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Gesamtgradbildung der Behinderung im Schwerbehindertenrecht

Nierenspende und Migräne: GdB-Bewertung im Schwerbehindertenrecht

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass der Grad der Behinderung (GdB) der Klägerin auf 40 festzustellen ist und nicht, wie vom Sozialgericht Münster ursprünglich festgelegt, auf 50. Die Klägerin, eine ehemalige OP-Krankenschwester, hatte einen höheren GdB aufgrund von Migräne, einer Nierenspende und Schulterproblemen beantragt. Das Gericht wies die Berufung der Klägerin zurück, da es keine ausreichenden Beweise für eine schwerwiegendere Beeinträchtigung gab.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: L 13 SB 381/13 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Feststellung des GdB: Das Landessozialgericht setzt den GdB der Klägerin auf 40 fest.
  2. Nierenleiden: Trotz der Entfernung einer Niere wird der GdB für das Nierenleiden nur mit 25 bewertet, da keine eingeschränkte Nierenfunktion vorliegt.
  3. Migräneleiden: Die Migräne wird mit einem GdB von 20 bewertet. Die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin wird in Frage gestellt.
  4. Schulterleiden: Das Schulterleiden der Klägerin führt zu einem Einzel-GdB von 20.
  5. Berufung der Klägerin abgewiesen: Das Gericht fand keine ausreichenden Belege für eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes, die einen höheren GdB rechtfertigen würden.
  6. Gesamtbewertung: Die Gesamtbewertung der Einzel-GdB-Werte ergibt einen Gesamt-GdB von 40.
  7. Keine wesentliche Beeinträchtigung: Die Klägerin ist in der Lage, einen geordneten aktiven Tagesablauf zu führen, trotz der einzelnen Beeinträchtigungen.
  8. Kostenentscheidung und Nichtzulassungder Revision: Der Beklagte trägt einen Teil der außergerichtlichen Kosten, und eine Revision wird nicht zugelassen.

Im Schwerbehindertenrecht spielt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) eine zentrale Rolle, um die Schwere einer Behinderung zu bestimmen. Der GdB wird in Prozent angegeben und reicht von 20 bis 100. Menschen mit einem GdB von 50 oder mehr gelten als schwerbehindert und haben Anspruch auf verschiedene Nachteilsausgleiche. Die Einstufung erfolgt nach einem Punktesystem, bei dem verschiedene Funktionsbereiche bewertet werden.

Die Feststellung des GdB ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Leistungen und Nachteilsausgleichen im Rahmen des Schwerbehindertenrechts. Dabei müssen die körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen einer Person sowie deren Auswirkungen auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben berücksichtigt werden.

Ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen beschäftigt sich mit der Gesamtgradbildung der Behinderung. Im vorliegenden Fall ging es um eine ehemalige OP-Krankenschwester, die einen höheren GdB aufgrund von Migräne, einer Nierenspende und Schulterproblemen beantragt hatte. Das Gericht setzte den GdB der Klägerin auf 40 fest, da keine ausreichenden Beweise für eine schwerwiegendere Beeinträchtigung vorlagen.

Im weiteren Verlauf des Artikels wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen zum Thema Gesamtgradbildung der Behinderung im Schwerbehindertenrecht genauer vorgestellt und besprochen. Dabei werden die zentralen Punkte des Urteils, wie die Bewertung der einzelnen Beeinträchtigungen und die Gesamtbewertung, erläutert.

Der langwierige Rechtsstreit um den Grad der Behinderung

In einem bemerkenswerten Fall, der sich über mehrere Jahre erstreckte, hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ein Urteil gefällt, das die Komplexität und Herausforderungen im Schwerbehindertenrecht unterstreicht. Im Kern ging es um die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) einer Klägerin, einer ehemaligen OP-Krankenschwester, die durch ihre medizinischen Beeinträchtigungen in ihrem Alltags- und Berufsleben eingeschränkt war. Die Klägerin, geboren im Jahr 1950, hatte im Laufe ihres Lebens verschiedene gesundheitliche Probleme erlitten, einschließlich der Entfernung einer Niere, die sie ihrem Ehemann spendete, sowie chronischer Migräne und Schulterbeschwerden.

