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 22. Februar 2021 um 14:30 Uhr zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19Pandemie, online aufrufbar am 23.03.2021 unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/823024/abb0e733a8d2eb3538c8051fce523bf1/19-11-946-SN-Paritaetische-data.pdf).

Die pandemiebedingten Härten bestehen jetzt und führen zu existentieller Not. Die Regelung in § 70 SGB II n. F. läuft auf eine Vorausfinanzierung der Zusatzausgaben hinaus, die Einkommensarmen nicht möglich ist. Daher wäre eine unmittelbare Auszahlung des pandemiebedingten Zuschlags nötig und aufgrund der vorgesehenen Pauschalsumme auch völlig unproblematisch durchführbar. Die Einmalzahlung von 150,- € bleibt hinter der Forderung der Diakonie Deutschland und vieler weiterer Verbände von monatlich 100 Euro für die Dauer der besonderen Pandemie-Regelungen weit zurück, zumal nicht berücksichtigt wird, dass die genannten Härten nicht erst seit Januar 2021 bestehen, sondern tatsächlich seit März 2020 und hinzukommt, dass pandemiebedingte Härten auch nicht zeitweilig aus anderen im Regelsatz enthaltenen Mitteln ausgeglichen werden können. Von der Möglichkeit eines sogenannten „internen Ausgleichs“ ist schon unter normalen Bedingungen nicht auszugehen, weshalb die Erwartung, dass die Betroffenen Corona-bedingte zusätzliche Belastungen durch internen Ausgleich auffangen könnten, nicht realistisch ist. Bei Familien mit Kindern kommen die besonderen Kosten, die durch Homeschooling und häusliche Kinderbetreuung entstehen, wobei die eigentlich im Bildungs- und Teilhabepaket enthaltenen Kosten für schulisches Mittagessen oder Mittagessen in der Kita nicht nur nicht ausbezahlt werden, sondern faktisch einbehalten werden wegen der Umstände der als Ersatz vorgesehenen mobilen oder stationären Mittagessensausgabe, denn in der Praxis findet diese Essensverteilung fast nicht statt, weil die Caterer gar nicht über die erforderliche Infrastruktur und das Personal für eine mobile Essensausgabe verfügen oder keine stationäre Essensverteilung unter Beachtung der pandemiebedingten Abstandsregelungen an Schulen oder Kitas verwirklichen könnten, sodass die regionalen Gliederungen der Diakonie berichten, dass eine solche Essenslieferung nur dann funktioniert, wenn die Diakonie oder andere Wohlfahrtsverbände sie selbst – und ohne weitere Förderung – organisieren. Ebenfalls nicht ausreichend gelöst ist die Frage der Ausstattung mit digitalen Endgeräten für einkommensarme Schülerinnen und Schüler (Information für den Ausschuss der Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V., Unaufgeforderte Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 22. Februar 2021 um 14:30 Uhr zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie, online aufrufbar am 23.03.2021 unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/822264/726ba0d8ef9da0a0ca0b390ad49b3dc7/19-11-928neu-unverl-SN-Diakonie-data.pdf).

150 Euro als pandemiebedingte Einmalzahlung sind besser als nichts, aber Grundsicherungsempfänger haben sehr viel höhere Mehrkosten, weshalb sie statt einer Einmalzahlung einen monatlichen Aufschlag von 100 Euro brauchen, denn erst damit können sie ansatzweise die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie abfedern, zumal der Regelsatz schon vor der Pandemie kaum für eine gesunde Ernährung und soziale Teilhabe gereicht hat und es willkürlich ist, die Zahlung des Corona-Zuschlags am Monat Mai 2021 festzumachen, weil zu befürchten ist, dass dadurch Grundsicherungsempfänger durchs Raster fallen, und vom VdK vorgeschlagen wird, den Zuschlag an alle zu zahlen, die im ersten Halbjahr 2021 Grundsicherung erhalten, und begrüßt wird, dass nun endlich anerkannt wird, dass durch die COVID-19-Pandemie für die Menschen Mehrkosten entstehen, die in der Grundsicherung nicht abgedeckt sind. Hier einen Zuschlag zu gewähren ist eine längst überfällige Maßnahme, weil der Zuschlag erst für Mai 2021 gewährt wird, es dann jedoch zu spät ist, weil die Einschränkungen durch die Pandemiebekämpfung bereits im Februar 2020 begonnen haben. Dementsprechend hält der VDK die Höhe des Zuschlags mit 150 Euro für viel zu gering bemessen und verweist auf zeitweise zu starke Preiserhöhungen bei Lebensmitteln, auf Mehrkosten durch Hygiene- und Schutzmaßnahmen, und darauf, dass durch die Verlagerung des Lebens in die eigene Häuslichkeit höhere Kosten für Energie, Heizung und digitale Teilhabe entstehen, wobei gleichzeitig sehr viele kostenlose Hilfsangebote, wie die Lebensmittelausgaben der Tafeln, weggefallen sind (Stellungnahme des Sozialverbands VdK Deutschland e. V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und zur Änderung des SozialdienstleisterEinsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie, online zuletzt aufrufbar am 23.03.2021 unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/823042/d7301c695e92f3c9faa932b04edec7f6/19-11-947-unverl-VDK-data.pdf

Nach alldem ist auch über den Zeitpunkt des künftigen Inkrafttretens des evident verfassungswidrigen, das Grundrecht auf Gewährleistung des sozialen Existenzminimums verletzenden § 70 SGB II n. F. hinaus im vorliegenden sozialgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren die bisherige Anspruchsgrundlage des § 21 Abs. 6 SGB II heranzuziehen und nach deren Maßgabe das Vorliegen eines Mehrbedarfsleistungsanspruchs aus Anlass der COVID-19-Pandemie zu bejahen.

Die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen stellen damit weiterhin §§ 19 ff. i.V.m. §§ 7 ff. SGB II dar: Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II Arbeitslosengeld 2. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) haben. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB II). Nach § 21 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des SGB XII sowie weiterer Gesetze vom 09.12.2020 (BGBl. I S. 2855) wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II).

