Skip to content
Menü

Ablehnung eines vom Gericht bestellten Sachverständigen – Voraussetzungen

Der Weg durch den Rentendschungel: Eine juristische Odyssee

In einer bedeutsamen Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (Az: L 3 R 315/20) geht es um einen Einzelnen, der den vielfältigen Herausforderungen des Rentenrechts gegenübersteht. Die Hauptrolle spielt ein seit 1981 im Berufsleben stehender Instandhaltungsmechaniker, der eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen durchlaufen hat und über Jahre hinweg mit den Höhen und Tiefen des Arbeitsmarktes und des Sozialversicherungssystems konfrontiert war.

Unser Protagonist, der bereits mehrere erfolglose Anträge auf Erwerbsminderungsrente gestellt hat, steht nun vor der schwierigen Aufgabe, sich in dem komplexen und oft verwirrenden System der Rentenversicherung zurechtzufinden. Dabei hat er sowohl mit körperlichen als auch mit bürokratischen Hürden zu kämpfen. Erschwerend kommt hinzu, dass er mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 40 und einer durch die Berufsgenossenschaft festgestellten Lärmschwerhörigkeit konfrontiert ist.

Direkt zum Urteil Az: L 3 R 315/20 springen.

Der Weg durch die Berufswelt und das Sozialversicherungssystem

Unser Hauptdarsteller hat in seinem Berufsleben viele Stationen durchlaufen: vom Instandhaltungsmechaniker zum Schlosser und Schweißer, von einer Umschulung zum Maschinen- und Anlagenführer hin zu Zeiten der Arbeitslosigkeit und des Bezugs von Übergangsgeld und Leistungen nach dem SGB II. Diese Vielfalt an Erfahrungen und Herausforderungen unterstreicht die Schwierigkeiten, die viele Menschen in ähnlichen Situationen auf ihrem Weg durch die Arbeitswelt und das Sozialversicherungssystem erleben.

Der Kampf um die Rente wegen Erwerbsminderung

Unser Protagonist hat sich mehrmals auf die mühsame Reise begeben, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen. Jedes Mal wurde er jedoch zurückgewiesen, wobei er immer wieder auf den einschüchternden Papierberg der Bürokratie stieß. Die Renten- und Rehabilitationsverfahren, durch die er ging, wurden von der zuständigen Stelle gründlich geprüft.

Die medizinischen Befunde und ihre Auswirkungen auf den Rentenantrag

Zur Unterstützung seines Rentenantrags legte unser Hauptdarsteller verschiedene medizinische Befunde vor. Die Gutachten umfassten Diagnosen wie chronisch rezidivierende Lumboischialgien, ein Zervikobrachialsyndrom sowie eine Sprunggelenksarthrose. Aber trotz der aufgeführten gesundheitlichen Einschränkungen wurde von der Beklagten festgestellt, dass die Tätigkeiten eines Maschinen- und Anlagenführers mit diesen Einschränkungen vereinbar seien.

Das endgültige Urteil und seine Konsequenzen

Die Klage gegen das ursprüngliche Urteil des Sozialgerichts Magdeburg wurde vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt abgewiesen. Es wurden keine Kosten für das Berufungsverfahren erstattet und die Revision wurde nicht zugelassen. Dieser Fall unterstreicht die Härten und Herausforderungen, mit denen sich Menschen konfrontiert sehen, wenn sie versuchen, ihren Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung durchzusetzen.


Das vorliegende Urteil

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt – Az.: L 3 R 315/20 – Urteil vom 08.07.2021

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. November 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI).

Der am … 1963 geborene Kläger schloss im Jahr 1981 seine Berufsausbildung zum Instandhaltungsmechaniker ab und nahm von April bis Juli 2004 an einem CNC-Lehrgang teil. Er stand bei verschiedenen Arbeitgebern in versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen als Schlosser und Schweißer. Mit einer Kostentragung durch die Beklagte nahm der Kläger vom 1. Oktober 2014 bis zum 29. Januar 2016 erfolgreich an einer Umschulung zum Maschinen- und Anlagenführer teil. Daran schloss sich der Bezug von Arbeitslosengeld, Übergangsgeld und Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II) an. Im Versicherungsverlauf sind danach noch für September und Oktober 2016 Pflichtbeitragszeiten für eine versicherungspflichtige Beschäftigung zu entnehmen. Nach Ausschöpfung des Anspruchs auf Krankengeld am 29. September 2020 bezog der Kläger erneut Arbeitslosengeld.

Nach Aktenlage ist bei dem Kläger ist seit dem 30. Januar 2012 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt. Von Seiten der Berufsgenossenschaft Metall Nord-Süd wurde nach Aktenlage eine Lärmschwerhörigkeit nach der Nr. 2301 BKV mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von unter 10 v.H. festgestellt (Bescheide vom 5. August 2003 und 19. Januar 2009). Der Kläger verfügt über einen Führerschein und einen Pkw.