Das Ringen um eine höhere Anerkennung

Die Auseinandersetzung begann, als das Versorgungsamt N den GdB der Klägerin zunächst auf 30 festlegte. Diese Bewertung basierte auf der Entfernung ihrer linken Niere und den Migränebeschwerden. Unzufrieden mit dieser Einschätzung, stellte die Klägerin einen Verschlimmerungsantrag, um eine rückwirkende Feststellung eines höheren GdB ab 2010 zu erreichen, hauptsächlich motiviert durch die damit verbundenen Steuervorteile. Ihre Argumentation stützte sich auf die Behauptung, dass die fehlende Niere sie sowohl in ihren sportlichen Aktivitäten als auch beruflich einschränke. Dieser Antrag wurde jedoch vom Beklagten abgelehnt, woraufhin die Klägerin Widerspruch einlegte und schließlich Klage beim Sozialgericht Münster erhob.

Das Urteil des Sozialgerichts Münster und die Berufung

Das Sozialgericht Münster gab der Klägerin teilweise Recht und verpflichtete den Beklagten, einen GdB von 50 festzustellen. Diese Entscheidung basierte auf einer detaillierten Bewertung der einzelnen Beeinträchtigungen der Klägerin, darunter ein Einzel-GdB von 30 für das Migräneleiden und 20 für die Bewegungseinschränkung der linken Schulter. Jedoch legte der Beklagte Berufung gegen dieses Urteil ein, indem er argumentierte, dass die Feststellung eines GdB von mehr als 40 nicht gerechtfertigt sei.

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Feststellung eines GdB von 40

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen änderte schließlich das Urteil des Sozialgerichts Münster und setzte den GdB der Klägerin auf 40 fest. Dieses Urteil beruhte auf einer umfassenden Bewertung der medizinischen Befunde und Sachverständigengutachten. Die Gerichtsentscheidung hob hervor, dass die Klägerin trotz ihrer medizinischen Probleme einen weitgehend normalen Alltag führen konnte. Besonders betont wurde, dass die Klägerin trotz der Nierenentfernung und der Migräne in der Lage war, ihre Tätigkeit als OP-Schwester auszuüben. Das Gericht wies darauf hin, dass die Gesamtheit der Beeinträchtigungen der Klägerin nicht mit solchen vergleichbar sei, die allein einen GdB von 50 rechtfertigen würden.

Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen zeigt die Komplexität bei der Feststellung des Grades der Behinderung auf und verdeutlicht, wie wichtig eine umfassende Betrachtung aller individuellen gesundheitlichen Aspekte in solchen Fällen ist.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was bedeutet der Grad der Behinderung (GdB) im deutschen Schwerbehindertenrecht?

Der „Grad der Behinderung“ (GdB) ist ein Begriff aus dem deutschen Schwerbehindertenrecht und dient als Maßeinheit, um den Grad der Beeinträchtigung durch eine Behinderung zu quantifizieren. Er zeigt an, wie stark ein Mensch durch seine Behinderung beeinträchtigt ist, insbesondere in Bezug auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Der GdB wird in Zehnerschritten von 20 bis 100 festgelegt. Ab einem GdB von 50 gilt eine Person als schwerbehindert und kann einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Dieser Ausweis kann verschiedene Vorteile und Nachteilsausgleiche mit sich bringen, abhängig vom spezifischen GdB und den damit verbundenen Merkzeichen.

Die Festlegung des GdB erfolgt durch Gutachter des Versorgungsamtes oder des Amtes für soziale Angelegenheiten. Sie basiert auf den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, die verschiedene Arten von Behinderungen und chronischen Krankheiten auflisten und angeben, zu welchem GdB sie führen. Es ist wichtig zu verstehen, dass bei mehreren Behinderungen nicht einfach die einzelnen GdB-Werte addiert werden. Stattdessen wird eine Gesamtbewertung vorgenommen, die berücksichtigt, wie stark die Person insgesamt in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist.

Es ist auch möglich, dass Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber mindestens 30, unter bestimmten Voraussetzungen mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden können.

Der GdB sagt nichts über die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz aus und ist unabhängig von der Ursache der Behinderung.

Wie wird der GdB ermittelt und welche Rolle spielen dabei Einzel-GdB-Werte?

Der Grad der Behinderung (GdB) ist eine Maßeinheit, die die Schwere einer Behinderung bei einem Menschen angibt. Er kann zwischen 20 und 100 variieren und wird in Zehnerschritten gestaffelt. Die Ermittlung des GdB ist immer individuell und vom Einzelfall abhängig.

Für die Ermittlung des GdB werden die sogenannten Einzel-GdB-Werte herangezogen. Diese Werte werden für jede beeinträchtigte Körperfunktion bestimmt und liegen im Bereich von 10 bis 100. Die GdB-Tabelle enthält alle GdB-Werte, welche für die entsprechenden Krankheiten anerkannt sind.