Die Antragstellerin ist nach diesen Beurteilungsmaßstäben vom 01.03.2021 bis 21.06.2021 leistungsberechtigt nach dem SGB II. Ausschlussgründe liegen bei ihr nicht vor. Sie hat Anspruch auf das ihr mit Bescheid „Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 17.11.2020 in der Fassung des „Änderungsbescheides“ vom 21.11.2020 in der Fassung des „Abhilfebescheides im Widerspruchsverfahren“ vom 13.01.2021 in der Fassung des Bescheides „Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 13.01.2021 in der Fassung des „Änderungsbescheides über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ vom 23.02.2021 in der Fassung des „Bescheides zur Aufhebung, Erstattung und Aufrechnung“ vom 23.02.2021 bewilligte Arbeitslosengeld 2. Dieses umfasst neben den hier nicht streitigen Unterkunftskosten den Regelbedarf und jene Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 6 SGB II, die nicht durch den Regelbedarf gedeckt sind. Ein insofern berücksichtigungsfähiger Mehrbedarf an MNBen liegt hier mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor.

Der aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) in das SGB II eingeführte zusätzliche Anspruch auf einen Härtefallmehrbedarf soll unter anderem Sondersituationen Rechnung tragen, in denen ein seiner Art oder Höhe nach auftretender Bedarf von der Statistik nicht aussagekräftig erfasst wird und sich der Regelbedarf als unzureichend erweist (BVerfG, 09.02.2010, 1 BvL 1/09 u. a., Rn. 206 ff., 220; BSG, 08.05.2019, B 14 AS 13/18 R). Der Gesetzgeber hat ausweislich der Gesetzesmaterialien mit der Härteregelung des § 21 Abs. 6 SGB II unter anderem einen dauerhaft erhöhten Hygienebedarf bezogen auf schwere Erkrankungen ausgleichen wollen (Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 21 [Stand: 06.01.2021], Rn. 120). Nach allgemeiner Auffassung ist der Anwendungsbereich des § 21 Abs. 6 SGB II deshalb eröffnet in Fällen der Notwendigkeit besonderer Hygieneartikel zum Schutze Dritter vor der Ansteckung mit einem gefährlichen Virus. Unter anderem wird das Bestehen eines grundsicherungsrechtlichen Mehrkostenaufwandes nach § 21 Abs. 6 SGB II anerkannt, soweit Hygienemittel zur Abwehr der Gefahr der Ansteckung Dritter mit dem „Humane Immundefizienz-Virus“ (abgekürzt: „HIV“ oder „HI-Virus“) genutzt werden (vgl. Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 67, UPD November 2020, § 21, Rn. 66). Der mit dem für die Beschaffung von Hygieneartikeln eines HIV-Infizierten zum Schutz vor Kontakt mit ansteckenden Körperflüssigkeiten generell anerkannte Mehrbedarf ist vergleichbar mit dem Mehrbedarf für die Beschaffung von Hygieneartikeln zum effektiven Schutz vor respiratorischem Kontakt mit SARS-CoV-2-haltigen Aerosolen (Fortführung von: SG Karlsruhe, 11.02.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER).

Der normative Gesamtmaßstab für die qualitative und quantitative Feststellung dieses Mehrbedarfs an MNBen ergibt sich aus einer integrativen Betrachtung des nach dem Grundgesetz garantierten Existenzminimums an sozialer Teilhabe, der nach dem Strafgesetzbuch gebotenen Abwendung von Gesundheitsschädigungen, des zur Gefahrenabwehr primär nach dem Infektionsschutzgesetz und sekundär nach der Corona-Verordnung erforderlichen Tragens von Mund-Nasen-Bedeckungen in hierfür geeigneter Qualität und Quantität sowie den beiden grundsicherungsrechtlichen Prinzipien des „Forderns“ zumutbarer Eigenbemühungen und des „Förderns“ individuell wie strukturell bedingt dauerhaft hilfebedürftiger Mitmenschen in prekären Lebensverhältnissen mit entsprechend herabgesetzter Anpassungsfähigkeit (Fortführung von: vgl. SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER).

Von diesem – rechtlich extrem komplexem und anstrengendem – Maßstab darf in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht zugunsten eines – griffigeren, aber verkürzten – anderen Maßstabs abgewichen werden, selbst wenn dies aus sog. „Praktikabilitätserwägungen“ wünschenswert erscheint (vgl. SG Karlsruhe, 12.01.2021, S 12 SO 3577/18), um durch Prozessökonomiesierungen in Sozialbehörden und -gerichten Personal- und Sachkosten zu reduzieren (vgl. SG Karlsruhe, 29.07.2019, S 12 SB 877/19; vgl. SG Karlsruhe, 14.04.2020, S 12 SB 3113/19; vgl. SG Karlsruhe, 26.05.2020, S 12 SB 3599/19). Für die Bemessung des Bedarfes an MNBen nach § 21 Abs. 6 SGB II ist richtigerweise daher gerade nicht nur von der CoronaVO in ihrer jeweils maßgeblichen Fassung auszugehen. Stattdessen muss der das Grundsicherungsrecht für Arbeitsuchende prägenden Grundsatz des „Forderns“ aus § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II den Ausgangspunkt der weiteren Mehrbedarfsprüfung bilden (Fortführung von: vgl. SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER). Da der streitbefangene Mehrbedarf aber nicht nur dem Infektionsschutz der Arbeitsuchenden selbst dient, sondern zuvörderst die Allgemeinheit vor der besonderen Gefahr einer weiteren Verbreitung von SARS-Cov-2 durch Arbeitsuchende ohne effektive MNB zu schützen, wird der spezifisch grundsicherungsrechtliche Maßstab aus § 21 Abs. 6, § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Bezug auf MNBen durch den speziellen Infektionsschutzzweck aus § 21 Abs. 6 SGB II i.V.m. § 1, § 28a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3, Satz 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 bis 3, § 32 Satz 1 IfSG i.V.m. §§ 1h, 1i CoronaVO gefahrenabwehrrechtlich überlagert (Fortführung von: vgl. SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER).

Infektionsschutz- bzw. gefahrenabwehrrechtlich sind für die Frage nach einem Masken-Mehrbedarf – neben den bloß untergesetzlichen Wertungen der Landesregierung des Bundeslandes Baden-Württemberg in ihrer CoronaVO – daher vor allem die vom zuständigen Bundesgesetzgeber selbst getroffenen Bestimmungen in § 28a IfSG zu berücksichtigen: § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG besagt, dass bei behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der von SARS-Cov-2 soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen sind, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung von SARS-Cov-2 vereinbar ist; gemäß § 28a Abs. 2 Satz 2 IfSG dürfen Schutzmaßnahmen nicht zur vollständigen Isolation von einzelnen Personen oder Gruppen führen; ein Mindestmaß an sozialen Kontakten muss gewährleistet bleiben. Gemessen hieran muss die Prüfung des Mehrbedarfs an MNBen daher nach dem erklärten Willen des maßgeblichen Bundesgesetzgebers darauf ausgerichtet werden, dass die Empfänger:innen der Grundsicherung durch diese unter den monatelang andauernden besonderen Epidemie-Bedingungen im existenzsichernden Mindestumfang am sozialen Leben teilhaben können und nicht übermäßig unter den sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen von SARS-Cov-2 leiden (Fortführung von: vgl. SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER).