Der Kläger beantragte am 30. Dezember 2004 und 3. März 2008 erfolglos bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Auf den dritten Rentenantrag vom 1. November 2016 zog die Beklagte die Unterlagen aus den vorausgegangenen Renten- und Rehabilitationsverfahren bei. Dem Bericht der Psychologin G1., Berufsförderungswerk Sachsen-Anhalt, vom 8. Dezember 2016 ist die Einschätzung zu nunmehr im Vordergrund stehenden Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt zu entnehmen. Die Tätigkeiten eines Maschinen- und Anlagenführers seien mit den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers vereinbar. Die Beklagte holte das Gutachten von der Fachärztin für Chirurgie S1 vom 15. Dezember 2017 ein, in dem als Diagnosen chronisch rezidivierende Lumboischialgien bei links mediolateralem Prolaps im Segment L5/S1, ein Zervikobrachialsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule (HWS), eine Sprunggelenksarthrose rechts im Stadium I, eine koronare Herzkrankheit mit Zustand nach Myokardinfarkt 2012, eine COPD, eine Schlafapnoe und eine Arthritis urica mit sekundärer GZG-Arthrose rechts aufgeführt sind. Aus orthopädischer Sicht bestünden dauerhafte Einschränkungen der statisch-mechanischen Belastbarkeit des Achsorgans und damit auch der beruflichen Einsatzfähigkeit. Im erlernten und bis zuletzt ausgeübten Beruf als Schweißer und Schlosser sei der Kläger dauerhaft nicht einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt komme die Ausübung einer körperlich leichten Tätigkeit in Wechselhaltung, ohne Heben und Bewegen von Gegenständen von mehr als 5 kg Gewicht, Zwangshaltung der Wirbelsäule und Besteigen von Leitern und Gerüsten, in einem „zeitlichen und mehr Umfang von 4-6 Stunden in Betracht“. Zusätzliche Einschränkungen hinsichtlich der internistischen Grunderkrankungen seien in einem entsprechenden Zusatzgutachten zu bewerten. Auf dem Ankreuzbogen ist (nach Korrektur) ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich angegeben. Dem nachfolgend von der Fachärztin für Innere Medizin H. eingeholten Gutachten vom 6. März 2018 ist zu entnehmen, der Kläger sei geschieden und lebe in einem Einfamilienhaus von 103 m² auf einem 800 m² großen Grundstück. Zu seinem Tagesablauf habe der Kläger angegeben, vor dem Fernseher einzuschlafen und um 1 Uhr (nachts) aufzuwachen. Dann mache er bis 3 Uhr den Abwasch. Von 3 bis 6 Uhr liege er im Bett mit dem CPAP. Dann gehe er ins Bad, füttere die zwei Katzen und frühstücke. Früh versuche er etwas im Haushalt oder habe Arzttermine. Die Wäsche lege er in den elektrischen Trockner oder hänge sie im Haus auf einen Standtrockner. Wegen der Gicht könne er nicht zu den 400 m entfernten Geschäften laufen. Einmal in der Woche fahre er mit dem Pkw in I. oder W. zum Einkaufen. Er habe jetzt eine Haushaltshilfe beantragt. Wegen seines Gewichts esse er mittags nichts. Er liege von 12 bis 17 Uhr auf der Couch und schlafe. Gegen 17 Uhr esse er etwas Warmes. Dann mache er bis 20 Uhr weitere Arbeiten im Haushalt. Wenn er sich dann vor dem Fernseher setze, schlafe er ein und wache nach drei bis vier Stunden wieder auf. Der Herzinfarkt habe ihn aus der Bahn geworfen. Er leide unter Atemnot, Bronchitis, Schlafapnoe, Schlaflosigkeit, unkontrollierter Müdigkeit, meist auch unter Schmerzen am linken Arm, der Brust, an Lendenwirbelsäule (LWS) und HWS sowie Gicht und einer Hör- und Sehschwäche. Er könne nicht 30 Minuten Laufen, Stehen oder Sitzen (Anm. der Gutachterin: Er saß zur Anamnese ohne Stellungswechsel 70 Minuten). Dann müsse er aufstehen. Wenn er sich hocke, sei der Schmerz weg (Anm. der Gutachterin: Das schließt eine Spinalkanalstenose aus). Im Untersuchungsbefund liege eine Adipositas Grad 2 (170 cm/107 kg) vor. Der Kläger habe zur Untersuchung seine vorhandenen zwei Hörgeräte und zwei Brillen nicht mitgebracht und die langen Kompressionsstrümpfe an den Beinen hätten gefehlt. Es sei von einem „Demonstrativgebaren (Aggravatio bei neurotischem Rentenbegehren?) auszugehen“. Das Hörvermögen sei bei normal lauter Umgangssprache im Verstehen nicht eingeschränkt, auch nicht bei 6 m Entfernung. Flüstersprache ohne Hörhilfe sei gemindert auf symmetrisch 1 m. Nach Aufklärung habe bei der Ergometrie mit Pulsoxymetrie eine absolute Non-Compliance vorgelegen. Da die transthorakale Echokardiographie mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von 60 Prozent eine völlig normale Herzfunktion eines nicht dilatierten Cors ohne Compliancestörung verdeutlicht habe, habe sozialmedizinisch auf eine Ergometrie zur Leistungsbeurteilung verzichtet werden können. Als internistische Leiden lägen bei dem Kläger eine hypertensive Herzerkrankung ohne Krise oder Herzschwäche, ein Zustand nach NSTEMI 12/2011 mit PTCA und Implantation von DE-Stents im März 2012, eine Adipositas Grad 2 mit komplettem Stoffwechselsyndrom, eine Fettstoffwechselstörung, ein Diabetes mellitus Typ 2 ohne Komplikationen, nicht dekompensiert, eine Hyperurikämie, ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, [ ] und statische Fehlbelastung (für den fehlenden Text ergibt sich nach der angefügten Diagnose nach ICD-10 M62.99: „Muskelkrankheit, nicht näher bezeichnet“) sowie eine in der Genese unklare Hypothyreose, medikamentös kompensiert, vor. Als fachfremde Leiden seien ein Verdacht auf eine Neurotisierung mit somatoformer Schmerzstörung bei Anpassungsstörung, mehrsegmentale Bandscheibendegenerationen ohne Radikulopathie und eine Lärmschwerhörigkeit beidseits zu berücksichtigen. Klinisch seien eindeutig eine Herzschwäche oder eine pulmonale Insuffizienz zu vermissen. Auf Basis der subjektiven Beschwerdeschilderung sei es fraglich, ob wirklich eine Arthritis urica vorliege. In Zusammenfassung aller Befunde und der Untersuchung sowie Sichtung des medizinischen Verlaufs sei unter kardiologischer und internistischer Sicht die erwerbsmäßige Belastbarkeit des Klägers momentan nicht völlig aufgehoben. Zu den orthopädischen Leiden liege in diesem Rentenverfahren bereits ein aktuelles Gutachten vor. Dem Kläger seien erwerbsmäßig körperlich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, z.B. Anlernarbeiten, in wechselnder Körperhaltung in Tagesschicht in geschlossenen Räumen – ohne Tätigkeiten in der Höhe mit Absturzgefahr, dauernd im Hocken, Bücken und Knien, Dauervibrationen, Zwangshaltungen, mit ständiger Armvor- oder Überkopfhaltung, Akkord, Gehen bergan, Publikumsverkehr, Telefondienst, PC-Arbeit und Lärmeinfluss – sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Bei Lasten über 7,5 kg seien Hilfsmittel nötig. Es werde ein psychiatrisch-neurologisches Zusatzgutachten empfohlen. Die Persönlichkeitsstruktur des Klägers sei auffällig. Neurologisch habe der Kläger Kribbelparästhesien der Beine benannt.