Wenn mehrere Gesundheitsstörungen vorliegen, wird aus den Einzel-GdB-Werten ein Gesamt-GdB gebildet. Dabei ist zu beachten, dass der Gesamt-GdB nicht durch einfache Addition oder eine andere Rechenmethode ermittelt wird. Vielmehr wird er nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit festgelegt. Die Einzel-GdB-Werte haben dabei keine eigenständige Bedeutung, sondern sind Messgrößen für mehrere gesundheitliche Einschränkungen, die zugleich vorliegen.

Es ist zu erwähnen, dass leichte Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 10 bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht berücksichtigt werden. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB kommt nur in Betracht, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt.

Die Ermittlung des GdB ist eine komplexe Aufgabe und erfordert eine medizinische Beurteilung. Die zuständige Behörde hält ihre Gesamtbewertung in einer gutachtlichen Stellungnahme fest, in der vermerkt ist, wie sie welche Beeinträchtigungen und wie den Gesamt-GdB bewertet hat.

Der GdB spielt eine wichtige Rolle bei der Beantragung einer Erwerbsminderungsrente und bei der Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen. Ab einem GdB von 50 gilt man als schwerbehindert und kann auch einen Schwerbehindertenausweis beantragen.

Was versteht man unter einem Verschlimmerungsantrag im Kontext des Schwerbehindertenrechts?

Ein „Verschlimmerungsantrag“, auch als Änderungsantrag bekannt, ist ein Antrag, der im Kontext des Schwerbehindertenrechts in Deutschland gestellt wird, wenn sich der Gesundheitszustand einer Person mit einer bereits festgestellten Behinderung verschlechtert hat. Dieser Antrag zielt darauf ab, eine Erhöhung des Grades der Behinderung (GdB) zu erreichen.

Der Antrag kann von Personen gestellt werden, die bereits einen Feststellungsantrag eingereicht haben und deren persönlicher Zustand sich verschlechtert hat. Es ist wichtig, dass der Antragsteller nachweisen kann, dass sich die bestehende Behinderung verschlechtert hat oder dass neue Behinderungen hinzugekommen sind.

Es ist zu beachten, dass die Stellung eines Verschlimmerungsantrags Risiken birgt. Es besteht die Möglichkeit, dass die Behörde den Antrag ablehnt oder den GdB sogar herabsetzt. Allerdings ist es der Versorgungsbehörde rechtlich versagt, einen Verschlimmerungsantrag durch eine Herabstufung vorangegangener Feststellungen zu bescheiden. Ein Verschlimmerungsantrag kann als solcher „schlimmstensfalls“ abgelehnt werden.

Vor der Stellung eines Verschlimmerungsantrags ist es ratsam, sich mit einem Profi zu beraten und die medizinischen Unterlagen sorgfältig zu prüfen. Es ist auch wichtig, aussagekräftige Dokumente einzureichen, um eine gesundheitliche Veränderung zu belegen.

Der Verschlimmerungsantrag spielt eine wichtige Rolle im Schwerbehindertenrecht, da er dazu beitragen kann, die Rechte und Vorteile einer Person mit Behinderung zu verbessern, insbesondere wenn sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert hat.


Das vorliegende Urteil

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: L 13 SB 381/13 – Urteil vom 30.01.2015

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 13.09.2013 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 04.07.2011 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 03.11.2010 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren zu einem Drittel. Außergerichtliche Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob bei der Klägerin ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 30 festzustellen ist.

Die am 00.00.1950 geborene Klägerin arbeitete zuletzt als OP-Krankenschwester und zwar von 1997 bis zu ihrem Renteneintritt Anfang 2014. Sie ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. In den 1960er und 1970er Jahren wurden drei Operationen im Bauchraum vorgenommen. 2000 spendete die Klägerin ihrem Ehemann eine Niere. Sie macht maßgeblich Beschwerden der Schulter und Migräne bzw. Kopfschmerzen geltend.