Neben der infektionsschutzrechtlich gebotenen Gefahrenabwehrprognose ist zur hiernach gebotenen Bemessung der als angemessenen anzusehenden sozialen Teilhabe besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass auch die verfassungskräftigen Vorgaben des Grundrechtskatalogs gewahrt bleiben, denn nur so kann den sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen der derzeitigen sozialen Isolation entsprechend IfSG i. V. m. CoronaVO BW hinreichend Rechnung getragen werden (Fortführung von: vgl. SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER).

Daneben bemisst sich der Grundsicherungsbedarf an MNBen auch nach dem – bundesgesetzlichen – Strafgesetzbuch (StGB), weil Arbeitsuchende die rechtsverbindlichen Körperverletzungsverbote (aus §§ 12 Abs. 2, § 22 Abs. 2, § 23 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2, § 227 Abs. 1 StGB § 229 StGB) beachten (können) müssen. Dies wäre ihnen ohne die Gewährung eines grundsicherungsrechtlichen Mehrbedarfs an FFP2-Masken aber bei der Verrichtung ganz alltäglicher Erledigungen im Rahmen einer sozialen Teilhabe im grundrechtlich anzuerkennenden Mindestumfang unmöglich. Je nach den Umständen des Einzelfalls unternähmen Empfänger:innen von Grundsicherungsleistungen zwangsläufig verbotswidrige Handlungen, wenn sie bedingt vorsätzlich oder bewusst fahrlässig andere Personen mittels einer lebensgefährdenden Behandlung an deren Gesundheit entweder – im jeweils dezidiert strafrechtlichen Berufsjargon – „mit Erfolg“ oder zumindest „versuchsweise“ schädigten. In §§ 223 ff StGB untersagt es der bundesgesetzliche (Straf-) Gesetzgeber, beim Straßenbahnfahren, Einkaufen, Treppensteigen, Aufenthalt im Wartezimmer, Flanieren in der Fußgängerzone, etc. möglicherweise SARS-Cov-2-haltige Aerosole so auszustoßen, dass hierdurch die konkrete und nicht ganz fernliegende Gefahr einer Fremdinfektion mit SARS-Cov-2 geschaffen wird. Diese bundesgesetzliche Wertung aus §§ 223 ff. StGB genügt für die grundsicherungsrechtliche Bedarfsbestimmung, ohne dass es von Belang wäre, dass es zahlreiche Rechts-, Vollzugs- und Beweisprobleme im Bereich der individuellen Strafbarkeit im Zusammenhang mit COVID-19 gibt (Fortführung von: SG Karlsruhe, 11.02.2021, S 12 AS 213/21 ER, juris: Rn. 55 bis 70) und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER, juris Rn. 43 – 47).

An der Sache vorbei geht die Argumentation, der zufolge die hier irrelevante Frage verneint wird, ob Arbeitsuchende wegen des Tragens einer bloßen OP-Maske eine Bestrafung zu befürchten hätten (vgl. SG Reutlingen, 09.03.2021, S 4 AS 376/21 ER, juris Rn. 24). Derartige Diskursverschiebungen ignorieren die differenzierende Diktion der Rechtsprechung der 12. Kammer des SG Karlsruhe und verkennen, dass es für die grundsicherungsrechtliche Frage nach dem Maskenbedarf vorrangig auf die normative Bewertung des objektiven Erfolgsunwertes jedweder Gesundheitsschädigung bzw. den objektiven Handlungsunwert jedweder zu ihrer Verursachung geeigneten Handlung ankommt und nicht auf strafrechtliche Fragen des subjektiven Gesinnungsunrechts. Es ist für § 21 Abs. 6 SGB II vollkommen egal, ob Grundsicherungsempfänger:innen im Einzelfall wissen und/oder wollen, dass sie sich und/oder andere Menschen mit COVID-19 anstecken, und auch, ob es im Einzelfall Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe oder Beweisschwierigkeiten etc. gibt. Entscheidend ist, dass der sowohl für die Grundsicherung als auch für das Strafrecht zuständige Bundesgesetzgeber unmissverständlich solche Handlungen verbietet, die zu Ansteckungen mit dem Virus führen. Dass eben dies der Fall ist, lässt sich nicht ernstlich bestreiten. Vielmehr ist in Bezug auf die Ansteckung mit einem dem Infektionsgesetz unterliegenden Virus wie SARS-CoV-2, welches im Einzelfall einen durchaus schwerwiegenden oder gar tödlichen Verlauf nehmen kann, das Vorliegen eines unerlaubten und daher strafrechtlich relevanten Risikos zu bejahen (Esser/Tsambikakis, PandemieStrafR, § 2 Körperverletzungs- und Tötungsdelikte durch Ansteckung, Rn. 24). Auf die diesbezüglich erschöpfenden Ausführungen in den vorangegangenen Kammerbeschlüssen wird nochmal verwiesen (Fortführung von: SG Karlsruhe, 11.02.2021, S 12 AS 213/21 ER, juris: Rn. 55 bis 70 und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER, juris Rn. 43 – 47). Für den – folglich sachfremd zur irreführenden Frage nach der Vorsätzlichkeit einer Ansteckung verschobenen – Diskurs ist überdies abträglich, wenn zum strafrechtlichen Vorsatzbegriff sodann entgegen der einheitlichen Rechtsprechung und der nahezu einheitlichen Literatur sinngemäß die veraltete „Wahrscheinlichkeitstheorie“ aus der sprichwörtlichen ‚Mottenkiste‘ geholt wird (so aber: SG Reutlingen, 09.03.2021, S 4 AS 376/21 ER, juris Rn. 24). Mit dem bloßen Abstellen auf das kognitive Element und den vollständigen Verzicht auf das voluntative Element wird hier sozialrichterlich eine strafrechtsdogmatisch unerlässliche Abgrenzung zwischen Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit verunmöglicht, da der im Vergleich zum Fahrlässigkeitsdelikt gesteigerte Unrechtsgehalt jeder Vorsatztat stets in der bewussten Auflehnung gegen die Rechtsordnung besteht, was auch beim dolus eventualis neben dem kognitiven zwingend auch ein voluntatives Element voraussetzt (ständige Rechtsprechung seit: Bundesgerichtshof, 25.11.1987, 3 StR 449/87, NStZ 1988, 175). Richtigerweise wäre in Bezug auf die – nochmal: hier ohnehin irrelevante – Abgrenzung von Vorsätzlichkeit zur Fahrlässigkeit der Ansteckungshandlung mit SARS-Cov-2 nach der übereinstimmenden Rechtsprechung und herrschenden Literatur maßgeblich, ob ein:e Arbeitsuchende:r die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, diese ernst nimmt und sich mit ihr abfindet (vgl. Rengier, Allgemeiner Teil, 11. Aufl. 2019, § 13 Rn. 3). Insofern käme es auf den Einzelfall an, d. h., darauf ob er:sie es aufgrund der eigenen Kenntnisnahme des öffentlichen Epidemie-Diskurses für möglich hält, dass es infolge der Übertragbarkeit von SARS-Cov-2 mittels Aerosolen (unter Umständen selbst im Falle eines präsymptomatischen bzw. asymptomatischen Krankheitsverlaufs) und des diesbezüglichen unterschiedlichen Schutzniveaus verschiedener Standards von MNBen unter den räumlichen, zeitlichen und persönlichen Gegebenheiten des Einzelfalls zu einer Infektion kommen kann und ggfs. nicht trotzdem darauf vertraut, dass eine Ansteckung ausbleibt (vgl. Pörner: Die Infektion mit Krankheitserregern in der strafrechtlichen Fallbearbeitung, JuS 2020, 498 ff., 501; Fortführung von: SG Karlsruhe, 11.02.2021, S 12 AS 213/21 ER, juris: Rn. 55 bis 70 und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER, juris Rn. 43 bis 47).

