Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 2 U 35/18 – Urteil vom 04.12.2019
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine höhere Rente sowie Zahlung von Verletztengeld über den 31. März 2010 hinaus.
Die am … Mai 1951 geborene Klägerin erlitt am 10. Juni 2008 einen Verkehrsunfall, als sie sich auf dem Weg zur Arbeit befand. Prof. Dr. E. schilderte in seinem Durchgangsarztbericht vom 17. Juli 2008, dass die Klägerin von einem LKW überrollt worden sei. Als Erstdiagnose wurden in der Unfallanzeige aufgeführt: ein Verdacht auf eine Kieferköpfchenläsion links, eine Risswunde zwischen dem vierten und fünften Finger links, eine Kopfplatzwunde frontal, ein Weichteilschaden am Unterschenkel beidseits, eine bimalleoläre obere Sprunggelenksfraktur links, eine Fraktur und Impression des Hüftkopfes, eine dorsale Hüftluxation links mit Pfannenrandfragment sowie multiple Prellungen.
Die Klägerin befand sich vom 10. Juni bis 11. Juli 2008 in stationärer Behandlung in der Asklepios Klinik S.. Am 10. Juni 2008 erfolgte die offene Reposition der Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich der Tibia distal mit Osteosynthese durch Schrauben und im Bereich der Fibula distal durch eine Platte. Ferner erfolgte eine offene Reposition einer Gelenkluxation im Hüftgelenk durch Schrauben. Am 4. Juli 2008 führte der Operateur Dr. F. darüber hinaus eine großflächige Spalthauttransplantation vom Oberschenkel zum Unterschenkel durch.
Die Stationsärztin M. des AK S. erklärte in einem ärztlichen Zwischenbericht vom 21. August 2008, dass aufgrund des Taubheitsgefühls in der linken Gesichtshälfte am 14. Juli 2008 ein CT durchgeführt worden sei, welches keinen Befund ergeben habe. Am 4. August 2008 sei dann noch ein C-MRT durchgeführt worden, dass auch keinen Anhalt für einen pathologischen Befund gegeben habe.
Nach einer stationären frührehabilitativen Behandlung vom 11. Juli bis einschließlich 4. September 2008 stellte Dr. G., Zentrum für Rehabilitationsmedizin, noch eine Bewegungs- und Belastungseinschränkung des linken Beines, eine Bewegungs- und Belastungseinschränkung des linken oberen Sprunggelenkes, einen gedeckten Haut-Weichteildefekt am rechten oberen lateralen Sprunggelenk, einen heilenden Haut-Weichteildefekt am linken Unterschenkel und eine verheilte Kopfplatzwunde links frontal und eine stattgehabte Mittelfingerfraktur rechts fest.
Die Dipl.-Psychologin H., bei welcher sich die Klägerin vom 29. August bis 2. September 2008 in psychologischer Behandlung befand, erklärte in ihrem Bericht vom 2. September 2008, dass aufgrund der Einschätzung des Selbstauskunftsbogens und des Gesprächs mit der Klägerin zwar von objektiv und subjektiv einschneidenden Folgen des schädigenden Ereignisses auszugehen sei, aber keine behandlungsbedürftige posttraumatische Belastungsstörung vorliege.
Im Rahmen der Verlegung zur Berufsgenossenschaftlichen Stationären Weiterbehandlung (BGSW) am 13. November 2008 beklagte die Klägerin noch ein Taubheitsgefühl der linken Gesichtshälfte, Rückenbeschwerden und Beschwerden im oberen Sprunggelenk links, vor allem im Außenknöchelbereich und eine eingeschränkte Hüftbeweglichkeit, vor allem in der Außenrotation.
Das MRT des Neurocraniums vom 14. November 2008 ergab infra- und supratentoriell eine regelrechte Weite der inneren und äußeren Liquorräume ohne Nachweis pathologisch signalgebender Areale, kein Nachweis von raumfordernden Strukturen, eine regelrechte Gyrierung der Großhirnhemisphären und eine ordnungsgemäße Belüftung der Felsenbeine. Insgesamt bestand ein unauffälliges MRT. Der Facharzt für Neurologie Dr. Gk. diagnostizierte mit Bericht vom 10. Dezember 2008 einen Verdacht auf eine funktionelle Körperstörung sowie eine bekannte unspezifische Angststörung. Weitere Diagnostik sei aus neurologischer Sicht zunächst nicht erforderlich.
Im ärztlichen Entlassungsbericht aus der BGSW vom 16. Januar 2009 wurde dargelegt, dass die neurologische Untersuchung unauffällig gewesen sei. Insbesondere sei von der Patientin keine Gefühlsstörung bei der Testung aller sensiblen Qualitäten im Gesicht angegeben worden. Von der hiesigen mitbehandelnden Psychologin sei zu erfahren, dass die Klägerin multiple psychische Probleme habe.
Der Arzt für Chirurgie, Chirotherapie und Sportmedizin Dr. Ck. wies mit Zwischenbericht vom 20. Februar 2009 darauf hin, dass die Klägerin starke Angstzustände, ein weiterhin vermindertes Schmerzgefühl und Gangunsicherheit in beiden Beinen vortrage. Mit Befundbericht vom 3. März 2009 beschrieb der Diplom-Psychologe S., dass wöchentlich Therapiesitzungen stattfänden und die durch den Unfall verursachten Symptome noch sehr stark vorhanden seien. Es werde ein schwieriger und längerer therapeutischer Prozess.
Mit neurologischem Befundbericht vom 19. März 2009 erklärten die Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dr. Gk. und Dr. P., dass die noch anhaltende Anpassungsstörung unfallursächlich sei. Der Fortgang der eingeleiteten Arbeits- und Belastungserprobung sei gegenwärtig als gefährdet zu betrachten. Mit Befundbericht vom 30. Juni 2009 beschrieb der behandelnde Psychotherapeut S., dass das Unfallereignis nunmehr etwas in den Hintergrund getreten sei. Der Klägerin sei es inzwischen möglich, sich dem Unfallort zu nähern.
Während der stationären Behandlung vom 5. August 2009 bis zum 13. August 2009 erfolgte die Entfernung der einliegenden LCDC-P am linken Außenknöchel und der beiden Spongiosa-Schrauben am linken Innenknöchel.
Die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. Hm. erklärte in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 21. September 2009, dass die Klägerin ab dem 5. November 1993 in regelmäßigen Abständen bis zum 16. Dezember 1996 und dann wieder ab dem 14. Dezember 2000 bis zum 30. Januar 2001 in ihrer Praxis wegen einer depressiven Symptomatik vorstellig gewesen sei. Es hätten erhebliche Belastungen im familiären und sozialen Umfeld bestanden und für Antriebsstörungen, Selbstzweifel, Erschöpfung, ein chronifiziertes Schlafbedürfnis und für Schlafstörungen gesorgt. Der bei der Klägerin seit der Kinder- und Jugendzeit bestehende übergenaue, anankastische Arbeitsstil habe für zusätzliche Erschöpfung gesorgt.
Nach Durchführung einer cranialen Mehrschicht-Computertomographie sowie Mehrschicht-Spiral-CT des Gesichtsschädels einschließlich der Kiefergelenke am 22. September 2009 wies Dr. K. darauf hin, dass eine unauffällige Darstellung der Kiefergelenke, insbesondere der linken Seite bestehe. Allenfalls lägen geringe degenerative Veränderungen am Kieferköpfchen rechts vor. Darüber hinaus bestehe ein Normalbefund des Cerebrums ohne Hinweis auf eine intracranielle Blutung bzw. auf eine Rissbildung oder Verletzung des Cerebrums. Der HNO-Arzt Dr. Sch. gab dann im Befundbericht vom 24. September 2009 an die Beklagte an, dass das CT eine unauffällige Darstellung der Kiefergelenke, der Schädelbasis, des Gesichtsschädels und des Cerebrums gezeigt habe. Eine spezifische Therapie sei nicht erforderlich.
Nach Durchführung einer Röntgendiagnostik vom 29. September 2009 (Oberes Sprunggelenk beidseits, Hüftgelenke beidseits, Hände beidseits) schätzten die Gutachter Dr. Gr., Herr B. und Dr. J. in ihrem ersten Rentengutachten vom 3. November 2009 die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) der Klägerin ab dem 14. April 2009 mit 20 v. H. ein. Nach Ablauf von drei Jahren nach dem Unfall betrage die MdE voraussichtlich noch 10 bis 20 v. H. Als Unfallfolgen beschrieben die Gutachter:
– eine verheilte Acetabulum-Fraktur links mit einliegendem Osteosynthese-Material und leichter Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes,
– eine verheilte bimalleoläre obere Sprunggelenksfraktur links mit Status nach Materialentfernung aufgrund einer vorzeitigen Materiallockerung mit verbliebener Bewegungseinschränkung des linken oberen Sprunggelenks und anlaufender Verschleißumformung im Bereich des oberen Sprunggelenks,
– eine leichte Kalksalzminderung im Bereich des linken oberen Sprunggelenks und der Fußwurzelknochen links,
– eine reizlos eingeheilte Spalthautplastik im Bereich des rechten Außenknöchels,
– reizlose OP-Narben im Bereich des linken oberen Sprunggelenks sowie im Bereich der linken Hüfte und des linken Oberschenkels,
– eine reizlos verheilte Risswunde im Bereich der rechten Hand,
– eine verbliebene Gangbildstörung,
– eine Schwellneigung im Bereich beider oberer Sprunggelenke.