Das Versorgungsamt N stellte mit Bescheid vom 20.09.2000 einen GdB von 30 wegen der Entfernung der linken Niere sowie einer Migräne fest und lehnte mit Bescheid vom 08.02.2002 die Feststellung eines höheren GdB ab, da diese auch unter Berücksichtigung der bestehenden Verwachsungsbeschwerden nach Darmoperation nicht gerechtfertigt sei. Am 03.11.2010 stellte die Klägerin den hier maßgeblichen Verschlimmerungsantrag, mit dem sie eine rückwirkende Feststellung eines höheren GdB ab dem 01.01.2010 wegen Steuervorteilen begehrte. Der Beklagte holte Befundberichte der Allgemeinmediziner und Urologen Dres. T3 ein. Der Augenarzt und Allgemeinmediziner Dr. T bewertete die Entfernung der linken Niere mit einem Einzel-GdB von 30, die Migräne mit einem Einzel-GdB von 20 und den GdB insgesamt weiter mit 30. Der Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 24.01.2011 ab. Die Klägerin legte am 04.02.2011 Widerspruch ein und trug vor, aufgrund der fehlenden Niere in ihren sportlichen Aktivitäten und in ihrem Beruf eingeschränkt zu sein. Der Beklagte holte weitere Befundberichte von der Radiologin Dr. T1, dem Internisten Dr. C, dem Orthopäden Dr. Z, den Radiologen Dr. H und Dr. I sowie vom Universitätsklinikum N ein. In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme führte Dr. S aus, die Nierenfunktion sei nicht eingeschränkt. Die Bezirksregierung N wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2011 zurück.

Am 15.07.2011 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Münster erhoben und die Feststellung eines GdB von 50 ab Antragstellung begehrt. Sie müsse sich wegen ihrer Einnierigkeit schonen. Ihre Leistungsfähigkeit habe nachgelassen. Sie leide an einem Fatigue-Syndrom. Wegen ihrer Migräne sei sie nicht in ärztlicher Behandlung. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass ohnehin nur Schmerzmittel verordnet würden. Diese könne sie sich angesichts ihrer medizinischen Vorbildung selbst besorgen.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen Sachverständigengutachten des Internisten Prof. Dr. H, des Orthopäden Dr. G und des Neurologen und Psychiaters Dr. C eingeholt. Laut dem Sachverständigen Prof. Dr. H hat die Klägerin dort angegeben, die Funktion ihrer rechten Niere sei in Ordnung. Sie habe gelegentlich Harnwegsinfekte gehabt, zuletzt 2010. Wegen Kopfschmerzen und Schulterbeschwerden könne sie schlecht schlafen. Die Migräne trete ca. ein- bis zweimal im Monat auf. Sowohl wegen der Schulterschmerzen als auch wegen der Migräne nehme sie bei Bedarf Ibuprofen 800 und zwar ca. 25 Tabletten pro Monat. Der Sachverständige hat ausgeführt, die Klägerin habe den linken Arm schmerzbedingt nicht über den Kopf heben können. Das Nierenleiden sei wegen einer Leukozyturie mit einem Einzel-GdB von 30, die Migräne bei mittelgradigem Verlauf ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 30 und das Schulterleiden mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Der GdB insgesamt betrage 40. Es komme zu negativen Wechselwirkungen zwischen der Migräne und den Schulterbeschwerden, das Nierenleiden führe nicht zu einer Erhöhung. Laut dem Sachverständigen Dr. G hat die Klägerin angegeben, ca. zwei bis drei Tabletten Ibuprofen 800 pro Woche einzunehmen. Der Sachverständige hat ausgeführt, Schultergürtel und Arme seien seitengleich konturiert ohne Atrophien. Bei der segmental motorischen Untersuchung der Arme seien sämtliche Bewegungen seitengleich vorgeführt worden. Bei der Messung nach der Neutral-Null-Methode wird eine Einschränkung des Abspreizens bzw. Anhebens des linken Armes auf 90 Grad angegeben. Der Nackengriff gelinge links nicht vollständig. Als einzig relevantes orthopädisches Leiden sei das Schulterleiden mit einem Einzel-GdB von 20 anzusetzen. Laut dem Sachverständigen Dr. C hat die Klägerin dort angegeben, sie habe zweimal wöchentlich pochende Kopfschmerzen über Stunden, manchmal einen Tag lang. Wenn sie erbreche, verschwänden die Schmerzen. Außerdem habe sie einmal wöchentlich dumpfe Kopfschmerzen. Insgesamt bestünden ca. an fünfzehn Tagen monatlich Kopfschmerzen. Ihre Arbeit könne sie gleichwohl ausüben. Teilweise erhalte sie von ärztlichen Kollegen Spritzen.

Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 13.09.2013 verpflichtet, bei der Klägerin ab Antragstellung einen GdB von 50 festzustellen. Ausgehend von einem Einzel-GdB von 30 für das Migräneleiden und einem Einzel-GdB von 20 für die Bewegungseinschränkung der linken Schulter sei – als Zwischenergebnis – ein GdB von 40 zu bilden. Das Nierenleiden führe aufgrund der Höhe des Einzel-GdB zwingend zu einer weiteren Anhebung.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 19.09.2013 zugestellte Urteil am 15.10.2013 Berufung eingelegt und die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils beantragt, soweit er darin zu einer Feststellung eines GdB von mehr als 40 verpflichtet werde. Er trägt unter Bezugnahme auf versorgungsärztliche Stellungnahmen des MKG-Chirurgen C vor, es bestehe keine Pflicht, den GdB allein deshalb auf 50 anzuheben, weil der Nierenverlust mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet werde. Da angesichts der von Dr. T2 erhobenen Befunde eine Leukozyturie jedenfalls nicht als Dauerzustand vorliege, sei für den Nierenverlust auch nur ein Einzel-GdB von 25 anzusetzen. Der Einzel-GdB von 20 für das Schulterleiden durch Dr. G begegne insofern Bedenken, als dieser nach der Neutral-Null-Methode eine Anhebung links nur bis 90 Grad angebe, gleichzeitig aber ausführe, die Untersuchung der Arme sei beidseits regelrecht ausgeführt worden. Dass die Klägerin regelmäßig schwimme, spreche ebenfalls gegen eine wesentliche Einschränkung im Schulterbereich. Die Klägerin weite ihr Vorbringen zur Migräne immer weiter aus. Weder erfolge diesbezüglich eine Behandlung, noch werde ein Kopfschmerztagebuch geführt. Eine relevante Angstsymptomatik sei gegenüber Dr. C verneint und von diesem auch sonst nicht festgestellt worden. Auch eine Tagesmüdigkeit sei nicht festgestellt worden.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 13.09.2013 zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit die Feststellung eines GdB von mehr als 40 begehrt wird.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hat auf Anregung des Senats ein Kopfschmerztagebuch für den Zeitraum November bis Dezember 2013 geführt und vorgelegt. Sie trägt vor, sie habe nach der Nierenspende häufig Harnwegsinfekte gehabt. Sie vermeide gezielt gefährliche Sportarten. Während sie früher Motorrad und Fahrrad gefahren und gelaufen sei, gehe sie nun nur noch schwimmen, was trotz Schulterbeschwerden möglich sei. Im Hinblick auf die fehlende Niere sei sie funktionell durch ihr Schonverhalten, vor allem aber durch die Angst um eine Erkrankung der verbleibenden Niere beeinträchtigt. Hierzu hätte Dr. C sie näher befragen müssen. Die ärztlichen Kollegen, die sie gelegentlich behandelt hätten, könne sie nicht mehr benennen.

Der Senat hat Behandlungsdokumentationen der Krankenkasse der Klägerin beigezogen und Befundberichte des Urologen Dr. T3 und des Nephrologen Dr. T2 sowie von Amts wegen Sachverständigengutachten des Nephrologen Prof. Dr. X und der Neurologin und Psychiaterin Dr. L eingeholt. Dr. T2 hat ausgeführt, es bestehe formal eine Niereninsuffizienz ersten Grades. Im Übrigen sei der Befund unauffällig. Der Sachverständige Prof. Dr. X hat ausgeführt, die Klägerin lasse ihre Niere nur unregelmäßig kontrollieren. Die Nierenfunktion sei nicht eingeschränkt, eine Niereninsuffizienz liege nicht vor. Die Klägerin sei lediglich insofern eingeschränkt, als keine gefährlichen Sportarten durchgeführt werden sollten. Laut der Sachverständigen Dr. L hat die Klägerin angegeben, die nachlassende Leistungsfähigkeit sei ihr vor zwei bis drei Jahren bewusst geworden. Mit der Klage gehe es um eine höhere Rente. Sie wolle sich außerdem nicht alles gefallen lassen. Die Sachverständige hat ausgeführt, Ibuprofen sei im Urin nicht nachweisbar gewesen. Eine echte Migräne in der von der Klägerin angegebenen Häufigkeit wäre mit dem von ihr ausgeübten Beruf nicht vereinbar gewesen. Ibuprofen helfe allein gegen Kopfschmerzen, nicht aber gegen die vegetativen Begleiterscheinungen einer Migräne. Obwohl weniger nierenschädliche Medikamente existierten, werde keine migränespezifische Behandlung bzw. Medikation in Anspruch genommen. Durch gezieltes Erbrechen könne eine Migräne nicht, wie von der Klägerin angegeben, beendet werden. Der Beschwerdevortrag sei ausgeweitet worden. Mangels jedweder Objektivierung könne die Migräne allenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet werden. Ein Fatigue-Syndrom sei ebenfalls nicht objektiviert. Es gebe auch keine Erkenntnisse, dass ein Fatigue-Syndrom Folge einer Nierenspende sei. Die Klägerin sei insgesamt keinesfalls so beeinträchtigt wie Schwerbehinderte, bei denen allein wegen eines Leidens ein GdB von 50 gerechtfertigt sei. Der GdB betrage allenfalls 40.

