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Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit – Voraussetzungen

Arbeitsfähig trotz Gesundheitsproblemen: Abgewiesener Rentenantrag

Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat in seinem Beschluss (Az.: L 3 R 285/21) vom 10.03.2022 die Berufung eines Klägers zurückgewiesen, der Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltend machte, da es keine ausreichenden Beweise dafür sah, dass der Kläger weniger als sechs Stunden täglich arbeiten könnte. Der Kläger konnte trotz gesundheitlicher Einschränkungen, wie HWS- und LWS-Probleme sowie Bandscheibenvorfälle, nach Einschätzung des Gerichts leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ausführen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: L 3 R 285/21 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Kläger beantragte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die aufgrund gesundheitlicher Probleme (HWS, LWS, Bandscheibenvorfälle) abgelehnt wurde.
  • Medizinische Gutachten und die eigene Darstellung des Klägers zur körperlichen Aktivität dienten als Grundlage für die Entscheidung, dass eine Erwerbstätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich möglich sei.
  • Frühere und erneute Rentenanträge des Klägers wurden abgelehnt, wobei ein Gutachten seine berufliche Einsatzfähigkeit für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten bestätigte.
  • Der Kläger führte mehrere gesundheitliche Beschwerden an, die seiner Meinung nach eine Erwerbsminderung begründeten, was jedoch von der Beklagten und den Gerichten nicht anerkannt wurde.
  • Ein vom Sozialgericht eingeholtes Gutachten unterstützte die Auffassung, dass der Kläger noch erwerbsfähig sei, und wies die Klage ab.
  • Der Kläger legte Berufung ein, die mit Verweis auf medizinische Befunde und das vorherige Urteil ebenfalls abgewiesen wurde.
  • Die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen, da der Kläger nach Einschätzung des Gerichts in der Lage ist, täglich sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten.
  • Eine Revision gegen den Beschluss wurde nicht zugelassen.

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit

Die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit stellt für viele Betroffene eine wichtige finanzielle Absicherung dar. Sie soll Menschen unterstützen, deren Leistungsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen so stark eingeschränkt ist, dass sie nicht mehr oder nur noch wenige Stunden pro Tag einer Erwerbstätigkeit nachgehen können.

Grundsätzlich gilt: Ist die Erwerbsminderung von dauerhafter Natur und übersteigt die Resterwerbsfähigkeit nicht mehr als sechs Stunden täglich, können Betroffene Anspruch auf diese spezielle Rentenleistung haben. Die genauen Voraussetzungen und Prüfkriterien sind jedoch komplex und müssen stets im jeweiligen Einzelfall geprüft werden.

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➜ Der Fall im Detail


Der lange Weg zur Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit

In einem bemerkenswerten Fall hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit dem Az.: L 3 R 285/21 eine Entscheidung getroffen, die tief in das Leben eines seit Jahren arbeitsunfähigen Malers eingreift.

verminderte Erwerbsfähigkeit
(Symbolfoto: Studio Romantic /Shutterstock.com)

Der Kläger, geboren im Jahr 1966, verfolgte nach mehreren Jahren der Arbeitsunfähigkeit und nach erfolglosen Versuchen, über das Sozialgesetzbuch II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) seinen Lebensunterhalt zu sichern, den Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Nachdem bereits ein erster Rentenantrag im Jahr 2013 von der zuständigen Rentenversicherung abgelehnt wurde, stellte der Kläger 2019 erneut einen Antrag, verwies dabei auf chronische Schmerzen in Hals- und Lendenwirbelsäule sowie Bandscheibenvorfälle, die ihn in seiner Erwerbsfähigkeit einschränken würden.

Medizinische Gutachten und die Entscheidung der ersten Instanz

Das Sozialgericht Dessau-Roßlau stützte seine Entscheidung maßgeblich auf ein orthopädisches Gutachten. Dieses attestierte dem Kläger trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen die Fähigkeit, täglich mindestens sechs Stunden leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichten zu können. Besonders hervorgehoben wurde, dass der Kläger seinen Alltag weitgehend selbstständig gestalten kann, inklusive Autofahren und Erledigung von Einkäufen. Aufgrund dieser Bewertung lehnte das Sozialgericht den Rentenantrag ab, mit der Begründung, der Kläger sei nicht in dem Maße erwerbsgemindert, dass ihm ein Anspruch auf Rente zustehe.

Berufungsverfahren und finale Entscheidung

Unzufrieden mit dem Urteil der ersten Instanz, legte der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt ein. Er betonte erneut seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die damit verbundene Unfähigkeit, einer regelmäßigen Beschäftigung nachzugehen. Trotz dieser Argumentation und der Forderung nach erneuter Begutachtung, bestätigte das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Kläger den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vollständig aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen ist. Die Berufung wurde somit zurückgewiesen und eine Revision nicht zugelassen.