Den Rentenantrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass bei dem Kläger ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit weiteren Funktionsstörungen vorliege (Bescheid vom 14. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2018).

Mit seiner am 19. Juli 2018 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und zur Begründung im Wesentlichen auf das von S1 festgestellte Leistungsvermögen verwiesen. Es sei nicht erkennbar, welches Berufsbild existent sei, das die von H. benannten Einschränkungen berücksichtige. Er hat auf ein anderes Verfahren betreffenden Befundbericht des Facharztes für HNO-Heilkunde E1. unter dem 20. Februar 2018 Bezug genommen, in dem mitgeteilt wird, die im HNO-Bereich beklagten Beschwerden führten „aber zu einer deutlichen Verstärkung der überwiegend internistischen Probleme“. Jedoch lasse „die Multimorbidität eher keine vollzeitige Beschäftigung am gegenwärtigen Arbeitsmarkt zu“. Auch eine Beschäftigung mit entsprechender zeitlicher Einschränkung und deutlich reduzierter körperlicher Belastung dürfte eher „nicht verfügbar sein“.

Das Sozialgericht hat durch Einholung von Befundberichten ermittelt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin M. hat unter dem 20. Dezember 2018 eine Verschlechterung der gesundheitlichen Probleme des Klägers seit dem Jahr 2012 angegeben. Als Diagnosen lägen ein LWS-Syndrom, ein chronischer Schmerz, ein Diabetes mellitus Typ II, ein Koronare Herzkrankheit (KHK), eine Anpassungsstörung und Gicht vor. Der Kläger könne nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Der Facharzt für Innere Medizin E2., MVZ N. GmbH, hat in seinem Befundbericht vom 17. Juni 2019 ausgeführt, auf Grund der Angina pectoris und der komplexen Koronarintervention zurzeit leichte körperliche Arbeiten nicht empfehlen zu wollen. Im Vordergrund stehe die eindeutige Indikation zur erneuten invasiven Diagnostik; danach könne weiter entschieden werden. Dem beigefügten Arztbrief vom 11. Dezember 2018 ist insoweit eine noch nicht vorhandene Bereitschaft des Klägers, sich einer solchen Diagnostik zu unterziehen, zu entnehmen. Nach dem Befundbericht des ebenfalls an diesem MVZ tätigen Facharztes für Orthopädie G2. vom 18. Juni 2019 haben sich die von ihm erhobenen Befunde – mit den orthopädischen Diagnosen eines NPP L5/S1 mit lumbalem Pseudoradikulärsyndrom beidseits und eines rezidivierenden Cervikobrachialsyndroms beidseits – nicht verändert. Allerdings sei die offensichtlich cardiopulmonale Leistungsfähigkeit des Klägers weiter rückläufig. Die schmerzfreie/schmerzarme [Gehstrecke] sei auf unter 400 m reduziert. Die Frage in Bezug auf ein sechsstündiges Leistungsvermögen ist verneint. Die cardiopulmonale Leistungsfähigkeit erscheine zu sehr reduziert. Der Kläger leide „auch unter Angst vor Überlastungsfolgen im Zusammenhang mit einer Arbeitstätigkeit“. Hier sei sicherlich eine psychische Evaluation sinnvoll. Zu den Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 47 bis 56, 92 bis 95, 96 bis 100 und 119 bis 131 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