Da die Bestimmung des Epidemie-bedingten grundsicherungsrechtlichen Bedarfs an MNBen unter umfassender Berücksichtigung und Gewichtung aller in Baden-Württemberg maßgeblichen Rechtsvorschriften erfolgen muss, stellen allein die Bestimmungen der CoronaVO BW zu MNBen keinen zureichenden Maßstab für die Mehrbedarfsprüfung dar. Die im Widerspruch hierzu teilweise als ausreichender normativer Maßstab erachtete CoronaVO kann für sich alleine schon deshalb kein zureichender Maßstab sein, weil die Landesregierung des Bundeslandes Baden-Württemberg als Normgeber nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes weder über die Verbandskompetenz noch über die Organkompetenz verfügt, Grundsicherungsleistungsansprüche nach dem SGB II eigenmächtig auszugestalten, und die CoronaVO mit Sicherheit nicht den vom Bundesverfassungsgericht unmissverständlich klargestellten Anforderungen an Rechtsgrundlagen im Bereich existenzsichernder Leistungen genügt (Fortführung von: SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER, entgegen: SG Karlsruhe, 01.03.2021, S 4 AS 470/21 ER; SG Frankfurt, 09.03.2021, S 9 AS 157/21 ER, juris Rn. 21; SG Reutlingen, 09.03.2021, S 4 AS 376/21 ER, juris Rn. 18 bis 23; SG Oldenburg, 08.03.2021, S 37 AS 48/21 ER, juris Rn. 23; SG Mannheim, 01.03.2021, S 5 AS 456/21 ER, juris Rn. 8).

Soweit in diesem Beschluss der 12. Kammer neben den vorrangigen Wertungen des Bundes-Infektionsschutzgesetzgebers ergänzend auch auf die nachrangigen Wertungen des bloßen Landes-Corona-Rechtsverordnungsgebers abgestellt wird, ist die CoronaVO BW im hier betroffenen Zeitraum 10.03.2021 bis 21.06.2021 in ihrer jeweils gültigen Fassung anzuwenden, d.h.: zwischen 08.03.2021 und 21.03.2021 entsprechend der 10. ÄnderungsVO vom 07.03.2021 und ab dem 22.03.2021 entsprechend der 11. ÄnderungsVO vom 19.03.2021, wobei in Anbetracht der bislang elfmaligen Verlängerung der Rechtswirksamkeit der CoronaVO im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch anlässlich der bereits seit Mitte März 2021 wieder exponentiell steigenden Neuinfektionszahlen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die CoronaVO entgegen § 21 Abs. 2 der 10. ÄnderungsVO über den 28.03.2021 hinaus – in abermals geänderter Form – in Kraft bleiben wird aufgrund neuerlicher ÄnderungsVOen, soweit dies für den hier betroffenen Zeitraum (d. h. bis 21.06.2021) entscheidungserheblich ist.

Neben § 70 SGB II n. F. ist auch die die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) vom 21.01.2021 für die Mehrbedarfsprüfung gemäß § 21 Abs. 6 SGB II unbeachtlich (Fortführung von: vgl. SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER). Gegen die Bejahung des Mehrbedarfs an MNBen aus § 21 Abs. 6 SGB II spricht nicht etwa, dass sich das Infektionsgeschehen seit diesen beiden Beschlüssen gebessert habe. Vielmehr hat sich die darin bereits beschriebene besorgniserregende Entwicklung in der seither vergangenen 11. Kalenderwoche hinsichtlich der Anzahl wöchentlicher Neu-Infektionen im Bundesgebiet nochmal deutlich verschlimmert (vgl. https://covid19.who.int/region/euro/country/de, zuletzt aufgerufen am 23.03.2021).