Bedeutung der Entscheidung für den Kläger und das Sozialrecht

Für den Kläger bedeutet diese Entscheidung, dass er weiterhin auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen bleibt und keine Rente wegen Erwerbsminderung erhält. Aus sozialrechtlicher Perspektive unterstreicht der Fall die hohe Bedeutung medizinischer Gutachten bei der Beurteilung von Rentenansprüchen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Ebenfalls wird die Notwendigkeit deutlich, dass Betroffene ihre gesundheitlichen Einschränkungen lückenlos und umfassend dokumentieren sowie gegebenenfalls anwaltlichen Rat einholen, um ihre Ansprüche durchzusetzen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Voraussetzungen müssen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erfüllt sein?

Um Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu haben, müssen Versicherte bestimmte versicherungsrechtliche und medizinische Voraussetzungen erfüllen.

Versicherungsrechtlich ist erforderlich, dass die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt ist und in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens 3 Jahre lang Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt wurden. In bestimmten Fällen, etwa bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten, können die Mindestversicherungszeiten auch kürzer sein.

Medizinisch muss durch Gutachten festgestellt werden, dass die Erwerbsfähigkeit aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit eingeschränkt ist. Dabei wird zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung unterschieden.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als 6 Stunden täglich erwerbstätig sein können. Sie erhalten die halbe Erwerbsminderungsrente. Können sie nur noch weniger als 3 Stunden täglich arbeiten, liegt volle Erwerbsminderung vor. Dann wird die volle Rente gezahlt.

Vor der Entscheidung über den Rentenanspruch prüft der Rentenversicherungsträger, ob die Erwerbsfähigkeit durch medizinische oder berufliche Rehabilitation verbessert werden kann. Dabei gilt der Grundsatz „Reha vor Rente“. Erst wenn eine Rehabilitation nicht erfolgversprechend ist, besteht Anspruch auf Erwerbsminderungsrente.

Für vor dem 02.01.1961 geborene Versicherte gelten Vertrauensschutzregelungen. Bei ihnen wird geprüft, ob sie in ihrem bisherigen Beruf noch mindestens 6 Stunden täglich arbeiten können. Ist dies nicht der Fall, erhalten sie eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Wie wird die Erwerbsfähigkeit medizinisch bewertet?

Um Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu haben, muss die Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht beurteilt werden. Dabei sind folgende Aspekte entscheidend:

Ärztliche Gutachter müssen feststellen, ob die Leistungsfähigkeit aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit eingeschränkt ist. Es wird zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung unterschieden.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als 6 Stunden täglich erwerbstätig sein können. Sie erhalten dann die halbe Erwerbsminderungsrente.

Volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn die Versicherten nur noch weniger als 3 Stunden täglich arbeiten können. Dann wird die volle Rente gezahlt.

Die Beurteilung erfolgt unabhängig vom zuletzt ausgeübten Beruf. Entscheidend ist, ob der Versicherte noch irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben kann. Dabei werden die verbliebenen körperlichen, geistigen und seelischen Fähigkeiten betrachtet.

Der Gutachter muss sowohl die qualitativen als auch die quantitativen Aspekte der Leistungsfähigkeit beurteilen. Qualitativ relevant sind z.B. Einschränkungen des Sehens, des Stehens oder der Konzentration. Quantitativ wird die zeitliche Belastbarkeit im Tagesverlauf bewertet.

Der Grad der Behinderung (GdB) spielt für die Bewertung der Erwerbsminderung keine Rolle. Er sagt nichts über die individuelle Leistungsfähigkeit im Beruf aus.

Zusammenfassend hängt der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente davon ab, ob der Versicherte aus medizinischer Sicht noch in der Lage ist, irgendeine Erwerbstätigkeit mindestens 3 bzw. 6 Stunden täglich auszuüben. Die genaue Beurteilung erfordert eine sorgfältige Gesamtschau aller relevanten körperlichen und psychischen Faktoren durch einen erfahrenen Gutachter.

Welche Rolle spielen Gutachten im Verfahren zur Feststellung der Erwerbsminderung?

Medizinische Gutachten spielen eine zentrale Rolle bei der Feststellung einer Erwerbsminderung. Sie bilden die Grundlage für die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über den Rentenantrag.

Der Rentenversicherungsträger beauftragt einen unabhängigen ärztlichen Gutachter mit der Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens. Der Gutachter muss den Versicherten persönlich untersuchen und alle vorliegenden medizinischen Befunde berücksichtigen.

