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Vorsätzlich vorenthaltene Nachversicherungsbeiträge – Verjährung

Sozialgericht für das Saarland, Az.: S 9 RA 323/99, Urteil vom 16.02.2001

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beigeladene für die Zeit Oktober 1981 bis März 1983 nachzuversichern ist.

Die Beigeladene absolvierte vom 01.10.1981 bis 18.03.1983 den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Realschulen am Studienseminar N.. Mit Schreiben vom 11.04.1983 bat der Kläger die Beigeladene, am 01.04.1984, d.h. ein Jahr nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes, um Stellungnahme, ob und gegebenenfalls wann und bei welchem Arbeitgeber sie nach ihrem Ausscheiden aus dem saarländischen Beamtenverhältnis auf Widerruf ein neues Beschäftigungsverhältnis begründet habe, damit geprüft werden könne, ob die Beigeladene nachzuversichern sei. Im Aktenvermerk vom 12.06.1986 wurde festgehalten, dass eine Mitteilung der Beigeladenen nicht vorliege und eine Prüfung der Nachversicherungspflicht nicht möglich sei.

Mit Schreiben vom 06.10.1998 bat die Beigeladene den Kläger, sie für die Dauer ihres Vorbereitungsdienstes nachzuversichern. Diesen Antrag lehnte der Kläger ab mit der Begründung, die Nachversicherungsansprüche seien verjährt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Die Beigeladene bat daraufhin die Beklagte, die Nachversicherung einzuleiten. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass es für die damalige Praxis des Klägers, nach dem Ausscheiden seiner Beamten zunächst ein Jahr abzuwarten, bevor die Nachversicherung durchgeführt oder eine Aufschubbescheinigung erteilt werde, an einer gesetzlichen Grundlage gefehlt habe. Der Kläger hätte vielmehr alsbald nach dem Ausscheiden die erforderlichen Entscheidungen treffen und gegebenenfalls die Nachversicherungsbeiträge entrichten müssen, zumal eine zu Unrecht vollzogene Nachversicherung hätte wieder rückgängig gemacht werden können. Auch ohne Rückäußerung der Beigeladenen hätte der Kläger über die Nachversicherungspflicht entscheiden können. Es sei somit die 30-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV zu beachten.

Vorsätzlich vorenthaltene Nachversicherungsbeiträge - Verjährung
Foto: style-photographs/Bigstock

Der Kläger lehnte eine Nachversicherung ab mit der Begründung, da es eine gesetzliche Mitwirkungspflicht des ausgeschiedenen Beamten an seiner Nachversicherung nicht gebe, der frühere Dienstherr jedoch ohne Kenntnis der Fakten bei Ablauf der einjährigen Wartezeit keine Entscheidung habe treffen können, habe dieser einen Weg finden müssen, dieses Dilemma zu lösen. Der selbstverständliche und sicherste Weg sei dabei die faktische Einbindung des ausgeschiedenen Beamten in den Entscheidungsprozeß durch Rückmeldeaufforderung zum Ablauf der Jahresfrist gewesen. Da die Beigeladene dieser Aufforderung nicht gefolgt sei, habe das Ministerium durch Hinzuziehung der Personalakte und Befragung von Mitarbeitern versucht, Hinweise zu finden, die eine Nachversicherungsentscheidung hätten ermöglichen können. Nach dem Scheitern dieser Bemühungen seien die Akten im Archiv abgelegt worden. Die Verjährung richte sich somit nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Gegenüber der BfA sei die gegenüber der Beigeladenen ausgesprochene Verjährungseinrede bindend.

Mit Bescheid vom 27.10.1999 forderte die Beklagte vom Kläger Nachversicherungsbeiträge für die Zeit 01.10.1981 bis 18.03.1983 in Höhe von 10.628,69 DM.