Der Arzt für Neurologie Dr. Mh. wies mit seinem Befundbericht vom 22. November 2009 darauf hin, dass die Klägerin weiterhin Missempfindungen im linken Kopfbereich beschreibe. Eine Irritation des Trigeminus könne nicht positiv belegt werden. Es erscheine lediglich ein Zusammenhang mit einer wohl stattgehabten/vermuteten Kiefergelenksluxation links bei unspezifischen Missempfindungen möglich. Im weiteren Verlaufsbericht vom 12. Oktober 2009 beschrieb Dr. Mh., dass die gutachterliche Lage, die kein organisches Korrelat ergeben habe, die Lage weiter zugespitzt und zu einer zunehmenden Beschwerdefixierung geführt habe. Es bestehe kein Hinweis auf eine asonal-motorische C7 Läsion. Im weiteren Verlaufsbericht vom 16. November 2009 hieß es, dass die Missempfindungen im linken Gesichtsbereich nicht exakt dem N. mandibularis zuzuordnen seien, letztendlich aber eine Irritation dieser Nervenstruktur unverändert denkbar sei.
Mit nervenärztlichem Gutachten vom 23. November 2009 schätzten die Gutachter Kp. und Dr. Gk. die MdE aufgrund der unfallbedingten Anpassungsstörung der Klägerin auf 10 v. H. ein. Die aktuell zur Begutachtung durchgeführten elektrophysiologischen Zusatz-untersuchungen seien insgesamt unauffällig ausgefallen. Es habe sich keine Läsion des Nervus trigeminus objektivieren lassen. Dr. J., Herr B. und Dr. Gr. stellten in einer Stellungnahme vom 21. Dezember 2009 klar, dass aus ihrer Sicht auch unter Berücksichtigung der MdE von 10 v. H. die Gesamt-MdE bei 20 v. H. verbleibe. Ergänzend führte Dr. Gk. mit Stellungnahme vom 18. Januar 2010 aus, dass zum Gutachtenzeitpunkt am 29. September 2010 keine Arbeitsunfähigkeit auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestanden habe.
Der Diplom-Psychologe Gg. kam in seinem psychologischen Zusatzgutachten vom 5. Januar 2010 zu dem Ergebnis, dass als Folge des Unfallereignisses eine leichtgradige depressive Verstimmung und eine verstärkte Ängstlichkeit festzustellen seien. Bei bereits vor dem Unfall bestehender Depressivität seien die auf den Unfall bezogenen depressiven Anteile nicht ohne weiteres abgrenzbar. Die in den vorliegenden Behandlungsberichten beschriebene posttraumatische Belastungsstörung könne nicht nachvollzogen werden, da die entsprechenden Leitsymptome zu keinem Zeitpunkt auffällig gewesen und auch von der Probandin verneint worden seien. Dagegen spreche die Angabe der Klägerin hinsichtlich ihrer emotionalen Reaktion auf das Ereignis, wobei initial weder die Symptome einer akuten Belastungsreaktion noch im weiteren Verlauf Albträume, tagsüber auftretende Wiederinszenierungen oder andere Kernsymptome explorierbar gewesen seien. Situationsbezogene Ängste in Menschenansammlungen, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder als Teilnehmerin im Straßenverkehr lägen nach erfolgreicher psychotherapeutischer Intervention nur noch in geringer Ausprägung vor. Verblieben seien eine verstärkte Ängstlichkeit und Vorsicht, welche sich auf die Befürchtung beziehe, sich bei einem Sturz erneut zu verletzen.
Dr. Ck. teilte mit Bericht vom 14. Januar 2010 ergänzend mit, dass die Klägerin eine frühere Psychotherapie nur durchgeführt habe, weil ihr Sohn in dem Jahr kriminell geworden sei. Dr. Mk. wies in einem Befundbericht vom 15. Februar 2010 darauf hin, dass ein Zustand nach einem Kopfhalstrauma mit multisensorischen Integrationsstörungen (objektivierbaren Schäden im Bereich des zentralen Hörens) vorliege.
Im Rahmen einer Kernspintomographie vom 9. März 2010 der Schädelbasis unter besonderer Berücksichtigung des zerviko-okzipitalen Überganges beschrieb Dr. Sz. eine Verdickung des linken Ligamentum alare und eine leichte Signalanhebung innerhalb der Struktur im Sinne einer narbigen Veränderung. Bei diesem Befund sei an eine traumatische Genese zu denken. Darüber hinaus finde sich eine geringfügige Linksverlagerung der Dornfortsätze C4 bis C7 bei leichter Rotationssubluxation der entsprechenden Wirbelkörper. Am ehesten sei dadurch eine Einschränkung der Beweglichkeit bei Seitneigung bedingt. In der Neutralstellung bestehe eine auffällige Verschmälerung des subarachnoidalen Puffers zwischen dem Ligamentum transversum und dem Myelon, die sich in Rotationsbewegungen, insbesondere nach links, verstärke. Eine Impression oder pathologische Signalanhebungen innerhalb des Myelons könnten nicht nachgewiesen werden. Diese anatomischen Verhältnisse seien jedoch eine Voraussetzung für eine Myelonkontusion nach entsprechender Krafteinwirkung.
Mit Schreiben vom 24. Februar 2010 hörte die Beklagte die Klägerin zur Entziehung des Verletztengeldes zum 31. März 2010 an. Die Beklagte erließ am 19. März 2010 einen Bescheid, über die Entziehung des Verletztengeldes mit Wirkung zum 1. April 2010. Nach dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchungen vom 29. September 2009 bestehe keine Arbeitsunfähigkeit mehr. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 20. April 2010 Widerspruch ein.
Der Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom Krhs- Hamburg PD Dr. O. erklärte mit Arztbericht vom 29. März 2010, dass sich die Klägerin wegen einer depressiven Störung in der Spezialambulanz vorgestellt habe. Ferner führte der Arzt aus, dass die von der Klägerin beschriebene Symptomatik nach derzeitiger Einschätzung den Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung mit depressiver Begleitreaktion entspreche. Im Gespräch werde deutlich, dass die Klägerin nicht nur durch die Folgen des Unfalls, sondern durch die Rechtsstreitangelegenheiten mit der Gegenpartei sehr belastet sei.
Mit weiterem Bescheid vom 5. Mai 2010 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 10. April 2009. Es bestünden bei der Klägerin unfallbedingt eine endgradig-mäßige Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes als Folge einer mit einliegendem Osteosynthese-Material verheilten Acetabulum-Fraktur links, endgradig mäßige Bewegungseinschränkungen des linken oberen Sprunggelenkes sowie eine Schwellneigung als Folge einer bimalleolären oberen Sprunggelenksfraktur links, eine leichte Kalksalzminderung im Bereich des linken oberen Sprunggelenkes und der Fußwurzelknochen links, eine reizlos eingeheilte Spalthautplastik im Bereich des rechten Außenknöchels, reizlose Narben im Bereich des linken oberen Sprunggelenkes, der linken Hüfte und des linken Oberschenkels sowie eine verbliebene Gangbildstörung, eine leichtgradige depressive Symptomatik und eine verstärkte Ängstlichkeit im Rahmen einer Anpassungsstörung. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 7. Juni 2012 Widerspruch ein.
Der Facharzt für Radiologie Dr. Ö. von den Kreiskliniken E. wies in seinem radiologischen Befundbericht vom 9. August 2010 nach einem PET-CT-Befund darauf hin, dass eine geringe diffuse Aktivitätsverminderung in der gesamten Cortexregion bestehe. Es bestehe kein typischer Befund im PET, der mit einem Zustand nach einem HWS-Distorsionstrauma zu vereinbaren sei. Die diagnostische CT des Gesichtsschädels zeige keine eindeutigen ossären Läsionen oder Narben.
In seinem Bericht vom 26. August 2010 äußerte Dr. Ck. die Ansicht, dass bei der Klägerin eine typische vegetative Störung nach Verletzung des Stammhirns ohne strukturelle Läsion vorliege. Es stehe außer Frage, dass hier eine schwere Kopfverletzung vorgelegen habe, die auch geeignet sei, die Kopfgelenke zu verletzen.