Im Gutachten muss der Arzt detailliert Stellung nehmen zu den Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben. Er muss sowohl die qualitativen Einschränkungen (z.B. Stehen, Sehen, Konzentration) als auch die quantitative Belastbarkeit im Tagesverlauf beurteilen.

Auf Basis des Gutachtens entscheidet der Rentenversicherungsträger, ob die Voraussetzungen für eine teilweise oder volle Erwerbsminderung erfüllt sind. Dabei ist er an das Gutachten gebunden, sofern es schlüssig und nachvollziehbar ist.

Versicherte haben das Recht, das Gutachten einzusehen und sich dazu zu äußern. Bei Unklarheiten oder Widersprüchen können sie ein ergänzendes Gutachten beantragen. Privatgutachten haben jedoch weniger Gewicht als das vom Rentenversicherungsträger eingeholte Gutachten.

Gegen ablehnende Bescheide können Versicherte Widerspruch einlegen und im Zweifelsfall vor den Sozialgerichten klagen. Dann kann ein unabhängiges Gerichtsgutachten eingeholt werden. Letztlich entscheidet das Gericht, ob die gutachterliche Einschätzung überzeugend ist.

Zusammenfassend kommt den ärztlichen Gutachten eine Schlüsselrolle im Verfahren zur Feststellung der Erwerbsminderung zu. Sie müssen die gesundheitlichen Leistungseinschränkungen sorgfältig und nachvollziehbar darstellen. Für Versicherte ist es wichtig, die Gutachten genau zu prüfen und gegebenenfalls von ihren Rechten Gebrauch zu machen, um eine zutreffende Beurteilung zu erreichen.

Was ist der Unterschied zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderung?

Der wesentliche Unterschied zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderung liegt in der Anzahl der Stunden, die ein Versicherter täglich noch arbeiten kann:

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die aus gesundheitlichen Gründen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als 6 Stunden täglich erwerbstätig sein können. Sie erhalten dann die halbe Erwerbsminderungsrente.

Volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn die Versicherten nur noch weniger als 3 Stunden täglich arbeiten können. In diesem Fall wird die volle Erwerbsminderungsrente gezahlt.

Die Beurteilung erfolgt unabhängig vom zuletzt ausgeübten Beruf. Entscheidend ist, ob der Versicherte noch irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in dem jeweiligen zeitlichen Umfang ausüben kann.

Weitere Unterschiede zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung:

  • Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung fällt niedriger aus, da sich der Rentenfaktor in der Rentenformel halbiert.
  • Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wird in der Regel nur befristet bewilligt, während die volle Erwerbsminderungsrente auch unbefristet gewährt werden kann.
  • Bei teilweiser Erwerbsminderung sind die Hinzuverdienstgrenzen höher als bei voller Erwerbsminderung. 2023 dürfen Bezieher einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zu 35.647,50 Euro pro Jahr hinzuverdienen.

Zusammengefasst hängt die Einstufung als voll oder teilweise erwerbsgemindert davon ab, wie viele Stunden der Versicherte täglich noch arbeiten kann. Dies hat Auswirkungen auf die Höhe und Dauer der Rente sowie auf die erlaubten Hinzuverdienstgrenzen.

Wie kann gegen eine Ablehnung des Rentenantrags vorgegangen werden?

Wenn der Antrag auf Erwerbsminderungsrente von der Rentenversicherung abgelehnt wurde, können Betroffene dagegen vorgehen:

Zunächst kann innerhalb eines Monats nach Erhalt des Ablehnungsbescheids Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen und an den Rentenversicherungsträger gerichtet werden, der den Bescheid erlassen hat. Die Adresse und das Aktenzeichen finden sich im Bescheid.

Der Widerspruch kann zunächst formlos eingereicht werden. Die Begründung kann nachgereicht werden. Es empfiehlt sich aber, den Widerspruch von Anfang an gut zu begründen und fehlende Unterlagen beizufügen. Dafür sollte man Einsicht in die Akte und insbesondere in die Gutachten der Rentenversicherung beantragen.

Unterstützung beim Widerspruch bieten Sozialverbände wie der VdK oder der SoVD. Auch spezialisierte Rentenberater oder Fachanwälte für Sozialrecht können helfen, den Widerspruch optimal zu begründen.

Hält die Rentenversicherung den Widerspruch für berechtigt, erlässt sie einen Abhilfebescheid. Andernfalls leitet sie den Widerspruch an ihre zentrale Widerspruchsstelle weiter. Dort prüft ein Ausschuss aus Vertretern der Rentenversicherung, der Versicherten und der Arbeitgeber den Fall.