Dem Anordnungsanspruch des Mehrbedarfs an MNBen aus § 21 Abs. 6 SGB II steht nicht entgegen, dass diesbezügliche Aufwendungen bereits durch den Regelbedarf nach § 20 SGB II gedeckt wären. Soweit nicht der Mehrbedarf von Minderjährigen zutreffend verneint wird, weil deren Kopf für FFP2-Masken ohnehin zu klein ist (vgl. SG Karlsruhe, 01.03.2021, S 4 AS 470/21 ER sowie diesem Beschluss folgend: SG Karlsruhe, 03.03.2021, S 18 AS 469/21 ER sowie – nicht veröffentlicht, aber beschwerdefähig: SG Karlsruhe, 03.03.2021, S 17 AS 471/21 ER), erlauben sämtliche bis zum 24.03.2021 veröffentlichten und von der Rechtsprechung der 12. Kammer des SG Karlsruhe dem Leistungsgrunde nach abweichenden Entscheidungsbegründungen anderer Sozialgerichte keine Aufgabe der bisherigen Kammer-Rechtsprechung (Fortführung von: SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER; entgegen SG Lüneburg, 10.02.2021, S 23 AS 13/21 ER; SG München, 10.02.2021, S 37 AS 98/21 ER; SG München, 22.02.2021, S 52 AS 127/21 ER; SG Karlsruhe, 01.03.2021, S 18 AS 469/21 ER; SG Oldenburg, 08.03.2021, S 37 AS 48/21 ER; SG Mannheim, 01.03.2021, S 5 AS 456/21 ER; SG Mannheim, 25.02.2021, S 7 AS 301/21 ER; Sozialgericht für das Saarland, 09.03.2021, S 26 AS 23/21 ER; SG Reutlingen, 09.03.2021, S 4 AS 376/21 ER; SG Frankfurt, 09.03.2021, S 9 AS 157/21 ER; SG Landshut, 09.03.2021, S 7 AS 106/21 ER).

Nach alldem bleibt es einstweilen jedenfalls bis 21.06.2021 dabei: Zur Deckung ihres besonderen Schutzbedarfes gegen Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 steht Arbeitsuchenden ein subjektives Recht auf die Bereitstellung von medizinischen Mund-Nasen-Bedeckungen zu, welche den Anforderungen der Standards FFP2 (DIN EN 149:2001), KN95, N95 oder eines vergleichbaren Standards entsprechen, wobei den Trägern der Grundsicherung unbenommen bleibt, anstelle dieser Sachleistung im Wege der Geldleistung ein höheres Arbeitslosengeld II zur Deckung dieses Mehrbedarfs zu gewähren. Die Anzahl des im Falle der Erbringung als Sachleistung anzuerkennenden Mehrbedarfs an FFP2-Masken ohne Ausatemventil schätzt die Kammer gemäß § 202 SGG i.V.m. § 287 Abs. 2 ZPO für April 2021 und Mai 2021 weiterhin auf wöchentlich durchschnittlich 20 bzw. monatlich 86 neue Exemplare (Fortführung von: vgl. SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER).

Dieser Bezifferung des FFP2-Masken-Bedarfs steht nicht entgegen, dass diese manchmal bei sachgerechter Handhabe mehrmals verwendet werden können, nachdem sie sieben Tage getrocknet worden sind (sehr eingehend SG Karlsruhe, 11.02.2021, S 12 AS 213, juris, Rn. 92 bis 122; nach nur oberflächlicher Prüfung a. A.: SG Mannheim, 01.03.2021, S 5 AS 456/21 ER, juris, Rn. 12; Sozialgericht für das Saarland, 09.03.2021, S 26 AS 23/21 ER, juris, Rn. 21; SG Frankfurt, 09.03.2021, S 9 AS 157/21 ER, juris Rn. 23; SG Oldenburg, 08.03.2021, S 37 AS 48/21 ER, juris Rn. 25; SG Mannheim, 01.03.2021, S 5 AS 456/21 ER, juris Rn. 12).

Dieser geschätzte Mehrbedarf von wöchentlich 20 neuen FFP2- Masken wird sich prognostisch in quantitativer Hinsicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ab 01.06.2021 sukzessive wöchentlich um jeweils 25 Prozent reduzieren und im Sommer 2021 (d. h.: ab dem 22.06.2021) nicht mehr fortbestehen. Diese Prognose beruht zum einen auf dem bereits 2020 (allgemeinbekanntermaßen) festzustellenden saisonalen Rückgangs der Neuinfektionen mit SARS-COV-2. Des Weiteren beruht diese Prognose auf der – inzwischen ebenfalls allgemeinbekanntermaßen – indirekten Form des individuellen Schutzes vor einer ansteckenden Krankheit, der entsteht, wenn sich die Ausbreitungsmöglichkeiten des Erregers innerhalb der Population insgesamt dadurch vermindern, dass ein steigender Prozentsatz einer Population bereits durch Infektion oder durch Impfung immun geworden ist. Schließlich beruht diese Prognose auf den für Baden-Württemberg absehbaren und erneut sehr harten Maßnahmen zum Infektionsschutz. Diese sind im Nachgang zum nächtlichen „Bund-Länder-Gipfel“ der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsident:innen der Länder u. a. in Form einer 12. ÄnderungsVO zur CoronaVO BW binnen weniger Tage zu erwarten. Nach den allgemein bekannt gewordenen Absprachen ist eine bundesweite Rückkehr aller Landesregierungen zum sog. „harten Lockdown“ vereinbart worden.

Da es im vorliegenden Verfahren ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge auch nicht an der für den Erlass einer Regelungsanordnung vorausgesetzte Eilbedürftigkeit fehlt, liegt auch ein Anordnungsgrund vor.

Dies gilt auch unter Zugrundelegung des Umstandes, dass der Gesetzgeber den zusätzlichen durch die Corona-Pandemie verursachten Erschwernissen bereits Rechnung getragen hat und Anspruchsberechtigte nach dem SGB II nach der Ersten Verordnung zur Änderung der Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung vom 04.02.2021 in der Zeit bis 06.03.2021 je zehn FFP2-Masken pro Person kostenlos erhalten können. Auch unter Berücksichtigung der zehn demnach bereit gestellten FFP2-Masken ist die Antragstellerin in dem hier betroffenen Zeitraum vom 10.03.2021 bis 21.06.2021 auf weitere MNBen eines zumindest vergleichbaren Qualitätsstandards angewiesen. Es ist nicht ersichtlich, wie die Antragstellerin ihren monatlichen FFP2-Masken-Bedarf von 86 Exemplaren ab 10.03.2021 mithilfe ihr bereits zwischen dem 04.02.2021 und dem 06.03.2021 überlassenen 10 Exemplaren decken können sollte. Selbst wenn ihr die MNBen erst am 06.03.2021 zur Verfügung gestellt worden wären, hätte ein von der 12. Kammer schätzungsweise angenommener und von der Antragstellerin in diesem Eilverfahren substantiiert dargelegter Wochenverbrauch von 20 FFP2-Masken dazu geführt, dass in den vier Tagen zwischen 06.03.2021 und 10.03.2021 die zehn neuen MNBen bereits verbraucht worden wären.