Der in Trier ansässige Nervenarzt Dr. Z. wies in einem Befundbericht vom 28. September 2010 darauf hin, dass anlässlich einer PET eine organische Hirnschädigung bestätigt worden sei. Psychisch sei die Klägerin klar, attent, offen und berichte sehr ausführlich mit vielen Einzelheiten bei bedrückter und besorgter Stimmung. Dr. Z. diagnostizierte eine organische Hirnschädigung mit Leistungsabfall, verminderter Belastbarkeit, einer Gefühlsstörung auf der linken Seite und linken Kopfseite nach unverschuldetem Autounfall 2008. Des Weiteren verwies er auf die von der Diplom-Psychologin V. am 21. Mai 2010 durchgeführte testpsychologische Untersuchung. Diese stellte bei der Klägerin deutliche Einschränkungen in den Bereichen kognitive Leistungsgeschwindigkeit, Aufmerksamkeitsbelastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit fest.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin gegen die Entziehung des Verletztengeldes mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2011 zurück. Der Widerspruchsausschuss folge den begründeten gutachterlichen Ausführungen, wonach bereits zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung am 29. September 2009 keine Arbeitsunfähigkeit auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet wegen Unfallfolgen mehr vorgelegen habe. Wegen der diagnostizierten Anpassungsstörung bestehe keine Arbeitsunfähigkeit, da nur eine leichtgradige Depression vorliege, die ohne begleitende gravierende Einschränkungen der Lebensgestaltung bleibe. Die in den Behandlungsberichten beschriebene posttraumatische Belastungsstörung könne nicht nachvollzogen werden, da die Leitsymptome dieser Erkrankung wie Wiedererleben (z. B. Albträume, Flash-Backs), Vermeidungsverhalten oder Übererregung zu keinem Zeitpunkt auffällig gewesen seien. Für eine Beschleunigungsverletzung des Kopfes und des Halses oder eine Schädel-Hirn-Verletzung lägen keine beweisenden medizinischen Befunde vor, ebenso gebe es kein medizinisches Korrelat für das geklagte Taubheitsgefühl der linken Gesichtshälfte.
Am 5. April 2011 erstattete Dr. Ns. ein nervenärztliches Gutachten und erklärte, dass der Unfall selbst zweifellos in der Lage gewesen sei, eine gravierende und auch überdauernde Funktionsstörung des Gehirns im Sinne eines chronischen hirnorganischen Psychosyndroms auszulösen. Dagegen spreche allerdings die Tatsache, dass sich bei der Klägerin weder eine retrograde noch eine anterograde Amnesie belegen lasse und auch eine Bewusstlosigkeit nicht gesichert sei. Symptome, die an ein so genanntes Durchgangssyndrom im Anschluss an den Unfall hätten denken lassen können, seien nicht berichtet worden. Dazu komme, dass sämtliche Zusatzuntersuchungen jeweils einen unauffälligen Befund ergeben hätten. Damit korreliere auch der aktuelle neurologische und psychische Untersuchungsbefund. Schon die erhebliche zeitliche Latenz zwischen Unfall und Auftreten der Symptome spreche gegen einen Unfallzusammenhang. Dies gelte im Übrigen auch für die geklagten Störungen des Gedächtnisses und der Wahrnehmung. Die passageren Taubheitsgefühle der Finger eins bis drei der rechten Hand seien mit Wahrscheinlichkeit Ausdruck einer leichten Kompression des Mittelnervens am Handgelenk, wie dies häufig bei Frauen vorkomme. Ein Zusammenhang mit dem Unfall sei auch hier unwahrscheinlich, da Verletzungen der rechten Hand nicht beschrieben worden seien und eine viel zu lange Zeitstrecke zwischen Unfall und dem Auftreten der Symptome bestehe.
Die von der Klägerin angegebene Taubheit der linken Gesichtshälfte lasse sich nicht im Rahmen der neurologischen Untersuchung objektivieren, da keine Empfindungsstörungen hinsichtlich Berührung oder Schmerz angegeben worden seien. Das geschilderte Taubheitsgefühl könne daher nur als Somatisierungsstörung interpretiert werden.
Auch typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung hätten sich nicht gefunden. Im Vordergrund stehe eine jetzt deutliche Verbitterung über das vermeintlich erlittene Unrecht im Zusammenhang mit der Nichtanerkennung der Beschwerden als Unfallfolgen. Eine regelrechte sog. posttraumatische Verbitterungsstörung habe sich dabei allerdings nicht ausgebildet.
Auf nervenfachärztlichem Gebiet liege als Unfallfolge eine leichtgradige depressive Symptomatik im Rahmen einer Anpassungsstörung vor. Diese sei inzwischen abgeklungen. Nunmehr stehe eine gewisse Verbitterung auf dem Boden einer zwanghaft-narzisstischen Persönlichkeit im Vordergrund. Verblieben sei zudem eine leichte phobische Reaktion gegenüber Lastkraftwagen, die aber keinen Krankheitswert erreiche.
Der Unfallchirurg und Orthopäde Dr. St. erstattete am 9. Mai 2011 ein zweites Rentengutachten und diagnostizierte als bestehende Unfallfolgen:
– Zustand nach Hüftgelenks-Luxationsfraktur links, mit einliegendem Osteosynthese-Material und leichte Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes, posttraumatische Coxarthrose zweiten Grades und belastungsabhängige Beschwerden,
– Zustand nach operativ versorgter grob dislozierter bimalleolärer oberen Sprunggelenksfraktur links,
– anlaufende Verschleißumformung im Bereich des oberen Sprunggelenkes, Bewegungseinschränkung im Bereich des linken oberen Sprunggelenkes und unteren Sprunggelenkes sowie belastungsabhängige Beschwerden,
– reizlos eingeheilte große Spalthautplastik im Bereich des rechten Außenknöchels, nicht verschieblich,
– reizlose Narben im Bereich des linken oberen Sprunggelenkes außen und innen sowie im Bereich des linken Hüftgelenkes und Oberschenkels,
– posttraumatische Veränderungen des rechten Kiefergelenkes mit Funktionsstörung,
– reizlos verheilte Risswunde im Bereich der rechten Hand,
– verbliebene Gangbildstörung.
Die Erwerbsfähigkeit werde durch die Unfallfolgen noch um 20 v. H. herabgesetzt.
Die Klägerin hat am 9. Mai 2011 Klage (S 36 U 124/11) gegen den Bescheid vom 19. März 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2011 erhoben. Sie hat vorgetragen, dass sowohl in dem Bericht aus dem Krhs- als auch in dem Bericht der Dipl.-Psych. H. eindeutig eine posttraumatische Belastungsstörung beschrieben werde. In den Berichten von Dr. Z. werde eine organische Hirnschädigung mit Leistungsabfall, verminderter Belastbarkeit und Gefühlsstörungen der linken Seite und Kopfseite nach einem unverschuldeten Autounfall 2008 beschrieben. Zudem habe Dr. Ck. eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit ab dem Unfall bis mindestens zum 2. August 2010 bestätigt.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2011 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass die ihr gewährte Rente nunmehr als Rente auf unbestimmte Zeit ab dem 10. Juni 2011 geleistet werde.
PD Dr. T. hat in seinem zweiten Rentengutachten vom 8. April 2013 als Unfallfolgen festgestellt:
– abgeheilte links-frontale Kopfplatzwunde,
– atlanto-okzipitale Instabilität bei elongiertem Ligamentum alare,
– Hirnstammreizung durch die Instabilität, vertebragen ausgelöster Schwindel,
– Deformität des linken Hüftkopfes und der Pfanne nach Hüftgelenksluxation bei noch liegenden Schrauben und verminderter Beweglichkeit in Rotation und Abduktion,
– Sprunggelenksarthrose links mit posttraumatischer Valgisierung und verminderter Beweglichkeit des oberen (verminderte Flexion) und unteren (verminderte Supination) Sprunggelenkes,
– Weichteilverletzung mit deutlich sichtbaren Narben im rechten Unterschenkelbereich,
– Hebedefekt im rechten Oberschenkelbereich,
– mit geringer Beeinträchtigung verheilte vermutliche Kiefergelenkluxation rechts,
– folgenlos ausgeheilte Mittelgliedfraktur des dritten Fingers der rechten Hand,
– depressive Residuen nach stattgehabter posttraumatischer Belastungsstörung.