Das Sozialgericht hat sodann mit Beweisanordnung vom 16. Januar 2020 den Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie M1. zum Sachverständigen bestellt. Am 4. Mai 2020 hat der Kläger hierzu mitgeteilt, die in diesem Zusammenhang erfolgte Untersuchung in der Rehabilitationsklinik B. am 23. und 24. April 2020 sei abgebrochen worden, weil man von ihm verlangt habe, dass er sich auf ein Ergometer in Form eines großen bzw. hohen Fahrrades setze. Da er sich ohnehin nur mit Unterarmgehstützen habe bewegen können und daneben unter einem Gichtschub und Wasser in den Beinen gelitten habe, habe er sich hierzu auf Grund von Schmerzen nicht in der Lage gesehen. Er sei dann nach Hause geschickt worden und „überlege, die Ärztekammer einzuschalten“. Das Sozialgericht hat den gerichtlichen Sachverständigen diesbezüglich mit richterlichem Schreiben vom 5. Mai 2020 um eine Stellungnahme gebeten, in der dieser ausgeführt hat, die für den 24. April 2020 vorgesehen gewesene spiroergometrische Untersuchung auf dem Halbliegend-Fahrradergometer sei nahezu bei jedem Patienten durchführbar, zumindest, wenn dieser aus eigener Kraft den Untersuchungsraum erreichen könne. Der Kläger habe diese Untersuchung verweigert, ohne einen Versuch zur Durchführung unternommen zu haben. Er habe auch die geplante fachärztliche Vorstellung beim orthopädischen Chefarzt M2. verweigert sowie pauschal alle weiteren Untersuchungen durch den gerichtlichen Sachverständigen, die für den 24. April 2020 geplant gewesen seien: Dopplerdruckmessung zur Beurteilung der Durchblutungssituation der unteren Extremität, Bodyplethysmographie zur Beurteilung der Lungenfunktion und Gehstreckenbestimmung. Zu der Stellungnahme wird im Übrigen auf Blatt 181 bis 183 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

Zu den Ausführungen des Klägers zu den von ihm geforderten Bedingungen, sich weiteren Untersuchungen im Rahmen des Gutachtens zu unterziehen (u.a. Anwesenheit von zwei von ihm benannten „Zeugen seiner Wahl“ und erneute Fahrkostenerstattung) und der seiner Auffassung nach „alternativ“ in Betracht kommenden Einholung eines Befundberichtes von G. wird auf Blatt 188 bis 189 Bd. I der Gerichtsakten verwiesen.