Die Klägerin hat beide Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Berichterstatter hat den Antrag mit Beschluss vom 13.11.2014 zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige und auf eine teilweise Klageabweisung gerichtete Berufung ist begründet. Denn das Sozialgericht hat den Beklagten zu Unrecht verurteilt, einen höheren GdB ab 40 festzustellen.

Nach Auflösung der Landesversorgungsverwaltung und Übertragung der Aufgaben nach den §§ 69, 145 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) auf die Kreise und kreisfreien Städte durch §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 des als Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 erlassenen Gesetzes zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen ist der Kreis Coesfeld richtiger Beklagter (vgl. zur Rechtmäßigkeit dieser Aufgabenübertragung grundlegend LSG NRW Urteil vom 12.02.2008 – L 6 SB 101/06, juris und Urteil vom 05.03.2008 – L 10 SB 40/06, juris; BSG Urteil vom 23.04.2009 – B 9 SB 3/08 R, juris Rn 15 ff).

Die Zuständigkeit der Bezirksregierung N zur Entscheidung über den Widerspruch ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (vgl. hierzu LSG NRW Beschluss vom 16.01.2012 – L 10 SB 197/11, juris Rn 16).

Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bezugspunkt für die Frage einer wesentlichen Änderung ist die zuletzt mit Bescheid vom 08.02.2002 erfolgte Feststellung eines GdB von 30. Eine wesentliche Änderung dergestalt, dass der GdB nunmehr mehr als 40 beträgt, liegt nicht vor.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden festgestellt, § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 SGB IX. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für diese Feststellung die Maßstäbe der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG (seit 01.07.2011 § 30 Abs. 16 BVG) erlassenen Rechtsverordnung (VersMedV vom 10.12.2008) und insbesondere ihrer Anlage 2 (VMG) entsprechend. Die Bemessung des (Gesamt-)GdB ist dabei in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (BSG, Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B, juris Rn 5 m.w.N.). In einem ersten Schritt sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in den VMG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann, in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB, in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der maßgebliche (Gesamt-)GdB zu bilden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R, juris Rn 18 m.w.N.). Außerdem sind nach Teil A Nr. 3b VMG bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der VMG feste GdB-Werte angegeben sind (BSG, Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R, juris Rn 25; vgl. zum Ganzen auch LSG NRW, Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11, juris Rn 42 ff. und daran anschließend BSG, Beschluss vom 17.04.2013 – B 9 SB 69/12 B, juris Rn 8 ff).

Den höchsten Einzel-GdB bedingt hier unverändert die fehlende linke Niere. Eine fehlende Niere ist bei gesunder anderer Niere gemäß Teil B Nr. 12.1.1 VMG mit einem GdB von 25 zu bewerten. Erst ein Schaden der verbleibenden Niere mit zumindest krankhaftem Harnbefund rechtfertigt einen GdB von 30. Sämtliche behandelnden Ärzte und Sachverständigen gehen von einer uneingeschränkten Nierenfunktion aus. Daher ist der Einzel-GdB mit 25 anzusetzen. Die vom Sachverständigen Prof. Dr. H festgestellte Leukozyturie stellt angesichts der gegenteiligen Feststellungen von Dr. T2 und Prof. Dr. X jedenfalls keinen Dauerzustand dar. Ob allein aufgrund des Fehlens einer Niere mit Dr. T2 eine Niereninsuffizienz ersten Grades vorliegt, kann dahinstehen, da auch Dr. T2 im Übrigen einen unauffälligen Befund beschreibt. Da es sich nicht um das einzige Leiden handelt, ist eine Aufrundung auf einen GdB von 30 nicht geboten (vgl. Teil A Nr. 2e VMG; Wendler/Schillings, VMG, 6. Aufl. 2013, S. 22). Aus der Entscheidung des BSG vom 27.01.1976 (8 RU 264/74) ergibt sich nichts anderes. Dort wurde lediglich ausgeführt, warum auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung die im Recht der Kriegsopferversorgung angesetzten Werte anzunehmen sind. Frühere Auffassungen des Beklagten zur Höhe des Einzel-GdB sind nicht bindend, da sie keinen Teil des Verfügungssatzes darstellen und damit nicht bestandskräftig werden können (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2008 – B 9/9a SB 6/06 R, juris Rn 20; Beschluss vom 17.04.2013 – B 9 SB 69/12 B, juris Rn 10 m.w.N.).