Der Kläger hat am 29.11.1999 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die rechtliche Beurteilung der Nachversicherung richtet sich gemäß § 233 Abs. 1 SGB VI nach § 125 Abs. 1 d) aa) AVG. Der Anspruch auf Nachversicherung sei danach fällig nach Ablauf der Jahresfrist, also am 18.03.1984. Ab diesem Zeitpunkt beginne die Verjährungsfrist zu laufen. Die Verjährung richte sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (4 Jahre). Die 30-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV greife vorliegend nicht, da der Kläger Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten habe. „vorsätzlich vorenthalten“ setze dabei wissentliche und willentliche Nichtabführung der geschuldeten Beiträge voraus. Der Kläger habe aber kein Wissen betreffend tatsächlicher Angaben oder Umstände über die Begründung eines nachfolgenden Versicherungspflichten Beschäftigungsverhältnisses der Beigeladenen gehabt; folglich habe er kein Wissen und keine Kenntnis über die Fälligkeit des Nachversicherungsanspruches gehabt. Der Kläger habe den ihm obliegenden Anforderungen an die Nachforschungsbemühungen Genüge getan. Es habe keine Pflicht bestanden, das Wissen um eine Beitragspflicht zu fingieren, um dann deshalb „vorschießend“ Beiträge nachzuentrichten und – falls erforderlich – wieder vom Versicherungsträger zurückzufordern. Die nicht erfolgte Mitteilung der Beigeladenen falle in den Risikobereich der Beklagten. Sie müsse sich die nachwirkende Obliegenheitsverletzung zurechnen lassen. Im Übrigen müsse der Vorsatz auch auf die Nichtabführung der Beiträge gerichtet sein (sog. Willenselement). Aufgrund der Nachforschungen liege bereits keine Kenntnis der Versicherungspflicht vor, so dass ein „für möglich halten“, das als Voraussetzung für die Bejahung eines bedingten Vorsatzes erforderlich sei, auch hier nicht bejaht werden könne.

Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 27.10.1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und des Klägers verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Beigeladene war nach ihrem Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst gemäß §§ 233 Abs. 1 SGB VI, 6 Abs. 1 Nr. 2, 9 Abs. 1, Abs. 2 AVG nachzuversichern. Nach § 125 Abs. 1 d) aa) AVG wird die Nachentrichtung von Beiträgen aufgeschoben, wenn die aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausscheidende Person nicht unmittelbar, aber spätestens 1 Jahr nach dem Ausscheiden in eine andere in der Rentenversicherung der Angestellten oder der Rentenversicherung der Arbeiter versicherungsfreie Beschäftigung übertritt. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor, da nicht festgestellt werden konnte, dass die Beigeladene eine versicherungsfreie Beschäftigung aufgenommen hat. Der Kläger war somit verpflichtet, die Beigeladene nachzuversichern. Dies wird von ihm auch nicht bestritten.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Anspruch auf Nachversicherung auch nicht verjährt, da sich die Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV richtet. Danach verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.

Für die Annahme einer 30-jährigen Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Beitragspflichtige die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG, urteil vom 21.06.1990 – 12 RK 13/89) . Der Vorsatz des Klägers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass er sich um Sachverhaltsaufklärung bemüht und Nachforschungen angestellt hat. Unverständlich ist auch die Annahme des Klägers, dass er ohne Kenntnis der Fakten bei Ablauf der einjährigen Wartezeit keine Entscheidung habe treffen können. Der Kläger wußte vielmehr, dass die Beigeladene nach dem Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst grundsätzlich gemäß §§ 231 Abs. 1 SGB VI, 6 Abs. 1 Nr. 2, 9 Abs. 1, 2 AVG nachzuversichern war. weiterhin wußte der Kläger, dass eine Nachversicherung nur dann nicht durchzuführen ist, wenn ein Aufschubgrund i. S. d. § 125 AVG vorliegt. Die Nachforschungen des Klägers hatten ergeben, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, dass ein Aufschubgrund vorlag. Der Kläger wußte somit, dass § 125 AVG nicht anwendbar und die Nachentrichtung von Beiträgen somit nicht aufgeschoben war. Wenn der Kläger dennoch in Kenntnis dieser Sachlage keine Nachversicherung durchführt, sondern die Akten ins Archiv ablegt, ist ihm vorzuwerfen, dass er Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat.

Die Klage ist daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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