M1. hat sodann auf der Grundlage der Lage der Akten nach den tatsächlich durchgeführten Untersuchungen sein Gutachten unter dem 31. Juli 2020 erstattet. Zu seinem Tagesablauf habe der Kläger angegeben: „Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen und Medikamente reinschaufeln“. Er stehe zwischen 5 und 6 Uhr morgens auf und versorge zunächst seine zwei Katzen, kleide sich an und frühstücke. Dann erledige er Hausarbeiten. Zu Mittag esse er meist nicht, da er seit dem Herzinfarkt „intervallfaste“. Im Laufe des Tages fahre er auch mit dem Fahrrad oder dem Pkw zum Einkaufen. Nachmittags führe er gern leichte Gartenarbeiten aus oder entspanne im Garten. Gerne besuche er auch seinen Sohn, Bekannte oder Freunde. Mehrmals in der Woche fahre er zum Schwimmen nach W. und im Sommer in der Talsperre. Oft gehe er auch zum Angeln, sei Mitglied in einem Angelverein und nehme an den Vereinstreffen teil. Seit dem Bau des Hauses im Jahr 2000, das er bis auf den Rohbau mit Handwerkern aus der Familie selbst gebaut habe, habe er keinen Urlaub mehr gemacht. Arbeiten an seinem Haus erledige er auch zum Zeitpunkt der Untersuchung noch selbst, könne jedoch nicht mehr auf Leitern steigen oder Dachziegel wechseln. Auch längeres Knien, beispielsweise zum Auswechseln von Fliesen, sei nicht mehr möglich. Die ihm verordneten Hörgeräte trage der Kläger nicht, da ihm der Klang „zu blechern“ sei. Er habe im Alltag und bei der Verständigung im Alltag keine Schwierigkeiten. Zusammenfassend könne auf der Grundlage der Vorbefunde festgestellt werden, dass bei dem Kläger ein im Langzeitverlauf stabiler Befund nach Intervention der koronaren Drei-Gefäß-Erkrankung mit normaler systolischer linksventrikulärer Funktion des Herzens, nach invasiven und nicht-invasiven Untersuchungskriterien bisher ohne Hinweis auf Progression der bekannten koronaren Herzerkrankung oder Re-Stenose vorliege. Trotz inkompletter Revaskularisation mit verbliebenen Stenosen im Bereich der rechten Koronararterie und des Ramus circumflexus seien diese im erreichten Belastungsumfang hämodynamisch nicht relevant. Wie in den Vorbefunden dokumentiert, sei eine fahrradergometrische Belastung bis zur 100-Watt-Grenze und wahrscheinlich auch darüber kardial nicht limitiert. Die von dem Kläger angegebene Symptomatik mit Schmerzen in den Füßen insbesondere beim Auftreten sei nicht typisch für eine Gicht. Typische Gichtanfälle mit Entzündung, Rötung und schmerzhafter Überwärmung an den typischen Stellen (Chirargra oder Podagra = Daumen- oder Zehengrundgelenk) würden vom Kläger nicht benannt und seien auch in der Anamnese nach Aktenlage nicht beschrieben. Als Diagnosen lägen bei dem Kläger eine KHK mit Zustand nach NSTEMI im Dezember 2011 und aktuell normaler systolischer linksventrikulärer Funktion sowie anamnestisch bekannter fahrradergometrischer Belastbarkeit bis 100 Watt und eine koronare Drei-Gefäß-Erkrankung mit Hauptstammbeteiligung ohne Hinweis auf Progression der KHK oder Re-Stenose vor. Im Übrigen bestünden eine grenzwertig normotensiv eingestellte arterielle Hypertonie, ein komplettes metabolisches Syndrom, ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, degenerative Veränderungen an HWS und LWS, ein chronisches Schmerzsyndrom mit Anpassungsstörung, ein geringfügiger Schulterhochstand links, eine Lärmschwerhörigkeit ohne prozentualen Hörverlust und der Verdacht auf eine Stressinkontinenz. Die subjektive Darstellung der Beschwerden sowie die aggraviert wirkende Beschreibung des Krankheitsverlaufs der aus Sicht des Klägers unzureichend oder nicht behandelten Leiden werde dramatisiert. Die Angabe von Beschwerdehäufigkeit und Intensität korreliere nicht mit den objektiven Befunden und dem bisherigen Behandlungsverlauf. Über diese Aggravation hinaus simuliere der Kläger eine Gehstörung und die Unfähigkeit zur Durchführung von diagnostischen Belastungsuntersuchungen. Die Angaben zum persönlichen Alltag korrelierten nicht mit dem geschilderten Beschwerdebild. Es werde eingeschätzt, dass der Kläger in der Lage sei, geistig einfache bis mittelschwere und körperlich leichte Tätigkeiten mit zum Beispiel regelmäßigem Tragen von weniger als 10 kg auszuüben. Die Tätigkeiten könnten überwiegend im Gehen, Stehen oder Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel ohne hierfür vorgegebene Taktung ausgeführt werden. Die Tätigkeiten sollten keine häufigen einseitigen körperlichen Belastungen oder Zwangshaltungen bedingen. Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel, häufiges Ersteigen von Leitern, Treppen und Gerüsten, andauerndes Knien, Hocken und Bücken sollten nicht Bestandteil der Arbeitstätigkeit sein. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände und die Fingergeschicklichkeit seien nicht eingeschränkt. Die Tätigkeiten könnten durchschnittliche Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen, Verantwortungsbewusstsein, Übersicht und Zuverlässigkeit stellen. Wegen des nicht ausreichend behandelten Schlafapnoe-Syndroms sollten keine besonderen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit und Aufmerksamkeit gestellt werden. Die Arbeiten sollten nicht mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen, Nachtschichten, besonderem Zeitdruck oder Akkord verbunden sein. Es werde eingeschätzt, dass der Kläger unter Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen acht Stunden täglich arbeiten könne, in der Lage sei, viermal täglich einen Fußweg von jeweils 500 m in unter 20 Minuten zurückzulegen, öffentliche Verkehrsmittel und ein Kraftfahrzug zu nutzen. Die in dem im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eingeholten fachorthopädischen Gutachten geäußerte quantitative Limitation auf drei bis unter sechs Stunden sei nicht begründbar und werde in dem Gutachten auch nicht mit Argumenten belegt. Der Sachverhalt sei aus medizinischer Sicht ausreichend geklärt. Zu der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen vom 29. Juli 2020 wird auf Blatt 238 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

Zu den Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen wird auf Blatt 242 bis 243 und 244 bis 245 Bd. II der Gerichtsakten Bezug genommen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. November 2020 abgewiesen. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Bei ihm liege kein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden vor. Das ergebe sich aus den vorliegenden ärztlichen Einschätzungen aus den Rentenverfahren und dem Gerichtsverfahren. Den Einschätzungen in den Gutachten von H. und M1. sei am Maßstab der zutreffenden sozialmedizinischen Leistungseinschätzung zu folgen. In Bezug auf den Ablauf der Untersuchung bei dem gerichtlichen Sachverständigen M1. seien dessen Einlassungen und die seiner Sekretärin insbesondere unter Berücksichtigung der Feststellungen zur Non-Compliance bei der Untersuchung durch H. glaubhaft. Damit korrelierten insbesondere die Angaben des Klägers zu seinem Tagesablauf. Bei dem Kläger lägen auch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht vor.