Er hat darauf hingewiesen, dass die Instabilität des Kopfgelenkes – gekennzeichnet durch den Symptomenkomplex „Schwindel, Gleichgewichtsstörung, Tinnitus, Hyperakusis, Kopfschmerzen, auch Taubheitsgefühl der linken Gesichtshälfte“ durch die Kernspintomographie vom 9. März 2010 abgesichert sei. Die dafür relevanten Kriterien seien die Veränderung des linken Ligamentum alare im Sinne einer Vernarbung sowie die bei Linksdrehung des Kopfes aufgehobene Strecke zwischen dem Ligamentum transversum und dem Myelon. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei im psychologischen Bericht von Dr. H. beschrieben worden. Diese sei soweit ausgeheilt, dass eine rentenberechtigende Einschränkung nicht gegeben sei. Sämtliche Probleme im Bereich der rechten Hüfte seien unfallunabhängig zu werten. Die Gefühlsstörung im Bereich der linken Gesichtshälfte sei auf die Störung nach der Halswirbelsäulenverletzung zurückzuführen. Bezogen auf die Halswirbelsäule, die linke Hüfte und das linke Sprunggelenk sei die MdE insgesamt nunmehr mit 30 v. H. zu bewerten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von Dr. Oc. vom 4. April 2013. Auf der Grundlage des Befundes von Dr. Sz., welcher eine Schädigung des Ligamentum alare mit Verdickung, narbenartiger Verwachsung und Instabilitätszeichen eindeutig nachgewiesen habe, liege bei der Klägerin ein Zustand nach traumatischer Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule mit verbliebener cranio-zervikaler Instabilität und daraus resultierender Beeinträchtigung der Hirnleistung mit sensiblen Funktionsbeeinträchtigungen an Körperstamm und Gliedmaßen im Sinne von Parästhesien, Hypästhesien, Hyperalgesien und diffuser Ausbreitung mit wechselseitiger Seitenbetonung vor, auch wenn das PET nicht das typische Muster einer Halswirbelbeschleunigungsverletzung mit Instabilität des cranio-zervikalen Übergangs zeige. Letzteres sei auch nicht erforderlich, wenn der Nachweis durch ein Funktionskernspintomogramm erbracht sei. Mittelbare Folgen des Unfalltraumas seien eine Depression, eine posttraumatische Belastungsstörung, ein Zustand nach Hüftgelenksluxationsfraktur links mit einliegendem Osteosynthesematerial und leichter Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes und posttraumatischer Coxarthrose II° und belastungsabhängigen Beschwerden, ein Zustand nach operativ versorgter, grob dislozierter bimalleolärer Fraktur des oberen Sprunggelenks links mit anlaufender Verschleißumformung im Bereich des oberen Sprunggelenks, Bewegungseinschränkung im Bereich des linken unteren und oberen Sprunggelenks und belastungsabhängigen Beschwerden, eine reizlos eingeheilte große Spalthautplastik im Bereich des rechten Außenknöchels, nicht verschiebliche, reizlose Narben im Bereich des linken oberen Sprunggelenks außen und innen sowie im Bereich des linken Hüftgelenkes und Oberschenkels, eine posttraumatische Veränderung im Bereich des Kiefergelenks mit Funktionsstörung, eine reizlos verheilte Risswunde im Bereich der rechten Hand und eine verbliebene Gangbildstörung. Wenn selbst eine leichte Tätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nur stundenweise auszuüben sei, so sei die daraus entstehende MdE nach den Maßstäben der Berufsgenossenschaften mit mindestens 50 v. H. anzusetzen und aufgrund der Rahmenrichtlinien auch zu addieren mit den Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates, so dass hieraus nach den Maßstäben der gesetzlichen Unfallversorgung ab dem 1. April 2010 eine Gesamt-MdE aufgrund des Unfalls von 70 v. H. bestehe. Die Arbeitsunfähigkeitsintervalle seien den Akten zu entnehmen. Die unfallbedingte MdE sei vom 10. Juni 2008 bis 31. März 2010 mit 100 v. H. zu bewerten.
In einer fachchirurgischen Stellungnahme nach Aktenlage vom 22. Juni 2014 hat der Arzt für Chirurgie Pw. dargelegt, dass bei der Klägerin offensichtlich vorbestehend eine depressive Entwicklung bekannt sei. Eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion sei zu verneinen, da im längeren Verlauf nach dem Unfallereignis unfallunabhängige überlagernde Probleme eine derartige Symptomatik unterhalten könnten. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei bereits wiederholt ausgeschlossen worden. Die Unfallfolgen im Bereich des linken Hüftgelenkes seien unstrittig, ebenso wie im Bereich des linken Sprunggelenkes. Auch die Beschreibung zum einen der Spalthautplastik am rechten Außenknöchel sowie der weiteren Narben im Bereich der linken unteren Extremität seien entsprechend der vorliegenden Befunde erfasst. Zur Frage posttraumatischer Veränderungen im Bereich des Kiefergelenkes mit Funktionsstörung sei festzustellen, dass das erste Rentengutachten den Verdacht auf eine Kiefergelenksläsion linksseitig äußere. Eine CT-Untersuchung vom 14. Juli 2008 hingegen beschreibe keine Funktionseinschränkung im Kieferbereich und habe auch eine knöcherne Verletzung ausschließen können.
Anlässlich eines zweiten Rentengutachtens vom 9. Mai 2011 seien erstmalig Beschwerden des rechten Kiefergelenkes geäußert worden. Aufgrund des wechselnden Beschwerdebildes sowie der erhobenen Befunde lasse sich eine unfallbedingte Verletzung im Bereich der Kiefergelenke nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmen. Im Hinblick auf die im Gutachten von Dr. Oc. beschriebenen Verletzungsfolgen im Bereich der Halswirbelsäule sei festzustellen, dass weder im Rahmen des ersten Rentengutachtens vom 3. November 2009 noch des nervenärztlichen Gutachtens vom 23. November 2009 irgendwelche Hinweise auf eine Verletzung der Halswirbelsäule bestanden hätten. Weder im Beschwerde- noch im Befundbild seien entsprechende Beschwerden seitens der Klägerin geäußert bzw. es sei ein auffälliger Befund beschrieben worden.
Im Rahmen der am 9. März 2010 erfolgten MRT der Schädelbasis unter besonderer Berücksichtigung des zerviko-okzipitalen Überganges werde nicht behauptet, dass der vorgefundene Befund Folge einer Krafteinwirkung sei. Die atlanto-okzipitale Instabilität bei elongiertem Ligamentum alare linksseitig sei widerlegt. Auch für die Hirnstammreizung durch Instabilität und auch für einen vertebragen ausgelösten Schwindel fänden sich keine Anhaltspunkte. In der MRT-Untersuchung sei lediglich eine Verdickung des Ligamentum alare linksseitig festgestellt worden, eine Elongation werde nicht angeführt. Eine Instabilität werde explizit verneint. In dem am selben Tag durchgeführten MRT der Halswirbelsäule seien ausschließlich degenerative Veränderungen und nicht Unfallfolgen beschrieben worden. Es finde sich kein Vollbeweis einer traumatischen Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule und auch kein Vollbeweis von posttraumatischen Veränderungen im Bereich der Kiefergelenke. Lediglich die Einschränkungen im Bereich des Hüft- und Sprunggelenkes fänden sich in leichter bis mäßiger bzw. leichter Ausprägung. Es liege weiterhin eine MdE in Höhe von 20 v. H. ab Rentenbeginn vor.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 20. August 2014 hat Dr. Oc. ausgeführt, dass die Klägerin durchgehend seit dem Unfallereignis arbeitsunfähig gewesen sei.
Die Beklagte hat den Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. Mai 2010 mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2014 zurückgewiesen. Es bestehe eine geringe Deformität des linken Hüftkopfes und der Hüftpfanne nach Hüftgelenksluxation bei noch liegenden Schrauben. Daraus folge eine leicht bis mäßig verminderte Beweglichkeit in Rotation und Abduktion des Hüftgelenkes. Als Folge der knöchern verheilten Fraktur des linken oberen Sprunggelenkes liege eine geringe posttraumatische Arthrose vor, mit leicht verminderter Beweglichkeit des oberen und unteren Sprunggelenkes sowie eine Gangbildstörung. Die Spalthautplastik am rechten Außenknöchel und die weiteren Narben am linken Bein bedingten als Funktionseinschränkung lediglich einen Hebedefekt am rechten Oberschenkel. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei bereits mehrfach von Fachärzten ausgeschlossen worden. Die anerkannte leichtgradige depressive Symptomatik und verstärkte Ängstlichkeit im Rahmen einer Anpassungsstörung seien inzwischen abgeklungen, so dass auf nervenärztlichem Fachgebiet keine messbare MdE vorliege. Eine unfallbedingte Verletzung im Bereich der Kiefergelenke habe nicht im Vollbeweis nachgewiesen werden können. Auch eine Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule sei nicht im Vollbeweis gesichert. Die Unfallfolgen würden eine MdE von 20 v. H. bedingen.
Die Klägerin hat am 21. August 2014 auch gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2014 Klage (S 36 U 228/14) erhoben. Sie hat insbesondere auf die Gutachten von Dr. Oc. und PD Dr. T. verwiesen.