Das Migräne- bzw. Kopfschmerzleiden ist mit einem GdB von nicht mehr als 20 zu bewerten. Kopfschmerzen sind ebenso wie eine echte Migräne nach Teil B Nr. 2.3 VMG zu bewerten (vgl. Wendler/Schillings, a.a.O., S. 113). Bei mittelgradiger Verlaufsform mit häufigeren Anfällen, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend, kommt ein GdB von 20-40 in Betracht. Gerade bei kaum objektivierbaren Erkrankungen wie der Migräne bzw. Kopfschmerzen kommt der Glaubhaftigkeit der Angaben eine besondere Bedeutung zu (vgl. Wendler/Schillings, a.a.O., S. 112-113). Die Sachverständige Dr. L weist nachvollziehbar darauf hin, dass es hier mangels Inanspruchnahme ärztlicher oder spezifischer medikamentöser Behandlungsoptionen und (zunächst) fehlender Eigendokumentation an ebendiesen objektiven Anhaltspunkten fehlt. Gerade angesichts der medizinischen Erfahrung der Klägerin überrascht die unzureichende bzw. angesichts der Nierenbelastung durch Ibuprofen ggf. sogar kontraindizierte Selbstmedikation der Klägerin. Die von ihr zuletzt – etwa in dem auf Aufforderung des Gerichts über den Zeitraum von knapp einem Monat erstellten Migränetagebuch – angegebene Häufigkeit der Anfälle bei Angabe von mehrstündigen und sogar mehr als einen Tag dauernden Anfällen ist nicht glaubhaft. Denn eine solche Anfallshäufigkeit und -dauer ist mit der von der Klägerin bis zuletzt ohne relevante Unterbrechungen ausgeübten Tätigkeit als OP-Schwester nicht zu vereinbaren. Nicht glaubhaft ist es zudem, dass die Klägerin zunächst angibt, sie habe sich gelegentlich von Kollegen behandeln lassen, dann aber, bei entsprechender Nachfrage, meint, die Namen der Betreffenden nicht angeben zu können, da sie nur deren Vornamen aber nicht die Nachnamen kenne. Auch die Angabe zur Medikamenteneinnahme ist widersprüchlich und zwar selbst dann, wenn die Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. H zur Anfallshäufigkeit tatsächlich – wie die Klägerin behauptet – auf einen Übertragungsfehler zurückgehen. So passt etwa die Angabe der Einnahme von Ibuprofen 800 zwei- bis dreimal die Woche gegenüber den Sachverständigen Dr. G und Dr. C nicht mit der Angabe gegenüber Prof. Dr. H zusammen, es würden ca. 25 Tabletten Ibuprofen 800 pro Monat eingenommen. Allein aufgrund der konstanten Angabe von Migräne- bzw. Kopfschmerzbeschwerden und kontinuierlicher Medikamenteneinnahme kommt hier ein Einzel-GdB von 20 in Betracht.

Weitere Beeinträchtigungen betreffend das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche sind nicht erwiesen. Wie Dr. L in ihrem Gutachten überzeugend dargelegt hat, sind weder eine relevante Angstsymptomatik noch ein Fatigue-Syndrom objektiviert. Dr. L hat zutreffend darauf verwiesen, dass keine Befunde oder biographischen Veränderungen ersichtlich sind, die eine Abnahme der Belastbarkeit oder der Dauerleistungsfähigkeit plausibel machen könnten. Die Klägerin hat sich wegen solcher Beschwerden auch zu keinem Zeitpunkt in ärztlicher Behandlung befunden. Es gibt, ausweislich der Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. X und Dr. L, auch keine wissenschaftlich belegten Hinweise dafür, dass Menschen mit nur einer Niere minderbelastbar oder leichter erschöpft sind, wenn – wie hier bei der Klägerin – die Nierenfunktion intakt und die Nierenwerte normal sind.