Der Kläger hat gegen das ihm am 19. November 2020 zugestellte Urteil am 10. Dezember 2020 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein Vorbringen aus der ersten Instanz wiederholt und vertieft. Das Gutachten von M1. sei nicht tragfähig. Entscheidend sei insoweit, dass die Untersuchung abgebrochen worden sei und das Gutachten dementsprechend nicht auf einer ausreichend aktuellen Befunderhebung basiere. Im Übrigen werde eine fehlende Unvoreingenommenheit des Sachverständigen gerügt. Maßgebend sei die Einschätzung der ihn – den Kläger – behandelnden Ärzte. Ihm sei seit dem Jahr 2012 von Seiten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung eine erhebliche Minderung seiner Erwerbsfähigkeit attestiert worden. Er meine, dass sich unter Berücksichtigung der Feststellungen von H. eine zu einer Rente wegen Erwerbsminderung berechtigende Leistungsminderung ergebe. Ein mit den Leistungseinschränkungen zu vereinbarendes Berufsbild sei nicht existent. Er hat darauf hingewiesen, sich mit dem am MVZ N. GmbH tätigen Facharzt für Innere Medizin S2. „bezüglich der Frage einer Erwerbsunfähigkeit“ unterhalten zu haben, der „insoweit auch seine Bereitschaft erklärt“ habe, „sich diesbezüglich schriftlich umfassend zu äußern“.

Der Kläger hat mit seinen Angaben zu ärztlichen Untersuchungen/Behandlungen (teilweise erneut) diverse Unterlagen übersandt, insbesondere den Arztbrief von B., Poliklinikum GmbH, vom 10. September 2020 zu einer „Focussuche bei Leistungsabfall“. Als Diagnose ist danach eine massive Einschränkung der Nasenatmung („dringend Schlafmaske“) festgestellt worden. In dem Bericht dieses Arztes vom 26. März 2021 wird die Einstellung im Schlaflabor empfohlen. Dem privatärztlichen Attest von G. vom 25. September 2019 ist eine aus dessen Sicht „anhand der Komplexität der Erkrankungen“ des Klägers „in verschiedenen Organsystemen“ aufgehobene Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu entnehmen. Aus dem Arztbrief von E2. vom 16. Oktober 2019 geht hervor, der Kläger habe ganz erhebliche Wirbelsäulenprobleme; vom Herzen her gebe es zurzeit keine Probleme. Seines Erachtens sei der Kläger „erwerbsunfähig“. In seinem Arztbrief vom 28. Oktober 2020 hat S2. zu der kardiologischen Kontrolluntersuchung des Klägers ein im Wesentlichen unauffälliges Ergebnis von EKG, thorakaler farbcodierter Dopplerechokardiographie (mit guter systolischer links- und rechtsventrikulärer Funktion und einer LVEF über 60 Prozent) und Duplex der Carotiden mitgeteilt. Es liege ein deutlich zu hoher Blutdruck mit der Notwendigkeit zu einer medikamentösen Dosissteigerung vor. Dem mit Schriftsatz vom 15. April 2021 übersandten Medikamentenplan ist die Verordnung eines Arzneimittels gegen Wassereinlagerung zu entnehmen. Im Übrigen hat der Kläger ältere Unterlagen aus dem Zeitraum ab Juli 2008 übersandt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 336, 337, 338, 339 bis 341, 342 bis 343, 344, 345 bis 346, 386 und 387 Bd. III der Gerichtsakten Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg und den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Rentenantragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Auf die Befundberichtsanforderung bei dem Hausarzt des Klägers hat M. ein unter dem 18. März 2021 erstelltes Attest übersandt. Seit 2021 sei eine Verschlechterung des Diabetes Typ II mit deutlich erhöhtem HbA1c (einer Unterform des Hämoglobins von Erwachsenen zur Ermittlung des durchschnittlichen Zuckergehalts im Blut von Diabetikern) eingetreten. Als Folge habe eine zusätzliche Therapie mit zusätzlichem Insulin eingeleitet werden müssen. In letzter Zeit habe auch die Leistungsfähigkeit des Klägers mit einer Verschlechterung des psychischen Zustands nachgelassen. Der Kläger leide unter zunehmenden depressiven Verstimmungen und zunehmenden Schmerzen im HWS- und LWS-Bereich. Dem beigefügten Medikationsplan sind neben nicht verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln, Schilddrüsenhormone und Insulin, ein in der Regel für die Behandlung eines nicht insulinpflichtigen Diabetes vorgesehenes Arzneimittel, ein Blutdrucksenker, ein Cholesterinsenker und ein Protonenpumpenhemmer zu entnehmen. In dem beigefügten Arztbrief vom S1 vom 2. November 2020 sind die Befunde zu der Untersuchung am 28. Oktober 2020 entsprechend dem vom Kläger übersandten Bericht mit Datum vom Untersuchungstag aufgeführt. Zu dem Bericht nebst Anlagen wird im Übrigen auf Blatt 363 bis 387 Bd. III der Gerichtsakten Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Versicherte sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, bzw. nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI voll erwerbsgemindert, wenn sie unter diesen Bedingungen außer Stande sind, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert im Sinne dieser Vorschrift. Denn er kann noch geistig einfache bis mittelschwierige und körperlich leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Zumutbar sind Arbeiten überwiegend im Gehen, Stehen oder Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel ohne eine hierfür vorgegebene Taktung. Zu vermeiden sind häufige einseitige körperliche Belastungen, Zwangshaltungen, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel, häufiges Ersteigen von Leitern, Treppen und Gerüsten, andauerndes Knien, Hocken und Bücken, Arbeiten mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen, Nachtschichten sowie Arbeiten mit besonderem Zeitdruck (z.B. im Akkord). Die Gebrauchsfähigkeit der Hände und die Fingergeschicklichkeit des Klägers sind nicht wesentlich eingeschränkt. Es können durchschnittliche Anforderungen an Seh- und Hörvermögen, Verantwortungsbewusstsein, Übersicht und Zuverlässigkeit und einfache Anforderungen an Reaktionsfähigkeit und Aufmerksamkeit gestellt werden.