Das Gericht hat ein Gutachten von dem Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. D. vom 24. September 2015 eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, dass ihm Folienausdrucke von Röntgen-Nativaufnahmen sowie 13 CDs überreicht worden seien. Er hat Bezug genommen auf eine CT der oberen Halswirbelsäule vom 21. Juni 2011. Hier zeige sich eine regelrechte zentrale Lokalisierung des Dens mit normaler Kontaktfläche zur Schädelbasis hin, auch im Bereich von C1. Hinweise für Frakturfolgen seien nicht zu erkennen. Auf diesen CT-Bildern könnten keine traumatisch bedingten Veränderungen erkannt werden. Auch die Nativ-Bilder der Halswirbelsäule vom 26. Juni 2008 zeigten die gleiche Situation.
In der Schädel-CT vom 14. Juli 2008 fänden sich keine Hinweise für eine Kiefergelenkbeteiligung. In den Hirnstrukturen fänden sich keine pathologischen Korrelate im Sinne einer Einblutung. Dennoch scheine hier ein Anzeichen einer geringen Hirnatrophie durch eine vermehrte Liquoranreicherung mit guter Darstellung der Zwischenräume vorzuliegen.
Dr. D. hat weiter ausgeführt, dass das Hauptproblem dieses Verfahrens im Bereich der Halswirbelsäule und des Kopfes liege. Für einen Zusammenhang mit einem so genannten Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule habe aus den Akten keinerlei Hinweis entnommen werden können. Eigentliche hirntraumatische Verletzungszeichen seien ebenfalls nicht festgestellt worden. Sämtliche MRT- und CT-Aufnahmen des Schädels und der Halswirbelsäule seien hinsichtlich einer Traumafolge nicht hinweisend.
Bezüglich der einseitigen Veränderung des Ligamentum alare habe sich in der ärztlich-wissenschaftlichen Fachdiskussion herausgestellt, dass die Voraussetzung für eine Zerstörung der Ligamenta alaria oder auch nur eines Bandes eine ganz erhebliche traumatische Beeinflussung der oberen Halswirbelsäule und auch der Kopfgelenke sei. Isolierte Verletzungen dieser Bänder könnten nicht nachvollzogen werden. Knöcherne Begleitverletzungen und Mitverletzungen des Ligamentum transversum seien Voraussetzung. Im unfallchirurgischen Sinne bestehe kein Beweis dafür, dass eine Verletzung in diesem Bereich stattgefunden habe.
Auf unfallchirurgischem Fachgebiet lägen bei der Klägerin noch folgende Gesundheitsstörungen vor:
– Gangstörung linksbetont durch eine verheilte Hüftgelenkluxation links mit einsetzender Arthrose,
– Gangstörung durch bimalleoläre Sprunggelenksfraktur mit Ausbildung einer posttraumatischen Arthrose mit geringer Bewegungsstörung,
– Einschränkung der Beweglichkeit des unteren Sprunggelenkes,
– verheilte Kopfplatzwunde,
– reizlos eingeheilte Spalthautplastik,
– reizlose Narben im linken Sprunggelenkbereich, des linken Hüftgelenkes und des linken Oberschenkels,
– verheilte Risswunden der rechten Hand,
– verheilte knöcherne Ausrisssituation im Mittelgelenk des III. Fingers rechts.
Auf fachfremdem Gebiet ergebe sich eine Hirnleistungsstörung mit entsprechenden Symptomen, die aber nicht dem Unfallgeschehen zugeordnet werden könne. Arbeitsunfähigkeit habe aufgrund der chirurgischen Verletzungsfolgen bis zum 13. März 2009 sowie vom 5. August bis 30. Oktober 2009 bestanden. Die MdE hat Dr. D. mit 20 v. H. eingeschätzt.
Gegen dieses Gutachten hat die Klägerin mit Stellungnahme vom 5. April 2016 unter anderem vorgetragen, dass es nach neueren Untersuchungen sehr wohl Bandverletzungen und somit Instabilitäten im Kopf-Hals-Bereich ohne knöcherne Verletzungen geben könne und auf eine Dissertation von Dr. W. der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm verwiesen. Außerdem sei sie auf den Kopf gestürzt. Sie habe aufgrund der enormen einwirkenden Kräfte zumindest eine Commotio cerebri und noch wahrscheinlicher eine Commotio contusio erlitten. Diese Befunde seien in fahrlässiger Weise aufgrund der komplexen und schwierigen Beinverletzungen nicht gestellt worden. Schließlich sei bemerkenswert, dass Dr. D. Nativ-Bilder vom 26. Juni 2008 erwähne, welche niemals gemacht worden seien.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 14. Juni 2016 hat Dr. D. ausgeführt, dass es hinsichtlich der Kopfplatzwunde tatsächlich zu einem Kontakt in irgendeiner Weise gekommen sein müsse. Dafür gebe es verschiedene Ursachen, ohne dass unbedingt dabei auch eine Hirnverletzung eintreten müsse. Diese könne zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen werden, weder im MRT noch im CT. Die diagnostizierte Hirnatrophie im Stirnbereich sei nicht als Verletzungsfolge zu werten, sondern Zeichen einer degenerativen Umbausituation. Im Zusammenhang mit einer traumatischen Folge wären hier Vernarbungssituationen zu fordern, die aber nicht vorgelegen hätten. Das Grundproblem liege darin, dass zu keinem Zeitpunkt Unfallfolgen (außer der Kopfplatzwunde) im Bereich des Schädels oder auch der Halswirbelsäule unfallzeitpunktnah belegt worden seien. Der Unfallhergang habe von der Klägerin sehr punktuell angegeben werden können. Die genaue Schilderung des Unfallhergangs sei ein unbedingter Hinweis, dass eine Bewusstlosigkeit nicht vorgelegen haben könne, da bei einer sofort einsetzenden Bewusstlosigkeit auch eine entsprechende Erinnerungslücke hätte vorhanden sein müssen. Die Literatur zu Beschleunigungsverletzungen sei nicht veraltet und werde auch durch die Dissertation von Frau Dr. W. nicht widerlegt. Für die Dissertation seien nur Kadaveruntersuchungen ohne vorausgehende Traumata mit einer entsprechenden Simulation und mechanischer Unterstützung erfolgt. Bei der von ihm genannten In-vitro-Studie habe es sich dagegen um Untersuchungen von Leichenpräparaten gehandelt, die zuvor den entsprechenden Traumata als noch Lebender ausgesetzt gewesen seien und keine Beteiligung der Ligamenta alaria habe nachgewiesen werden können.
Allein der Verdacht einer durchgemachten Ruptur der Ligamenta alaria zeige noch keinen genügenden Hinweis dafür auf, dass tatsächlich zum Zeitpunkt des Unfalles eine Schädigung dieses Bereiches eingetreten sei. Nach der langen Zeit sei der Rückschluss nicht gestattet, dass am 10. Juni 2008 tatsächlich eine Schädigung dieser Struktur stattgefunden habe. Vorliegend gehe es um die isolierte Verletzung des Ligamentum alare ohne zusätzliche Verletzung des Ligamentum transversum und ohne knöcherne Begleitverletzung.
Dr. Ck. hat in seiner Stellungnahme für die Klägerin vom 22. September 2016 ausgeführt, dass diese eine Kopfplatzwunde im linken Stirnbereich erlitten habe. Diese sei im Krankenhaus genäht worden. Am Unfalltag sei eine CT des Beckens und des Schädels durchgeführt worden. Im Vordergrund stünden seit 2009 Symptome einer Schädel-Hirn-Verletzung bzw. eines zervico-encephalen Traumas mit neurovegetativen Störungen und Bewegungsstörungen der Halswirbelsäule. Bezüglich der bildgebenden Verfahren fehle unfallnah eine MRT der Kopfgelenke und zu den angegebenen Hirnleistungsstörungen fehle unfallnah eine PET-CT. Hierin liege auch die Krux. Die Tatsache, dass am 4. August 2008 in einer MRT-Nativuntersuchung dann mit Kontrastmittel keine Hinweise auf Infarkt, Diffusionsstörungen, Blutungen etc. gefunden worden seien, beweise in diesem Zusammenhang überhaupt nichts, weil der zeitliche Zusammenhang zum Unfall vom 10. Juni 2008 nicht bestehe.
Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Januar 2017 bezüglich der Bilder der Halswirbelsäule vom 26. Juni 2008 ausgeführt, dass ihm insgesamt 13 CDs sowie auch Folienausdrucke von Röntgen-Nativaufnahmen überreicht worden seien. Grundsätzlich sei das Problem im zeitlichen Verlauf zwischen Unfallzeitpunkt und der weitergehenden Diagnostik ab 2010 zu sehen, so dass hier nicht die Möglichkeit bestehe, eine unmittelbare Beziehung zueinander aufzubauen. Bezüglich des MRT der Kopfgelenke hätte ein solches unfallnah durchgeführt werden sollen, das PET-CT sei dagegen keine Standard-Methode. Bei der unfallnah durchgeführten CT-Untersuchung des Schädels vom 14. Juli 2008 sei eine Kiefergelenkbeteiligung nicht dargestellt worden.