Wird der Widerspruch zurückgewiesen, bleibt als letztes Mittel die Klage vor dem Sozialgericht. Auch dabei unterstützen Sozialverbände, Rentenberater oder Anwälte. Die Kosten trägt bei Erfolg die Rentenversicherung, ansonsten der Kläger.

Zusammengefasst sind die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs gut, wenn er rechtzeitig eingereicht und überzeugend begründet wird. Dafür ist es ratsam, fachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen. So lässt sich häufig eine Klage vermeiden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 43 SGB VI (Gesetzliche Rentenversicherung): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Er ist zentral für den Fall, da der Kläger genau diesen Anspruch geltend macht. Der Zusammenhang ergibt sich direkt aus dem Kern des Rechtsstreits – der Frage, ob der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen anspruchsberechtigt ist.
  • § 2 SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende): Der Kläger bezieht Leistungen nach diesem Buch, was seinen rechtlichen Status und seinen Lebensunterhalt betrifft. Dieser Paragraph ist relevant, weil er die Bedingungen für die Unterstützung von Arbeitsuchenden definiert, zu denen der Kläger zählt.
  • § 406 ZPO (Zivilprozessordnung) – Ablehnung von Sachverständigen: Die Argumentation des Klägers, dass das Gutachten der Sachverständigen wegen Befangenheit nicht verwertbar sei, fällt unter diesen Paragraphen. Die Erläuterung betrifft die Regelungen, wie und unter welchen Umständen ein Sachverständiger abgelehnt werden kann.
  • § 411 ZPO (Beweisaufnahme durch Sachverständige): Dieser Paragraph spielt eine Rolle, da er die Verwendung von Sachverständigengutachten im Gerichtsverfahren regelt. Der Fall beinhaltet die kritische Bewertung eines solchen Gutachtens, das für die Entscheidungsfindung herangezogen wurde.
  • § 153 Abs. 4 SGG (Sozialgerichtsgesetz) – Entscheidung ohne mündliche Verhandlung: Der Senat hat entschieden, den Fall ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, basierend auf dieser Vorschrift. Dies ist relevant für das Verständnis des Verfahrensablaufs im Sozialrecht.
  • § 54 Abs. 2 SGG (Klage und Klageerhebung): Dieser Paragraph ist wichtig, um zu verstehen, auf welcher Grundlage das Sozialgericht ursprünglich entschieden hat, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Es verdeutlicht die formellen Anforderungen an eine Klage im Sozialrecht.


Das vorliegende Urteil

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt – Az.: L 3 R 285/21 – Beschluss vom 10.03.2022

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 9. September 2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI) hat.

Der am … 1966 geborene Kläger absolvierte nach seinem Zehnte-Klasse-Schulabschluss von 1983 bis 1986 eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Baumaler. Anschließend arbeitete er bis 2010 bei verschiedenen Arbeitgebern als Maler. Während dieser Zeit absolvierte er von März bis August 1999 eine Fortbildung zum Maler und Lackierer. Seitdem ist der Kläger arbeitslos bzw. arbeitsunfähig. Der Kläger bezieht laufende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II).

Einen ersten, im Oktober 2013 gestellten Rentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte bestandskräftig ab. Während dieses Rentenverfahrens veranlasste sie ein Gutachten der Fachärztin für Orthopädie K. vom 1. September 2014 nach Untersuchung des Klägers am selben Tag. Darin gelangte die Gutachterin zu der Einschätzung, von orthopädischer Seite bestehe vollschichtige berufliche Einsatzfähigkeit für leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten, wenn im regelmäßigen Wechsel der Haltungsarten ohne schweres Heben und Tragen sowie ohne Tätigkeiten in Zwangshaltungen gearbeitet werden könne.

Am 30. Januar 2019 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Zur Begründung gab er an, er halte sich seit 2010 wegen akuter Krankheit der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) sowie Bandscheibenvorfällen und dauerhaften Beschwerden im Bereich der HWS, LWS, Arm- und häufigen Kopfschmerzen für erwerbsgemindert. Die Beklagte zog aufgrund des erneuten Rentenantrages die ärztlichen Unterlagen aus den vorangegangenen Renten- und Rehaverfahren sowie eine Auskunft der Krankenkasse des Klägers, IKK gesund plus, über seine Vorerkrankungszeiten bei. Außerdem holte sie einen aktuellen Befundbericht des behandelnden Neurochirurgen A., ohne Datum, Eingang bei der Beklagten im März 2019, ein. Der behandelnde Arzt hat folgende von der Norm abweichende klinische Untersuchungsbefunde mitgeteilt: HWS-Syndrom mit Ausstrahlung in den linken Arm, Rücken- und Kopfschmerzen.