Als Hauptdiagnosen liegen bei dem Kläger eine KHK mit Zustand nach Herzinfarkt im Dezember 2011 mit aktuell normaler systolischer linksventrikulärer Funktion und eine koronare Drei-Gefäß-Erkrankung mit Hauptstammbeteiligung ohne Hinweis auf Progression der KHK oder Re-Stenose vor. Die Folgen dieser Erkrankungen und die weiteren internistischen und orthopädischen Gesundheitseinschränkungen können nur qualitative, nicht aber quantitative Einschränkungen des Leistungsvermögens des Klägers begründen. Demgegenüber können die Angaben des Klägers zu Häufigkeit und Intensität seiner Beschwerden nicht Maßstab des Leistungsbildes sein, da diese Angaben nicht den objektiven Befunden und dem bisherigen Behandlungsverlauf entsprechen. Der Senat kann insoweit offenlassen, ob nur von einer Aggravation oder sogar von einer Simulation des Klägers für seine Beschwerden auszugehen ist.

Bezüglich des Leistungsbildes stützt sich der Senat auf die überzeugenden Feststellungen in den Gutachten von H. und M1., die sich in den wesentlichen Punkten decken.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren eine fehlende Unvoreingenommenheit des gerichtlichen Sachverständigen M1. rügt, hat der Kläger vor dem insoweit zuständigen erstinstanzlichen Gericht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 406 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung [ZPO]) einen Antrag, der als Gesuch, den Sachverständigen wegen der Besorgnis einer Befangenheit abzulehnen, auszulegen sein könnte, nicht gestellt und – was in prozessualer Sicht entscheidend ist – in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht im Übrigen einen Sachantrag gestellt, ohne ein Befangenheitsgesuch anzubringen oder einen Beweisantrag zu stellen. Ein gegen einen Sachverständigen gerichtetes Befangenheitsgesuch kann im Übrigen nach § 406 Abs. 2 ZPO regelmäßig nur binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung oder später nur zu dem frühesten insoweit möglichen Zeitpunkt gestellt werden.

Der Auffassung des Klägers, er könne durch die fehlende Mitwirkung an den Untersuchungen bei H. und M1. eine weitere Begutachtung erzwingen, ist nicht zu folgen. Dem steht bereits entgegen, dass nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 2 ZPO eine Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen regelmäßig voraussetzt, dass der bestellte Sachverständige mit Erfolg abgelehnt worden ist.Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen M1. leidet auch nicht unter Mängeln, die eine erneute Begutachtung durch diesen oder einen anderen Sachverständigen zur hinreichenden Aufklärung des Sachverhalts erforderlich machen könnten (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).

Aus Sicht des Senats bestehen keine Anhaltspunkte, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des gerichtlichen Sachverständigen begründen und bei objektiver Betrachtung im Rahmen der Beweiswürdigung gegen eine Verwertbarkeit des Gutachtens von M1. sprechen könnten. Die Eskalation bei dem gerichtlichen Sachverständigen ist nicht als punktuelles Ereignis, sondern im Rahmen einer Mittel-Zweck-Relation zu würdigen. Ein konfrontatives Verhalten des Klägers zieht sich durch das gesamte Verwaltungs- und Klageverfahren, insbesondere mit der Androhung von Schadensersatzansprüchen, soweit seinem Anliegen nicht entsprochen werde. Der gerichtliche Sachverständige M1. hat auch nicht etwa auf eine Leistungseinschätzung verzichtet, sondern ausführlich begründet, dass die ihm vorliegenden Untersuchungsbefunde eine hinreichende Grundlage für eine abschließende Feststellung bieten.

Die Leistungseinschätzung des Senats wird u.a. auch durch das von dem Kläger für seine gegensätzliche Auffassung in Anspruch genommene Gutachten des MDK vom 24. Juli 2012 gestützt, in dem ein (deutlich oberhalb des vom Senat zugrunde gelegten positiven Leistungsbildes liegendes) verwertbares Restleistungsvermögen des Klägers angenommen wird. Dort werden als dem Kläger zumutbar zwar nur leichte körperliche Arbeiten, aber ausschließlich mit Einschränkungen für Akkordarbeit, einen abrupten Wechsel von Kälte, Nässe und Wärme, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in Nachtschicht, mit Heben und Tragen von Lasten über 20 kg, Zwangshaltungen (Überkopfarbeiten, Knien etc.) und Exposition gegenüber inhalativen Noxen genannt.