Die Klägerin hat gegen Dr. D. am 27. März 2017 einen Befangenheitsantrag gestellt, welcher mit Beschluss der Kammer vom 15. August 2017 zurückgewiesen worden ist. Die vom Sozialgericht hiergegen zugelassene Beschwerde an das LSG ist von diesem per Beschluss vom 5. Februar 2018 mit dem Hinweis verworfen worden, dass Beschlüsse des Sozialgerichts über die Ablehnung von Sachverständigen nicht mit der Beschwerde angefochten werden könnten.
Die Klagen mit den Aktenzeichen S 36 U 124/11 und S 36 U 228/14 sind mit Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2018 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden und unter dem Aktenzeichen S 36 U 228/14 geführt worden. Dr. D. ist in der mündlichen Verhandlung zu seinem Gutachten angehört worden. Zu den Röntgenausdrucken vom 26. Juni 2008 könne er jetzt keine weitere Aussage mehr machen, weil diese Bilder ihm nicht vorliegen würden. Es gebe eine MRT-Untersuchung vom 4. August 2008 des Schädels mit Anteilen der Halswirbelsäule, die Bereiche der oberen und mittleren Halswirbelsäule seien abgebildet. Auch Dr. Kv. habe bestätigt, dass keine Unfallfolgen auf diesen Bildern im Bereich der Halswirbelsäule zu erkennen seien.
Das Sozialgericht Hamburg hat die Klagen mit Urteil vom 5. Juli 2018 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Weiterzahlung von Verletztengeld über den 31. März 2010 hinaus und auch keinen Anspruch auf eine Rente nach einer MdE von mindestens 30 v. H. Das Verletztengeld ende gemäß § 46 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder im Übrigen, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen seien, gemäß § 46 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 SGB VII mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung. Diese Voraussetzungen lägen vor.
Zum einen habe die Klägerin aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. März 2010 bereits weit über 78 Wochen hinaus Verletztengeld erhalten, ohne dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit habe gerechnet werden können. Die Gutachter Dr. Gr., Herr B. und Dr. J. hätten in ihrem ersten Rentengutachten vom 3. November 2009 ausgeführt, dass zum Untersuchungszeitpunkt am 29. September 2009 noch keine Arbeitsfähigkeit eingetreten sei, gleichzeitig aber festgestellt, dass keine weiteren ärztlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung/Besserung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin erforderlich seien oder als nützlich erwogen werden könnten. Zum anderen habe Dr. D. in seinem Gutachten vom 24. September 2015 nachvollziehbar ausgeführt, dass Arbeitsunfähigkeit aufgrund der chirurgischen Verletzungsfolgen nur bis zum 30. Oktober 2009 bestanden habe. Im weiteren Verlauf seien auch weitere Behandlungsmaßnahmen aufgrund der bekannten chirurgischen Verletzungsfolgen nicht erfolgt, so dass eine weitere Verletztengeldzahlung nicht gerechtfertigt gewesen wäre.
Auf neurologischem Gebiet hätten Dr. Gk. und der Assistenzarzt Dr. Kp. bereits in ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 23. November 2009 festgestellt, dass besondere Behandlungsmaßnahmen auf nervenärztlichem Fachgebiet nicht mehr erforderlich seien und hätten plausibel darauf hingewiesen, dass bei anhaltender Persistenz des subjektiven Taubheitsgefühls an der linken Körperhälfte eine unfallunabhängige Diagnostik erfolgen müsse. Zu Recht hätten die Gutachter in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass zwar sehr zeitnah zum Unfall die Klägerin schon über ein Taubheitsgefühl an der linken Gesichtshälfte geklagt habe, im klinisch-neurologischen Befund jedoch durchgehend keine Hypästhesie im Bereich des Nervus trigeminus erkennbar gewesen sei und auch die computertomographischen Aufnahmen des Gesichtsschädels sowie zwei kernspintomographische Aufnahmen keinen Anhalt für durch den Unfall hervorgerufene Verletzungen im Verlauf des Nervus trigeminus ergeben hätten. Auch die zum Untersuchungszeitpunkt durchgeführten elektrophysiologischen Zusatzuntersuchungen (Blinkreflex und Trigeminus-SEP) seien unauffällig, so dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Taubheitsgefühl und dem Unfallereignis nicht hergestellt werden könne, mit der Folge, dass keine weitere unfallbedingte Behandlungserforderlichkeit oder Arbeitsunfähigkeit auf neurologischem Gebiet vorgelegen habe.
Auf psychiatrischem Gebiet bilde spätestens der Befundbericht des Oberarztes vom Krhs- Hamburg PD Dr. O. vom 29. März 2010 eine nachvollziehbare Zäsur, da sich die Klägerin wegen depressiver Störung in der Spezialambulanz vorgestellt habe. Die von PD Dr. O. darüber hinaus abgegebene Einschätzung, dass sich aus der von der Klägerin beschriebenen Symptomatik die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung mit depressiver Begleitreaktion ergäben, könne nicht gefolgt werden. Zum einen könne eine psychiatrische Diagnose grundsätzlich nicht aufgrund einer Selbsteinschätzung der Versicherten gestellt werden. Zum anderen habe neben Dr. Gk. und dem Assistenzarzt Dr. Kp. auch der Dipl.-Psychologe Gg. in seinem psychologischen Zusatzgutachten vom 5. Januar 2010 nach Untersuchung der Klägerin zu Recht darauf hingewiesen, dass die in den bisherigen Behandlungsberichten beschriebene posttraumatische Belastungsstörung nicht nachvollzogen werden könne, da die entsprechenden Leitsymptome zu keinem Zeitpunkt auffällig gewesen und auch von der Klägerin anlässlich der Untersuchung verneint worden seien. So habe die Klägerin initial gegenüber dem Gutachter angegeben, dass nach dem Unfall keine Träume, Intrusionen oder andere psychische Reaktionen aufgetreten seien. Aufschlussreich erscheine in psychischer Hinsicht allerdings der Hinweis des Dipl.-Psych. Gg., dass der Klägerin durch ein Sachverständigengutachten der DEKRA eine Mitschuld an dem Unfall unterstellt worden sei und sie nunmehr ihre ganze Energie dafür einsetze, „ihre Unschuld zu beweisen und Gerechtigkeit zu erfahren“. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit auf psychiatrischem Gebiet über den 30. März 2010 hinaus ergebe sich daraus nicht.
Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von mindestens 30 v. H. Die Klägerin habe bei ihrem Unfall am 10. Juni 2008 eine Fraktur und Impression des Hüftkopfes, eine dorsale Hüftluxation, eine bimalleoläre obere Sprunggelenksfraktur links, einen Weichteilschaden am Unterschenkel beidseits, eine Risswunde zwischen dem vierten und fünften Finger links und eine Kopfplatzwunde frontal erlitten, welche nach der Feststellung der Beklagten in ihrem vorläufigen Rentenbescheid vom 5. Mai 2010 zu einer endgradigen Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes als Folge einer mit einliegendem Osteosynthese-Material verheilten Acetabulum-Fraktur links, zu endgradig mäßigen Bewegungseinschränkungen des linken oberen Sprunggelenkes sowie Schwellneigung als Folge einer bimalleolären oberen Sprunggelenkfraktur links, zu einer leichten Kalksalzminderung im Bereich des linken oberen Sprunggelenkes und der Fußwurzelknochen links, einer reizlos eingeheilten Spalthautplastik im Bereich des rechten Außenknöchels, zu reizlosen Narben im Bereich des linken oberen Sprunggelenkes, der linken Hüfte und des linken Oberschenkels sowie zu einer verbliebenen Gangbildstörung, einer leichtgradigen depressiven Symptomatik und zu einer verstärkten Ängstlichkeit im Rahmen einer Anpassungsstörung geführt habe und somit die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu Recht in rentenberechtigendem Ausmaß um 20 v. H. mindere.
Die Schädigungen hätten entgegen der Auffassung der Klägerin aber keine so erheblichen Folgen hervorgerufen und nach sich gezogen, dass die Erwerbsfähigkeit lediglich aufgrund des Unfalls um wenigstens 30 v. H. gemindert sei. Zum einen habe Dr. Ns. in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 5. April 2011 bestätigt, dass die Unfallfolge einer leichtgradigen depressiven Symptomatik im Rahmen einer Anpassungsstörung inzwischen abgeklungen sei und somit für eine Bewertung der MdE nicht mehr erhöhend zur Verfügung stehe. Zum anderen habe Dr. D. nachvollziehbar in seinem Gutachten vom 24. September 2015 dargestellt, dass die noch unfallbedingt verbliebene Gangbildstörung links betont, die geringe Bewegungsstörung des linken oberen Sprunggelenkes (Bewegungsausmaß: 10°/0°/25°, gegenüber rechts: 15°/0°/40°) sowie die Einschränkung der Beweglichkeit des linken unteren Sprunggelenkes (1/2), bei im Übrigen ausgeheilten Wundverhältnissen eine MdE von 20 v. H. bedingten. Dies entspreche auch den medizinischen Erfahrungswerten in der Literatur, wonach eine Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes bei 0°/0°/30° zu einer MdE von 10 v. H. führe und eine MdE von 30 v. H. erst bei einer Versteifung des oberen Sprunggelenkes in ungünstiger Stellung (Spitzfuß oder Hackenfuß) angenommen werden könne. Unter Berücksichtigung der weiterhin vorliegenden links betonten Gangbildstörung und der eingeschränkten Beweglichkeit des unteren Sprunggelenkes um die Hälfte, erscheine die von der Beklagten festgestellte MdE von 20 v. H. nicht rechtswidrig. Hierbei sei u.a. noch zu berücksichtigen, dass selbst die Versteifung des unteren Sprunggelenkes in der sog. Neutral-0-Stellung – welches bei der Klägerin nicht vorliege – lediglich mit einer MdE von 10 v. H. bewertet würde.