Anschließend lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 15. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2019 ab und führte zur Begründung aus, die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Denn der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich in leichten bis mittelschweren Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Dagegen hat der Kläger am 8. November 2019 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben und vorgetragen, er sei von seinem Arbeitsvermittler beim Jobcenter Landkreis Wittenberg dazu aufgefordert worden, einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente zu stellen. Er leide seit mehreren Jahren an schmerzhaften Bewegungseinschränkungen der HWS und LWS durch Bandscheibenvorfälle. Diesbezüglich seien schon mehrere Operationen erfolgt. Außerdem bestehe eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit der linken Hand aufgrund eines Karpaltunnel-Syndroms. Aufgrund der Bandscheibenvorfälle sei er zudem wegeunfähig. Er befinde sich in regelmäßiger hausärztlicher und fachärztlicher Betreuung sowie therapeutischer Behandlung. Sein allgemeiner Gesundheitszustand habe sich stetig verschlechtert.

Das Sozialgericht hat zunächst durch Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte des Klägers ermittelt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin S. hat in ihrem Befundbericht vom 20. Januar 2020 ausgeführt, die von ihr erhobenen Befunde seien eher stabil schlecht. Sie hat den Entlassungsbrief des Krankenhauses in W. vom 29. Mai 2019 über die dortige stationäre Behandlung vom 27. bis zum 30. Mai 2019 beigefügt. Danach sei der Kläger am 27. Mai 2019 um 10:02 Uhr über die dortige Rettungsstelle notfallmäßig aufgenommen worden. Die Einweisung sei durch S. aufgrund starker therapieresistenter immobilisierender kraniozervikaler Schmerzen erfolgt. Seit ca. einer Woche hätten ziehende Schmerzen im Bereich der HWS mit Ausstrahlung in den Kopf und mit rezidivierendem Schwindel bestanden. Übelkeit oder Erbrechen hätten nicht vorgelegen. Die ambulante medikamentöse Therapie sei seit einer Woche nicht mehr ausreichend gewesen. Ein Trauma habe nicht bestanden. Nach initialer Diagnostik in der Rettungsstelle mit Röntgen der HWS und Analgesie ohne wesentliche Besserung sei eine notfallmäßige stationäre Aufnahme des Klägers zur Schmerztherapie und gegebenenfalls weiteren Diagnostik erfolgt. Die Schmerztherapie sei initial mit Kurzinfusionen und Oxycodon-Tabletten sowie Ibuprofen durchgeführt worden. Des Weiteren sei eine physiotherapeutische Behandlung mit Krankengymnastik, Fango- und Elektrotherapie durchgeführt worden. Unter dieser Therapie sei es zu einer Linderung der Schmerzsymptomatik gekommen. Neurologische Ausfälle seien im Verlauf nicht aufgetreten. Der Kläger habe sich wieder zunehmend mobilisieren können. Bei insgesamt rückläufigen Beschwerden habe der Kläger bei relativem Wohlbefinden am 30. Mai 2019 in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden können. Der Neurochirurg A. hat in seinem am 14. Mai 2020 beim Sozialgericht eingegangenen Befundbericht erklärt, aus ärztlicher Sicht sei der Kläger bis auf weiteres nicht arbeitsfähig. Der Facharzt für Allgemeinmedizin W. hat unter dem 10. Oktober 2020 erklärt, er könne keinen Befundbericht erstellen. Als Hausarzt des Klägers sei er für die allgemeinmedizinische Diagnostik und Therapie zuständig. Die Erkrankungen des Klägers, die Gegenstand seiner Klage seien, würden ausschließlich von Fachärzten diagnostiziert und behandelt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Befundberichte sowie der ärztlichen Auskünfte und der mitgesandten Anlagen wird auf Blatt 40 bis 43, 49 bis 52 sowie 68 der Gerichtsakten verwiesen.

Mit Beweisanordnung vom 5. März 2021 hat das Sozialgericht ein Gutachten der Fachärztin für Orthopädie K. veranlasst. K. hat den Kläger am 26. Mai 2021 untersucht und in ihrem Gutachten vom selben Tag folgende Diagnosen gestellt:

Chronisches Zervikalsyndrom mit Tendopathie des M.levator skapulae beiderseits und passagere linksseitige Ausstrahlung bei Zustand nach Cage-Implantation C4/C5 (2014) und C5/C6 (2010) sowie mäßiger Spinalkanalstenose C3/C4 sowie Neuroforaminalstenosen C3 bis C7.

Chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Zustand nach Bandscheiben-Operation und Cage-Implantation L5/S1 2012.