Vor dem Hintergrund der bei dem Kläger mehrfach bestätigten Aggravation kommt den Einschätzungen der behandelnden Ärzte, die sich im Rahmen eines Arzt-Patienten-Verhältnisses mit einer Validierung von Beschwerdeangaben nicht zwingend auseinandersetzen müssen, hier keine maßgebende Bedeutung zu. Die Einschätzungen der behandelnden Ärzte des Klägers zeichnen sich im Übrigen dadurch aus, dass die leistungslimitierenden Faktoren stets unter Berücksichtigung der Beschwerden auf fachfremdem Gebiet angenommen werden: Exemplarisch wird insoweit auf den Arztbrief von E2. verweisen, dem gegenüber der Kläger im Wesentlichen Wirbelsäulenbeschwerden, aber keine Symptomatik vom Herzen her, d.h. auf dem Fachgebiet dieses Arztes, angegeben hat. Die mitgeteilten Ergebnisse zu den durchgeführten Untersuchungen stützen demgegenüber deutlich die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen M1., insbesondere in Bezug auf die gute systolische links- und rechtsventrikuläre Funktion mit einer Ejektionsfraktion von über 60 Prozent, die in der transthorakalen farbcodierten Dopplerechokardiografie am 28. Oktober 2020 ermittelt wurde. Auch eine nach der Untersuchung bei dem gerichtlichen Sachverständigen eingetretene Verschlechterung der Befunde des Klägers lässt sich damit mit hinreichender Gewissheit ausschließen.

Die nach dem gesamten Inhalt der Akten naheliegende Demonstration von Beschwerden durch den Kläger lässt sich aus Sicht des Senats mit hinreichender Gewissheit dem ausgeprägten Rentenbegehren des Klägers zuordnen, das sich im Zusammenhang mit der Ablehnung der weiteren gewünschten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben herausgebildet haben dürfte. Weitere Ansätze für Ermittlungen ergeben sich daraus nicht. Insbesondere hat sich der Senat davon leiten lassen, dass die psychische Disposition des Klägers nicht mit einer Depression von erheblichem Umfang verbunden ist. Das schließt der Senat insbesondere daraus, dass der Hausarzt des Klägers weder eine weitergehende fachärztliche Behandlung noch eine Medikation zu einer psychischen Stabilisierung des Klägers für notwendig erachtet.

Bei dem Kläger liegen auch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht vor, die trotz des sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte ist daher nicht verpflichtet gewesen, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts [BSG] vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 -, BSGE 80, 24, 33f.; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt z.B. in BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R -, juris). Das BSG geht auch in seinem ergangenen Urteil vom 11. Dezember 2019 (- B 13 R 7/18 -, juris) weiterhin von dem Grundsatz des offenen Arbeitsmarktes aus und hält daran fest, dass Versicherte, die nur noch körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten – ggf. unter weiteren gesundheitlichen Einschränkungen – wenigstens sechs Stunden täglich verrichten können, regelmäßig in der Lage sind, „erwerbstätig zu sein“ (juris, RdNr. 26 ff.). Auch aus der in einem vom Kläger übermittelten Befundbericht von E1. in einem anderen Rechtsstreit wiedergegebenen Auffassung, für den Kläger seien Beschäftigungsmöglichkeiten nicht verfügbar, ergibt sich nichts anderes. Bei der – im Wesentlichen nicht der medizinischen Beurteilung zuzuordnenden – Feststellung der Bedingungen des Arbeitsmarktes kommt es nicht auf die „Verfügbarkeit“ eines Arbeitsplatzes, sondern die typisierende Fähigkeit des Versicherten zur Verrichtung von ungelernten Arbeiten bezogen auf das gesamte Bundesgebiet an. Soweit H. in ihrem Gutachten vom 6. März 2018 nur Arbeiten in wechselnder Körperhaltung in Tagesschicht in geschlossenen Räumen für zumutbar und Tätigkeiten in der Höhe mit Absturzgefahr, dauernd im Hocken, Bücken und Knien, Dauervibrationen, Zwangshaltungen, Arbeiten mit ständiger Armvor- oder Überkopfhaltung, dem Tragen von Lasten über 7,5 kg ohne Hilfsmittel sowie Akkord, Gehen bergan, Publikumsverkehr, Telefondienst, PC-Arbeit und Lärmeinfluss nicht für zumutbar erachtet hat, ergeben sich daraus keine unüblichen Arbeitsbedingungen für körperlich leichte ungelernte Arbeiten. Es bedarf damit keiner näheren Ausführungen, dass der Senat sich dem für den Kläger etwas ungünstigeren Leistungsbild entsprechend dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen M1. angeschlossen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Sozialrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Sozialrecht. Wir beraten uns vertreten Sie in sozialrechtlichen Fragen. Jetzt Ersteinschätzung anfragen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Beiträge aus dem Sozialrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!