Das bei der Klägerin insbesondere von Dr. Ck., PD Dr. T. und Dr. Oc. festgestellte Beschleunigungstrauma des Kopfes und des Halses mit einer entsprechenden Schädigung des Ligamentum alare sowie eine Hirnsubstanzschädigung könnten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. Vorliegend sprächen mehr Umstände gegen die Annahme eines Beschleunigungstraumas mit Schädigung der Seitenbänder der Halswirbelsäule und einer Hirnsubstanzschädigung. Zwar stützten sich die Ärzte offenbar auf die Befunde des Radiologen Dr. Sz. nach einer Kernspintomographie der Schädelbasis vom 9. März 2010, wonach eine Verdickung des Ligamentum alare und eine leichte Signalanhebung der Struktur im Sinne narbiger Veränderungen vorgelegen habe sowie auf die Befunde des Radiologen Dr. Ö., welcher in seinem PET-CT-Befund eine geringe diffuse Aktivitätsminderung beschrieben habe. Allerdings würden der behandelnde Arzt Dr. Ck. sowie die Gutachter PD Dr. T. und Dr. Oc. verkennen, dass Dr. Ö. selbst differenziert beschreibe, dass kein typischer PET-Befund vorliege, der mit einem Zustand nach einem Distorsionstrauma der Halswirbelsäule zu vereinbaren sei. Insbesondere Dr. D. habe in diesem Zusammenhang zu Recht und ausführlich darauf hingewiesen, dass es für einen Zusammenhang mit einem sog. Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule keinerlei Hinweise gebe. Dr. D. habe richtig erkannt, dass auch eigentliche hirntraumatische Verletzungszeichen unfallzeitpunktnah nicht nachgewiesen worden seien und nur aufgrund der erlittenen Kopfplatzwunde wohl auch nicht nachvollziehbar seien. Der Sachverständige habe schließlich korrekt dargestellt, dass sämtliche MRT- und CT-Aufnahmen des Schädels und der Halswirbelsäule nicht auf eine Traumafolge verwiesen, so dass überhaupt keine validen Hinweise für eine unfallzeitpunktnahe Schädigung des Kopfes oder des Halses der Klägerin vorlägen.
Selbst Dr. Ck. führe in seiner Stellungnahme vom 22. September 2016 aus, dass die „Krux“ in der Beurteilung der Unfallkausalität darin liege, dass unfallzeitpunktnah keine entsprechenden Aufnahmen gemacht worden seien, und er komme sogar zu der Erkenntnis, dass selbst die MRT-Nativuntersuchung vom 4. August 2008 (welche keine traumatische Schädigung zeige) überhaupt nichts beweise, weil der zeitliche Zusammenhang zum Unfall vom 10. Juni 2008 nicht bestehe. Mit dieser richtigen Einschätzung der Sachlage könne jedoch ein traumatischer unfallbedingter Erstschaden nicht bewiesen werden, so dass sich für die Klägerin daraus kein Anspruch ergeben könne.
Gegen das ihr am 24. Juli 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. August 2018 Berufung eingelegt. Der Klägerin sei eine Verletztenrente zu gewähren, weil sie ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe. Dr. Ck. weise darauf hin, dass bei der Klägerin eine typische vegetative Störung nach Verletzung des Stammhirns vorliege und außer Frage stehe, dass hier eine schwere Kopfverletzung vorgelegen habe. Das Gericht habe zu Unrecht ausgeführt, dass die Klägerin eine Risswunde zwischen dem vierten und fünften Finger erlitten habe, richtig wäre eine Risswunde zwischen dem vierten und fünften Zeh gewesen. Im Befund zum MRT der Schädelbasis heiße es, dass eine Verdickung des linken Ligamentum alare und eine leichte Signalgebung innerhalb der Struktur im Sinne einer narbigen Veränderung vorlägen. Bei diesem Befund müsse an eine leichte traumatische Genese gedacht werden. Es handele sich daher nicht lediglich um degenerative Veränderungen.
Der Unfall sei um 6:49 Uhr gewesen und der Notarzteinsatz habe um 7:10 Uhr begonnen. Was in dieser Zeit mit dem Bewusstsein der Klägerin gewesen sei, sei ungeklärt. Auch das Fehlen eines bildgebenden Nachweises könne nicht zwingend zur Verneinung eines Schädel-Hirn-Traumas führen. Schon durch ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma könnten ein chronisches posttraumatisches Syndrom und ein neurasthenisch depressives Syndrom ausgelöst werden. Hauptsymptom der Neurasthenie seien Erschöpfung und Ermüdung. Daneben träten auch noch Ängstlichkeit, Kopfschmerzen, Frigidität bei Frauen, Neuralgie, Konzentrationsstörungen, Freudlosigkeit und Melancholie, die Unfähigkeit zu entspannen, Spannungskopfschmerz und erhöhte Reizbarkeit auf. Diese Symptome deckten sich mit den Befunden zum Zustand der Klägerin nach dem Unfall.
Ein Schädel-Hirn-Trauma gehe immer mit einem solchen Unfall einher und dies wiederum mit Gedächtnisstörungen und ggfs. einer Amnesie. Die Klägerin habe sich eine Platzwunde und keine Schürfwunde am Kopf zugezogen. Nur weil die Klägerin für die Rettungssanitäter ansprechbar gewesen sei, heiße das nicht, dass sie nicht bewusstlos gewesen sei. Die Klägerin hat ein MRT der Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin vom 18. September 2018 eingereicht: Auf Höhe der Kopf-Hals-Gelenke nach Trauma in der Vorgeschichte lägen keine sekundären Arthrosezeichen vor. Am atlantoaxialen Übergang bestünden keine sekundären narbigen Verdickungen nach Zerrung dieser Ligamenta anhand des Vorberichtes, insbesondere auch keine Pannusbildung und keine Beeinträchtigung des cranio-zervikalen Überganges. Zwischen ligamentären Strukturen und der Medulla oblongata sei am cranio-zervikalen Übergang noch ein schmaler Liquorsaum ventral und ein etwas breiterer Liquorsaum dorsal erkennbar. Zusammenfassend zum MRT des Hirnschädels ist ausgeführt worden, dass kleine narbig-gliöse Veränderungen links frontal/rostral der Inselregion und oberhalb der Inselregion vorlägen. Diese Veränderungen seien in aller Regel mikroangiopathisch bedingt. Verletzungsbedingte Schädigungen lägen eher am Cortex. Teilweise gäbe es auch Abscherungsverletzungen an der Markrindengrenze. Solche Veränderungen könnten teilweise schlecht von mikroangiopathischen Schädigungen unterschieden werden. Der Ausschluss von Verletzungsfolgen sei unter diesen Bedingungen grundsätzlich schwierig, da Voraufnahmen nicht existierten.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Juli 2018 und den Bescheid vom 19. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztengeld über den 31. März 2010 hinaus zu gewähren sowie den Bescheid vom 5. Mai 2010 in der Gestalt des Bescheids vom 15. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 10. Juni 2008 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf die Ausführungen in den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen. Die Folgen einer Beweislosigkeit unfallzeitpunktnaher Schädigungen des Kopfes oder des Halses gingen zu Lasten der Klägerin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4. Dezember 2019 und den weiteren Inhalt der Prozessakte, der beigezogenen Prozessakte S 36 U 124/11 und der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.
Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung des Verletztengeldes für die Zukunft mit Bescheid vom 19. März 2010 zurückgenommen. Nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Aufhebung erfolgte formell und materiell rechtmäßig. Die Klägerin wurde zuvor angehört und hatte ab dem 1. April 2010 keinen Anspruch mehr auf die Gewährung von Verletztengeld.
Anspruch auf Verletztengeld haben Versicherte nach § 45 SGB VII u. a., wenn sie infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können. Nach § 46 Abs. 3 SGB VII endet das Verletztengeld
1. mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme,
2. mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht. Wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, endet das Verletztengeld
1. mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, dass die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können,
2. mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches (SGB V) genannten Leistungen, es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen,
3. im Übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.