Wenn – wie hier – Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfordern, steht es gemäß § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG ausdrücklich im Ermessen des Gerichts, welche konkreten Anordnungen zur Erreichung des Zwecks des Eilverfahrens getroffen werden.

Inhalt einer im gerichtlichen Ermessen stehenden einstweiligen Verfügung kann auch sein, dem Antragsgegner eine bestimmte Handlung aufzugeben. Unter Ausübung ihres Auswahlermessens macht die Kammer hier von dieser Möglichkeit in der im Tenor ersichtlichen Weise Gebrauch und gibt dem Antragsgegner einstweilig auf, dem Antragsteller FFP2-Masken in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang und der dort vorgesehenen Regelmäßigkeit als Sachleistung am Wohnsitz des Antragstellers (d. h. im Sinne einer Schickschuld) zur Verfügung zu stellen. Das Gericht stellt dem Antragsgegner zugleich aber frei, seine Leistungspflicht nach seiner Wahl (d. h.: nicht nach Wahl des Antragstellers) alternativ hierzu dadurch zu erfüllen, dass er im Rahmen der laufenden Gewährung von Arbeitslosengeld 2 zugunsten des Antragstellers einen geldwerten Mehrbedarf in der vom Gericht geschätzten Höhe für die Selbstbeschaffung der FFP2-Masken in der erforderlichen Qualität und Quantität geldleistungserhöhend berücksichtigt (Fortführung von: vgl. SG Karlsruhe, 11.11.2021, S 12 AS 213/21 ER und SG Karlsruhe, 11.03.2021, S 12 AS 565/21 ER).

Die im Falle der Erbringung als Geldleistung fällige Höhe des Mehrbedarfs an FFP2-Masken schätzt das Gericht auf der Grundlage von § 202 SGG i.V.m. § 287 Abs. 2 ZPO auf 34,40 € monatlich, ohne dass es hierbei die schwankende Anzahl von Monatstagen berücksichtigen dürfte (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Hierbei legt die Kammer die im Online-Handel wie in Supermärkten und Drogerien seit ihrem letzten Beschluss vom 11.03.2021 abermals erheblich gesunkenen Preise zugrunde. Von ihrer eigenen Entscheidung abweichend erscheint es hiernach inzwischen überwiegend wahrscheinlich, dass in der Größenordnung von 50 Exemplaren ein Stückpreis von durchschnittlich nur noch ca. 0,40 € für FFP2-, KN95- oder N95- Corona-Schutzmasken (ohne zusätzliche Lieferkosten) für die Selbstbeschaffung aufzuwenden sind (vgl. https://geizhals.de/ffp2-atemschutzmaske-verschiedene-hersteller-a2456596.html; zuletzt aufgerufen am 23.03.2021). Bei durchschnittlich 4,3 Wochen je Kalendermonat resultiert rechnerisch aus einem Mehrbedarf von 86 FFP2-Masken ein geschätzten Monats-Gesamtpreis von 34,40 €, was rechnerisch einem Wochenbedarf von (gerundet) 8,- € entspricht.

Aus dieser für die Bewilligungsmonate April 2021 und Mai 2021 maßgeblichen kalendermonatlichen Geldleistungshöhe ergibt sich im hier vorliegenden Eilverfahren in Bezug auf den Bewilligungsmonat März 2021 für dessen letzte streitbefangene Woche ab dem Tag dieses Beschlusses (24.03.2021) bis zum Monatsende am 31.03.2021 ein anteiliger Mehrbedarf von 8,- € (rechnerisch: für eine Woche insgesamt 20 Masken zu je 0,40 € = 8,- €).

Für die 14 Tage im März 2021, die seit Eingang des Eilantrags beim Sozialgericht Karlsruhe am 10.03.2021 und diesem Eilbeschluss am 24.03.2021 bereits verstrichen sind, erfüllte eine nachträgliche Sachleistung des Antragsgegners ihren Leistungszweck nicht mehr, weshalb das Gericht den Antragsgegner insofern vorläufig zur nachträglichen Leistungsgewährung in Form einer Geldleistung verpflichtet und einen Betrag von 16,- € als der Höhe nach angemessen erachtet, denn rechnerisch musste die alleinerziehende Antragstellerin für die zwei Wochen des Eilgerichtsverfahrens jeweils 20 Masken zu je 0,40 € (2 x 20 x 0,40 € = 16,- €) aus eigener Tasche vorstrecken, um mit ihrem zweijährigen kardiologisch behinderten (und damit der Gruppe der Risikopatienten unterfallenden) Kleinkind Termine im Krankenhaus und bei der Physiotherapie von ihrem ländlich gelegenen Teilort erreichen und betreten zu können, ohne sich und/oder ihre Mitmenschen an Leib und Leben zu gefährden.

Die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur entsprechenden Mehrbedarfsleistung stellt auch in der Gesamtbetrachtung der widerstreitenden Interessen eine geeignete, erforderliche und angemessene, insgesamt also verhältnismäßige Maßnahme dar.

Sie lässt insbesondere auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht außer Acht, weil sie den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz Rechnung trägt. Die mit der kostenfreien Versorgung mit MNBen einhergehende Privilegierung von Grundsicherungsempfänger:innen gegenüber anderen – insbesondere anderen einkommensschwachen – Bevölkerungsschichten ist durch Unterschiede hinreichender Art und hinreichenden Gewichts gerechtfertigt, weil Einsparobliegenheiten nur dort bestehen, wo auch Einsparpotentiale vorhanden sind. Die Einsparpotenziale im Bezug existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II unterscheiden sich aber aus zweierlei Gründen ganz wesentlichen von den Einsparpotentialen Angehöriger anderer Gesellschaftsschichten.