Zu aktuellen Beschwerden befragt habe der Kläger angegeben, er sei in der Lage, sich selbst und seine Wohnung und seinen Haushalt zu versorgen. Er habe einen Führerschein und sei in der Lage, mit seinem Pkw zu fahren. Zur Begutachtung sei er mit seinem Pkw 1,5 Stunden selbst nach M. gefahren. Die Einkäufe erledige er selbst alle zwei Tage mit seinem Auto. Er habe einen 600 m2 großen Garten mit einer Laube. Die dort notwendigen Gartenarbeiten würden ihm schwerfallen. An seinem Rasenmäher habe er einen Antrieb, sodass er den Rasen selbst mähen könne. Im Sommer wohne er meist in seinem Garten. Die Gehfähigkeit sei nicht reduziert. Gehen könne er gut. Er könne jedoch keine genaue Angabe zur Gehstrecke machen, da er nicht häufig laufe. Er habe einen Hund, der im Garten den ganzen Tag draußen sei. Im Winterhalbjahr gehe er zwei- bis dreimal täglich mit dem Hund zehn Minuten raus. Eine Gehstrecke von zwei Kilometern traue er sich zu. Er sei seit vier Jahren getrennt von seiner Ehefrau und lebe allein in einer Zwei-Zimmer-Mietwohnung in der zweiten Etage ohne Fahrstuhl. Er habe drei erwachsene, wirtschaftlich selbstständige Kinder.

Der 54-jährige Kläger sei in gutem Allgemein- und Ernährungszustand zur Untersuchung erschienen. Es habe keinen Hinweis auf eine kardiorespiratorische Insuffizienz bestanden. Der Kläger wiege nach anamnestischen Angaben bei einer Größe von 170 cm 68 kg. Er rauche täglich 20 Zigaretten und trinke ein bis zwei Flaschen Bier. Der Körperbau sei proportioniert. Das Gangbild sei sicher und flüssig, Einbein-, Zehen- und Fersenstand seien beidseits möglich. Der Kläger habe sich ohne sichtbare Funktionsbehinderungen vollständig und zügig selbst ent- und bekleidet. Die orientierende neurologische Untersuchung habe keinen Hinweis auf ein neurologisches Defizit bei intakter Durchblutung der Extremitäten ergeben. K. ist zu der Einschätzung gelangt, der Kläger könne mindestens sechs Stunden täglich an fünf Wochentagen noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im gelegentlichen Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen verrichten. Zu vermeiden seien einseitige körperliche Belastungen oder Tätigkeiten in Zwangshaltungen wie einseitige Kopfhaltungen, dauernde Bildschirmtätigkeit sowie Tätigkeiten mit Überkopfarbeiten und Arbeiten in Zwangshaltungen für die LWS, wie Bücken und Tätigkeiten in Rumpfvorbeuge, Zugluft, Nässe und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Der Kläger könne zur Erreichung einer Arbeitsstelle regelmäßig Gehstrecken über 500 m auch viermal täglich zurücklegen und sei gesundheitlich in der Lage, für den Weg zur Arbeit öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Er sei auch in der Lage, einen Pkw zu fahren. Der Sachverhalt sei in medizinischer Hinsicht vollständig geklärt. Weitere Fachgutachten seien nicht erforderlich.

Das Sozialgericht hat dieses Gutachten mit gerichtlichem Schreiben vom 2. Juni 2021 mit der Anmerkung übersandt, Erfolgsaussichten seien im Hinblick auf das Gutachten von K. nicht ersichtlich. Es werde um Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen gebeten. Der Kläger hat hierzu mitgeteilt, aufgrund urlaubsbedingter Abwesenheit seiner Prozessbevollmächtigten bis zum 22. Juni 2021 sei eine Besprechung mit ihm erst in der 26. Kalenderwoche möglich. Er werde sich danach unverzüglich zum Verfahren erklären. Unter dem 23. Juli 2021, nach einer Verfügung der Kammervorsitzenden des Sozialgerichts vom 20. Juli 2021, ist Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 9. September 2021 bestimmt worden. Mit Schriftsatz vom 7. September 2021 (per beA) hat der Kläger ausgeführt, nach einer leider erst jetzt möglichen Rücksprache sei darauf hinzuweisen, dass K. mit seiner Angelegenheit als Gutachterin der Beklagten bereits im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zum Erwerbsminderungsrentenantrag vom 21. Oktober 2013 vorbefasst gewesen sei. Dies sei ihm – dem Kläger – auch erst bewusst geworden, als er den Untersuchungstermin wahrgenommen habe. Er habe jedoch irrtümlich eine Mitteilung an seine Prozessbevollmächtigte unterlassen. Das jetzt im gerichtlichen Verfahren eingeholte orthopädische Sachverständigengutachten sei somit für den Rechtsstreit wegen fehlender Unabhängigkeit bzw. Unparteilichkeit der Gutachterin nicht verwertbar. Ferner habe die Sachverständige unterlassen, in ihr Gutachten die auch seit Januar 2019 existierenden Befundberichte bzw. Diagnosen des Facharztes für Neurochirurgie A. einzubeziehen und zu verwerten. Es werde daher beantragt, ein erneutes Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen.