Die bei der Klägerin bestehenden Verwachsungsbeschwerden nach Darmoperation sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unverändert gut kompensiert und bedingen gemäß Teil B Nr. 10.2.2 VMG weiterhin einen Einzel-GdB von 10.

Das ausweislich der Befundberichte der behandelnden Ärzte seit dem Jahr 2007 bestehende Schulterleiden bedingt einen Einzel-GdB von allenfalls 20. Gemäß Teil B Nr. 18.13 VMG bedingt die Einschränkung der Armhebung auf 90 Grad einen GdB von 20. Der Sachverständige Dr. G beschreibt eine solche Bewegungseinschränkung. Schonungszeichen wie eine Minderbemuskelung werden dagegen nicht beschrieben. Der Sachverständige Prof. Dr. H führt aus, dass eine Armhebung über den Kopf nicht möglich gewesen sei. Dies bedeutete aber eine Armhebung um zumindest etwas mehr als 90 Grad. Dr. G beschrieb den Nackengriff links lediglich als „nicht vollständig durchführbar“.

Weitere Leiden, die für die Bildung des GdB von Relevanz sein könnten, sind nicht ersichtlich.

Auf der Grundlage der dargelegten Einzel-GdB-Werte beträgt der Gesamt-GdB nicht mehr als 40. Auszugehen ist gemäß Teil A Nr. 3c VMG vom Nierenverlust, da dieser mit einem Wert von 25 den höchsten Einzel-GdB bedingt. Dieser Wert kann aufgrund des Migräneleidens auf einen GdB von 30 aufgerundet werden. Dementsprechend ist auch in dem Bescheid vom 08.02.2002 ein GdB von 30 festgestellt worden. Unter Berücksichtigung der seitdem eingetretenen Änderung durch Hinzutritt des Schultererleidens, das sich vor allem bei Überkopfarbeiten auswirkt, ist ein GdB von allenfalls 40 gerechtfertigt. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass bei der Feststellung des GdB eine Addition der Einzel-GdB-Werte oder andere rechnerische Modelle unzulässig sind. Maßgebend sind vielmehr die Gesamtauswirkungen sämtlicher Funktionsbeeinträchtigungen, wobei nach Teil A Nr. 3 d) ee) VMG von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen und es auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Die sonach gebotene Gesamtbetrachtung lässt die Feststellung eines höheren GdB als 40 nicht zu. Eine weitere Erhöhung scheitert schon an der vergleichsweise geringen Bewertung des hinzugetretenen Leidens (vgl. zur Relevanz von Einzel-GdB von 20 das Urteil des Senats vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11, juris Rn 44; die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG mit Beschluss vom 17.04.2013 – B 9 SB 69/12 B zurückgewiesen).

Bei der Bildung des GdB hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Gesamtheit der Leiden der Klägerin nicht mit Leiden vergleichbar ist, die allein einen GdB von 50 bedingen, wie etwa einer schweren Migräne i.S.v. Teil B Nr. 2.3 VMG oder einer mittelgradigen Nierenfunktionseinschränkung i.S.v. Teil B Nr. 12.1.3 VMG. Anders als die Menschen mit Nierenfunktionseinschränkungen mittleren Grades, die zu stärkeren Beeinträchtigungen des Allgemeinbefindens führen oder Menschen, die an einer schweren Migräne mit lang andauernden Anfällen und Anfallspausen von nur wenigen Tagen leiden, ist bei der Klägerin durchaus regelmäßig noch ein geordneter aktiver Tagesablauf darstellbar. Die Einnierigkeit bedingt für die Klägerin lediglich den Verzicht auf gefährliche Sportarten und tritt in ihren Auswirkungen hinter diese Leiden zurück. Wenn die Klägerin tatsächlich darüber hinaus auch auf Sportarten wie Laufen oder Radfahren verzichten sollte, ist dies weder durch die Einnierigkeit noch die anderen Beeinträchtigungen indiziert. Damit ist die Beeinträchtigung maßgeblich geprägt durch Migräne bzw. Kopfschmerzen, die aber trotz anspruchsvoller und anstrengender OP-Tätigkeit keine wesentliche berufliche oder private Einschränkung bewirkten sowie durch das Schulterleiden, das sich vor allem bei Überkopfarbeiten auswirkt, aber auch nur einseitig besteht und – wie das regelmäßige Schwimmen zeigt – nicht jegliche Armhebung über Schulterhöhe ausschließt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.

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