Erstens verfügen Arbeitsuchende und ihre Angehörigen aus oft vielschichtigen (individuellen wie strukturellen) Gründen über eine regelmäßig herabgesetzte Anpassungsfähigkeit im Umgang mit den Herausforderungen der COVID-19-Epidemie. Selbst unter dem viel beschworenen „Brennglas“ der Pandemie werden die Folgen dieser herabgesetzten Umstellungsfähigkeit für derzeit voneinander noch mehr als sonst sozial distanzierte Gesellschaftsschichten erst nach und nach sichtbar werden, wenn der bereits im November 2020 beschlossene und bis mindestens Ende Mitte April andauernde sog. „Lockdown“ endlich zu Ende gehen wird. Es ist aus der richterlichen Befassung mit einer Vielzahl grundsicherungsrechtlicher Streitigkeiten sozialgerichtsbekannt, dass Arbeitsuchende aus oft nicht sogleich zutage tretenden und unterschiedlichsten Gründen (z. B. wegen Suchtmittelabhängigkeit, beengter Wohnverhältnisse, Kinderreichtum, Alleinerziehung, familiärer Gewalterfahrungen, aufgrund körperlicher und/oder psychischer Komorbiditäten, mangels supportiver sozialer Netzwerke, aufgrund sprachlich und/oder ethnisch verursachter Integrationsprobleme, wegen mangelndem Zugang zu Bildung und Beratung, aus Rassismus, Klassismus, Sexismus, etc.) weniger flexibel auf alltägliche Erschwernisse reagieren können als im Vergleich zu ihnen privilegiertere Personen. Das in Gesellschaftskreisen ohne engen Kontakt mit dem sog. „Hartz-IV“-Milieu verbreitete und – mehr oder weniger verhohlene – Zerrbild des „schmarotzenden Hartz-IV-Empfängers“ trügt. Die Lebenswirklichkeit ist oft komplizierter als es von außen oder aufgrund der bloßen Aktenlage scheint (vgl. exemplarisch einen Extremfall aus der Kammer-Rechtsprechung von vor zwei Monaten, in dem hier ausnahmsweise erforderliche medizinische Ermittlungen ausnahmsweise den regelmäßig in der Aktenlage sonst verborgenen Hintergrund von Langzeitarbeitslosigkeit zutage förderten: SG Karlsruhe, 31.12.2020, S 12 AS 2003/20). Grundsicherungsempfänger:innen beziehen existenzsichernde Leistungen in aller Regel nicht aus Bequemlichkeit, sondern, weil sie aus individuellen und gesellschaftlichen Gründen keinen gleichen Zugang zu den Lebenschancen haben, welche der – insofern privilegierte und in Teilen ignorante – Großteil der Bevölkerung für selbstverständlich hält. Der Sozialgesetzgeber hat eben dieser herabgesetzten Eigenverantwortlichkeit im SGB II durch ein umfangreiches System individueller Fördermöglichkeiten nach § 16 ff. SGB II Rechnung getragen. Bei der Gewährung von MNBen entspricht es daher seinem mutmaßlichen Willen, entsprechend dem SGB II- Struktur-Prinzip des „Förderns“ dauerhaft hilfebedürftige Mitmenschen in ihren prekären Lebensverhältnissen während der COVID-19-Epidemie wesentlich mehr zu unterstützen als Gering- und Besserverdiener:innen. Eben diesen Willen hat der Gesetzgeber auch am 24.02.2021 bzw. 05.03.2021 erneut – wenngleich in verfassungswidriger Weise, siehe oben – zum Ausdruck gebracht.

Zweitens können von Arbeitsuchenden und den Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaften auch in spezifisch wirtschaftlicher Hinsicht nicht gleichermaßen Einsparobliegenheiten verlangt werden wie von sozial und wirtschaftlich besser gestellten Gesellschaftsschichten. Die gesetzliche Regelbedarfs-Leistungshöhe im SGB II-Bezug geht nicht über das schlichte Existenzminimum hinaus. Anlässlich der Epidemie eingetretene Mehrbedarfe können Grundischerungsempfänger:innen daher nicht durch Einsparungen kompensieren, ohne dass ihnen existenzsichernde Leistungen in anderen Bereichen fehlen. Besser- und Geringverdiener:innen ist dies hingegen möglich (wenngleich fraglos lästig). Sozialstaatsprinzip und Menschenwürde erlauben es aber schlechterdings nicht, Arbeitsuchende aus Neid und unter Hinweis auf Einsparleistungen von Besser- und Geringverdiener:innen (geschweige denn: von Großverdiener:innen) auf die im SGB-II-Bezug verfassungsrechtlich fehlenden Einsparmöglichkeiten zu verweisen. Beim Existenzminimum ist ‚Ende Gelände‘. Das bundesdeutsche Verfassungsrecht sieht in Art. 1 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Art. 20 Abs. 1 GG die Sozialpflichtigkeit nicht bei den Menschen, die bereits am untersten Rand des Menschenwürdigen leben, sondern bei denen, die über ausreichend Privateigentum verfügen, denn dessen Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen, während die Würde des Menschen und das Prinzip des Sozialstaats unantastbar sind, vgl. Art. 79 Abs. 3 GG.

Gegen dieses Ergebnis kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, die Antragstellerin könne die Kosten des Kaufes von FFP2-Masken in eben dieser Höhe jeweils aus dem Regelsatz bestreiten und hierdurch zur Mehrbedarfsdeckung gegenwärtig auf eigene Mittel zurückgreifen. Eine Bedarfsdeckung ist unter Epidemie-Bedingungen nicht im Wege anderweitiger Einsparmöglichkeiten gegeben. Vermeintlich aufgrund der aktuellen Einschränkungen des öffentlichen Lebens sowie der bestehenden Kontaktbeschränkungen möglicherweise reduzierte Ausgaben in den Bereichen Verkehr, Freizeit, Unterhaltung, Kultur und für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen erlauben keine hinreichende Umschichtung freiwerdender Mittel aus diesen Bereichen zur Deckung der Kosten von Hygienemitteln in Gestalt von wöchentlich 20 FFP2-Schutzmasken (sehr eingehend SG Karlsruhe, 11.02.2021, S 12 AS 213, juris: Rn. 74 bis 81; nach oberflächlicher Prüfung a. A.: SG Mannheim, 01.03.2021, S 5 AS 456/21 ER, juris: Rn. 12; Sozialgericht für das Saarland, 09.03.2021, S 26 AS 23/21 ER, juris: Rn. 21; SG Frankfurt, 09.03.2021, S 9 AS 157/21 ER, juris Rn. 24; SG Landshut, 09.03.2021, S 7 AS 106/21 ER, juris Rn. 21; SG Oldenburg, 08.03.2021, S 37 AS 48/21 ER, juris Rn. 26). Sämtliche hierzu bis zum 24.03.2021 sozialgerichtlich oder landessozialgerichtlich veröffentlichten Entscheidungen, wonach derartige Einsparmöglichkeiten bestünden, entbehren einer Auseinandersetzung mit den hierzu öffentlich zugänglichen Erkenntnisquellen. Insbesondere lassen die hierzu bislang veröffentlichten Entscheidungen keine Auseinandersetzung erkennen mit den vom Bundestag eigens für die Beratungen zu § 70 SGB II n. F. eingeholten sachverständigen Auskünfte der im Grundsicherungsmilieu engagierten Wohlfahrtsverbände sowie der Bundesagentur für Arbeit, etc. siehe oben.