Das Sozialgericht hat sodann vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung mit Beschluss vom 9. September 2021 den Ablehnungsantrag der Sachverständigen K. zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag sei unzulässig und unbegründet. Nach den §§ 406 Abs. 2 S. 1, 411 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) sei der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder dem Richter, von dem der Sachverständige ernannt sei, zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen. Dem sei der Kläger mit seinem Antrag vom 7. September 2021, bezogen auf den Gutachtensauftrag des Gerichts vom 15. März 2021, nicht nachgekommen. Soweit der Kläger einen Befangenheitsgrund im Hinblick auf den Inhalt des Gutachtens geltend mache, sei auch hier der Antrag verfristet, da der Kläger eine den Umständen des Falles angemessene Prüffrist, die nicht länger als ein Monat sei, bei weitem überschritten habe. Das Ablehnungsgesuch sei daher nicht fristgemäß gestellt worden. Zudem sei der Antrag auch nicht begründet. Soweit der Kläger rüge, K. sei mit der Angelegenheit 2013 vorbefasst gewesen, könne er mit diesem Vortrag im Rahmen des Befangenheitsantrages nicht durchdringen. Zum einen sei das Rentenantragsverfahren von 2013 rechtskräftig beendet. Eine Vorbefassung im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren liege somit nicht vor. Allein die Tätigkeit der orthopädischen Sachverständigen in einem früheren Widerspruchsverfahren stelle noch keinen Grund für eine Ablehnung dar. Andere Bedenken gegen die Sachverständige als die Befürchtung, diese habe wegen der vor sieben Jahren erfolgten Begutachtung nicht unvoreingenommen ihr Gutachten erstattet, seien nicht vorgebracht worden. Die Beschwerde hiergegen hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 27. September 2021 als unzulässig verworfen.

Mit Urteil vom 9. September 2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf das Gutachten von K. vom 26. Mai 2021 bezogen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Er könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten, wobei einseitige körperliche Belastungen oder Tätigkeiten in Zwangshaltungen wie einseitige Kopfhaltungen, dauernde Bildschirmtätigkeit, mit Überkopfarbeiten, in Zwangshaltungen für die LWS wie Bücken und Tätigkeiten und in Rumpfvorbeuge zu vermeiden seien.

Gegen das ihm am 15. September 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Oktober 2021 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Zur Begründung hat er zum einen am 6. Dezember 2021 sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug wiederholt und zum anderen vorgetragen, er leide unter erheblichen gesundheitlichen Beschwerden. Das Sozialgericht habe verkannt, dass seine erheblichen Schmerzen und die erheblich eingeschränkte Funktionsfähigkeit seiner linken Hand eine Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch für leichte Tätigkeiten nahezu ausschließe. Die ständigen Schmerzen in der Wirbelsäule bedingten zudem, dass er sich nicht richtig auf den Arbeitsprozess konzentrieren könne. Zudem bestehe ständige Sturzgefahr aufgrund des plötzlich eintretenden Drehschwindels. Rein vorsorglich werde beantragt, ein erneutes Sachverständigengutachten von Amts wegen auf dem Fachgebiet der Orthopädie einzuholen.

Der Kläger beantragt ausdrücklich, das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 9. September 2021, S 6 R 287/19, wird abgeändert und die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2019 verurteilt, dem Kläger ab dem 30. Januar 2019 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Zudem hat sie darauf hingewiesen, dass ausweislich der Angaben im orthopädischen Gutachten vom 26. Mai 2021 der Kläger selbst mitgeteilt habe, dass er sich eine Gehstrecke von zwei Kilometern zutraue und das Gehen gut sei.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 18. Januar 2022 hat der Senat den Kläger zu einer in Betracht kommenden Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört und angeregt, die Berufung und den PKH-Antrag zurückzunehmen. Die Beklagte hat eine Abschrift dieses Schreibens erhalten. Der Kläger hat hierzu im wesentlichen sein Vorbringen aus der Berufungsbegründung wiederholt. Ergänzend hat er ausgeführt, aus dem Befundbericht vom 7. September 2021 des Facharztes für Neurochirurgie A. ergebe sich, dass bei ihm deutliche Einschränkungen beim Sitzen, Gehen und Stehen erkennbar seien und er unter starken brennenden und stechenden HWS- und Nackenschmerzen mit Ausstrahlungen in den rechten und linken Arm bis zum Fingerbereich verbunden mit Taubheitsgefühlen leide. Der Rechtsstreit sei aus seiner – des Klägers – Sicht noch nicht entscheidungsreif, da die Frage der fehlenden Wegefähigkeit noch nicht abschließend geklärt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (2 Bände) sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.