Die Klägerin war am 1. April 2010 nicht mehr arbeitsunfähig. Auf chirurgischem Fachgebiet lagen bei der Klägerin eine Gangstörung links betont durch eine verheilte Hüftgelenksluxation links mit einsetzender Arthrose, eine Gangstörung durch eine bimalleoläre Sprunggelenksfraktur mit Ausbildung einer posttraumatischen Arthrose mit geringer Bewegungsstörung, eine Einschränkung der Beweglichkeit des unteren Sprunggelenkes, eine reizlos eingeheilte Spalthautplastik im Bereich des rechten Außenknöchels, reizlose Narben im linken Sprunggelenksbereich, des linken Hüftgelenkes und des linken Oberschenkels sowie verheilte Risswunden vor. Die Klägerin hat in ihrer Berufungsbegründung darauf hingewiesen, dass sie entgegen der Angaben im ersten Durchgangsarztbericht keine Risswunde zwischen dem vierten und fünften Finger, sondern der Zehen erlitten habe. Dies kann offenbleiben, denn jedenfalls war auch diese Risswunde folgenlos verheilt und veranlasste keine weitere Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin war in der Lage, ihre überwiegend sitzende Tätigkeit im Kreiswehrersatzamt auszuüben und die hierfür erforderlichen Wege zurückzulegen. Im Übrigen war aber auch mit keiner weiteren Besserung der Gangstörungen bei der Klägerin zu rechnen, und sie hatte bereits über 78 Wochen Verletztengeld bezogen.
Die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung der Halswirbelsäule mit Instabilität und Hirnstammreizung liegt nicht im Vollbeweis vor. Dr. D. hat schlüssig dargelegt, dass eigentliche hirntraumatische Verletzungen nicht vorgelegen hätten. Alle MRT- und CT-Aufnahmen seien hinsichtlich einer Traumafolge nicht hinweisend gewesen. Nach ärztlich-wissenschaftlichem Stand können isolierte Verletzungen der Ligamenta alaria oder eines Bandes nur bei ganz erheblicher traumatischer Beeinflussung der oberen Halswirbelsäule und auch der Kopfgelenke eintreten (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 7. März 2019 – L 2 U 19/15; vgl. Bitterling et al., Mysterium Ligamentum alare Ruptur, 2007; vgl. Thomann et. al., Der Orthopäde, Ausgabe März 2010, „Isolierte Verletzung“ der Ligamenta alaria; vgl. Thomann et. al., Distorsion der Halswirbelsäule und isolierte „Verletzung“ der Ligamenta alaria aus gutachterlicher Sicht, MedSach Ausgabe 02/2012). Knöcherne Begleitverletzungen und Mitverletzungen des Ligamentum transversum, die hier nicht vorgelegen haben, sind dafür Voraussetzung. Die diagnostizierte Hirnatrophie im Stirnbereich ist nicht als traumatische Verletzungsfolge zu werten, sondern als degenerative Veränderung, da sich ansonsten Vernarbungen hätten zeigen müssen. Der Anerkennung steht auch entgegen, dass ein sog. Erstschaden nicht festgestellt worden ist. Unfallnah sind keine Aufnahmen im Bereich des Schädels und der Halswirbelsäule erfolgt. Darauf hat auch Dr. Ck. hingewiesen. Die Beweislast eines Erstschadens liegt jedoch bei der Klägerin.
Die von der Klägerin angegebene Gefühlsstörung im Gesicht hat sich nicht objektivieren lassen. Weder das am 14. Juli 2008 durchgeführte CT noch das am 4. August 2008 durchgeführte C-MRT haben einen pathologischen Befund ergeben. Neurologische Auffälligkeiten konnten ebenfalls nicht festgestellt werden. Insbesondere wurden von der Klägerin während der neurologischen Testung auch keine Gefühlsstörungen oder Schmerzen im Bereich des Gesichts angegeben. Eine Kiefergelenksluxation oder auch Läsion des Kiefergelenksköpfchens wurde vermutet, konnte aber auch nicht nachgewiesen werden. Es zeigten sich lediglich leichte degenerative Veränderungen, die aber nicht dem Unfall zugeordnet werden konnten. Soweit Dr. T. einen Zusammenhang zwischen der Gefühlsstörung und der Verletzung der Halswirbelsäule sieht, ist es – wie oben ausgeführt – nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin eine solche Verletzung bei dem Unfall erlitten hat.
Auch das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung konnte nicht im Vollbeweis gesichert werden. Nach dem ICD-10-Katalog (F 43.1) setzt die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, voraus (A-Kriterium). Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z. B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten (B-Kriterium). Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten (C-Kriterium: Vermeidungsverhalten). Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf (D-Kriterium). Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden.
Nach dem ersten psychologischen Befundbericht von Dipl. Psych. H. vom 2. September 2008 wird das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung verneint. Aufgrund der Einschätzung des Selbstauskunftsbogens und des Gesprächs mit der Klägerin sei zwar von objektiv und subjektiv einschneidenden Folgen des schädigenden Ereignisses auszugehen, eine behandlungsbedürftige posttraumatische Belastungsstörung liege allerdings nicht vor. Der Dipl.-Psych. Gg. weist in seinem psychologischen Zusatzgutachten vom 5. Januar 2010 zutreffend darauf hin, dass nach den Angaben der Klägerin zu ihrer emotionalen Reaktion auf das Ereignis weder Symptome einer Belastungsreaktion noch Albträume, tagsüber auftretende Wiederinszenierungen oder andere Kernsymptome aufgetreten seien. Dr. O. vom Krhs- Hamburg kommt hingegen zum Ergebnis, dass nach vorläufiger Einschätzung die beschriebene Symptomatik der Klägerin einer posttraumatischen Belastungsstörung mit depressiver Begleitreaktion entspreche. Als einzige Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung werden hierbei ein Hyperarousal und eine Vermeidung von Reizen, die eine Wiedererinnerung an das Trauma hervorrufen könnten, genannt. Dies reicht jedoch nicht zur Erfüllung der Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung. Zudem wird im Befundbericht betont, dass die Klägerin vor allem auch durch die Rechtsstreitangelegenheiten mit der Gegenpartei sehr belastet und auf die behördlichen Angelegenheiten fokussiert sei. Entsprechend weist auch der Nervenarzt Dr. Ns. in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 5. April 2011 darauf hin, dass die typischen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht hätten gefunden werden können. Vielmehr stehe eine deutliche Verbitterung über die Nichtanerkennung der Beschwerden als Unfallfolgen im Vordergrund.
Die Klägerin hat nach dem Unfall zeitweilig an einer Anpassungsstörung, einer leichtgradigen Depression und situationsbezogenen Ängsten gelitten. Bereits am 30. Juni 2009 teilte der behandelnde Psychotherapeut S. mit, dass das Unfallereignis nunmehr in den Hintergrund trete und es der Klägerin inzwischen möglich sei, sich dem Unfallort zu nähern. Dieses Ergebnis bestätigte der Psychologe Gg. im psychologischen Zusatzgutachten vom 5. Januar 2010. Ängste in Menschenansammlungen, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Teilnehmer im Straßenverkehr seien nach erfolgreicher psychotherapeutischer Intervention nur noch in geringer Ausprägung vorhanden. Dies begründet jedenfalls keine Arbeitsunfähigkeit über den 31. März 2010 hinaus.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund einer höheren MdE als 20 v. H. Versicherte haben Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die MdE richtet sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSG, Urteil vom 26. November 1987 – 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27). Maßgeblich ist aber nicht die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten, sondern eine abstrakte Berechnung (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 3/2017, § 56 Rn. 10.1).
Als kausale Unfallfolgen sind die Einschränkungen der Klägerin auf fachchirurgischem Gebiet zu berücksichtigen. Die Anpassungsstörung erreichte zum Zeitpunkt der Rentengewährung keinen Krankheitswert mehr. Auf fachchirurgischem Gebiet war zunächst die Hüftluxation mit Acetabulumfraktur und beginnender Verschleißumbauung ohne wesentliche Einschränkung des Bewegungsausmaßes zu berücksichtigten. Im oberen Sprunggelenk besteht ebenfalls nur eine geringe Bewegungseinschränkung ohne besondere Beeinflussung des Gangbildes. Das untere Sprunggelenk ist dagegen stärker eingeschränkt. Insgesamt war das Gangbild der Klägerin pathologisch nicht wesentlich verändert und auch Hinweise auf Schwellzustände im Sprunggelenkbereich lagen nicht vor. Die Gesamtbewertung mit 20 v. H. war daher angemessen. Soweit Dr. T. und Dr. Oc. zu einer abweichenden Einschätzung der MdE kommen, ist dies auch darin begründet, dass beide Gutachter vom Vorliegen unfallkausaler Einschränkungen der Halswirbelsäule ausgehen, die jedoch wie oben ausgeführt nicht festgestellt werden konnten bzw. nicht kausal auf den Unfall zurückzuführen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.