Die mit dieser Entscheidung ggf. verbundene vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache hält die Kammer im Sinne der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) für hinnehmbar.

Den mit diesem Eilantrag über den Sommeranfang am 21.06.2021 hinaus bis einschließlich „30.07.2021“ (nicht: 31.07.2021) geltend gemachten Mehrbedarfsanspruch an FFP2-Masken hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, denn der Mehrbedarf wird sich aus den oben bereits dargelegten Gründen prognostisch in quantitativer Hinsicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ab 01.06.2021 wöchentlich um jeweils 25 Prozent sukzessive reduzieren und ab dem 22.06.2021 nicht mehr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fortbestehen, siehe oben.

4. Dieser Beschluss kann gemäß § 172 SGG nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Baden-Württemberg angefochten werden.

Der Beschwerdeausschluss gilt wegen der Unterschreitung der Beschwerdesumme von 750,- € gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1, Satz 2 SGG für die endgültige Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, da im Hauptsacheverfahren eine Berufung gegen ein erstinstanzliche Entscheidung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts bedürfte, weil der hier angefochtene Verwaltungsakt die Gewährung einer Geld-, Dienst- oder Sachleistung betrifft und insgesamt und im Beschwerdeverfahren weniger als 750,- € im Streit stünden.

Die Beteiligten stritten in erster Instanz zwar über Sach- oder Geldleistungen im Wert bzw. in Höhe von monatlich 129,- € für einen Zeitraum von 6 Monaten und 7 Tagen, das heißt über Sach- bzw. Geldleistungen im Wert von insgesamt 804,- €, da unter Zugrundelegung des Antragsbegehrens ein monatlicher Mehrbedarf in Höhe von 129,- € bzw. ein wöchentlicher Mehrbedarf von 30,- € beansprucht wird, was rechnerisch eben 804,- € entspricht (6 x 129,- € + 30,- € = 804,- €).

§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG regelt jedoch den Ausschluss der Beschwerde für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Die Beschwerde ist danach in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur dann eröffnet, wenn es sich in der Hauptsache um eine zulassungsfreie Berufung handeln würde. Dies bestimmt sich nach § 144 Abs. 1 SGG. Ob in der Hauptsache eine Zulassung nach § 144 Abs. 2 SGG in Betracht kommt, ist daher unerheblich (Karl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 172 SGG [Stand: 28.01.2021], Rn. 137). Für die Frage, ob die Berufung ohne Zulassung statthaft ist, kommt es nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG auf den Wert des Beschwerdegegenstandes an, der danach zu bestimmen ist, was das SG dem:der Rechtsmittelkläger:in versagt hat und was diese:r mit seinen:ihrem Berufungsanträgen bzw. Beschwerdeanträgen weiter verfolgt. Wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen bzw. der Eilantrag vollumfänglich abgelehnt, stellt das SG auf den Gegenstandswert der Klage bzw. des Eilverfahrens ab; haben Klage bzw. Eilantrag teilweise Erfolg, ist auf einen entsprechenden Teil zu rekurrieren; für den:die unterlegene:n Beklagte:n bzw. Antragsgegner:in ist regelmäßig die sich für ihn:sie aus dem Urteilsausspruch ergebende Belastung maßgebend (MKLS/Keller, 13. Aufl. 2020, SGG § 144 Rn. 14).

Gemessen hieran ist die Beschwerde für beide Verfahrensbeteiligten ausgeschlossen. Für beide liegt der Wert des größtmöglichen Beschwerdegegenstandes unterhalb von 750,- €:

Der Antragsgegner unterliegt in Bezug auf seine Verpflichtungen zur Sach- oder Geldleistungsgewährung für die Zeit von 10.03.2021 bis 21.06.2021 bzw. im Umfang von insgesamt 104,80 € (rechnerisch: 16,- € + 8,- € + 34,40 € + 34,40 € + 6,- € + 4,- € + 2,- € = 104,80 €).

Die Antragstellerin unterliegt in Bezug auf die begehrte, aber gänzlich abgelehnte Verpflichtung zur Sach- bzw. Geldleistungsgewährung für die Zeiträume von 25.01.2021 bis 09.03.2021 sowie 22.06.2021 bis 30.07.2021. Zudem unterliegt die Antragstellerin auch für den übrigen streitbefangenen Zeitraum vom 10.03.2021 bis 21.06.2021 betreffend die Höhe der wahlweisen Geldleistung, da ihr insofern anstelle der einstweilen begehrten Beträge von monatlich 129,- € nur monatlich 34,40,- € bzw. wöchentlich 8,- € statt 30,- € zugesprochen werden. Unter kumulativer Berücksichtigung dieser genannten Streitgegenstände unterliegt die Antragstellerin im Umfang von insgesamt 699,20 € (rechnerisch: 804 € – 104,80 € = 699,20 €).

§ 172 Abs. 3 Ziff. 2c SGG erweitert den Beschwerdeausschluss in derartigen Fällen im Übrigen auf diesbezügliche Beschlüsse über Prozesskostenhilfeanträge (vgl. Karl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 172 SGG (Stand: 15.06.2020), Rn. 179).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und folgt im Wesentlichen aus dem Umfang des Obsiegens bzw. Unterliegens, d. h. hier dem Verhältnis von 1/8.

6. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist stattzugeben, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO besteht ein Anspruch auf Beiordnung eines:r Rechtsanwalts:in dann, wenn die Vertretung durch einen solchen erforderlich erscheint. Hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung dann, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage mit gewisser Wahrscheinlichkeit feststeht, dass das Klage- oder Antragsbegehren begründet sein kann (Leitherer in: Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Auflage 2020, § 73 a Rn. 7 ff). Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des:der Antragstellers:in aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist.

Der hier vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bot bei Anlegung dieses Maßstabs zum Zeitpunkt der erstmaligen Bewilligungsreife der Prozesskostenhilfe aus den oben genannten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der Antragstellerin wird daher für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten (Rechtsanwalt …, …, …) bewilligt.

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