II.

Der Senat durfte den Rechtsstreit durch Beschluss im Sinne von § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 SGG).

Das Sozialgericht hat zu Recht unter Heranziehung der zutreffenden Rechtsgrundlage des § 43 SGB VI entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat, weil bei ihm kein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden täglich besteht. Der Kläger ist auch zur Überzeugung des Senats in der Lage, täglich sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen zu verrichten. Der Senat verweist zwecks Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dessen Urteil vom 9. September 2021 und macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die vorgetragenen Ablehnungsgründe in Bezug auf die gerichtliche Sachverständige K. sind bereits mit dem auch inhaltlich zutreffenden Beschluss des Sozialgerichts vom 9. September 2021 rechtskräftig zurückgewiesen worden. Dem hat der Senat nichts hinzuzufügen. Entgegen dem Vortrag des Klägers hat K. im Übrigen die Aussagen des behandelnden Neurochirurgen A. gesehen und in ihr Gutachten einbezogen. Das verdeutlicht ihre Beantwortung der Beweisfrage 15. des Gutachtenauftrages. Ein erstmals in der klägerischen Stellungnahme vom 24. Januar 2022 zu dem gerichtlichen Anhörungsschreiben vom 18. Januar 2022 erwähnter Befundbericht von A. vom 7. September 2021 ist nicht aktenkundig. Ein solcher ist in dem Schriftsatz vom 24. Januar 2022 auch nicht als Anlage bezeichnet. Es existiert lediglich ein Schriftsatz des Klägers unter diesem Datum, so dass möglicherweise eine Datumsverwechslung mit diesem klägerischen Schriftsatz vorliegt. Sofern tatsächlich ein Befundbericht mit dem vom Kläger wiedergegebenen Inhalt existieren sollte, sind die dort geschilderten Angaben nicht geeignet, eine überdauernde Leistungsminderung im rentenberechtigenden Bereich zu belegen, zumal es sich bei den angegebenen Schmerzen um subjektive Angaben des Klägers handelt. Deshalb sind die Aussagen der gerichtlichen Sachverständigen K. nach wie vor gültig. Letztlich sind bei dem Kläger vordergründig ambulante Behandlungsmaßnahmen angezeigt. Eine rentenrelevante Leistungsminderung resultiert daraus nicht.

Bei dem Kläger liegt auch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht vor, die trotz des sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts [BSG] vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt im Urteil des BSG vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R -, juris). Das BSG geht in seinem Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 7/18 R – weiterhin von dem Grundsatz des offenen Arbeitsmarktes aus und hält daran fest, dass Versicherte, die nur noch körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten, ggf. unter weiteren gesundheitlichen Einschränkungen, wenigstens sechs Stunden täglich verrichten können, regelmäßig in der Lage sind, „erwerbstätig zu sein“ (juris, RdNr. 26 ff.).

Bei dem Kläger besteht darüber hinaus kein Katalog- oder Seltenheitsfall, der zu einer Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen könnte. Der Arbeitsmarkt gilt auch dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt; zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (vgl. GS BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996, a.a.O., zu Katalogfall 2). Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Die medizinischen Ermittlungen haben keinen belastbaren Hinweis auf eine dermaßen eingeschränkte Wegefähigkeit ergeben, dass der Kläger die genannte Anforderung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bewältigen könnte. Anhaltspunkte für die mit der Berufungsbegründung unter Hinweis auf Bandscheibenvorfälle behauptete fehlende Wegefähigkeit sind dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. K. hat in ihrem Gutachten unter der Überschrift „2.1 aktuelle Beschwerden“ die Aussage des Klägers wiedergegeben, seine Gehfähigkeit sei nicht reduziert. Gehen könne er gut. Er könne jedoch keine genaue Angabe zur Gehstrecke machen, da er nicht häufig laufe. Er habe einen Hund, der im Garten den ganzen Tag draußen sei. Im Winterhalbjahr gehe er zwei- bis dreimal täglich mit dem Hund zehn Minuten raus. Eine Gehstrecke von zwei Kilometern traue er sich zu. Angesichts dieser Erklärungen war eine gesonderte förmliche Gehstreckentestung entbehrlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.

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